Praxis
Neuer Look, bewährtes Konzept
Die Hauptansicht des EZdrummer 2 erstrahlt im Vergleich zum Vorgänger mit einer wesentlich detaillierter gezeichneten Darstellung eines Drumsets. Dies gilt nicht nur für die neue Core-Library, sondern auch für die bereits zuvor erhältlichen EZX-Erweiterungen (EZdrummer eXpansion), die natürlich weiterhin verwendet werden können und die für das Update allesamt einer grafischen Neugestaltung unterzogen wurden. Wie gewohnt, können die Sounds der einzelnen Instrumente durch Mausklicks auf die entsprechende Abbildung probegehört werden, und tatsächlich wurde das Schwingen von klingenden Becken und zum Teil auch von Fellen grafisch animiert, was durchaus zu einer anfänglichen Entzückung beitragen kann – das Auge hört ja schließlich mit! Ansonsten erscheint die Programmoberfläche für bisherige Nutzer des EZdrummer angenehm vertraut, und man muss dem Toontrack-Team wirklich zugutehalten, dass es hier gelungen ist, die neuen Funktionen so im Programm unterzubringen, dass man nach dem Update wie gewohnt weiterarbeiten kann, ohne von größeren Umstrukturierungen irritiert zu werden!
Gleich beim Laden eines Sounds zeigt der EZdrummer 2 dann aber doch, dass er trotz der gewohnten Struktur einiges dazugelernt hat. Das früher simple Kontextmenü, aus dem klangliche Alternativen für ein Instrument gewählt werden konnten, wurde deutlich aufgemotzt und bietet nun eine Vorhör-Funktion, über die sich ein Instrument in unterschiedlichen Bereichen der Anschlagstärke testen lässt, ohne komplett geladen werden zu müssen. Vor allem, wer den seltenen aber lobenswerten Plan hegt, seinen Trommler ausnahmsweise einmal etwas leiser spielen zu lassen, weiß in diesem Fall also, was ihn erwartet, wenn er sich für eine Trommel oder ein Becken entscheidet. Das spart natürlich Zeit und Mausklicks.
Lautstärke und Tonhöhe lassen sich ebenfalls an dieser Stelle den klanglichen Bedürfnissen anpassen, vor allem ist aber zu erwähnen, dass die instrumentenspezifischen Beschränkungen für die einzelnen Sound-Slots gelockert wurden. So kann man den Slot für das zweite Rack-Tom beispielsweise mit dem Klang eines Floor-Toms bestücken (gilt auch für Cymbal-Slots), und tatsächlich ist dies nun sogar mit Sounds aus anderen EZX-Libraries möglich. Aufgrund von sich zum Teil deutlich unterscheidenden Grundklängen der erhältlichen Zusatz-Pakete muss das aus ästhetischer Sicht zwar nicht immer Sinn machen, solche Kombinationsmöglichkeiten zu haben, ist aber natürlich immer zu begrüßen, vor allem da im Menü klar strukturiert dargestellt wird, welches Instrument aus welcher Library stammt. Wer dagegen ganz pragmatisch nach zusammengehörigen Sounds sucht, der kann über den Kit-Button komplette Drumkits in den originalen Zusammenstellungen laden, in denen sie im Studio aufgenommen wurden.
Einfach und zweifach – Die neue Core-Library
In Hinblick auf die frische Core-Library verhält sich der EZdrummer 2 ausnahmsweise nicht nur einfach, denn diese präsentiert sich in gleich zweifacher Ausführung und ist in die Bereiche Modern und Vintage unterteilt. Insgesamt werden von den beiden Parts fünf komplette Drumkits geboten, und auch grundlegende Percussion-Elemente wie Tamburin, Shaker, Snaps und Claps sind vorhanden. Obwohl die 24 Bit Audio-Engine des Superior Drummer für den EZdrummer 2 übernommen wurde, liegen die Sounds wie bisher in einer Auflösung von 18 Bit/44,1 kHz vor.
