Ging es im ersten Teil unseres Flea-Bassworkshops um allgemeine Fragen und die größten Hits der Red Hot Chili Peppers, wollen wir heute Fleas Bassspiel auf dem Album “I’m With You”untersuchen. Die Band hatte sich für das Werk viel Zeit gelassen: Sage und schreibe fünf Jahre waren seit dem Erscheinen der Doppel-CD “Stadium Arcadium” ins Land gegangen. Entsprechend hoch waren die Erwartungen der Fans, als sich schließlich und endlich dann doch der Release des neuen Albums ankündigte. Einen zusätzlichen Erwartungs-Booster stellte die Tatsache dar, dass mit dem jungen Josh Klinghoffer nach Hillel Slovak, John Frusciante und Dave Navarro bereits der vierte Gitarrist sein Debüt mit der Band geben würde.
Flea: “Bloß kein Stillstand!”
Flea ist schon seit jeher sehr lernbegierig und stets auf der Suche nach neuen Inspirationen. Von daher verwundert es kaum, dass er auch während der Zeit nach “Stadium Arcadium” keineswegs untätig war, sondern sich mit der Kunst des Klavierspielens und den Werken eines seiner Lieblingskomponisten Johann Sebastian Bach befasst hatte. Darüber hinaus war Flea für Studienreisen nach Nigeria und Äthiopien gereist.
Diese Einflüsse spiegeln sich auch in Fleas Bassspiel auf den Songs des Albums “I’m With You” wieder – nicht nur in einigen offensichtlich afrikanisch inspirierten Grooves, sondern auch in sehr kreativen, melodischen Basslinien, die man in Rockmusik so nicht unbedingt erwarten würde!
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Fleas Equipment auf “I’m With You”
Flea hat das komplette Album mit zwei Jazz-Bässen von Fender eingespielt. Neben seinem eigenen 61er kommt ein weiterer alter Fender des gleichen Jahrgangs zum Einsatz, dem sein Freund Damien Hirst eine auffällige Schmetterling-Lackierung verpasst hat.
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Daher steht der Basssound des Albums fraglos im Zeichen des legendären Fender Jazz Bass – mal etwas dicker mit kräftigem Bassboost, mal knochiger mit mehr Bridgepickup. Leichte Soundvariationen erzeugt Flea lediglich durch seine Spieltechnik.
Und auch mit Bass-Effekten geht der Meister tatsächlich eher sparsam um. Auf dem “I’m With You”-Album kommt für die seltenen Fuzz-Effekte ein B:Assmaster-Pedal von Malekko zum Einsatz, für Filtereffekte (wie zum Beispiel beim Song „Goodbye Hooray“) hat Flea in der Vergangenheit häufig den Moogerfooger der Firma Moog eingesetzt. Welchen Filter er auf diesem Album verwendet hat, konnte ich jedoch nicht in Erfahrung bringen.
Workshop-Teil: Ausgewählte Basslines des “I’m With You”-Albums
“Factory Of Faith”
Vers
Zum Einstieg in die Praxis habe ich das Stück „Factory Of Faith“ ausgesucht, bei dem Flea im Intro zusammen mit Drummer Chad Smith den Groove des Verses vorlegt. Das Ganze ist ein typisches Beispiel für einen sehr dominanten Signature-Flea-Groove, der dem Song sofort seinen Stempel aufdrückt. Folglich steht der Bass in den Strophen auch sehr im Vordergrund. Josh Klinghoffer steuert später lediglich ein paar sparsame Funklicks bei.
Die Rhythmik des Bassgrooves wiederholt sich zwar alle zwei Takte, sollte aber nicht unterschätzt werden. Das erste rhythmische Pattern geht bis zur Zählzeit „3 und“ und wiederholt sich danach wieder, beginnend auf dem vierten Schlag des ersten Taktes. Der Groove hat also einen dezenten Dreiviertel-Verschiebecharakter, der jeden rhythmisch nicht so sehr versierten Spieler durchaus erstmal aus der Bahn werfen könnte. Hier hilft wie immer langsames Üben mit Metronom, damit klar wird, wie die Rhythmik funktioniert.
Harmonisch bewegt sich die Strophe in D-Moll und wechselt eintaktig zwischen den Akkorden D-Moll und Bb-Dur. Das Tonmaterial rekrutiert sich folglich aus den Kirchentonleitern D-Aeolisch und Bb-lydisch. Interessant ist dabei, wie Flea eine achttaktige melodisch geschlossene Sequenz schafft, die er immer wiederholt. Mit geschickten melodischen Variationen im 2., 4. und 6. Takt spannt er einen großen Bogen und hält den Strophenteil damit interessant.
