Praxis
Neben meinem alten Bassman wirkt der Hot Rod DeVille ML wie ein Cousin zweiten Grades. Das Gehäuse ist etwas niedriger und gleichzeitig etwas breiter, um den beiden 12-Zoll-Speakern ausreichend Raum bieten zu können. Im Gegensatz zum Bassman liefert allerdings mein Testamp klanglich von allem wesentlich mehr. Hier gibt es mehr Power, mehr Stabilität und wesentlich höhere Cleanreserven. Als ich den Amp zum ersten Mal angespielt habe, war ich von dem mächtigen Druck und seinem fetten Ton sofort begeistert. Der Amp ist einer der besten cleanen Combos, die ich bisher gespielt habe. Sein Gesamtklang liegt irgendwo zwischen Twin Reverb und Bassmann. Er hat einen insgesamt samtigen Obertonbereich, der zwar klare Fender-Eigenschaften aufweist, aber niemals harsch oder eierschneidermäßig erscheint. Im Gegensatz zum klassischen Twin-Reverb-Konzept darf der Amp, besonders im Zusammenspiel mit dem Booster, schmutzig klingen, was modernen Sounds sehr entgegenkommt.
Aber beginnen wir die klangliche Reise mit den cleanen Einstellungen des Amps. Die verwendete Gitarre ist meine mit Kloppmann-Pickups bestückte 77er Stratocaster mit Ahornhals, die sich im ersten Beispiel mit ihrem Steg-Tonabnehmer präsentieren darf. Die Klangregelung steht bei allen Audiobeispielen in der 12-Uhr-Position, die auch von Michael Landau favorisiert wird. Das Mikro ist ein SM 57 über einen UAD 6176 Preamp. Das verwendete Interface ist ein Apogee Ensemble und als Aufnahmemedium kommt ein iMac mit Logic Pro zum Einsatz.
Jetzt gibt es die gleiche Einstellung noch einmal, jedoch mit dem Halstonabnehmer. Hier hört man bereits sehr schön, wie stabil und harmonisch der Sound wirkt. Gleichzeitig scheint der Verstärker den Ton mit einer sehr leichten Kompression zu verdichten. Der Master steht übrigens auf knapp 10 Uhr, wobei der Amp schon eine beachtliche Lautstärke fabriziert. Eine echte Verzerrung ist jedoch noch nicht wahrnehmbar, obwohl der Ton bereits mit leichten harmonischen Übersteuerungen angereichert ist.
Aktiviert man den Booster, wird der Bright-Schalter deaktiviert, wodurch der Ton nicht nur rotziger, sondern auch etwas fetter wird. Eine wirkliche Verzerrung bekommt man allerdings auch damit nicht hin, dazu muss man den Amp entweder noch weiter aufdrehen oder einen Verzerrer seiner Wahl vorschalten.
Auch wenn es mit erheblichen Lautstärken einhergeht, kann man den Amp sehr gut zum Zerren bringen, indem man ihn, wie bei Amps ohne Mastervolumen üblich, weit aufreißt. Im nächsten Beispiel habe ich den Master auf Halbgas gedreht. Auch hier macht sich der Amp sehr gut und erinnert fast schon an einen alten 50 Watt Marshall.
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Mit aktivem Boost kommt eine zusätzlich Schippe Verzerrung ins Spiel, ohne den Ton zu komprimieren. Blueser und Soundgourmets kommen damit voll auf ihre Kosten, denn was der Amp hier leistet, bieten sonst nur wesentlich teurere Boutique-Amps.
Obwohl man auf der Bühne kaum in den Genuss der Endstufenverzerrung kommen wird, habe ich den Amp noch weiter aufgedreht, nämlich auf Dreiviertel-Gain. Dabei komprimiert der Amp fast schon wie ein AC 30 und generiert in der Zwischenposition von Steg und mittlerem Tonabnehmer fette, silbrige Sounds.
Mit dem Stegpickup knallt der Sound dank der saftigen Endstufenkompression förmlich aus den Speakern. Trotzdem atmet der Sound und man erhält einen klassischen rotzigen Country/Rock-Ton, der sich gewaschen hat.
Wenn jetzt noch der Boost hinzugeschaltet wird, hat man fast schon einen Blackmore-Ton. Zwar hat man den Eindruck, der Amp stehe kurz vor dem Mulmen, aber er tut es nicht und bleibt stabil. Jegliche Anflüge eines fuzzigen Tons fehlen komplett, was mir sehr gut gefällt. Der Bassbereich ist ebenfalls gut abgestimmt und bietet ein sattes und stabiles Fundament, ohne auch nur ansatzweise unscharf oder undefiniert zu klingen.
Wolf Gang sagt:
#1 - 30.08.2023 um 09:33 Uhr
Was genau soll bitteschön ein „gut abgehangener Boutique-Amp“ sein?