Casio spielte im hart umkämpften Digitalpiano-Markt bislang eher eine Nebenrolle. Zwar hat der Hersteller schon lange die beiden Baureihen Celviano und Privia im Programm, doch wirklich durchsetzen konnten sie sich gegen die „Großen“ nicht. Das soll sich nun ändern: Nicht weniger als sieben neue Modelle hat Casio in diesem Herbst präsentiert. Nebenbei hat sich auch technologisch einiges getan, was die neuen Pianos konkurrenzfähig machen soll.
Aus der Reihe der Neulinge haben wir uns für diesen Test das PX-350 Privia herausgesucht. Das kompakte Piano ist im Mittelfeld der Privia-Serie angesiedelt. Trotzdem bietet es die gleiche Tastatur wie seine größeren Geschwister – und die gleiche, neue Klangerzeugung. Diese hört auf den Namen AiR und soll zu einem erschwinglichen Preis Features beinhalten, die man bisher nur aus deutlich teureren Instrumenten kannte. Aufgrund der geringen Abmessungen und des geringen Gewichts ist das PX-350 Privia absolut transportabel und dürfte somit nicht nur für’s Wohnzimmer, sondern auch für den Bühneneinsatz interessant sein. Mit der integrierten Begleitautomatik ist die komplette Band für’s Hausmusikkonzert gleich mit dabei. Damit bietet das PX-350 Privia einen für diese Preisklasse üppigen Funktionsumfang. Ob es auch qualitativ überzeugen kann, sehen wir uns jetzt mal genauer an.
Details
Äußerlichkeiten
Das erste, was am PX-350 Privia auffällt, ist sein überraschend geringes Gewicht. Für ein Piano mit einer 88-Tasten-Hammermechanik wiegt es mit 11,6 kg (ohne den optionalen Ständer) so gut wie nichts. Man kann es also problemlos alleine bewegen, was die Bühnentauglichkeit immens erhöht. Aber auch im Wohnbereich ist es natürlich von Vorteil, wenn man das Instrument zum Frühjahrsputz mal eben von der Wand abziehen kann, ohne sich dabei einen Bandscheibenvorfall zuzuziehen.
Das Piano ist in schwarz oder weiß erhältlich und steckt in einem Kunststoffgehäuse. Puristen mögen bei einem Digitalpiano ein Holz-Finish bevorzugen, und in der Tat wirkt das Instrument weniger elegant als einige seiner Kollegen aus den oberen Preisklassen. Die echte “Klavier-Optik” fehlt – wer die möchte, wird bei den Spitzenmodellen der Privia- und Celviano-Serien fündig. Das PX-350 Privia ist eher als transportables Kompaktpiano ausgelegt und daher möglichst leicht und platzsparend konstruiert. Es ist gerade eben so groß wie 88 Tasten, Bedienfeld und eingebaute Lautsprecher es nun mal erfordern und fühlt sich deshalb auch in beengten Verhältnissen wohl. Mitgeliefert werden ein Netzteil, ein sehr einfacher Sustain-Fußtaster und ein aufsteckbarer Notenhalter. Wer das PX-350 Privia an einem festen Ort einsetzen möchte, kann es mit dem optional erhältlichen Ständer CS-67P (ca. 90 Euro) und der Dreifach-Pedaleinheit SP-33 (ca. 45 Euro) zum Heimpiano aufrüsten.
Tastatur
Zeitgleich mit der jüngsten Digitalpiano-Offensive hat Casio eine neue Tastatur präsentiert, mit der alle sieben neuen Modelle ausgestattet sind – so auch das PX-350 Privia. Sie bietet eine skalierte Hammermechanik (der Anschlag ist also wie bei einem Flügel nicht überall gleich schwer) und drei Sensoren pro Taste, was unter anderem das Repetitionsverhalten verbessern soll. Die Tasten sind mit feuchtigkeitsabsorbierenden Beschichtungen versehen, die die haptischen Eigenschaften von Elfenbein und Ebenholz imitieren.
Das alles gibt es auch bei anderen Herstellern, aber nirgendwo zu diesem Preis. Das geringe Gewicht der Hammermechanik ist auf jeden Fall bemerkenswert – vergleichbar ausgestattete Tastaturen wogen bislang häufig ein Vielfaches. Wie sich die Klaviatur anfühlt, schauen wir uns im Praxisteil noch genauer an. Links neben der Tastatur befindet sich ein Pitchbend-Rad – für ein Digitalpiano eher ungewöhnlich, aber angesichts der umfangreichen Ausstattung des PX-350 Privia mit “Klavier-fremden” Klangfarben nur konsequent.
