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Martin HD-28 Test

Die beiden Geburtshelfer der ersten Dreadnought überhaupt waren Frank Henry Martin, Enkel des Firmengründers Christian Frederick Martin, und Harry Hunt, seines Zeichens Verkaufsleiter in einem Musikalienhandel namens Ditson in New York. Es war 1917 und die wachsendende Nachfrage nach einem lauten und durchsetzungsfähigen Instrument hatte die Beiden zu dieser Gitarre inspiriert, die neben der damals üblichen recht zierlichen Bauform recht monströs wirkte. Der Musikalienhändler Ditson verkaufte das voluminöse Instrument, das nach einem britischen Schlachtschiff benannt war, zunächst exklusiv in seinem Geschäft in New York. Als das Ende der 20er Jahre seine Türen schloss, setzte Martin seine Experimente am Grundentwurf der Dreadnought alleine fort.

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1931 war es schließlich so weit und er präsentierte zwei neuartige Modelle, jetzt unter seinem eigenen Markennamen „Martin“. Zum einen die D-18 mit Boden und Zargen aus Mahagoni und die D-28 mit Boden und Zargen aus Palisander. Beide Modelle erhielten aber erst drei Jahre später ihre endgültige Gestalt, als Martin den Korpusrand am 14. Bund ansetzte. Die alte D-28 mit Boden und Zargen aus Palisander und einem ausgehöhlten (scalopped) X-Bracing wurde bis 1946 mit einer Fischgräten-Randeinlage produziert. In der Nachkriegszeit waren Intarsien aber offensichtlich nicht mehr en vogue, sodass die D-28 ihr Outfit änderte. Erst in den 60er Jahren wurde die Gitarre wiederentdeckt, auch als Kunstobjekt. 1976 entschied man sich bei Martin dazu, die Produktion der Dreadnought D-28 im Vintage-Style (jetzt als HD-28) wieder aufzulegen, um die wachsende Nachfrage nach dem Original mit besagter Fischgräten-Randeinlage aus der Vorkriegsproduktion zu befriedigen. Unsere HD-28, ein Remake der legendären „Flachschulter“ aus der Vorkriegszeit, ist ein High-End-Produkt, das in der Königsklasse locker mitspielen kann.

Details

Das Erfolgsrezept ist bekannt und alle Zutaten haben sich in der Vergangenheit bewährt. Der Body der HD-28 präsentiert sich mit seinen formschönen Rundungen und standardgerechten Größenverhältnissen mit einer Breite von 39,7 cm am Unterbug, einer Breite von 29,7 cm am Oberbug sowie einer Länge von 50,5 cm. Die Gitarre kommt auch ohne Cutaway aus und kokettiert daher nicht primär mit dem Single-Line-Spieler. Die massive Sitkafichtendecke mit fein gezeichneten Maserungen besteht aus zwei symmetrischen Hälften, die ein vollkommen harmonisches Erscheinungsbild vermitteln. Das Spiegelbild entsteht, wenn ein dickeres Brett in zwei dünnere Teile gesägt wird und man die beiden Teile „aufgeklappt“ zusammenfügt. Die Nahtstelle kann man hier nur am Unterbug erahnen. Das Holz der Sitkafichte ist noch reichlich vorhanden, da die Waldbestände in Nordamerika, in denen sie geschlagen wird, immens groß sind. Ihr Stamm hat einen relativ weiten Durchmesser und das Holz ist bekannt für seine bemerkenswerte Stabilität. Unter Lichteinfluss dunkelt es nach und nimmt nach geraumer Zeit einen honiggelben Farbton an. Es produziert einen klaren, hellen Ton und kommt auch mit einem harten Plektrumanschlag klar.

