Aus der Box auf die Bühne – wie kann das funktionieren, wenn man im eignen Song doch Softwaresynths genutzt, Beats programmiert und Gitarren eingespielt hat? Sicherlich ist das reine Abspielen von in der DAW arrangierten Spuren oder Downmixes eine Option, die heute nicht nur DJs leidlich nutzen. Soll aber die tatsächliche Performance und damit Echtzeitkontrolle, Expressivität und Spaß auf der Bühne eine Rolle spielen, helfen uns in diesem Workshop neben klassischen Instrumenten wie einer Gitarre schon ein einziger Keyboardcontroller sowie Apples Live-Rig MainStage beträchtlich weiter.
Software-Umgebungen für den Live-Betrieb
Dass man keine gigantischen Keyboardburgen wie in grauer Synthesizer-Vorzeit auf die Bühne hieven muss, um hunderte von Sounds abrufen zu können, verdankt man dezidierten Live-Softwareumgebungen wie beispielsweise New Sonic Arts’ Freestyle, Ableton Live und eben MainStage.
Basierend auf Dateikonzepten von Apples Sequenzer Logic X hat der Hersteller MainStage als spezialisiertes Live-Frontend entwickelt, das in die Programmstruktur von Logic eingebunden ist. Nutzt man Logic als DAW, ist MainStage die logische Live-Option, denn in Logic erstellte Preset-Kombinationen aus virtuellen Instrumenten und Effekten, Channel Strips genannt, kann man umweglos in MainStage laden.
MainStage ist somit eine „Live-Verlängerung“ von Logic. Aber auch ohne diesen Bezug ist es aufgrund seiner hohen Flexibilität und der Einbindung aller wichtigen Möglichkeiten attraktiv, um DAW-arrangierte Tracks live umzusetzen.
Nehmen wir an, dass ein Softwaresynthesizer in unserem produzierten DAW-Song den Bass sowie einen Synth-Sound mit messerscharfen Filtersweeps geliefert hat; dazu lief ein programmierter Beat mit zusätzlichen Percussion-Hits und im Refrain kam eine geloopte Gitarre zum Einsatz.
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Hiervon ausgehend wollen wir nun auf einer Tastatur spielen, Klangparameter in Echtzeit verformen, Beats und Samples begleitend abfeuern und die Gitarre live loopen. Als Controller dient uns ein Nektar Panorama T6 MIDI-Controller mit halbgewichteter Tastatur, acht Mixerfadern, acht Druckbuttons, acht Endlosdrehreglern, acht Drumpads sowie einem Transportbedienfeld, dessen Tasten ebenfalls als Controller fungieren können. Modwheel und Pitchbend-Rad sind natürlich auch am Start.
Als Besonderheit fürs Performen elektronischer Ästhetiken gibt es einen Key-Repeat- und einen Pad-Repeat-Button, die bei Gedrückthalten zusätzliche rhythmische MIDI-Noten übertragen. So erzeugen sie Stotter- und Glitch-Effekte.
Apple MainStage – Die Oberfläche
Zunächst betrachten wir Bedienung und Anpassungsmöglichkeiten der App an unser Controller-Setup. Hier sticht MainStage nach dem Laden eines leeren Projekts (Dateiendung .concert) mit einem speziellen Layout-Fenster hervor. Darin könnt ihr die jeweiligen Software-Entsprechungen für jegliche Hardware-Controllerelemente bedarfsgerecht gestalten: Regler, Buttons, Fader, Drum-Pads, alle Spielhilfen wie Sustainpedal/Modwheel und sogar Levelmeter-Darstellungen, MIDI-Aktivitätsindikatoren oder Texteinblendungen könnt ihr hier per Drag-and-drop nach Belieben anordnen. So ist jedes Hardware-Controller-Element im Programmfenster optisch repräsentiert. Mainstages Spezialität ist die extreme Anpassung – etwa eines Keyboard-Setups mit visuellem Feedback für den Live-Betrieb.
Als Entsprechungen für die Hardware-Bedienelemente des T6-Controllers wählen wir ein Keyboard-Panel (mit Pitchbend und Sustainpedal-Unterkomponenten), ein Fadergruppen-Panel mit acht Fadern, acht Buttons, acht Drehknöpfen für die acht Endlosdrehregler des T6 sowie eine Drumpad-Gruppe mit acht Pads für ebenjene Pads auf dem Controller. Zudem legen wir eine Patch-Liste an, mit der wir uns später durch unsere Setlist bewegen können (mehr dazu unter „11. Songreihenfolge/Setlists“).