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Lautsprecher
Das eingebaute Lautsprechersystem des PX-350 Privia besteht aus vier Speakern bei einer Verstärkungsleistung von 2x 8 Watt, was für ein Digitalpiano nicht besonders viel ist. Trotzdem reichen die Lautsprecher für den Hausgebrauch aus. Sie strahlen auch nach hinten ab und klingen erstaunlich räumlich – der Ton entsteht scheinbar dort, wo er auch angeschlagen wird. Vollends gerecht wird das System dem voluminösen Klang eines Konzertflügels nicht, der Grundsound ist etwas mittig geraten und bei maximaler Lautstärke kommen die Speaker an ihre Grenzen. Dann klingt es etwas blechern und beginnt leicht zu zerren. Mit voll aufgerissenem Volume-Regler operiert man aber schon weit jenseits dessen, was in einer Mietwohnung allgemein als zumutbar angesehen wird. Bei “normalem” Pegel gibt es nichts zu meckern, vor allem nicht zu diesem Preis.
Anschlüsse
Alle Anschlüsse des PX-350 Privia befinden sich an der Gehäuserückseite. Das ist etwas unpraktisch, zumal das Instrument bei der überwiegenden Zahl der Besitzer im Wohnzimmer an einer Wand stehen wird. Die einzige Ausnahme bildet der USB-Port für einen Speicherstick, der leicht zugänglich rechts des Bedienfelds angeordnet ist. Eine Platzierung an der Vorderseite hätte Casio gern auch den beiden Kopfhörerausgängen spendieren dürfen, denn dort muss man ja doch häufiger mal ran. Aber auch für die übrigen Anschlüsse haben sich andere Hersteller bei ihren Pianos schon günstigere Plätze ausgedacht, weil ja noch das Problem hinzukommt, dass man das Instrument unter Umständen recht weit von der Wand entfernt aufstellen muss, um die Buchsen überhaupt benutzen zu können (ein Klinkenstecker beansprucht ja gern mal seine 8-10 cm Luftlinie). Für den Heimgebrauch finde ich die rückseitige Platzierung also eher ungünstig. In einer Live-Situation ist es hingegen nicht schlimm, wenn die Anschlüsse hinten liegen.
Neben den erwähnten Kopfhörerausgängen besitzt das PX-350 Privia einen Stereoausgang (2x 6,3mm Klinke), einen Lineeingang (auch 2x Klinke), MIDI In/Out und zwei USB-Ports (To Device auf dem Bedienfeld / To Host an der Rückseite). Der USB-to-Host-Anschluss kann MIDI-Daten verschicken und empfangen und auch zur Übertragung von Song- und Userdaten zwischen dem Piano und einem Computer benutzt werden. Dafür lässt sich das PX-350 Privia in einen “Device-Mode” versetzen und taucht dann als Laufwerk auf dem Rechner auf – sehr praktisch! Für Pedale sind zwei Eingänge vorhanden (Dämpfer und Soft/Sostenuto). Bei der Verwendung des optionalen Dreifachpedals sind natürlich alle drei Funktionen verfügbar.
Bedienfeld
Die Gestaltung des Bedienfelds ist bei Digitalpianos immer eine Gratwanderung. Kaum jemand möchte sich ein Piano ins Wohnzimmer stellen, das mit leuchtenden Knöpfen übersät ist und eher wie ein Keyboard aussieht. Gleichzeitig erfordern die vielen Funktionen natürlich eine gewisse Mindestanzahl von Tastern, wenn das Instrument einigermaßen komfortabel bedienbar sein soll. Gerade bei günstigen Pianos gibt es mitunter recht abenteuerliche Bedienkonzepte, bei denen sich gewisse Einstellungen nur über kryptische und unmerkbare Kombinationen von Tastern mit bestimmten Tasten der Klaviatur erreichen lassen. Das Casio PX-350 Privia geht hier glücklicherweise einen anderen Weg. Es gibt sowohl eine üppige Ausstattung mit Tastern, als auch ein erfreulich großes Display. Man hat sich wohl gedacht, dass die ungestörte, originale Piano-Optik sowieso nicht Sache dieses Geräts ist, und die nötigen Knöpfe ungeniert eingebaut. Sehr gut.
Nicht ganz so überzeugt bin ich von der Qualität der Taster (sie fühlen sich etwas fragil und nicht besonders haltbar an) und von der Übersichtlichkeit. Nicht nur die Knöpfe selbst sind recht klein geraten, auch die Beschriftung hätte gern etwas größer ausfallen dürfen. Auch eine wie auch immer geartete optische Hervorhebung der häufig benutzten Taster (Navigations-Buttons, Piano-Sektion) wäre schön gewesen. Aber das ist wohl der Kompromiss, den man eingehen muss, wenn man all diese Knöpfe bei einer akzeptablen Optik haben möchte.
