Der Pioneer DDJ-SX im Test – Nach dem S1 lässt Pioneer pünktlich zum Jahreswechsel und der anstehenden NAMM-Show seinen zweiten speziell auf Serato zugeschnittenen DJ-Controller auf die Fangemeinschaft los. Doch bevor wir uns dem neuen Flaggschiff der Flotte zuwenden, unternehmen wir eine kleine Zeitreise ins Jahr 2008, wo Vestax mit dem VCI-100 ein neues Zeitalter für MIDI-gesteuerte DJ-Performances einleitet und damit in den Folgejahren eine wahre Flut an kompakten und weniger kompakten Kommandobrücken auslöst. Doch wäre die Erfolgsstory auch geschrieben worden, wenn die Kult-Konsole nicht wie die Faust aufs Auge zu Traktor gepasst und zudem noch exklusiv eine kostenlose Light-Version des Programms im Schlepptau gehabt hätte?
Vier Jahre später trifft nun der Pioneer DDJ-SX im Teststudio ein. Er ist ein Paradebeispiel dafür, was sich in der Zwischenzeit alles getan hat. Nicht nur, dass der Hüne fast viermal so groß ist wie der Urvater und im Gegensatz zu diesem ein integriertes USB-Audio-Interface mitbringt, er ist auch ein echtes Feature-Monster. Und er kann von sich behaupten, der erste Hybrid-Mixer weltweit zu sein, der exklusiv mit Serato DJ (im Nachfolgenden auch SDJ genannt) ausgeliefert wird. Dazu ein paar schnelle Facts:
Der Pioneer DDJ-SX ist ein vollwertiger autonomer Vierkanal-Mixer mit integriertem USB-Audiointerface und MIDI-Controller in Personalunion. Er verfügt über vier Stereokanäle für CD-Player oder Turntables und zwei Mikrofoneingänge, die auf eine -20 dB Talkover-Funktion zugreifen können. Ausgangsseitig stehen zwei Master-Outputs als XLR und Cinch für professionelle Anlagen bereit, begleitet von einem 6,3 Millimeter-Klinken Booth-Out für die DJ-Kabine. An der Vorderseite sind zwei Kopfhörerausgänge platziert, sodass man auch als Team mit dieser Konsole zu Werke gehen kann. Jeder Channel ist mit großzügigen Pegelanzeigen, einem Dreiband-EQ und dedizierten, softwareunabhängigen Kombifiltern ausgestattet (HPF, LPF). Dazu gesellt sich eine Schar Bedienelemente für Serato-DJ, zum Beispiel eine Effektsektion, multifunktionale Performance-Pads mit Velocity und Aftertouch, Dual Deck Simultan-Steuerung, ein Schleifenbaukasten und vieles mehr.
Mit einem Verkaufspreis von 999 Euro, der verglichen mit einem Pioneer Clubmixer gar nicht mal so hoch angesetzt scheint, wendet sich Pioneer an Anwender mit professionellem Anspruch und ambitionierte Ein- und Aufsteiger mit dem nötigen Kleingeld. Im Serato-Lager zählen zu den Hauptkonkurrenten der Numark NS6, Vestax VCI-380 und als Zweikanäler der Pioneer DDJ-S1. Wer noch keine Software-Präferenzen hat, für den könnte auch ein VCI-400 oder der Denon MC-6000 samt Traktor in Betracht kommen. Oder vielleicht auch der DDJ-SX? Wir werden es herausfinden und die Frage beantworten, ob der DDJ-SX der neue König der Performance-Controller wird.
Details
Da staunt der Autor nicht schlecht, als ihm der UPS-Bote den per Luftfracht aus Japan in die deutsche Niederlassung nach Willich eingeflogenen, dann zum Teststudio versandten Riesenkarton aus dem Hause Pioneer in die Hand drückt. Aus dessen Inneren schält sich in beeindruckender Größe ein Vorserienmodell des DDJ-SX heraus. Das Gerät ist eine 664 x 70,4 x 357 Millimeter große und 5,8 Kilogramm schwere Symbiose aus einem vollwertigen autonomen Mischpult, MIDI-Controller und USB-Audiointerface. Ans Tageslicht befördert überrascht die teilweise aus Aluminium gefertigte und daher robust wirkende Konstruktion mit einem zeitlos schicken Design, das seine Abstammung nicht verleugnen kann und ganz sicher auch nicht will. Die Platinen liegen in einem seitlich leicht angewinkelten Kunststoffchassis gebettet, an dessen Boden sechs etwas dünne Standfüße verklebt sind. Oben sehe ich eine gebürstete Aluminium-Faceplate, die mit einer sauber aufgetragenen Lackierung und hell ablesbaren Schriftzügen die hohen Qualitätsansprüche des japanischen Traditionsunternehmens unterstreicht.
