Als alteingesessener Anwender von Steinbergs Musikproduktions-Software ist man zumindest seit den letzten Versionen auf einen nahezu exakt zweijährigen Update-Zyklus geeicht, der bisher jeweils pünktlich zur kalifornischen NAMM-Show endete. Wer dementsprechend mit einem Release-Termin im Januar 2013 gerechnet hat, der darf sich diesmal schon früher freuen, denn das neue Cubase mit der Versionsnummer 7 ist schon vor wenigen Tagen backfrisch wie ein Weihnachtsplätzchen in unserer Redaktion eingetroffen und seit dem fünften Dezember offiziell erhältlich. Somit könnte die hübsch anzusehende schwarze Pappschachtel sogar einen Platz unter dem Weihnachtsbaum finden. Aber was ist wohl im Päckchen? Handelt es sich um eine Art kostenpflichtiges Super-Geschenk, das uns einen Haken hinter alle Punkte auf unserem Wunschzettel machen lässt oder schlüpft der Steinberg-Weihnachtsmann möglicherweise sogar in die Rolle der uninspirierten Schwiegermutter, die uns aus Verlegenheit eine Krawatte mit Notenschlüssel-Aufdruck und selbst-gehäkelte Unterwäsche schenkt? Auch wenn wir in diesem Test-Preview noch keine endgültigen Antworten geben können, werden wir ein wenig vorfühlen.
Die augenscheinlichste Veränderung in Version 7 ist der neue Mixer, mit dem laut Steinberg alles übersichtlicher, unkomplizierter und schlicht, kurz und einfach „besser“ wird. Eines der Kernfeatures der virtuellen Konsole ist das Channel-Strip-Modul, das direkt über das Mixer-Fenster Zugriff auf die Parameter von einem Gate, drei verschiedenen Kompressoren, einem Equalizer, einem Enveloper zur Transienten-Bearbeitung, zwei Sättigungs-Effekten (Band- und Röhrensättigung) und Limiter bzw. Maximizer bietet. Der Sinn dahinter ist klar: Man hantiert nicht mehr in endlos vielen Fenstern, sondern kann die grundlegenden Einstellungen für alle Kanäle jederzeit und ohne viele Mausklicks direkt erreichen. Voraussetzung dafür ist natürlich, dass man wirklich auch die Effekte verwenden will, die in Cubase enthalten sind. Für Anwender, die hauptsächlich mit Plug-Ins von Drittanbietern arbeiten, wird der Channel-Strip keinen Kaufreiz auslösen, diese Gruppe braucht sich am neuen Feature aber nicht zu stören, denn es kann im flexiblen Fensterlayout jederzeit verborgen werden. Rein optisch bricht der Channel-Strip mit dem bisher eher futuristischen Look von Cubase und weckt dagegen Erinnerungen an Vintage-Konsolen aus der Analog-Ära. Um es etwas konkreter zu sagen: Das sieht alles schon sehr nach einem alten Mischpult-Boliden aus dem Hause SSL aus.
Die neue Bedienoberfläche ist frei skalierbar und insgesamt flexibler in der Anordnung der Parameter geworden. In einer ersten und oberflächlichen Betrachtung liegen die größten Highlights für mich vor allem bei den ganz einfachen Neuerungen: Mit dem Quick-Link Feature wird das Bearbeiten von mehreren Kanälen gleichzeitig so einfach, wie es schon immer gewesen sein sollte. Mit den komplexeren Control-Links verknüpft man dagegen Kanäle permanent, kann aber entscheiden, ob beispielsweise Pan-Regler, Lautstärke oder komplette Insert-Effekte inklusive aller Parameter betroffen sind. Alle Inserts, Sends, Channel-Strips und EQs lassen sich zudem global mit nur jeweils einem Mausklick pro Kategorie auf Bypass zu setzen. Sofern die Lautstärken der einzelnen Kanäle durch die Effekte nicht zu deutlich verändert werden, kann man somit jederzeit mit dem ursprünglichen Roughmix gegenhören – ein sehr schöner Weg, um der altbekannten Gefahr der „Verschlimmbesserung“ vorzubeugen. Ein neues Loudness-Meter im Master-Channel gibt sein optisches Feedback nicht nur zu den Spitzenpegeln der laufenden Mischung, sondern macht auch Angaben zur wahrgenommenen „Lautheit“, was vor allem hochinteressant wird, sobald Kompressoren oder Limiter im Master-Channel mit von der Partie sind. Die Angaben entsprechen dabei der EBU R 128 Empfehlung, die sich bemüht, den Loudness-War mit seiner Prämisse „Wer lauter ist, gewinnt“ in den Griff zu bekommen. Schön wäre es ja!