Das Modern Setup steht für umfangreich ausgestattete Drums, die groß und aufpoliert klingen und die richtige Wahl für einen fetten „produzierten“ Sound sind. Enthalten sind hier drei Drumsets: Ein DW Collector’s Kit mit fünf Toms als ein warmer und kräftiger Rock-Allrounder, ein Yamaha 9000 mit ebenfalls fünf Toms und einem etwas aggressiveren Grundklang und ein Gretsch USA Custom mit drei Toms, das angenehm schmutzig wirkt. Die 13 verschiedenen Snare-Sounds decken die Bereiche zwischen tiefen und hohen Stimmungen ab, wobei es sowohl obertonreiche und „singende“ Trommeln als auch gedämpftere Varianten mit einem trockeneren Grundklang gibt. Im Bereich der Becken finden sich acht Crash- und Effekt-Becken, zwei paar Hihats und zwei Ride-Becken. Bei den Audio-Beispielen wurde auf den Einsatz von weiteren Effekten verzichtet. Ihr hört also den unverfälschten Sound der Library.
Das Vintage-Setup bietet dagegen ein weitaus roheres aber auch natürlicheres Klangbild, ohne dabei zu sehr an Druck und Durchsetzungskraft zu verlieren oder ein zusätzliches Schrauben an Kompressor oder EQ einzufordern. Bei den beiden Drumsets aus dieser Kategorie handelt es sich um ein Ludwig 1960’s Kit mit einem offeneren Klang und ein knackiges Ludwig Vistalite, wie es seinerzeit schon von John Bonham bei Led Zeppelin oder auch Billy Cobham beim Mahavishnu Orchestra bedient wurde.
Für dich ausgesucht
Die Ausstattung an Trommeln fällt beim Vintage-Setup mit je zwei Toms und einer Snare (jeweils gedämpft und ungedämpft) pro Drumset wesentlich reduzierter aus. Besonders hervorzuheben ist hier eine 26 Zoll große Bassdrum im Badewannenformat, die sich als Alternative für die normaler proportionierten Original-Bassdrums der Kits anbietet und einen wirklich mächtigen Bass entfaltet. In den Beispielen des Ludwig Vistalite ist am Ende sehr schön die in den EZdrummer 2 integrierte Multiple-Hits-Emulation zu hören, die für rundere und realistischere Beckenwirbel sorgt.
Aufgenommen wurden die Drums in den British Grove Studios in London, die keinem geringeren als dem ehemaligen Dire Straits Gitarristen und Solo-Künstler Mark Knopfler gehören. Am Mischpult saß der in Nashville ansässige Chuck Ainlay, der schon bei manch anderem Toontrack-Produkt die Finger an den Fadern hatte. Neben der Zusammenarbeit mit Knopfler stehen beispielsweise auch die Dixie Chicks, Melissa Etheridge oder Peter Frampton auf seiner nahezu endlosen Referenz-Liste.
Auf der Suche nach dem richtigen Groove
Ähnlich wie bei der Drums-Ansicht hat sich auch im grundlegenden Layout des Browsers zunächst nicht viel verändert. Der MIDI-Content des EZdrummer 2 beinhaltet etwa 8000 neue Grooves, Fills und Variationen, die aus den unterschiedlichsten Musik-Stilen stammen (hörbar in allen Audio-Beispielen des Praxis-Teils dieses Testberichts) und in der altbekannten Ordner-Struktur dargestellt werden. Bei den Neuerungen in diesem Bereich handelt es sich vor allem um einen kleinen Play-Button neben den jeweiligen Grooves, über den die Files in Kombination mit der aktuellen Soundauswahl auf der Drums-Page vorgehört werden können. Auf Wunsch lässt sich dabei die aktuelle Tempo-Einstellung im EZdrummer oder dem Host umgehen, um die MIDI-Files in dem Tempo wiederzugeben, in dem sie eingespielt wurden. Auf diesem Weg erfährt man also etwas über das originale Feeling einer Performance, das durch Tempoveränderungen natürlich immer beeinträchtigt wird.
Auf der rechten Seite des Browsers ist ein neuer Bereich hinzugekommen, in dem sich eigene MIDI-Files oder das Material von Drittanbietern horten und in eigenen Ordnerstrukturen organisieren lassen. Wer mit diesem Feature arbeitet, hat mit geöffnetem EZdrummer also immer Zugriff auf ein Archiv von selbst eingespielten oder programmierten Files, sofern diese dort abgelegt wurden. Dadurch spart man sich das lästige Suchen und Importieren von verstreuten Dateien, und auch in diesem Fall funktioniert natürlich die Vorhörfunktion.