Schnittkanten oder Grate konnte ich nicht ausmachen. Alle rückseitigen Buchsen sitzen fest im Anschlussfeld. Die Ein- und Ausgänge sind solide ausgearbeitet. Beim Schütteltest wackelt nichts auffällig. Nebenbei bemerkt möchte ich nicht wissen, was der Bolide in Vollmetall-Ausstattung auf die Waage bringen würde. Dennoch: Das ist kein Teil für den städtischen Wander-DJ. Zum einen, weil es einfach schwer und groß ist, zum anderen, weil der urbane Szenekneipenaktivist in einigen Lokalitäten sicherlich Aufstellprobleme bekommen würde. Ein erster Trockenlauf über die Bedienelemente macht Lust auf mehr, weshalb ich mich auch gleich mal in die Details stürzen möchte. Punkt eins auf der Agenda:
Mixer
Ein Standalone-Mixer benötigt Eingänge für externes Equipment, welche naturgemäß am Backpanel vorzufinden sind. Insgesamt zähle ich vier Stereo-Cinch-Anschlüsse, von denen der erste und zweite Kanal die Aufschrift „Phono/Line“ tragen und eine griffige Rändelschraube zum Anschluss eines Massekabels in ihrer Mitte präsentieren. Die Kanäle drei und vier hingegen sind mit „CD“ beschriftet und teilen sich den Signalpfad mit jeweils einem Mikrofonanschluss (Klinke links, Kombobuchse rechts). Es ist also nicht möglich, vier Decks und zwei Mikrofone gleichzeitig zu betreiben. Inwieweit das für den Einzelnen relevant ist, muss jeder selbst entscheiden, wenngleich eine Mikrofon-Sektion mit separatem Kanal, ähnlich wie bei einem Clubmixer (beim DJM-850 stehen mir hier zwei Level-Regler zur Verfügung) sicherlich auch eine mögliche Option gewesen wäre. Jedoch ist dort lediglich ein Zweibänder zur Klangregelung verbaut und beim DDJ kann man zusätzlich das Filter nutzen. Eine Frage des Anwendungsszenarios.
Insgesamt kommt der DDJ-SX auf drei Stereoausgänge, ausgelegt als XLR (Master 1), Cinch (Master 2) und Klinke (Booth). Damit steht einem professionellen Einsatz mit PA und DJ-Booth genauso wenig im Weg wie der Verwendung an der heimischen Stereoanlage. Eine USB- und Netzteilbuchse, eine Kensington-Ausfräsung und ein schutzgerahmter Einschaltknopf runden das Backpanel ab.
An der linken Vorderseite, wo auch der Serato-Schriftzug prangt, befinden sich zwei Kopfhörerausgänge für 6,3- und 3,5-Millimeter-Stecker, die von einem großen, griffigen und zudem versenkbaren Lautstärkeregler begleitet werden. Die Ausgänge liefern ordentlich Pegel, klingen transparent und druckvoll. Der vom Netzteil bestromte DDJ-SX kann hier im Gegensatz zu einer via USB versorgten Konsole aus dem Vollen schöpfen und dem Team-Battle steht ebenfalls nichts im Wege. Sind zwei Kopfhörer simultan eingestöpselt, kann ich zwar einen Pegelabfall feststellen, was darauf schließen lässt, dass sich beide Ausgänge einen Verstärker teilen. Dieser ist jedoch als marginal einzustufen. Dann folgen die Kanalwahlschalter mit ihren unterschiedlichen Routing-Optionen (PC/Externa) sowie der versenkbare Curve-Regler zur Einstellung der Flankencharakteristik des Crossfaders und die Justierung für den Touch-Sensor des Handrades. Ganz nach rechts gedreht löst der Teller schon bei Annäherung der Hand auf etwa zwei Zentimeter Entfernung aus. In Linksstellung muss ich schon richtig drauf fassen. Dazwischen gibt es alle erdenklichen Abstufungen, um individuellen Anforderungen gerecht zu werden.