Viele Anwender werden sich bei der Arbeit mit dem Mixer über den Analyzer freuen, der (endlich!) in den Channel-EQ integriert wurde und der eine visuelle Hilfe bei der Bearbeitung des Spektrums darstellen kann. Zudem kann der Channel-EQ nun (ebenfalls endlich!) an unterschiedlichen Stellen im Signalweg des Channel-Strips positioniert werden und somit beispielsweise nicht nur hinter, sondern auch vor den Kompressor geschaltet werden. Des Weiteren finden sich einige neue bzw. überarbeitete Plug-Ins in der Standard-Ausstattung. Besonders sticht hier der CurveEQ heraus, der von Steinberg aus dem Angebot des Drittanbieters Voxengo übernommen und in die große Version von Cubase 7 (nicht jedoch in Cubase Artist 7) integriert wurde. Es handelt sich dabei um einen sogenannten 64-Band Spline-EQ, der die Möglichkeit bietet, EQ-Kurvenverläufe in einem Freeform-Modus mit der Maus einzuzeichnen und sogar bestehende Spuren auf ihren Frequenzgang hin zu analysieren und das Ergebnis auf andere Spuren zu übertragen.
Es wird sicher etwas Einarbeitungszeit nötig sein, bis ein stetiger Workflow eintritt, und ich persönlich war in der ersten halben Stunde zugegebenermaßen höchst orientierungslos. Unter dem Strich sieht der neue Mixer jedenfalls sehr vielversprechend aus. Das ist aber natürlich noch nicht alles, denn was wäre ein Major-Update von Cubase schon ohne einen zumindest grundlegend überarbeiteten oder am besten gleich ganz neuen Spur-Typ. Auch den haben die Steinberger in Version 7 im Programm: Mit der Akkord-Spur versucht Cubase, das harmonische Material aus MIDI-Spuren (und auch aus Audio-Spuren, die mit Vari-Audio analysiert wurden) zu erkennen und somit eine Hilfestellung beim Songwriting zu liefern. Der Grundgedanke ist, dass globales Transponieren eines Layouts oder des Ersetzen von Akkorden möglich ist, ohne jede betreffende Spur einzeln anpassen zu müssen. Gerade zum Experimentieren mit einer frischen Song-Idee kann das natürlich äußerst nützlich sein. Wie sich dieses Feature in der Praxis schlägt, ob Cubase tatsächlich (wie angekündigt) selbständig sinnvolle Stimmführungen umsetzt, die jenseits eines bloßen Experiments liegen, und ob der zusätzliche Chord Assistant (nur Cubase 7) dann auch noch zusätzliche clevere Ratschläge zur Auswahl von Akkorden liefern kann, werden wir im ausführlichen Test herausfinden.
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Vari-Audio ist seit Versionsnummer 5 ein Alleinstellungsmerkmal von Cubase. Autotuner sind inzwischen zwar weit verbreitet, die Möglichkeit, monophones (also einstimmiges) Audiomaterial Note für Note in Bezug auf seine Intonation zu bearbeiten, wie es von der hochspezialisierten Software Celemony Melodyne vorgemacht wird, ist dagegen in keiner anderen Sequencer-Software zu finden. In Cubase 7 wird das Vari-Audio Feature nun weiter ausgebaut, wobei man sich von den Screenshots mit mehrstimmigen Passagen aber nicht zu viel Hoffnung in der Richtung machen lassen sollte, dass sich nun möglicherweise auch polyphones (also mehrstimmiges) Material bearbeiten lassen könnte. Die Neuerungen in Vari-Audio 2 beschränken sich darauf, dass die zugrundeliegenden Rechenvorgänge optimiert wurden und erleichtern das Erzeugen eines Chorsatzes aus einer einzelnen Gesangsstimme. Ein kompletter Chorsatz, der mit wenigen Mausklicks aus einer einzelnen Stimme erzeugt wird und sich dabei an der oben angesprochenen Akkord-Spur orientiert? Und das soll dann auch noch gut klingen? Die Anzahl der Chor-Interpretationen von Weihnachtsliedern wie „O du fröhliche“ oder „O Tannenbaum“ wird in letzterem Fall gegen Ende des Jahres drastisch zunehmen. Ist dies vielleicht die Katastrophe, die der Maja-Kalender seit Jahrhunderten voraussieht? Wir werden sehen.