Chorus
Im Chorus von „Factory of Faith“ bleibt Flea bei der Tonauswahl eher grundtonbezogen und variiert ab und an durch Oktavierungen. Der Bass ist auf der Aufnahme nicht besonders differenziert zu hören und außerdem spielt Flea jeden Chorus etwas anders. Aus diesem Grund habe ich hier exemplarisch einen Durchgang aufgeschrieben. Ihr könnt aber rhythmisch durchaus variieren und je nach Belieben eher Achtel- oder Viertelbass-mäßig spielen.
Die Herausforderung liegt hier viel mehr im Taktartwechsel innerhalb der 16-taktigen Chorusform. Die Akkordfolge D-Moll, Bb-Dur und zwei Takte C-Dur wiederholt sich viermal, der zweite Takt ist aber jeweils ein 2/4-Takt.
Damit jedoch nicht genug: Der dritte Durchgang ist leider um zwei Viertel kürzer als die anderen, der 12. Takt also somit auch ein 2/4-Takt. Das hört sich furchtbar kompliziert an, wenn ihr euch die Noten anschaut und zu dem Track jammt, werdet ihr aber feststellen, dass die Basslinie trotzdem flüssig läuft – es sind ja zum Glück keine ungeraden Takte drin!
“Ethiopia”
Vers
Wenn wir schon mal bei verschiedenen Taktarten sind, knöpfen wir uns als nächsten doch gleich den Track „Ethiopia“ vor, dessen Strophe im 7/8-Takt steht und im Chorus auf einen normalen 4/4-Takt wechselt. 7/8 hört sich natürlich erst mal kompliziert an, Flea spielt als Groove aber ein statisches Discobass-Pattern, dessen Rhythmik in jedem Takt gleich ist. Der Groove wird dadurch sehr klar und übersichtlich und an die fehlende Achtel kann man sich mit der Zeit gewöhnen.
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Die Akkordfolge im Verse ist A-Moll / G-Dur / F-Dur / D-Moll / E-Moll. Flea spielt hier jeweils nur die Grundtöne. Rhythmisch haben wir es mit einer Art Discogroove zu tun, aber weil Flea eben Flea ist, fängt er nicht mit den tiefen Grundtönen an, wie man es standardmäßig machen würde. Statt dessen benutzt er die hoch oktavierten Töne, quasi ein “Inversdisco” (Achtung, Wortschöpfung!).
Bei derartigen Dicogrooves ist ein exaktes Timing sehr wichtig, und besonders die Tondopplungen sollten extrem akkurat gespielt werden. Wenn es zu sehr eiert, geht der statische Charakter schnell verloren.
Falls ihr noch nie solche Grooves gespielt haben und euch die Tondopplungen Probleme machen, habe ich hier einige Vorübungen aufgeschrieben. Die erste Übung ist eine normale Achtelbasslinie mit Tondopplungen auf einem Ton, bei der zweiten drehen wir hoch und tief einfach um, so wie es Flea bei “Ethiopia” macht. Die dritte variiert zwischen A und D, damit ihr mit der rechten Hand den Wechsel über alle Strings übt. Die vierte Übung hat auf den Zählzeiten 2+ und 4+ Achtelpausen und klingt schon fast nach “Ethiopia”.
Wiederholt jede Übung für sich, bis ihr mit jeder wirklich sicher seid. Wenn ihr alle vier Übungen exakt spielen könnt, solltet ihr euch mit der „Ethiopia“-Strophe beschäftigen.
Chorus
Beim Chorus von „Ethiopia“ könnt ihr wieder etwas durchatmen! Dieser wird nämlich, wie oben schon erwähnt, im handelsüblichen 4/4-Takt gespielt. Allerdings mit einem kleinen Trick: Alle ersten Takt-Zählzeiten sind um eine Achtel auf die “4 und” vorgezogen, wie ihr im Notenbild leicht erkennen könnt.
Die Buchstaben “H” und “P” im 5. Takt stehen für „Hammer-On“ bzw „Pull-Off“.
Ihr kennt diese Technik bestimmt vom Slappen, das E wird nicht mit der rechten Hand angeschlagen, sondern mit dem Ringfinger der Greifhand durch „Draufhämmern“ erzeugt. Das D danach entsteht durch Abziehen des Ringfingers bei gleichzeitigem Greifen des D mit dem Zeigefinger. Die Phrase klingt dadurch flüssiger und legerer.
