Mischpulte von Solid State Logic haben nicht nur wegen des Klangs Erfolg, sondern vor allem aufgrund des hervorragenden Workflows. Kaum ein Hersteller durchdenkt seine Produkte so gut, optimiert sie auf das Wesentliche und schafft beste Vorraussetzungen für moderne, schnelle Arbeitspferde: Zeit ist Geld und schnelle Mixe klingen meist besser. Reindrehen, fertig, passt!
Nun haben fette Mischpulte zwar nach wie vor noch Prestige, die Realität kennt aber eher kompakte Hybrid-Setups, da für aufwendige Mix-Setting-Wiederherstellungen kaum noch einer Zeit hat. Der Kunde will alles und er will es sofort – und das geht nun mal am besten stumpf mit dem Computer.
Und obwohl viele Plugins mittlerweile hervorragend klingen, bei höchsten Ansprüchen an den Klang kommt man um Analoges einfach nicht herum.
Warum also nicht eine Selektion entscheidender Analoggeräte zielführend in eine Kiste packen, verschmelzen, ja „fusionieren“? Warum macht das keiner? Gestatten: der SSL Fusion.
Details
Allgemeines
Der SSL Fusion ist ein analoger Klangmacher im pragmatischen 19-Zoll- und 2-HE-Blechgewand mit schicker und gebürsteter Front. Er bringt gleich eine Reihe unterschiedlicher und einfach zu bedienender Prozessoren mit, die ihn besonders für den Mix- und Mastering-Bus prädestinieren.
Für dich ausgesucht
Mit einem Straßenpreis von rund 2100 Euro ist der Fusion für SSL-Verhältnisse relativ günstig, was der neuen fernöstlichen Produktionsauslagerung geschuldet ist. Trotzdem fasst und bedient er sich hochwertig – an der Verarbeitung gibt es also mal wieder nichts zu meckern, wie bereits beim neuen kleinen Mischpult SSL Six.
XLR I/O und M/S-Insert
Fangen wir hinten an, denn das geht schnell: Es gibt einen XLR-Stereo-Ein- und Ausgang sowie einen zuschaltbaren Insert auf XLR. Strom gibt es via Kaltgerätekabel und nach einem obligatorischen Sicherungswechsel versteht sich die Kiste mit 115 Volt und 230 Volt.
Der Insert bietet zwei schaltbare Insertpunkte sowie einen M/S-Mode. In Kombination sind es sogar vier verschiedene Insertpunkte, wie man folgender Darstellung des Handbuches entnehmen kann.
Fünf Farben zum Abschmecken
Der Fusion kennt also verschiedene Bearbeitungsstufen, alle mit dem Ziel einem Mix Charakter und Farbe zu verpassen. Los geht es mit der „SuperAnalogue“-Eingangsstufe die Input Trim (±12 dB), Overload-LEDs und vierstufigen Highpass-Filter kennt (HPF). Letzteres arbeitet als 3rd Order Low Cut mit einer 18 dB/Oktave steilen Flanke und kennt dabei die Postionen 30, 40 und 50 Hz sowie Off.
Und wo man lauter machen kann, sollte man leiser drehen könne. Entsprechend gibt es am Ende der Kette einen Output Trim mit ebenfalls ±12 dB Hub sowie einem umfangreicheren Master-Meter und dem obligatorischen Master-Bypass-Taster.
Die Potis für den Input, das HPF und den Output sind allesamt schwarz, also farblich neutral gehalten, denn Farbe macht das alles noch nicht. Das Master-Meter zeigt übrigens den Outputpegel und im Bypass den Input und außerdem gibt es zwei Bypass-Modes (Pre- und Post-Input) – clever.
Grüner Vintage-Drive-Thru
Der erste Klangmacher heißt Vintage Drive und sorgt mit seinen grünen Parametern Drive und Density für mächtig nichtlineare Verzerrungen. Von subtilen Charme allmählicher Überlast bis hin zu drastisch analogem Rotz ist alles möglich; eine 3-Farb-LED sowie der In-, also Bypass-Taster, unterstützen bei der Dosierung.
Der Grad der Zerre wird mit Drive erhöht, wobei der interne Output dankenswerterweise gegengeregelt wird, sodass der Pegel weitestgehend gleich bleibt. Die Farbe des Drives wird mit Density bestimmt.
Im unteren Bereiche darf man eine Betonung der Harmonischen gerader Ordnung erwarten, im Uhrzeigersinn wiederum werden es weniger Obertöne, aber mit mehr Betonung der Ungeraden.
Durch die Abrundung des Signals durch Verzerrung kann man natürlich auch von einer sanften Kompression sprechen, welche für mehr Loudness sorgt. Mehr RMS bei weniger Peak sozusagen und Loudness ist immer en vogue. Mit minimaler Density lassen sich außerdem die Attacks verstärken.
