Schon vor der Frankfurter Musikmesse munkelte man in der DJ-Szene, dass Pioneer das Portfolio um einen DJ-Plattenspieler erweitern will. Dementsprechend erzeugte die Präsentation des Vinyl-Players einen weniger großen Überraschungseffekt, aber weckte doch unermessliche Neugier und große Aufmerksamkeit bei den Messebesuchern. In einer Vitrine präsentiert, machte der Neue allerdings zunächst noch auf geheimnisvoll, denn weder die genaue Bezeichnung, noch den Verkaufspreis oder technische Daten ließ Pioneer damals durchsickern. Ungeahnt der Fakten feierten Blogs die alleinige Rückkehr des Marktführers in Sachen DJ-Equipment zu analogen Tugenden als Statement mit Richtcharakter: Vinyl lebt weiterhin!
Ob noch zu Lebzeiten der Ikone Technics SL-1210 MK2 oder auch im „Jetzt“: über ein mangelndes Angebot an DJ-Plattenspielern konnte man sich eigentlich zu keiner Zeit beklagen. Oft kokettieren die Hersteller mit einem deutlich stärkeren Drehmoment als der Klassiker, häufig verstehen sich die Turntables aber auch als Hybrid-Laufwerke (wie der zuletzt erschienene Reloop RP8000), um mit analogen und digitalen Signalen die Zeichen der Zeit zu repräsentieren. Dennoch etablierten sich die Plattenteller von Reloop, Vestax, Numark oder Stanton größtenteils nur unter den Scratch-Nerds, Bedroom-DJs oder einer neuen DJ-Generation, die den Technics nicht mehr live erlebt hat. Der vinylauflegende Langzeitprofi hingegen erwartet nach wie vor einen Technics-Plattenspieler bei seinem Gig.
Leider stehen dann aber sehr häufig von Staub, Asche und Getränkespritzern verdreckte 1210er bereit, deren Mängelliste sich mit Defekten wie Kabelbrüchen und unberechenbaren Pitch-Fadern fortführen ließe – von verschlissenen Tonarm-Kontakten ganz zu schweigen. Mit echtem Vinyl im Gepäck mag der eine oder andere Mangel noch kaschierbar sein, aber spätestens beim Anschluss eines DVS lassen sich die einseitige Kanalwiedergabe, eine fehlende Erdung oder oxidierte Tonarmkontakte nicht mehr überspielen. Über kurz oder lang muss also ein neuer Plattenspieler her!
Das war vermutlich auch Pioneers Gedanke, schließlich schenken die Deejays den Japanern seit Jahren ein schon fast blindes Vertrauen, sei es bezüglich ihrer CD-Player, DJ-Mixer und (mittlerweile auch) DJ-Controller. Ihr Equipment setzt den Maßstab auf den Kanzeln und auch auf den Technical Ridern, vergleichbar mit dem Technics SL-1210 MK2 unter den Turntables. Technics und Pioneer sind damit in ihrer Dominanz ebenbürtig. Zwar produziert Technics nicht mehr, ist aber als Marke nach wie vor existent und allgegenwärtig. Warum also nicht den DJs das geben, wonach sie sich seit langem sehnen: einen Plattenspieler, der sie technisch überzeugt – und das von einem Hersteller, dem sie (genau wie Technics) blind vertrauen: eben den PLX-1000…von Pioneer.
Details
„Der sieht ja aus wie eine Kopie des Technics!“ Dem damaligen oberflächlichen Urteil mancher Messebesucher kann ich mich nur bedingt anschließen, denn Pioneer wirbt zwar mit einem klassischen und damit vertrauten Turntable-Look, im Detail unterscheidet sich der PLX jedoch recht stark von seinem Vorbild. Man nehme nur die mattschwarze Oberfläche, den markanten Start/Stopp-Knopf bzw. Tempo Reset-Button, den Pitch-Fader, die Speed-Wahltasten oder den Tempo Range-Schalter samt Anzeige. Diese Elemente wurden allesamt von der Pioneer-Produktfamilie übernommen oder an sie angepasst, um dem PLX-1000 seine eigene Identität zu verleihen. Damit ergänzt er das bisherige Setup, bestehend aus Mixern und CD-Playern, nicht nur in technischer Hinsicht, sondern auch optisch.
