Alesis Mic Tube Solo verbindet man mit Schlagworten wie Vorverstärker, Röhren-Preamps und Kompressoren. Wenn man in der Suche der großen Internet-Anbieter diese Worte eingibt, erfolgen nicht selten 100 Treffer oder mehr. „Ein breit gefächertes Angebot ist doch toll für die Kunden“, würde man an dieser Stelle anmerken, doch oft trifft das Gegenteil zu. Mancher Einsteiger mag sich durchaus mit der Vielzahl an Gerätschaften überfordert fühlen, die den Markt überflutet haben. Insbesondere für den kleinen Geldbeutel wurde in den letzten Jahren frei nach dem neudeutschen Motto „Geiz ist geil“ sehr viel feilgeboten. Doch ist seit geraumer Zeit eine Trendwende zu entdecken. Immer mehr User wollen zwar relativ günstige Geräte, doch „nur billig“ soll es doch nicht mehr sein. Viele Hersteller setzen wieder vermehrt auf ein wenig mehr Fertigungsqualität und damit auf mehr Nachhaltigkeit. Geräte im Vintage-Gewand sind dabei immer wieder gern genommen.
Auch Alesis hat mit dem MicTube Solo ein Tool in Vintage-Aufmachung auf den Markt gebracht. Hierbei handelt es sich um einen einkanaligen Mikrofonvorverstärker mit einer Röhrenvorstufe. Die Vorverstärkung und der „Drive“, sprich die Sättigung, können separat eingestellt werden. Das „Erschreckende“ an dem kleinen Preamp ist der Preis. Denn das Teil wird für 89,90 Euro (UVP) angeboten. Tatsächlich zahlt man im Laden dafür sogar teilweise nur 69 Euro, was für einen gut klingenden Röhrenpreamp genau genommen nix ist. Ein bisschen erinnert mich das Konzept des Gerätes an den Tube MP Studio V3 von ART, der für 98 Euro (UVP) über den Ladentisch geht. Doch zurück zu Alesis. Jener Hersteller hat sich hinsichtlich der Entwicklung von Studio- und Recording-Equipment wirklich verdient gemacht. Die Company hat seinerzeit im Alleingang das ADAT-Format etabliert und schon, seit ich denken kann, innovative Tools und Audioprozessoren entwickelt. Dabei lag der Fokus schon früh auf der digitalen Signalverarbeitung. Heute beschäftigen wir uns hingegen mal mit etwas voll und ganz Analogem – dem MicTube Solo! Vorhang auf!
DETAILS
Vorfreude ist die schönste…
Ein wenig gespannt war ich ja schon auf den neuen Preamp von Alesis. Als die Pressemitteilung im Oktober in mein virtuelles Postfach flatterte, weckte der MicTube Solo direkt ein wenig Neugierde in mir, zumal mich mein ART Tubepak gerade im Stich gelassen hatte und ich einen derartigen Preamp ganz gut gebrauchen konnte. Ein Anruf bei der Alesis Studiosound GmbH sicherte mir ein Testgerät und wie so oft, wenn sich zur journalistischen Wissensbegierde noch eine Portion Eigenmotivation gesellt, stieg die Neugierde bis zu dem Tag, an dem das Paket dann endlich bei mir aufschlugt.
Aus dem Ei gepellt
Jedenfalls war die Lieferung der Alesis Studiosound GmbH tatsächlich irgendwann da, so dass es endlich zur lang erwarteten Begegnung kommen konnte. „Hallo MicTube Solo! Ich bin Daniel und werde dir in den nächsten Tagen ein wenig auf den Zahn fühlen. Aber keine Sorge, ich mache so was öfter.“ Ich bildete mir ein, einen Seufzer aus dem kleinen 9,5Zoll-Chassis zu hören…Der kleine Vorverstärker kommt mit einem externen Netzteil, ausgedruckter Kurzanleitung inklusive Sicherheitshinweisen und aufklebbaren, viereckigen Gummifüßchen daher
An/Aus – Fehlanzeige!