Die zweifarbige Lackierung (two-tone-sunburst) erlebt man „hautnah“. Zwei Lackschichten, eine deckende und eine durchscheinende, sind kunstvoll übereinandergelegt und abschließend mit einem hochglänzenden Klarlack versiegelt. Das Ergebnis erinnert unweigerlich an den Hintergrund eines Aquarells, bei dem dunkle Nussbaumtöne am Rand allmählich in einen hellgelben Zustand im Zentrum übergehen. Die dekorative einfache Schalllochverzierung besteht aus einem breiten Zentralstreifen mit zwei schmaleren Begleitern an der Innen- und Außenseite. Funkelnde bunte Einlagen aus Abalone findet man hier nicht.
Der Deckenrand wird von einer Einfassung, einem weißen Binding (Boltaron) geschützt. Ein Herringbone-Streifen mit dem beliebten Fischgrätenmuster, ein echter Hingucker, verziert rundum diskret die Stoßkante.  Das nierenförmige, schildpattfarbene Pickguard schließlich schützt die Decke beim Strumming mit dem Plektrum. Der robuste Saitenhalter aus mattschwarzem Ebenholz in der altbekannten Form, auch „Bauch“ genannt, überträgt die Schwingungen der Saiten auf die hauchdünne Decke. Ein einteiliger, längenkompensierter Knochensteg, diagonal eingelegt, um die Intonation zu optimieren, ruht absolut sicher in der Fräsung. Für die B-Saite wurde außerdem eine „Nase“ geschaffen, damit sie weiter hinten aufliegen kann als die anderen. Die Saiten selbst werden mithilfe der Ball-Ends und weißen Pins arretiert.
Die beiden symmetrisch gemaserten Bodenhälften aus edlem ostindischem Palisander sind durch einen dekorativen Bodenmittelstreifen (zigzack backstrip) stabilisiert. Die Maserung mit Farbnuancen zwischen dunklen und hellen Partien verläuft schnurgerade. Indisches Palisander spielte schon immer eine Rolle bei der Produktion von Instrumenten. Mit dem Ausfuhrverbot von Rio-Palisander in den 60er Jahren stieg die Bedeutung weiter. Palisander besitzt eine relativ hohe Dichte und produziert volle, sonore Tiefen, aber auch klare transparente Höhen. Der Rohstoff kostet aber auf dem Weltmarkt mehr als Mahagoni. Palisander wertet die HD-28 erheblich auf. Die alte D-18 mit dem Mahagoni-Resonanzkörper war immer preiswerter als ihr „großer Bruder“ mit dem Palisander-Resonanzkörper, die D-28. Zargen und Boden sind perfekt hochglänzend lackiert. Auf buntes Abalone und zusätzliche Einlegearbeiten kann die HD-28 ansonsten verzichten, da das verarbeitete hochwertige Holz an sich schon Wirkung zeigt und einen einzigartigen Sound generiert. Ein hochglänzendes, schneeweißes Binding verbindet rundherum die Bodenhälften mit den beiden Palisanderzargen und schützt die Stoßkanten vor Beschädigungen. Der Resonanzkörper produziert mit einer Zargentiefe von minimal 9,6 cm am Hals und maximal 12,2 cm am Knopf einen satten Sound mit vielen Bassanteilen, welcher der Dreadnought auch schon die Bezeichnung Bassgitarre einbrachte.