“Look Around”
Chorus
„Look Around“ ist ein treibender funky Song in bester RHCP-Tradition mit einem Intro und Chorus-Bassgroove, der richtig Spaß macht! Flea spielt den Groove aggressiv und schlägt mit der rechten Hand sehr hart an, um einen perkussiven und funkigen Sound zu erhalten. Damit der Ton dabei nicht total außer Kontrolle gerät und zu sehr scheppert, sollte man relativ weit hinten, also Richtung Bridge-Pickup anschlagen, da die Saiten hier mehr Widerstand bieten. Die Position hängt aber im Wesentlichen von der individuellen Anschlagstärke ab – da müsst ihr selber probieren, wie es am besten funktioniert.
Der Akkordwechsel ist G-Moll / Eb-Dur / C-Moll, und das Tonmaterial stammt dementsprechend (mit Ausnahme der chromatischen Durchgangstöne E und Ges im 4. Takt) aus der Kirchentonleiter G-Moll-Aeolisch, also der natürlichen Molltonleiter.
Vers
Der Verse-Groove von “Look Around” ist etwas zurückhaltender: eine relativ simple Achtelbasslinie, allerdings mit ein paar sehr schönen melodischen Fills, die einen Blick wert sind. Die wiederkehrende Akkordfolge ist G-Moll / F-Dur / Eb-Dur / C-Moll / D-Dur, und die Fills platziert Flea bei der ersten Wiederholung, also ab dem 5. Takt.
Das Tonmaterial rekrutiert sich wieder komplett aus G-Moll aeolisch, hier gibt es also nichts Neues. Das H über den Noten steht natürlich wieder für „Hammer-On“, die Töne werden also nicht mit der rechten Hand angeschlagen. Ihr könnt diese Töne auch von jeweils einem Ton tiefer aus „ansliden“, deshalb die Stichnoten und Linien in den Noten. Am besten ist aber immer, das Original anzuhören und zu versuchen, die Phrasierung von Flea mit eigenen Mitteln umzusetzen.
Im dritten und vierten Durchgang der Akkordfolge spielt Flea eisenhart nur noch Grundtöne und wird im Verlauf immer aggressiver. Er schlägt zunehmend härter an und spielt die Töne sehr staccato an, also kurz und prägnant. Damit der Sound dabei immer trockener und perkussiver wird, solltet ihr im Verlauf der Strophe (besonders ab dem dritten Durchgang) immer weiter hinten, also immer mehr Richtung Bridge-Pickup anschlagen.
Interlude
Für „Look Around“ habe ich noch ein Schmankerl für euch aufgeschrieben! Es gibt nämlich ein spaciges Interlude mit einer sehr schönen Basslinie von Flea. Dabei handelt es sich im Grunde um ein zweitaktiges Pattern, das sich immer wiederholt, allerdings mit einer kleinen Variation im sechsten Takt, in dem das hohe G statt der sonst üblichen Achteln G und A gespielt wird.
Die Töne E und D auf der G-Saite in jedem zweiten Takt des zweitaktigen Patterns sollten jeweils von einem Ton tiefer angeslidet werden. Im Klartext: Im Falle des hohen E spielt ihr zunächst ein D und rutsch dann blitzschnell einen Ganzton höher auf das E. Beim D macht ihr es entsprechend und rutscht vom gespielten C einen Ganzton höher. Das ist technisch nicht ganz einfach. Für den Rutscher ist nicht viel Zeit, da das Tempo relativ ungemütlich ist.
Im oben schon erwähnten sechsten Takt slidet Flea vom bereits „errutschten D“ auf der 4. sogar noch weiter bis zum G auf der G-Saite. Das ist eine ziemlich lange Strecke, die eine Quarte bzw. fünf Bünde überbrückt. Um eine zielgenaue Landung zu üben, solltet ihr das Tempo erstmal kräftig nach unten schrauben.
Es spricht natürlich auch nichts dagegen, die ganze Basslinie erst einmal ohne Slides zu üben und die Töne einfach direkt zu spielen, wie es in den Noten steht. Wenn ihr die Rhythmik gut draufhabt, könnt ihr euch immer noch um die Phrasierung kümmern und die Slides ins Spiel bringen. Das Tonmaterial im Interlude ist auch eher übersichtlich, Flea spielt über der Akkordfolge A-Moll / D-Dur / C-Dur (bis auf den chromatischen Durchgangston Eb am Ende jedes ersten Taktes) nur leitereigene Töne aus A-Moll-Aeolisch – genau genommen reicht sogar die A-Moll-Pentatonik mit den Tönen A-C-D-E-G-A!