Für dich ausgesucht
Wer hier auf dem Frontpanel die Monitoring-Sektion erwartet, liegt falsch. Diese ist nämlich an zentraler Stelle im Mixer zu finden, dem wir uns nun zuwenden wollen. Bleiben wir gleich beim Thema und verbuchen einen Lautstärkeregler für Master und Booth auf der Habenseite sowie das Poti „Headphone Mix“, welches Master- und Preview-Signal (gemäß ausgewählter Cue-Tasten inklusive Master Cue) stufenlos ineinander blendet. Eine Split-Option zum Verteilen von Ausgangs- und Vorhörsignal auf die jeweiligen Kopfhörerseiten ist, warum auch immer, nicht an Bord. Zwar scheint die Implementierung gemäß Software-Preferences angedacht, zum Testzeitpunkt (12.12.2012) sind die Buttons aber noch inaktiv. Dazu ein Screenshot. Die Master-LED-Kette ist im Gegensatz zu den langen Channel-LEDs (15 Segmente) beschriftet, aber nur fünfstufig skaliert (-18 dB bis Over). Das ist schon ein beträchtlicher Unterschied zu den Master-Pegelmetern an einem DJM-850 beispielsweise.
Ebenfalls in dieser Vertikalen residieren oben die Navigation mit Push-Encoder und zwei Tasten, die durch Seitenleiste, Crates und Seratos „Areas“ browsen sowie die Serato-DJ Ansicht umschalten. Unten hat der Flachbahnregler zum Anpassen des Sampler-Volumes ein gemütliches Plätzchen gefunden, jedoch bin ich mir nicht sicher, ob er an dieser Stelle nicht bei manchem Clubmixer-gewöhnten DJ im ersten Moment Verwirrung stiften könnte. Immerhin ist er farblich kenntlich gemacht (rot, die normalen Kanalzüge sind weiß skaliert) und nach ein paar Runden sollte das Layout doch verinnerlicht sein. Zwar gibt es am DDJ nur diesen einen „dedizierten“ Sample-Volume-Regler, die einzelnen Slots können jedoch mit einem zusätzlichen MIDI-Controller gemappt werden. Zusätzlich kann die Lautstärke über die Anschlagdynamik eingespielt werden. Dazu später mehr.
Die eben angesprochenen „normalen“ vier Kanalzüge sind identisch konstruiert und beginnen mit einer Ladetaste (wahlweise auch mit Instant-Double-Funktion), die am jeweiligen Bus mit Playlisten-Sortierung via Shift-Funktionen aufwartet (Track, BPM, Song und Artist – muss im Browser eingeblendet sein). Praktisch. Es folgen zwei Buttons für die Software-FX (der DDJ-SX hat außer dem Kanalfilter keine Hardware-Effekte unter der Haube), ein Trim-Regler mit einer maximalen Aufholverstärkung von neun Dezibel und der Dreiband-EQ mit einer maximalen Absenkung/Anhebung von -26/+6 dB. Kill-Switches oder -Buttons gibt es nicht, im Mixer-Modus bleiben leichte Signalanteile zurück, im Software-Modus wird das Frequenzband durch Linksdrehung komplett ausgelöscht, jedoch ist mir hier von Zeit zu Zeit eine Tonverzerrung beim Bedienen des Low EQs aufgefallen, die ich nachstehend für euch festgehalten habe. Laut Support tritt aber diese Verzerrung im Serienmodell nicht mehr auf.