Wir werfen einmal einen Blick durch das Schallloch ins Gehäuse der Gitarre. Martin setzt auch auf die „inneren Werte“. Die beiden unter der Fichtendecke kreuzweise verstrebten Leisten (X-bracing) sollen die hauchdünne Decke, die durch die Stahlsaiten größten Spannungen ausgesetzt wird, stabilisieren. Der Schnittpunkt liegt (tastbar) zwischen dem Schallloch und der Saitenhalter-Vorderkante. Der Saitenhalter, der besonders hohen Zugkräften widerstehen muss, ist zwischen den unteren Ausläufern der beiden Verstrebungen eingekeilt. Die Decke, die sich sonst unter der Zugkraft der Stahlsaiten im Stegbereich unfreiwillig aufwölben und gleichzeitig die Saitenlage verändern würde, behält mit dieser bewährten Konstruktion ihre ebene Oberfläche.
Die beiden Deckenleisten belassen ihr trotzdem ein Höchstmaß an Elastizität  und ein gesteigertes Schwingungsmoment, vor allem, weil sie an ihren Enden am Deckenrand ausgeschabt bzw. angespitzt werden. Die Decke, die sich wie eine schwingende Membran eines Lautsprechers verhält, hat so mehr „Hub“, weil zumindest am Rand weniger Masse in Bewegung gesetzt wird.
Schon in den 40er Jahren arbeitete Martin an der Weiterentwicklung des X-Bracings, ein Patent wurde aber nicht angemeldet. Martin wird heute zwar als Erfinder dieser Technik gefeiert, tatsächlich dürfte die wirkliche Urheberschaft, an der wohl mehrere Luthiers unabhängig voneinander beteiligt waren, nicht mehr aufzuklären sein. Allerdings kam die D-28 in der Vorkriegszeit mit einem neuartigen von Martin entwickelten ausgehöhlten (scalopped) X-Bracing auf den Markt, bei dem die Leisten konvex bzw. konkav geformt waren. Ausgehöhlte Boden- und Deckenleisten konnte ich bei dieser HD-28 jedoch nicht sehen oder ertasten.
Der Boden bildet ein solides Fundament, auf dem sich der massige Resonanzkasten, der den größen Anteil am Gesamtgewicht (2100 gr.) mitbringt, erhebt. Ein traditionelles Leiter-Bracing, bestehend aus vier dünnen Querbalken, stabilisiert die beiden Bodenhälften. Decke, Halsfuß und die beiden Zargen werden von einem massiven schweren Halsblock zusammengehalten. Sämtliche Reifchen, rundum am Rand eingesetzt, um den Boden mit den Zargen zu verleimen, sind absolut sauber und gleichmäßig eingesetzt. Die Liebe zum Detail macht den Unterschied.
Das Griffbrett mit Normalmensur (648 mm) besteht aus feinporigem schwarzem Ebenholz und ist stabil auf einem massiven einteiligen Mahagonihals aufgeleimt. Griffbretter für Akustikgitarren werden in der Regel nicht lackiert oder eingefärbt. Hälse aus Mahagoni und Griffbretter aus Ebenholz gehen eine ziemlich stabile und „lebenslange“ Verbindung ein. Ebenholz, dicht und verwindungssteif, zeigt auch nach Jahren keine Abnutzungserscheinungen und bietet in der Regel jedem Hammer-On und jedem Tapping die Stirn.
Ein sanftes Shaping (low profile) mit einem Radius von 16“ erleichert das Spiel mit Barrégriffen. Dabei wird die Wölbung des Griffbretts als Kreisausschnitt verstanden, d.h. je kleiner der Radius, desto größer die Wölbung. 20 perfekt abgerichtete und polierte Bünde mit schmalen Kronen ermöglichen eine mustergültige Intonation auf der ganzen Länge. Im 5. Bund, 9. Bund, 15. Bund und 17. Bund unterstützen mittig eingefräste Dots aus Perlmutt das Auge beim Lagenwechsel. Im 7. Bund und 12. Bund befinden sich doppelte Punkteinlagen, zusätzliche Dots auf der Sichtkante bilden eine ergänzende Orientierungshilfe. Wie beim Original ist auch das Griffbrett der aktuellen HD-28 nicht mit einem Binding eingfasst.
Die klobigen V-Hälse, die Martin früher produzierte, sind inzwischen völlig von der Bildfläche verschwunden. Der schmale Hals der HD-28 wird von einem eingelegten Stahlstab in Form gehalten. Aber auch die Halskrümmung kann mit diesem Truss Rod justiert werden, falls es irgendwann einmal schnarren sollte.
Den Zugang zur Stellschraube gibt das Schallloch frei, die Schraube selbst lässt sich mit einem Sechskant drehen, ohne dass die Saiten entfernt werden müssen. Mit dem Stahlstab wird aber nicht in erster Linie die Saitenlage verändert, dazu müsste man Sattel und/oder Steg höher oder tiefer legen. Doch manchmal, wenn man neue Saiten mit anderer Stärke aufzieht, muss man die Halskrümmung anpassen, um Veränderungen in der Saitenspannung zu kompensieren.
Heute wundert man sich übrigens, dass der justierbare Stahlstab bei Martin erst im Jahr 1985 eingeführt wurde. Die neuen Gitarren kommen in der Regel optimal eingestellt und mit der richtigen Krümmung aus der Fabrik in Nazareth. Sollte trotzdem später eine Korrektur nötig werden, beginnt man den Vorgang eher mit einer kleinen, sanften Drehung. Eine merkliche Veränderung stellt sich manchmal erst nach Stunden ein. Ich habe schon erlebt, dass ein teures Ebenholzgriffbrett nach ein paar Tagen Risse bekam, weil alles nicht schnell genug ging. Grundsätzlich sollte ein Fachmann den Eingriff vornehmen oder zumindest zu Rate gezogen werden.

