In diesem Workshop kümmern wir uns um Grooves, die sich abseits der bewährten Vierviertel- oder Dreivierteltakte bewegen. Anhand verschiedener berühmter Beispiele wie Sting’s „Seven Days“ oder Pink Floyd’s „Money“ zeigen wir euch verschiedene Odd Meter Grooves und erklären euch, wie ihr sie zählen und eure eigenen „krummen“ Grooves und Fill-ins kreieren könnt.
Schlagzeug-Grooves und -Fills in ungeraden Takten spielen
In der westlichen Popmusik wurden ungerade Metren besonders durch experimentellere Rockmusik der Siebziger populär. Künstlern wie Frank Zappa oder Bands wie Yes, Mahavishnu Orchestra oder auch King Crimson konnte es teils kaum krumm genug zugehen. Heute sind Odd Meter zwar immer noch kein Garant für einen Radiohit, jedoch in allerlei Genres wie Jazz, Fusion, Rock und vor allem Metal fest verankert. Grund genug, sich einmal grundlegend mit diesem Thema zu befassen – viel Spaß!
Was sind Odd Meter Grooves?
Unter „Odd Meter“ versteht man allgemein jene Taktarten, die von den konventionellen Taktarten in der westlichen Musik, also beispielsweise 4/4, 3/4, 2/4, 6/8 und 12/8 abweichen. Taktarten werden in der Musiknotation immer als Bruch dargestellt. Der Nenner beschreibt dabei den Notenwert, in dem der Takt gezählt, beziehungsweise empfunden wird, der Zähler hingegen beschreibt die Länge des Taktes. Das Wort „odd“ bedeutet an dieser Stelle sinngemäß „ungerade“. Gemeint ist hier der Wert des Zählers. Wenn dieser ungerade ist, handelt es sich also um einen Odd Meter Groove!? Fast! Die Ausnahme bildet der Zählerwert „3“, da etwa ein 3/4-Takt ein fester Bestandteil unserer westlichen Musikkultur ist und nicht als Odd Time bezeichnet wird. Natürlich gibt es auch gewisse Grauzonen, wie etwa einen 9/4-Takt, der sich je nach Tempo nicht unbedingt „odd“ anfühlt. Allgemein lassen sich Odd Meter Grooves in zwei Kategorien einteilen, was ihre grundsätzliche Struktur betrifft:
- Gerade Grooves, die um eine ungerade Anzahl an Noten verkürzt oder verlängert sind („Die springende Schallplatte“)
- Kombinationen aus 2er- und 3er-Gruppen
Verkürzte und verlängerte Grooves („Die springende Schallplatte“)
Die naheliegendste und trivialste Art und Weise, einen Odd Meter Groove zu kreieren, ist das Weglassen oder Hinzufügen einer ungeraden Anzahl an Noten am Ende eines zunächst geraden Taktes. Nimmt man beispielsweise einen straighten 4/4-Groove als Grundlage, wird dieser „ungerade“, in dem man etwa die letzte Achtelnote weglässt: aus dem 4/4-Groove wird dann ein 7/8-Groove:
Dasselbe Prinzip funktioniert natürlich auch, indem man dem 4/4-Groove beispielsweise eine weitere Viertelnote hinzufügt – woraus ein 5/4-Groove entsteht:
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Die Möglichkeiten sind hier natürlich grenzenlos. Bezeichnend für diese Art von Odd Meter Grooves ist in erster Linie der Effekt, dass der vermeintlich straighte Groove-Fluss unterbrochen wird. Den großen Unterschied zu den späteren Beispielen, die in die zweite Kategorie („Kombinationen aus 2er- und 3er-Gruppen“) fallen, macht hier der Backbeat der Snare auf „2“ und „4“. Je nach Tempo kann das mitunter auch mal so klingen, als würde die Schallplatte springen. Vergleicht man die beiden folgenden Soundfiles mit den späteren aus diesem Workshop, wird der Unterschied sicherlich deutlich.
„Money“ von Pink Floyd ist ein Klassiker, wenn es um Odd Meter geht und ein perfektes Beispiel für den Effekt der „springenden Schallplatte“:
Auch die Foo Fighters greifen mit dem Intro zu „Times Like These“ auf den charmanten Effekt einer fehlenden Viertelnote zurück:
Odd Meter Groove als Kombinationen aus 2er- und 3er-Gruppen
Nachdem wir nun bereits zwei berühmte Odd Meter Grooves gehört haben, kommen wir jetzt zu den rhythmisch etwas anspruchsvolleren Beispielen. Spricht man von Odd Meter Grooves, meint man im Normalfall jene Grooves, die auf einer Kombination aus 2er- und 3er-Gruppen basieren und somit je nach rhythmischer Struktur ihren ganz eigenen Groove-Fluss, fernab vom straighten Backbeat auf „2“ und „4“, besitzen. So komplex manche Odd Meter Grooves auch klingen mögen, lässt sich jeder noch so krumme Groove immer in 2er- und 3er-Gruppen unterteilen. Aus dem jeweils ersten Impuls der einzelnen Gruppen entsteht so die Architektur des jeweiligen Odd Meter Grooves, die wie eine Art Clavé fungiert und als Anhaltspunkt für das Platzieren der einzelnen Akzente dient. Hier seht und hört ihr entsprechende Beispiele für 5/8- und 7/8-Takte:
Mithilfe von 2er- und 3er-Gruppen lassen sich natürlich auch weitaus komplexere Taktmaße wie etwa ein 11/8-Takt bauen.