Im Layoutfenster können wir nun, nachdem wir die „Zuweisen“-Taste aktiviert haben, das jeweilige Hardware-Bedienelement auf die korrespondierende Software-Abbildung mappen. Im Zuweisungsmodus klicken wir z.B. einen Software-Fadermodul an und betätigen dann den gewünschten Hardwarefader auf dem T6 – die MIDI-Learn-Funktion registriert den Befehl und ab sofort bedienen wir ebenjene Softwarefunktion, der wir später einen Klangparameter zuweisen werden, mit dem Hardware-Fader des T6.
Softsynths spielen: Omnisphere-Integration
Neben den in MainStage mitgelieferten zahlreichen Werksinstrumenten jeglicher Art ist die Live-Einbindung von Dritthersteller-Plugins wichtig, um die potentiell genutzten Softwareinstrumente auf die Bühne zu bringen. Um die Softsynth-Integration im Live-Setup zu demonstrieren, nutzen wir Spectrasonics’ Flaggschiff-Produkt Omnisphere, einen flexiblen sample- und synthesebasierten Softwaresynth.
Als Livekeyboarder interessieren uns primär vier Dinge: die Echtzeitkontrolle von Parametern durch Spielhilfen (Modwheel, Fader etc), das Layern von Sounds, das Splitten der Tastatur in Soundbereiche für die rechte und die linke Hand sowie das nahtlose Wechseln von Soundprogrammen, um unterschiedliche Sounds während einer Performance zu nutzen.
Echtzeit-Kontrolle auf der Bühne
Um beispielsweise eine in unserem DAW-Song programmierte Automation wie einen Filtersweep live zu reproduzieren, müssen wir sie per Hardware-Controller steuern können. In Mainstage generieren wir dazu im Bearbeiten-Fenster, das in der rechten Hälfte eine Mixer-Ansicht der verwendeten Instrumente bietet, einen Software-Instrumenten-Channel Strip – das gelingt über die Channel Strip hinzufügen-Buttons oben rechts.
In diesem Kanal laden wir eine Omnisphere-Instanz und benennen sie der Übersicht halber mit „OMN-Synth”. Diese und weitere Kanalinstanzen/Instrumente verkörpern unser Patch –so nennt sich die jeweilige Umgebung für einen Sound mit allen spezifischen Einstellungen. Ein MainStage-Patch kann also jeweils das für einen einzelnen Song spezifische Setup in der Setlist sein.
Sodann können wir damit beginnen, die kontrollierbaren Soundparameter (Oszillatoreigenschaften, Filter, LFOs, Effekte…) auf unsere Spielhilfen am T6-Controller zu mappen. Den zuvor zugewiesenen Fader wollen wir dazu nutzen, die Filterfrequenz zu kontrollieren. Also klicken wir ihn im Bearbeiten-Fenster an und wählen im daruntergelegenen Mapping-Fenster den globalen Filter von Omnisphere als steuernden Parameter aus.
Besonderheit bei Omnisphere bzw Spectrasonics-Instrumenten: Man muss zuvor den jeweiligen Parameter in der GUI von Omnisphere zum Mapping freigeben – nach einem Rechtsklick auf das jeweilige Bedienelement bewerkstelligt dies der Befehl ‚enable host automation‘.
Die Menüstruktur des Fensters erfordert ein wenig Übung. Sie hat einen leichten Überfluss an Commands – neben den plugin-spezifischen Parametern für das jeweils geladene Instrument stehen natürlich alle 127 MIDI-Controller, CCs und zahlreiche MainStage-spezifischen Befehle zum Navigieren innerhalb des Patches zur Auswahl. Zudem sind die Gerätebezeichnungen nicht immer übersichtlich und logisch. Ist der Parameter aber einmal gemappt, kontrollieren wir so in Echtzeit unseren Filtersweep.
Anmerkung: Im Zweifel sind entscheidende Softsynth-Parameter wie Filter oder Resonance oft bereits ab Werk-Preset auf das Modwheel gemappt, so kann man auf dem T6 gleich losspielen.