“The Adventures Of Rain Dance Maggie”
Vers
Weiter geht es mit der Hitsingle „The Adventures Of Rain Dance Maggie“. Der Verse besteht nur aus den zwei Akkorden E-Moll und C-Dur, die im Wechsel gespielt werden. Die Töne bezieht Flea folglich aus der natürlichen Molltonleiter in E-Moll, also E-Aeolisch, verwendet aber zusätzlich die chromatischen Durchgangstöne Cis und Es, um die zwei Harmonien zu verbinden.
„The Adventures Of Rain Dance Maggie“ ist eine Achtel-Rocknummer – ihr solltet für diesen Groove einen möglichst fetten Sound erzeugen, den ihr am leichtesten hin bekommt, wenn ihr mit der rechten Hand im Bereich des Halspickups anschlagt.
Chorus
Der Chorus von „The Adventures Of Rain Dance Maggie“ ist noch simpler als die Strophe. Flea spielt hier einen klassisch-groovenden Achtelbass und oktaviert lediglich ab und an ein paar Töne. Dabei müsst ihr euch nicht zwingend an die Noten halten. Experimentiert einfach mit den Oktavierungen an verschiedenen Stellen um den Groove etwas aufzulockern.
“Did I Let You Know”
Vers
Wie ich bereits in der Einleitung erwähnt habe, hielt Flea sich in den letzten Jahren häufiger mal in Afrika auf, um mit der hiesigen Szene in Kontakt zu kommen und ihre Musik zu studieren. Kein Wunder also, dass auch auf “I’m WIth You” entsprechende Einflüsse zu finden sind. Zum Beispiel im Song „Did I Let You Know“, der vor allem im Vers deutliches Afrika-Flair versprüht.
Die Akkordstruktur des Verses ist wieder sehr simpel, lediglich zwei Akkorde C-Moll und Bb-Dur wechseln sich ab und werden von Flea konsequenterweise mit diatonischem Tonmaterial aus den beiden Skalen C-Moll Aeolisch und Bb-Dur-Ionisch bedient.
Die Rhythmik mit den Tonwiederholungen und Synkopen verleiht dem Bassriff den afrikanischen Charakter, auch wenn es sich im Wesentlichen nur um ein rhytmisches Riff handelt, welches drei Mal wiederholt und im vierten Takt als Antwort leicht variiert wird. Sollten die Sechzehntelwiederholungen auf dem dritten Schlag zu schnell sein, könnt ihr die Stelle auch einfach Ausdünnen und auf dem dritten Schlag eine punktierte Achtelnote spielen. Das Riff behält durch die neue Synkope trotzdem seinen afrikanischen Charakter und verliert seinen Groove nicht.
Refrain
Den Abschluss unseres heutigen Flea-Exkurses macht der Refrain von „Did I Let you Know“. Flea schiebt in dem Groove immer die tiefen Quinten der betreffenden Tonalität zwischen die Grundtöne, was zur Folge hat, dass sehr viele unangenehme Quarten zu greifen sind.
Das ist technisch gar nicht so einfach, wenn sauber spielen will. Ich empfehle im ersten Takt die Quarte – also das F und das C – mit einem Finger (Zeigefinger) als Barrée zu greifen, im zweiten Takt das G aber mit dem Kleinen, und das D mit dem Ringfinger, weil es mit dem kleinen Finger zu schwer ist, zwei Saiten gleichzeitig sauber zu drücken. Hochrutschen, um beide Takte mit dem Zeigefinger zu spielen, geht hier nicht, weil ihr den chromatischen Durchgang dann nicht sauber spielen könnt.
Im fünften und sechsten Takt geht das allerdings und macht auch Sinn, weil ihr sowieso hoch müsst, um das D auf der A-Saite zu greifen. Die Rhythmik des wiederkehrenden Riffs ist auch nicht ganz ohne und ich empfehle hier, die Notenwerte erstmal bei langsamem Tempo mit Metronom und auf nur einem Ton zu üben. Es ist meistens einfacher, sich auf nur einen Parameter zu konzentrieren. Wenn die Rhythmik erst einmal 100% sitzt, ist es nicht mehr so schwer, die verschiedenen Tonhöhen und Fingersätze umzusetzen.
Ich wünsche allseits viel Spaß beim Jammen zu diesen tollen Basstracks von Flea!
Euer Rainer Wind
Marek sagt:
#1 - 17.11.2011 um 01:31 Uhr
"Monarchy Of Roses". Warum ist das beste Lied der Bassgitarre nicht dabei?
Bademeister sagt:
#2 - 27.11.2011 um 16:28 Uhr
Super Erklärungen und Transkription - Danke
L. Bitz sagt:
#3 - 27.12.2013 um 22:09 Uhr
Wow, da hat sich jemand Mühe gegeben. Tolle Transkriptionen und das alles umsonst! Klasse!!!