Violet EQ: Purple Rain fürs Spektrum
Bunt geht es weiter und zwar mit lila Bass und rosa Höhen aka Violet EQ. Seine beiden Shelving-Filter arbeiten mit Minimum-Phase-Shift und sorgen für bis zu ±9 dB Gain. Mit je vier fixen Einsatzfrequenzen bietet der EQ genügend Freiraum, ohne sich in Details zu verlieren.
Konkret sind es 30, 50, 70 und 90 Hz sowie 8, 12, 16 und 20 kHz für die gepflegte Badewanne. Auch hier gibt es einen individuellen Bypass (In-Schalter). Der EQ klingt knackig und gerade das Bassband sorgt in Verbindung mit Drive und Low Cut für die erforderlichen Bass-Shifts aus dem spürbaren Subbereich hinein ins Hörbare. Das Höhenband indes bringt kräftig Sparkle – und das ohne Schärfe, weil anschließend auch der praktische High Frequency Compressor folgt!
HF Compressor für weniger Aua in den Ohren
Der HF Compressor ist ein Kompressor nur für hohe Frequenzen und bringt einen dezenten „Tape Roll-off Style“ mit sich. Hochfrequente Kratzigkeit wird stark gedämpft. Gerade die modernen und gehypten Plugins bringen in Summe oftmals viel unnötiges Top-End mit, was sich im Mix schlimm summiert und das feine Ohr belästigt.
Viel einzustellen gibt es nicht an diesen HF-Compressor: Nur Threshold und X-Over regeln die Intensität und den spektralen Einsatzort. Attack, Release und Ratio sind fix, Make-up gibt und braucht es auch nicht. Optisch unterstützt eine dreifarbige LED sowie einen eigenständigen Bypass (In).
Blaue Breite für den Mix: Stereo Image
Mit dem Stereo Imager kann man via Width den Anteil des Seitensignals erhöhen oder reduzieren, um damit das Stereobild breiter oder schmaler zu machen.
Zusätzlich ist ein EQ namens Space im Side-Band, wodurch man dem Seitensignal nicht nur Bass nehmen, sondern auch geben kann. Und natürlich: Auch der blaue Imager hat seinen eigenen Bypass-/In-Button.
Trafo für Plastizität
Die letzte Farbe bleibt optisch farblos, da sie ist nur mit einem einzelnen Taster zuschaltbar ist. Und dieser insertiert einen Übertrager kurz vor den Output. Der speziell für SSL gewickelte Trafo fügt dem Low-End nochmals ganz dezent Harmonische hinzu und sorgt für einen leichten Phase-Shift im Top-End. Prinzipbedingt gibt es auch einen minimalen Roll-off und so wird der Bass hier nochmals leicht abgerundet, aber trotzdem präsenter.
Extrablatt
Schaltet man den Fusion ein, läuft ein kleines Feuerwerk an Relais-Klackern und Lämpchen-Disko ab, was man in den Settings aber abschalten sowie man auch die Helligkeit der LEDs konfigurieren kann – ja, sogar „Simon Says“ kann man mit den Tastern spielen, wenn man mal sehr viel Langeweile hat.
Markmix sagt:
#1 - 23.11.2019 um 21:30 Uhr
Wow Felix,mich hast Du voll und ganz überzeugt :)
Das Teil ist bestellt !
Spankous sagt:
#2 - 24.11.2019 um 11:38 Uhr
Viele Top Mastering Engineers die schon richtig lange dabei sind, mixen Komplett "in the box" und andere sagen das sie nicht bei jeden mix "nur analog" mastern. Ich verstehe das argument
"bei höchsten Ansprüchen an den Klang kommt man um Analoges einfach nicht herum" nicht wirklich. Ich bin weder Analog noch Digital Fanatiker aber ein paar sachen kann man Digital schon heutzutage besser. Siehe Limiting. Da ist Digital dem Analogen weit voraus und der Abstand wird immer Größer. Abgesehen davon das hier ist ein schönes Gerät zum Analogen Aroma hinzufügen. Danke für den Test
Felix Klostermann sagt:
#2.1 - 24.11.2019 um 13:03 Uhr
Hallo Spankous, ich geb dir Recht: Es gibt Gebiete, da ist Digitales einfach besser: Limiting zum Beispiel, der Vorteil Look-Ahead über den ganzen Track zu haben ist analog einfach nicht zu realisieren ( TC Finalizer Software als gutes Beispiel). Es gibt auch jede Menge guter Plugin-EQs – aber Compressoren und Verzerrung haben mich virtuell nie richtig zufrieden stellen können, das geht nur analog richtig gut. Und dafür gibt es auch Gründe, es kommt auch bald ein etwas umfangreicherer Artikel dazu wo ich genauer drauf eingehen werde. Danke dir und LG; Felix
Antwort auf #2 von Spankous
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