Layern und Splitten für dichten Sound
Das Übereinanderstapeln und Aufteilen von Sounds über den Tastaturbereich ist für ein Live-Setup essenziell und in MainStage recht einfach gelöst: Erstellt man über den Channel Strip hinzufügen-Button im aktuellen Patch ein neues Instrument oder einen neuen Channel Strip im Mixerfenster, erstreckt es sich zunächst über den gleichen Tastaturbereich wie die bereits vorhandene Instrumenteninstanz – die Sounds sind gelayert und erklingen gleichzeitig über die 61 Tasten des T6. Für unseren Bass-Sound laden wird eine zweite Omnisphere-Instanz und nennen sie OMN-Bass. Im Layer-Editor, einem Untermenü des Bearbeiten-Fensters, kann man nun die den Instrumenten zugehörigen, farblich markierten Layer mit der Maus nach Belieben über die Tastatur verteilen.
Splitten wir also beide Sounds beim mittleren C (C3) mit OMN-Synth auf der rechten und OMN-Bass auf der linken Seite, können wir den Bass unseres DAW-Tracks mit der linken Hand spielen, während die rechte Hand den Synthsound performt. Mit der eingenbauten Chord-Funktion des T6 könnten wir hier auch ganze Akkorde mit einer Taste erzeugen, die Hold-Funktion sorgt dann dafür, dass man die Taste nicht gedrückt halten muss.
Unkompliziert Programmwechsel realisieren
Im Refrain unseres Tracks wird der Synthsound durch einen Arpeggio abgelöst – wir wollen Sounds also auch umschalten können. Omnisphere akzeptiert Program Change- und MIDI-CC-Befehle, mit denen ihr aktive Soundprogramme wechseln könnt. Durch einen im Layoutfenster definierten Fußschalter können wir das freihändig bewerkstelligen. Wir ziehen im Layout-Fenster einen Software-Fußschalter in unser Layout und verbinden ihn im Bearbeiten-Fenster mit einem physischen Footcontroller wie beispielsweise diesem. Anschließend statten wir ihn funktional über das Mapping-Untermenü mit einem Program Change aus, der in Omnisphere den gewünschten Part auswählt – pro Omnisphere-Instanz gibt es acht Parts.
Alternativ können wir die Programme den CCs oder Program Changes auch im Live Mode-Fenster von Omnisphere per MIDI Learn zuweisen. Diese sendet der Fußschalter von sich aus, dazu genügt ein Rechtsklick auf das gewünschte Preset:
Wollen wir den Programmwechsel lieber manuell auslösen, mappen wir einen Button des T6 auf den Programmwechselschalter. Das funktioniert über die Zuweisen-Taste im Layout-Fenster.
Erweiterte Möglichkeiten: Mapping Shells
In MainStage führen verschiedenste Wege zu den gewünschten Mapping-Lösungen. Möchte man sich manuelle Mappingprozesse ersparen und den Panorama T6 noch weiter ergründen, verwendet man die von Nektar speziell für ihre MIDI-Controller entwickelte Plugin-Shell Nektarine. Sie mappt alle Controllerelemente der Hardware automatisch auf die wichtigsten Parameter von Omnisphere. Nach dem Laden von Omnisphere in die Plugin-Shell von Nektarine sind die acht Buttons bereits diversen Oszillatoren- Filter- Envelope-, LFO- und Effekt-Menüs zugewiesen.
Ruft man sie dann per Knopfdruck auf, kann man die wichtigsten Parameter mit den Endlos-Encodern sofort spielfertig kontrollieren. Optisches Feedback darüber, wo nun was genau liegt, findet ihr auf dem LCD des T6. Neben den Basiszuweisungen hält Nektarine auch weit fortgeschrittenere Layer-Einstellungen, Splits, Stacking-Möglichkeiten von Instrumenten und Insertmöglichkeiten von Effekt-Plugins bereit. Existiert von einem bestimmten Dritthersteller Plugin noch kein Nektarine Preset mit allen Mappings, kann das auch selbst in die Hand nehmen. Wer möchte, kann auch am Controller über das LCD-Display nach Sounds browsen.
Ein ähnliches Konzept verfolgt die Komplete-Kontrol-Software von Native Instruments. Das schließt auch ihre zugehörigen Keyboard-Controller aus den A- und S-Serien ein, die natürlich gerade bei den herstellereigenen Plugins sehr ausgefuchste Mappings ermöglichen.