Pedantisch betrachtet, gleichen dem Technics lediglich die Maserung der Dämpfungsfüße und des Tonarmhöhenverstellungsrings sowie der Tonarm samt Auflagegewicht. Auch zur Rillenausleuchtung im Dunkeln bevorzugt Pioneer bei seinem neuen Flaggschiff eine per Knopfdruck herausfahrbare Lösung. Hier hoffen wir auf eine längere Lebensdauer als beim Vorbild, denn die Beleuchtung des Technics war meistens der erste Grund für den Besuch einer Vertragswerkstatt.
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Generell wirkt das vibrationsgeschützte Chassis des PLX-1000 sehr robust und mit einem Gewicht von rekordverdächtigen 13,1 Kilogramm äußerst massiv. Auch was die Verarbeitung betrifft, liefert Pioneer Qualität auf ganzer Linie. Der direktangetriebene Plattenteller ist leicht in die matte Oberfläche versenkt. Diese mutet übrigens recht kratzfest an, scheint also bestens auf den Hardcore-DJ-Einsatz vorbereitet zu sein.
Der positive Gesamteindruck setzt sich auch bei der Betrachtung des rückwärtig untergebrachten Anschlusspanels fort. Schließlich galt das fest mit der Platine verlötete Anschlusskabel als größtes Manko des Technics. Der PLX-1000 hingegen versteckt die vergoldeten Cinchbuchsen des Phono-Ausgangs, die Erdungsschraube, den Kensington-Lock und den Kaltgeräteanschluss für die Spannungsversorgung in einer Mulde. Dies sorgt auch für den perfekten Kantenschluss zwischen Mixer und den im Battle-Style aufgestellten Tellern.
„Ich fühle mich wie zu Hause“, beschreibt DJ-Legende Qbert in dem Promotion-Clip seine ersten Erfahrungen mit dem PLX-1000 – und spielt damit natürlich auf den SL-1210 MK2 an. Denn selbst im Blindbetrieb könnte ein „Technics-Deejay“ mit dem Pioneer umgehen. Alles sitzt am gewohnten Fleck ohne zusätzlichen Schnickschnack. Um dies zu manifestieren, verzichtete Pioneer auch auf einen zweiten Start/Stopp-Knopf, und überlässt dem 7“-Single-Adapter so seinen gewohnten Platz. Nicht nur ein Kaufargument für „Riddim“-DJs, deren Songmaterial vorrangig auf den kleinen Scheibchen in Jamaika gepresst wird, sondern auch für User des Novation Dicer, die ohne Single Puck-Mulde ihre Controller eher orientierungslos auf dem Chassis unterbrachten. Mal ganz abgesehen davon, dass damit ein „Aus“ der Routine durch unbeabsichtigtes Ein- oder Ausschalten des Plattentellers am zweiten Start-Knopf vom Tisch sein dürfte.
Speed(s)
Auch bei den Geschwindigkeiten beschränkt sich Pioneer lieber auf die beiden Standards 33 1/3 und 45 RPM. Der sehr angenehm gleitende Pitch-Fader mit seinem zehn Zentimeter langen Fader-Weg umfasst hingegen gleich drei unterschiedliche Tempo Ranges: entweder die bewährten acht, aber auch die durchaus gebräuchlichen 16 und die meines Erachtens doch eher überflüssigen 50 Prozent.
Tonarm
Der gegen Vibrationen mit Gummi isolierte S-Tonarm samt SME-Verschluss lässt sich wie gewohnt justieren. Den Tonarmsockel umschließt der Kranz zur Tonarmhöheneinstellung, der neben dem Tonarmhebel arretiert wird. Das Antiskating reicht von eins bis sechs (!). Entsprechend der empfohlenen Auflagegewichtseinstellung des Tonabnehmerherstellers stellt man das beigelegte Auflagegewicht ein. Und das bringt mich ohne Umwege zum Lieferumfang:
Lieferumfang
Schaut man in das Paket des PLX-1000, packt Pioneer neben der Bedienungsanleitung einen Single-Puck, Cinch-, Erdungs- sowie Kaltgerätekabel, ein Auflagegewicht und ein Headshell für die Montage sogenannter Unterdecktonabnehmer zum Gerät. Um ein höheres Eigengewicht von Systemen auszugleichen oder einem Tonabnehmer mit einer besonders harten Nadelaufhängung mehr Spurtreue zu verleihen, montiert man am Headshell jeweils das entsprechend beigelegte Zusatzgewicht.