Die Erweiterungen im Browser sind also durchaus zu begrüßen und vereinfachen die Suche nach dem richtigen Groove ein ganzes Stück weit. Weitaus bemerkenswerter wird es dagegen auf der komplett neu hinzugekommenen Search-Page, die sich als eine Erweiterung des Browsers verstehen lässt. Zunächst gibt es hier eine Filter-Funktion, über die anhand einer beträchtlichen Liste von Eigenschaften das Angebot der vorhandenen MIDI-Files ausgedünnt werden kann.
Neben den üblichen Filter-Parametern wie Library, Genre oder Taktart kann man im Search-Tab auch nach etwas spezielleren Kriterien suchen und sich beispielsweise nur Patterns anzeigen lassen, die auf offenen Hihats gespielt werden oder einem gewissen Spielstil (neben Standard z.B. Shuffle, March oder Train-Beat) entsprechen. Wirklich sehr kreativ – und mir in dieser Form bisher völlig unbekannt – ist aber das Tap2Find Feature, mit dem man über Mausklicks ganze Patterns einspielen kann, die dann als Referenz für eine Suche nach vergleichbaren Grooves dienen. Dies macht die bisher ausgiebigen Streifzüge durch den MIDI-Content unnötig und die Suche nach einem speziellen Groove grandios einfach. Wie das funktioniert, seht ihr im folgenden kurzen Video.
Song-Track und Song-Creator
Das Arrangieren von kompletten Drum-Tracks blieb bei der Arbeit mit dem EZdrummer (und übrigens auch dem Superior Drummer 2) bisher der Host-Anwendung überlassen. Grooves und Fills konnten über Drag&Drop aus dem Browser heraus auf einer MIDI-Spur in einer DAW abgelegt werden, um dort aneinandergereiht und bei Bedarf weiter bearbeitet zu werden. Dies ist natürlich auch mit dem EZdrummer 2 nach wie vor möglich, der neu integrierte Song-Track bietet nun aber auch die Option, eigene Arrangements direkt im Plug-In anzulegen. Einer der Vorteile dabei ist, dass ein Anpassen von Grooves nicht über die abstrakte Darstellung eines Piano-Roll Editors vorgenommen wird, sondern direkt auf die üblichen Handgriffe bei der Bearbeitung von vorgefertigten Grooves ausgelegt ist.
Nicht nur, um komplette eigene Patterns einzuspielen, sondern auch um bestehende Grooves mit eigenen Ideen anzureichern, ist es möglich, MIDI-Materiel direkt in den Song-Track des EZdrummer 2 einzuspielen. Wem das zu Aufwändig ist, der kann einzelne Bestandteile aus anderen Patterns verwenden, um entsprechende Parts zu ersetzen: Das Feeling eines Grooves passt dem Song wie angegossen, die Bassdrum-Figur soll aber aus einem anderen Groove übernommen werden? Kein Problem!
Ein weiterer Weg, Grooves zu bearbeiten, ist dagegen noch ein ganzes Stück intuitiver und wird von Toontrack als das Edit-Play-Style-Feature bezeichnet. Hier lassen sich ohne externen Editor und ohne kompliziertes Suchen von Tonhöhen (auf welcher MIDI-Note lagen noch einmal die halb geöffneten Hihats?) die typischen grundlegenden Bearbeitungen von MIDI-Files vornehmen. So unspektakulär es vielleicht klingen mag – einer der dabei häufigsten Handriffe ist das Hinzufügen oder Entfernen eines Crash-Beckens auf der „1“ eines Grooves, und dies kann durch die Opening Hits nun kinderleicht angepasst werden. Mit dem Konzept der Power Hand kann man dem virtuellen Drummer außerdem sagen, welches Instrument die rhythmische Führung übernehmen soll. In den meisten Standard-Fällen handelt es sich dabei um die Hihats oder das Ride-Becken, wer aber dagegen möchte, dass diese Parts auf einem Tom oder der Snare gespielt werden, der kann das mit wenigen Mausklicks erledigen. Auch die zugehörige Spielweise lässt sich hier anpassen, wobei es etwas schade ist, dass keine alternierenden Abläufe wie zum Beispiel ein abwechselndes Spielen auf Glocke und Fläche eines Ride-Beckens möglich sind.