Beats und Loops live: Audiofiles abfeuern
Um den zugrundeliegenden Beat oder weitere Elemente unseres DAW-Arrangements abzuspielen, wollen wir einen Backingtrack triggern. Dazu laden wir in MainStage das für Playbacks vorgesehene, passend benannte Plugin Playback in einen Channel Strip (welches ein genuines MainStage-Plugin ist, also in Logic so nicht existiert).
In der Playback-Oberfläche laden wir rechts oben unter File einen aus dem DAW-Arrangement gerenderten Drumbeat-Loop und aktivieren die Looping-Funktion von Playback, um ihn kontinuierlich wiederzugeben. Weitere Optionen, die das Plugin bietet (Count-In, Rückwärts-Wiedergabe, Markerfunktionen, Ausgangsgruppen-Zuweisungen…) können wir hier vernachlässigen. Stattdessen generieren wir einen Play-Button im Layout-Fenster, der mit dem Start des Loops korrespondiert. Anschließend mappen wir die Wiedergabe der Playback-Instanz auf die Play-Taste in der Transportleiste des T6. Den Backingtrack starten und stoppen wir nun mit der Play-Taste des T6.
Fingerdrumming integrieren
Für zusätzliche Percussion-Sounds, die wir per Fingerdrumming auf den Drumpads des T6 zum Beat spielen wollen, laden wir einen weiteren Instrumenten-Channel Strip. Dann wählen wir aus der Channel-Strip-Bibliothek ein elektronisches Percussion-Kit. Die einzelnen Spielflächen der Drumpad-Gruppe im Layout-Fenster mappen wir auf die entsprechenden Drumpads des T6 (die schlauerweise MIDI-Noten im untersten Tastaturbereich senden, sodass der Layer nicht mit unserem Basssound kollidiert). Durch Drücken des neben den Pads befindlichen Pad Bank-Buttons gibt es hier die Möglichkeit, zwischen zwei unterschiedlich belegten Drumpad-Gruppen zu togglen.
Tipp: Mit der Pad Repeat-Taste des T6, die bei Gedrückthalten zusätzliche rhythmische MIDI-Noten überträgt, fügen wir funky Glitch-Effekte ins Fingerdrumming.
Live-Instrumente im Setup
Um nun unseren Gitarrenloop im Refrain in das Patch zu integrieren, fügen wir mittels Channel Strip hinzufügen-Buttons einen reinen Audiokanal in unser Mixerfenster ein. MainStage verfügt über zahlreiche Presets für Bass und Gitarre. Über die Popup-Schaltfläche Einstellung oberhalb des Mixerkanals laden wir ein schickes Indiegitarren-Preset namens New Wave Chorus, bzw. dessen Effektkomponenten wie Ampsimulation, EQ, Kompressor und Delayin den Effekt-Slot und fügen als letztes das Plugin Loopback in die Effektkette ein. Das ist MainStages Live Looping-Tool.
Loopback und diverse Gitarreneffekt-Plugins
Im Layout-Fenster definieren wir Software-Buttons für die Funktionen Record, Play und Overdub von Loopback und mappen sie auf drei weitere Schalter unseres Footcontrollers. Im Chorus unseres Songs loopen wir durch das Wechseln zwischen diesen Aufnahme-/Playback-Modi eine oder mehrere Gitarrenphrasen auf das laufende Playback.
Songreihenfolge/Setlists festlegen
Haben wir weitere Songs erfolgreich von der DAW in ein Live-Setup portiert und ein ganzes Set zusammengestellt, ist es Zeit, eine Setlist zu definieren. Das Scrollen durch die Patch-Liste im linken Teil des Bearbeiten-Fensters hilft uns dabei, von Song zu Song zu steppen. Die Patch-Liste ist standardmäßig im Layout-Fenster als Modul angelegt und bietet so jederzeit eine Übersicht über die Patches. Natürlich können wir auch die Scroll-Funktionalität auf den T6 legen: Hierzu mappen wir die Patch Up/Patch Down-Taster unter der Patch-Liste im Bearbeiten-Fenster auf zwei weitere Druckbuttons an unserem T6. Per Knopfdruck tasten wir uns so durch die Setlist bzw. durch die Patches und Song-Setups.
Und ab dafür!
Zuletzt wechseln wir in das dritte Hauptfenster von MainStage neben Layout und Bearbeiten: Den Perform-Modus, der unser Layout bildschirmfüllend darstellt. Und schon kann die Live-Performance des DAW-Arrangements losgehen!