Die Stromversorgung übernimmt ein externer „Brummer“. Ich nenne das Netzteil nicht „Brummer“, weil er das gleichnamige Störgeräusch von sich gibt, sondern vielmehr wegen der Bauform und Größe, diese beiden Faktoren sind nämlich schon ganz stattlich und erinnern mich eben irgendwie an eine Hummel. Aber gut, 18 Volt Gleichstrom müssen ja auch irgendwo herkommen. Netzteil drangestöpselt, und schon leuchtet das schicke VU-Meter im Vintage-Design schön blau vor sich hin, während die vorn liegenden Lüftungsschlitze den Blick auf die im Inneren werkelnde Röhre freigeben. Dabei fällt mir direkt etwas auf: Wie schon mein alter Röhrenpreamp, krankt auch der MicTube Solo am fehlenden Netzschalter. Das ist eine echte Unsitte geworden, die sich meiner Meinung nach in der Contra-Liste wiederfinden sollte. Nicht jeder will unter den Studiotisch krabbeln, um seine Geräte auszuschalten – ein Netzschalter gehört eigentlich auf jegliche Gerätefront!
Frontpanel
Neben dem bereits erwähnten VU-Meter, welches den Arbeitspegel zwischen -20 dBu und +5 dBu anzeigt, finden sich dort alle Bedienelemente wieder. Eine rechts neben den Reglern befindliche Clip-LED visualisiert Übersteuerungen ab einem nominalen Pegel von +20 dBu! Ein wenig verwunderlich (zumindest in der Theorie) erscheint mir dabei die Pegeldifferenz zwischen dem gerade noch darzustellenden Wert des VU-Meters mit +5 dBu und der Clip-LED mit +20 dBu. Nach Adam Riese liegen da ja satte 15 dB dazwischen. Die später folgenden Praxistests werden dieses Rätsel lösen.
Vier Taster und zwei Regler sorgen für einen intuitiven und dennoch komfortablen Workflow bei einer Mikrofonaufnahme. Ein Gain-Pad-Schalter dämpft den Pegel des Eingangssignals um 20 dB, was bei hochpegeligen Quellen praktisch ist, weil einem der Gain-Regler dann mehr Regelweg zur Verfügung stellt. Ein Schalter namens „Phase“ dreht dieselbe um 180 Grad, was schon mal Sinn machen kann, wenn man ein und die dieselbe Quelle mit zwei Mikrofonen aufzeichnet. Das schaltbare LowCut-Filter, das bei praktikablen 80 Hz ansetzt, sorgt für das Entfernen von Trittschall. Der Taster mit dem Namen „Phantom + 48 V“ aktiviert die Phantomspeisung, um Kondensatormikrofone mit Betriebsspannung zu versorgen. Somit sollte hochwertigen Audioaufnahmen (zumindest von der Ausstattung her) grundsätzlich nichts im Wege stehen. Der linke Regler „Gain“ sorgt für die eigentliche neutrale Vorverstärkung. Die Skalierung des Potis reicht von +20 dB bis + 65 dB, somit arbeitet die regelbare Vorstufe mit netto + 40 dB, was in den meisten Fällen ausreichen sollte. Das „Drive“-Poti zeigt sich für die Sättigung der Röhre zuständig. Wie effektiv der Sättigungsgrad tatsächlich ist und wie das klingt, erfahrt ihr später im Praxisteil.
Backpanel
Das Backpanel beherbergt sämtliche Anschlüsse des MicTube Solo. Sowohl die Eingangs-als auch die Ausgangssektion sind mit je einer XLR- und einer 6,3 mm Klinkenbuchse ausgestattet. Die Klinken sind ausschließlich für unsymmetrische Signale ausgelegt. Es handelt sich also nicht um Schaltklinkenbuchsen, die beides verarbeiten können. Die XLRs hingegen nehmen symmetrisch geführte Signale auf, die von professionellen Mikrofonen eigentlich auch immer ausgegeben werden. Eine Besonderheit gibt es noch hinsichtlich des Klinkeneingangs: Dieser kann auch als Hi-Z-Eingang genutzt werden, um Signale von E-Gitarren und E-Bässen aufzunehmen.