Die Potis sind gut anzufassen, die Eingriffe ins Klanggeschehen bei +6 dB (kann softwareseitig auf 12 dB erhöht werden) eher musikalisch als brachial. Den krönenden Abschluss der Twist-and-Turn-Fraktion bietet ein eigenständig operierendes, bipolares Kombifilter (Hoch-/Tiefpass), das sich richtig schön schmutzig und für mich absolut Dancefloor-tauglich anhört. Der „Cue“-Button schaltet das Deck auf den Kopfhörer. Sämtliche Kanalfader sind von null bis zehn skaliert, 50 Millimeter lang, sanft gleitend und fußen in einem Wahlschalter für die Crossfader-Pole, womit sie sich entweder einer Seite des Crossfaders zuweisen lassen oder von diesem ausgeschlossen zu Werke gehen. Mittels „Shift“ lässt sich die Fernzündung der Softwaredecks vom ersten Cuepoint aus aktivieren, gemeinhin bekannt als Faderstart. Diese Funktion steht für externe Geräte nicht zur Verfügung. Zum Sound des Mixers möchte ich festhalten, dass er sehr transparent klingt und eine ordentliche Ausgangslautstärke offeriert. Die Phonosignale (Testgerät: Vestax PDX2300MK2 mit Ortofon Scratch-System) kommen bei halbem Trim (12 Uhr-Stellung) und 14-Uhr-Master-Gain auf einen Ausgangspegel von fast vier Dezibel, was ich als satt einstufen würde. Genug Reserven nach oben sind vorhanden.
Deck-Sektionen
Entgegen mancher Umsetzungen von Konkurrenten verzichtet Pioneer bei den Decks komplett auf Spiegelsymmetrie und setzt stattdessen auf zwei identische „Laufwerke“. Das Layout orientiert sich ergo am „good old“ Turntable-Mixer-Turntable Aufbau. Einziger Unterschied: Die linke Seite hat eine zusätzliche Taste verbaut bekommen, mit der ich in der Software zwischen den Panel-Ansichten (FX, Sampler, Record) umschalten kann. Unten sind Transport-, Loop- und Performance-Pads platziert. Die Mitte nehmen Jogdial, Deckswitch, Shift und der Pitchfader mit seinen Gefolgsleuten ein. Oben ist die FX-Sektion samt Touchstrip, Slip und Werkzeugen für das Taktraster beheimatet. Letztgenanntes kann direkt vom Controller aus bearbeitet werden (stauchen, strecken, verschieben, setzen, löschen …).
Insgesamt tummeln sich 29 Drehregler, acht Fader, zwei Touchslider, drei Push-Encoder, zwei Jogwheels, vier Schalter, 75 Tasten und 16 anschlagdynamische Pads auf der Oberfläche. Das macht summa summarum 139 Bedienelemente, die zum Teil doppelt belegt sind, in der Pad-Sektion sogar fünf unterschiedliche Betriebsarten aufrufen. Um das alles spielbar zu gestalten und eine Bedienergonomie zu schaffen, wo der DJ nicht mit den Fingerspitzen zu Werke gehen muss, immer im Hinterkopf ein Nachbarelement nicht anzurempeln, bedarf es einfach räumlicher Ausdehnung. Das noch mal zur Größe des Pioneer Boliden. Doch trotz der Armada an Knöpfchen, Schiebern und Tasten wirkt er für mich keinesfalls überladen, sondern gut durchdacht.
Ein echter Eyecatcher sind die silbernen 150er Jogwheels mit der integrierten Lauflichtanzeige, welche die Abspielrichtung analog zu den rotierenden Deckmarkern in der Software wiedergibt. Verschiedene Lichtspielmuster für den Kranz sind über das Utility-Setup zugänglich. Schade nur, dass sich der Farbzustand nicht der gewählten Arbeitsebene anpasst (von weiß auf blau nach Vorlage des Deckswitch-Buttons wäre nicht schlecht). Die Jogwheels zeigen Fingerführungsmulden an den Kunststoffrändern. Ihre sensitive Oberfläche ist mit einer Aluminiumscheibe besetzt. Wie üblich gibt es einen Bend-Mode zum „In-den-Takt-schubsen“ ohne Touch-Sensor-Funktionalität und einen Vinyl-Modus zum Scratchen mit aktivem Sensor. Die Scheibe ist etwas glatter als bei einem CDJ oder Echtvinyl, liegt aber unterm Strich noch recht gut unter den Fingern. Die Performance beim Scratchen ist gut. Auch langsame Bewegungen werden akkurat umgesetzt. Cuepoints und Gridmarker lassen sich im Pausenmodus gut anfahren. Bei gehaltener Shift-Taste wird mit Hochgeschwindigkeit im Track „beatgeskippt“. Der Needle-Search-Streifen lässt sich ebenfalls zur Hochgeschwindigkeitssuche verwenden.