Ein sehr interessantes Feature, über das man sich aber ebenfalls nur als Besitzer der großen Ausbaustufe von Cubase 7 freuen darf, ist VST Connect SE. Um es auf den Punkt zu bringen: Es handelt sich dabei um eine Art Skype mit Aufnahmefunktion, das es ermöglicht, einen Musiker, der in einem entfernten Studio sitzt, direkt in ein aktives Projekt aufnehmen zu lassen. Gerade in Zeiten, in denen immer mehr in Heim- und Projektstudios gearbeitet wird, ist dies natürlich Gold wert. Kein kompliziertes Hoch- und Herunterladen über langsame Server mehr, und direktes Feedback an den Musiker – das klingt fast zu schön, um wahr zu sein. Der einspielende Part einer solchen Konferenz muss dabei nicht einmal selbst Cubase 7 installiert haben, sondern kann sich von der Steinberg-Website die Performer-Version des kleinen Programms für PC oder Mac herunterladen. Ich werde wohl nicht umhin kommen, meinen Studio-Rechner nun letztendlich doch mit dem Internet zu verbinden.
Dies nur als kleiner Vorgeschmack auf unseren ausführlichen Test von Cubase 7. Neben den genannten Punkten werden wir uns noch einige weitere neue Features zu Gemüte führen und vielleicht noch einige kleine Workflow-Perlen entdecken. Das neue Konzept zur Verwendung von Controllern scheint vielversprechend zu sein und würde in diesem Fall einen bisher dicken Kritikpunkt an Cubase beheben. Wenn der ASIO-Guard es wirklich erlaubt, auch in Projekten, die bereits stark an die Grenze der Rechenleistung des Computers gehen, noch halbwegs latenzfrei aufzunehmen und dabei durch den Rechner abzuhören, bin ich natürlich ebenfalls zu größtmöglicher Begeisterung bereit. All dies will aber natürlich in vorweihnachtlicher Ruhe getestet werden.
- Recording/Editing/Mixing Software
- Minimale Systemanforderungen:
- PC: Intel oder AMD Dual Core Prozessor
- 2 GB RAM
- Windows 7, Windows 8 (32 Bit/64 Bit)
- ASIO-Kompatibles Audio-Interface
- MAC: Intel Dual Core Prozessor
- 2 GB RAM
- Mac OS 10.7, Mac OS 10.8 (32 Bit/64 Bit)
- CoreAudio-Kompatibles Audio-Interface
- Mind. 8 GB freier Festplattenspeicher
- Dual-Layer DVD-Laufwerk
- freier USB-Port für eLicenser
- Internetverbindung für den Autorisierungsprozess
- Bildschirmauflösung von mind. 1280 x 800 empfohlen
- Vollversion Cubase 7: 599.- €
- Update von Cubase 6.5: 149,- €
- Update von Cubase 6: 199,- €
- Update von Cubase 4/Cubase 5: 249,- €
- Vollversion Cubase Artist 7: 299,-€
JoPiano sagt:
#1 - 10.12.2012 um 16:37 Uhr
Von wegen Alleinstellungsmerkmal Variaudio: http://pro.magix.com/de/sam...
Aggi Berger sagt:
#2 - 10.12.2012 um 20:15 Uhr
Hi JoPiano, danke, das stimmt. Abgesehen von Samplitude gibt es entsprechende Features auch in Presonus Studio One und MOTU Digital Performer. Im ausführlichen Test wird das berücksichtigt :-)
Andreas Ecker sagt:
#3 - 12.12.2012 um 02:34 Uhr
Hallo,also die Passage, die im Maya-Kalender gipfelt, ist wirklich einzigartig witzig und krönt diese sowieso schon gut geschriebene Produktpräsentation!Andreas.