Berühmte Odd Meter Grooves der Musikgeschichte
Nach diesem theoretischen Exkurs möchten wir euch nun ein paar berühmte Odd Meter Grooves aus der Welt der 2er- und 3er-Gruppen nicht vorenthalten. Den Anfang macht eins der wohl bekanntesten Beispiele des 20. Jahrhunderts: Dave Brubecks „Take Five“, das seinerzeit von Joe Morello getrommelt wurde, der es schafft, so elegant durch den 5/4-Takt zu swingen, dass man fast vergisst, dass es sich hier um einen Odd Meter handelt.
Auch „Hanging Tree“ von Queens Of The Stone Age klingt zunächst nicht unbedingt krumm und schief sondern hat eher was von einem verkappten Walzer. Dabei spielt Dave Grohl, den man hier an den Drums hört, in diesem Beispiel einen waschechten 5/8-Groove, der sich aus einer 3er- und einer 2er-Gruppe zusammensetzt.
Dieselbe Struktur (3+2), jedoch in Vierteln gezählt, liegt auch dem nächsten Beispiel zugrunde: „Morning Bell“ von Radiohead, das demnach auf einem 5/4-Groove basiert. Wie ihr im unteren Takt sehen könnt, ließe sich dieser Groove auch gut und gerne doppelt so schnell, also in Achtel zählen, was dann eine Kombination aus 3+3+2+2 ergäbe.
Auch vor dem Grunge-Rock der Neunziger haben Odd Meter keinen Halt gemacht. Neben Soundgarden, verstehen es auch Alice in Chains, ungerade Taktarten mit harten Gitarrenriffs zu kombinieren. Ihr Song „Them Bones“ ist ein gutes Beispiel für einen 7/8-Takt.
„Overriding“ in Odd Meter
Die folgenden Groove-Beispiele treiben die rhythmische Komplexität noch etwas weiter. Gavin Harrison hat sich besonders durch seine Arbeit mit Procupine Tree einen Namen gemacht und bewiesen, dass ihm in Sachen Odd Meter so schnell niemand etwas vormacht. Er etablierte den Begriff „Overriding“, ein Konzept, um ungeraden Takten die Illusion eines geraden Taktes zu geben. In diesem Video erklärt er dieses Konzept recht eindrucksvoll:
Das Bassdrum/Snare-Pattern, das Gavin im oberen Video spielt, stammt aus dem Porcupine Tree Song „Sound Of Muzak“. Es handelt sich dabei um eine Kombination aus sieben Sechzehnteln, unterteilt in 3+2+2:
Die „Overriding“ Idee kommt nun zum Tragen, indem Gavin eine Achtel-Figur auf der Hi-Hat spielt und dabei den Viertelpuls betont.
Fügt man nun die auf Viertel betonte Hi-Hat mit dem 7/16-Pattern zwischen Bassdrum und Snare zusammen, ergibt sich zusammen mit kleineren Verzierungen der Groove zu „Sound of Muzak“:
Vinnie Colaiuta und seine Konzepte bei Sting
Natürlich hat Gavin das Konzept „Overriding“ nicht erfunden. Vor ihm verhalf nämlich Vinnie Colaiuta einem recht ähnlichen rhythmischen Phänomen ins Radio. Die Rede ist hier von dem Song „Seven Days“, der wohl in keinem Workshop über Odd Meter fehlen darf. Der Song ist auf Stings Album „Ten Summoner’s Tales“ von 1993 zu finden, das voll mit spannenden und vor allem sehr musikalischen Odd Meter-Grooves ist. Ähnlich wie Gavin bei „Sound of Muzak“ umschifft Vinnie bei „Seven Days“ den 5/8-Takt mit einer Viertelbetonung der Hi-Hat, die sich somit über zwei Takte erstreckt und dem Zuhörer auf diese Weise einen durchlaufenden Puls bietet.
Fill-ins in Odd Meter Grooves
Um bei „Seven Days“ zu bleiben, nehmen wir den Song ebenfalls als Grundlage, um kurz über Fill-ins in Odd Meter zu sprechen. Fill-ins in ungeraden Taktmaßen bergen die Gefahr, schnell zu verkopft und zu technisch zu klingen, sobald man anfängt, sie mathematisch herzuleiten. Als Anhaltspunkt für ein fließendes, musikalisches Fill-in kann man auf dieselben Aspekte achten, die auch für Fill-ins in geraden Taktmaßen gelten, nämlich den Fluss des jeweiligen Songs zu unterstützen. Im Falle von Odd Meter Fill-ins gibt einem dabei die dem Song zugrundeliegende Struktur aus 2er- und 3er Gruppen eine Idee, das Fill-in rhythmisch aufzubauen. Im Song „Seven Days“ basiert Vinnies Fill-in, das er im Übergang zum ersten Chorus spielt, auf der Kombination „3+2“, die dem Song zugrunde liegt.
Am Beispiel von „Seven Days“ könnt ihr euch hier einmal drei einfache Fill-ins anhören, die alle auf der Kombination „3+2“ basieren:
Weitere Noten- und Soundbeispiele zum Thema Odd Meter findet ihr unter anderem in unserem Workshop zu Tool, der einige krumme Grooves und Fill-ins von Drummer Danny Carey umfasst.
Ich wünsche euch viel Spaß beim Anhören und Nachspielen der Soundfiles. Bis zum nächsten Mal!
Jonas