Auf der linken Seite befinden sich neben dem Netzschalter und dem Drehknopf für die Lautstärke die Buttons für das Metronom, den Song-Recorder und die komplette Steuerung der Begleitautomatik. Die Knöpfe auf der rechten Seite dienen der Klang- und Registrierungsauswahl, der Navigation durch die Menüs und dem Audio-Recorder.
Klangerzeugung
Mit insgesamt 250 Klangfarben ist das PX-350 Privia für ein Digitalpiano überaus üppig ausgestattet. Wie seine ebenfalls neuen Geschwister besitzt es eine neue Piano-Klangerzeugung, die den luftigen Namen AiR (“Acoustic and intelligent Resonator”) trägt. Dahinter verbergen sich Features und Technologien, die bei den “etablierten” Herstellern zum Teil ein Vielfaches kosten. Die Flügelklänge bedienen sich „mehrdimensionalen Morphings“ und einer verlustfreien Datenkompression, wodurch sie besonders homogen und detailreich ausfallen sollen. Ein „Hammer Response“ genanntes Verfahren simuliert die Größe und das Gewicht der einzelnen Hämmer und die daraus resultierende, charakteristische Anschlagverzögerung für verschiedene Bereiche der Tastatur. Auf einige Fähigkeiten der Casio-Topmodelle muss man beim PX-350 Privia jedoch verzichten. So kommt man bei diesem Piano nicht in den Genuss der Gehäusedeckel-Simulation und der Key-Off-Simulation, die das Abdämpfverhalten in Abhängigkeit von der Loslassgeschwindigkeit der Taste simuliert. Auch Saitenresonanzen beherrscht das PX-350 Privia nicht. Mit dem optionalen Dreifachpedal ist aber immerhin ein Halbpedaleffekt möglich.
Das PX-350 Privia hat einen Layer-Modus zur Schichtung von zwei Klängen, einen Split-Modus, in dem die Tastatur an einem einstellbaren Punkt auf zwei Sounds aufgeteilt werden kann, und einen Duett-Modus, in dem derselbe Sound in zwei getrennten Tastaturbereichen erklingt.
Aufnahme- und Wiedergabefunktionen
Auch in Sachen Recording ist das PX-350 Privia für diese Preisklasse luxuriös ausgestattet. Es gibt nicht nur einen MIDI-Recorder mit 17(!) Spuren (darunter eine Systemspur), sondern auch eine überaus praktische Audio-Aufnahmefunktion. Ohne weiteres Zubehör kann man das eigene Spiel als WAV-File auf einem USB-Stick aufnehmen. Fast alle Klangbeispiele in diesem Test wurden auf diese Weise erzeugt. Die Funktion zeichnet sogar auch ein am Audioeingang anliegendes Signal mit auf.
Das PX-350 Privia ist zum GM-Standard kompatibel und kann MIDI-Files abspielen. Per USB-Verbindung oder via USB-Stick können dafür bis zu 10 User-Songs in den internen Speicher geladen werden. Von einem USB-Stick lassen sich auch Audiofiles im WAV-Format abspielen, während man auf dem Piano dazu spielt. Dafür müssen die Dateien leider zunächst auf dem Rechner etwas umständlich umbenannt werden, aber es geht. Etwas mühsam ist, dass die Audiowiedergabe nicht in der Lautstärke geregelt werden kann. Ein kommerziell gemastertes WAV-File eines aktuellen Songs ist immer viel zu laut im Vergleich zur Piano-Klangerzeugung. Auch die Anpassung von Audiofiles in Tempo und Tonhöhe, wie sie einige Digitalpianos bereits beherrschen, ist nicht möglich.
Frank Lazar sagt:
#1 - 15.12.2012 um 21:09 Uhr
Habe heute sehr lange bei Hieber LINDBERG IN MÜNCHEN Stage Pianos getestet. Spiele selbst ein Yamaha CP 5, welches mir aber zum Rumschleppen schon fast zu schwer ist. Quintessenz: PX 150 zum Spottpreis für 699€ ist von der Tastatur her meiner Meinung nach sehr dynamisch spielbar im Vergleich zum Yamaha (habe Roland nie gemocht!) . Sehr erstaunlich! 11 KG kann man locker auf ne Session mitnehmen! Sollte jeder mal testen!! Das Ganze mit etwas besseren Zusatzsounds, 3-fachPedal im kleinen Gehäuse und die Stagepianoscene wäre aufgemischt! Überlege, ob ich mir das Piano zulege und das sp-33 Pedal umbaue (zum Mitnhemen!)