Ob weniger oder mehr Grip auf dem Plattenteller bevorzugt wird, ist egal: denn für beide Fälle ist der PLX-1000 bestens gerüstet, und so finden sich sowohl eine dünne, harte Pioneer-Slipmat als auch eine dickere Gummimatte im Lieferumfang. Letztere ist im Grunde nur dem HiFi-User für das reine Playback zu empfehlen.
Die beigelegte Abdeckhaube, die bei den meisten DJ-Turntables nur noch optional zum recht üppigen Preis angeboten wird, schützt vor Staub und schließt nicht nur den Turntable, sondern auch die Detail-Rubrik ab.
Michael Gehrt sagt:
#1 - 05.06.2020 um 11:38 Uhr
Schwanke zwischen dem Reloop RP 7000 und dem Pioneer PLX 1000. Sind beide gleichwertig ? Ist der Pioneer besser ? Suche einen guten Plattenspieler mit Langzeitqualität und mit Line in/Aux in Eingang. Integrierter Vorverstärker ist nett, aber kein muß (siehe Pioneer PLX 1000 ohne).
Daniel Wagner sagt:
#1.1 - 07.06.2020 um 14:16 Uhr
Hi Michael!
Pioneer hat seinerzeit für die Serienfertigung des PLX-1000 die Lizenzen für den 1210mk2 von Technics eingekauft und das merkt man im Betrieb in jedweder Hinsicht. Darüber hinaus haben sie die Aspekte, die verbesserungswürdig waren (Nadellicht->LED, feste Strom- und Signalkabel und stärkerer Motor) in die Hand genommen. 1210er Look and Feel ist verblüffend ähnlich.Ich besitze nun seit 4 Jahren 2 Stück davon und ich kann den hochprofessionellen Nachbau von Pioneer uneingeschränkt empfehlen. Einziges Manko der PLX-1000 vor vier Jahren war die kardanische Aufhängung des Tonarms, die im Original Auslieferungszustand nicht korrekt war, denn der Tonarm hat spürbar ein wenig "geschlackert".Wie das mittlerweile ist, kann ich dir leider nicht sagen. Ich habe aber damals beide direkt zum Pioneer-Service geschickt und dort nachjustieren lassen. Nach einer Woche waren beide wieder da und seither - keine Probleme.Ob die Turntables in 10 Jahren noch genauso gut funktionieren, kann ich dir aber natürlich nicht sagen. Wir werden sehen. Für den Pioneer spricht zudem, dass es hier so gar keinen Schnickschnack gibt und die gut 200 Euro, die er mehr kostet als der Reloop RP 7000 mk2 in besserer Technik stecken.Hinsichtlich des Reloop habe ich persönlich keine Erfahrungswerte, vertraue aber dem Urteil unseres Autoren Mijk van Dijk, der den 7000er getestet hat. Er kam zu dem Urteil, dass der 7000er hinsichtlich Look & Feel dem Technics 1210er mk2 hinterherhinkt, aber natürlich auch Vorzüge hat. Die Frage ist, ob dir diese Vorzüge wichtig sind beim Kauf eines TT.Ich hoffe, du kannst mit meinen Infos etwas anfangen.
Greetz,Daniel
Antwort auf #1 von Michael Gehrt
Melden Empfehlen Empfehlung entfernenMantec128 sagt:
#2 - 18.07.2021 um 19:35 Uhr
Noch ein Negativ: Keine Line-Option.
Und in Anbetracht der generell limitierten Funktionen wie Brake-Adjust viel zu teuer im Vergleich zu den technisch baugleichen anderen Super-OEMs. Was Daniel unten schwurbelt ist Marketing-Blödsinn. Der PLX ist genauso ein Hanpin 5500 wie die Reloops auch. Man zahlt nur extra für den Namen und fancy Optik.