Ein ebenfalls interessantes Feature ist der Amount-Regler. Wer beispielsweise das Bedürfnis verspürt, dass einem Groove aus Kick, Snare und Hihats noch ein paar Tom-Schläge hinzugefügt werden sollten, der kann diese über das kleine Poti ganz einfach „reindrehen“. Der virtuelle Drummer beginnt in diesem Moment tatsächlich zu improvisieren. Was genau er macht, lässt sich zwar nicht im Detail kontrollieren und bei extremeren Einstellungen kann es in Abhängigkeit vom verwendeten Ausgangsmaterial dazu kommen, dass die wiedergegebenen Grooves nur von einem Schlagzeuger mit vier Armen spielbar wären. Wenn man ein gesundes Maß ansetzt, wirkt die ganze Angelegenheit aber überraschend musikalisch.
Tatsächlich geht der EZdrummer 2 beim Erzeugen von Drum-Tracks für ganze Songs aber noch ein Stück weiter. Mit dem Song-Creator stellt Toontrack dem Anwender einen künstlich intelligenten Drum-Arrangeur zur Seite, der einerseits Vorschläge zu möglichen Variationen eines Grooves für verschiedene Parts eines Songs macht und andererseits innerhalb kürzester Zeit ganze Song-Strukturen aus dem Hut zaubern kann. Damit diese Sache nicht zu statisch wird und ausschließlich auf die Verwendung von typischen Strickmustern für Song-Abläufe beschränkt bleibt, lassen sich sogar eigene Strukturen anlegen. Auch wenn man hier natürlich keine kreativen Höhenflüge erwarten darf, ist dieses Feature wirklich hervorragend gelungen! Wer keine völlig klare Vision davon hat, wie genau der virtuelle Trommler trommeln soll, der wird hier mit einer geballten Auswahl an Alternativen versorgt.
Mixer-Channels und Presets
Wie bereits angedeutet: Der EZdrummer 2 verfügt nun auch über eine integrierte Effekt-Suite zur weiteren Gestaltung des Klangs. Da der grundlegende Drumsound ohnehin schon „fertig“ wirkt, sind die Bearbeitungswerkzeuge aus diesem Bereich nicht dazu ausgelegt, gezielte und diffizile technische Korrekturen vorzunehmen, denn dies ist schlicht und einfach nicht nötig. Die Aufgabe der Effekte liegt also viel mehr beim Erweitern des Klangs in musikalischem Sinne.
Das Konzept bei der Effekt-Bearbeitung lässt durchaus Parallelen zu dem ebenfalls von Toontrack veröffentlichten Ezmix 2 Plug-In erkennen und verwendet sogar die zugehörigen Algorithmen. Eine Grundlage wird von den für die Core-Library 29 vorhandenen Presets geschaffen, die komplexe Effekt-Ketten bereitstellen (entsprechende Drums werden immer mitgeladen), welche selbst wiederum über angenehm wenige Kontrollen bearbeitet werden können. Ähnlich wie beim Song-Creator hat man hier das Gefühl, einen Fachmann zur Seite zu haben (in diesem Fall kein Arrangeur sondern ein Audio-Engineer), der genau weiß, was er tut, und einfache Anweisungen wie „Ich wünsche mir insgesamt etwas mehr Kompression!“ direkt umsetzt, ohne den Anwender mit den unnötigen Hintergrundinformationen zu behelligen. Für Songwriter, die an einem Layout arbeiten wollen, ohne dabei in die Tiefen des Signal-Routings absteigen zu wollen, ein hervorragendes Tool, das den Klang des EZdrummer weit flexibler macht als zuvor.
Wer trotzdem selbst Hand anlegen möchte, der kann natürlich die mittlerweile 16 Stereo-Ausgänge des Plug-Ins nutzen, um einzelne Kanäle an den Mixer der DAW-Software zu schicken und seine persönlichen Lieblings-Effekte zu verwenden. In diesem Fall ist eine Nachbearbeitung im Mix natürlich grenzenlos.
Sandro sagt:
#1 - 04.06.2014 um 01:44 Uhr
Danke für den aufschlussreichen Test und Deine Arbeit dafür , Alexander.
Wir Musiker sind auf möglichst neutrale Test angewiesen , sie helfen uns bei der Kaufentscheidung und machen die Bedienung nachher zusätzlich leichter .
Dickes Lob und liebe Grüsse ..Sandro
Hubi sagt:
#2 - 04.06.2014 um 12:43 Uhr
Schließe mich Sandro an. Vor allem die Videos sind richtig! Ist neben dem Test auch noch eine Bedienungsanleitung! TOP!