Am Ende des Griffbrett werden die Saiten über einen echten Knochensattel geführt, der mit einer Breite von 4,3 cm dem Standardmaß entspricht. Selbstverständlich ruhen die Saiten tief und sicher in den Kerben. Der „Neck Joint“ befindet sich am 14. Bund, ab dort gehen Halsfuß und Griffbrett getrennte Wege. Während der Hals die Korpusverbindung mit dem spitzförmigen Halsfuß ausbildet, wird das Griffbrett auf der Decke verleimt.
Der Halsstock wird bei der Dreadnought mit einem Schwalbenschwanz (Dovetail) mit dem Halsblock verzapft. Diese Verbindung ist sehr stabil und robust und könnte zur Not auch ohne zusätzlichen Holzleim überleben. Eine schneeweiße dreieckige Abdeckung bildet die spitze Form des Halsfußes nach. Hals, Halsfuß und die Unterseite der Kopfplatte sind im gleichen Finish matt lackiert, zumal sie auch aus einem massiven Stück Mahagoni gefertigt sind. Die geschlossene Kopfplatte ist in einem Winkel von 16 Grad am Hals angesetzt. Dieser vergleichsweise große Knick sorgt dafür, dass die Saiten am Sattel sicher in den Kerben bleiben. Außerdem soll die größere Saitenspannung auch einen klareren Sound produzieren.
Auf der mit einem hauchdünnen Furnier aus Palisander (rosewood) verblendeten Oberseite prangt das Logo der Firma Martin in goldenen Buchstaben. An beiden Unterseiten der elegant geformten, nicht gefensterten Kopfplatte sind drei geschlossene Mechaniken (Standardgröße) der Firma Grover aus Metall mit griffigen Stimmflügeln verschraubt. Da Zahnrad und Gewindeachse durch das mit Schmierfett gefüllte Gehäuse geschützt werden, kann sich dort kein Schmutz ansammeln.
An der Unterseite der Kopfplatte bildet der Kragen (dart) den Übergang zum Hals. Ursprünglich wurde der Kragen zur Stärkung der strukurellen Schwachstelle am Übergang vom Hals zur abgewinkelten Kopfplatte konzipiert, dort, wo das Holz besonderen Spannungen ausgesetzt ist. Als die Firma Martin dazu überging, Kopfplatten und Hals aus einem Stück zu fertigen, verlor er seine ur-eigentliche Funktion, überlebte aber bei der Dreadnought und wohl auch bei anderen Modellen von Martin als Designmerkmal die Entwicklung. Selbstverständlich darf auch heute bei den  Martingitarren im Vintage-Look der „Dart“ nicht fehlen.
Die Gitarre kommt übrigens in einem robusten, leichten Hartschalenkoffer und wird ohne Aufpreis auch als Linkshändermodell geliefert.

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