Die amerikanischen Eurorack-Pioniere von Pittsburgh Modular präsentieren mit dem Microvolt 3900 einen monophonen Desktop-Synthesizer, der durch spezielle Features eine Art Symbiose aus West- und East-Coast-Synthese anvisiert. Hinzu kommt die semimodulare Komponente durch eine Patchbay, während der Analog-Synth aber auch intern verschaltet ist und ohne Patchkabel genutzt werden kann.
In der nahezu unüberschaubaren Markt-Überflutung aus kleinen, transportablen Desktop-Synthesizern in Eurorack-Tradition sticht der Pittsburgh mit unkonventionellen Features heraus – wie etwa einem Wavefolder-Oszillator oder seinem Low Pass Gate – und lädt zu inspirierenden Bastel-Sessions ein.
Ob sich diese Verlockung bestätigt und was den Microvolt sonst noch ausmacht, haben wir für euch getestet.
Details
Erscheinungsbild
Mit seinen 1,6 kg Kampfgewicht und 264 x 178 x 48 mm hat der Microvolt zwar kein Eurorack-Format, reiht sich aber dennoch klar in den Trend transportabler, kompakter Desktop-Synths à la Behringer Model D oder etwa dem Korg Minilogue XD Rack ein. Eine der Folgen dieser Mode-Erscheinung sind extrem dicht besiedelte Bedienoberflächen mit teilweise sehr kleinen, wackeligen Fadern und Potis. Davon bleibt auch der Microvolt auf den ersten Blick nicht ganz verschont. Ob sich dies allerdings im Workflow negativ bemerkbar macht, wird der Praxis-Test zeigen.
Aufbau und Bedienoberfläche
Die Basis des Synths, die Oszillator Sektion, bildet schon mal eine erste Besonderheit. Bei der Konkurrenz finden wir hier meist mindestens 2 Oszillatoren vor, zwecks Detuned-Sounds oder mehrstimmigen Klangfarben. Der Microvolt hingegen will mit nur einem Oszillator auskommen. Der hat es allerdings in sich: Neben den Wellenform-Klassikern Sinus (mit „Harmonic“-Button zur Anreicherung durch Obertöne), Sägezahn und modulierbar Puls gibt es auch noch eine spannungsgesteuerte „Fold“-Wellenform. Diese zeichnet sich durch besonders komplexe harmonische Strukturen aus, die sich per modulierbarem „Fold Timbre“ variieren lassen. Die vier Wellenformen sowie ein zusätzlicher Noise-Generator und das externe Input-Signal lassen sich im Waveform Mixer ineinander mischen und können somit simultan erklingen, was bei anderen Synths selten möglich ist.
Da merkt man doch schnell, wo Pittsburgh eigentlich herkommt: von der West Coast. Kurzer Exkurs: Es gibt in der Synthesizer-Welt die Unterscheidung zwischen „East Coast“ und „West Coast“ Synthese. Mit East Coast verbindet man die von Bob Moog geprägte subtraktive Klang-Synthese, die meist eine bestimmte Kombination aus Oszillator, Filter, Hüllkurven und Modulation/LFO vertritt. Das ist die Art Synthesizer-Struktur, wie wir sie aus den meisten herkömmlichen Synths gewohnt sind. Im Gegensatz hierzu steht der „West Coast“-Ansatz mit beispielsweise Wavefolder-Oszillatoren oder loop-baren LFO‘s, die als Hüllkurve genutzt werden können.
Basierend auf dem Eurorack-Konzept können solche unkonventionellen Neu-Kombinationen intuitiv und experimentell umgesetzt werden, was teilweise zu sehr abgefahrenen Sounds führen kann. Der Microvolt versucht mit seinen besonderen Features immer wieder, diese beiden Welten zu verbinden. Denn unser vorgemischtes Oszillator-Signal wandert nun doch zunächst klassisch in ein Low Pass-Filter, allerdings mit erweiterbarer Resonanz bis zur Selbst-Oszillation. Von da aus geht es via einer konventionellen ADSR-Hüllkurve zunächst in das VCA, welches wieder einen ordentlichen West Coast-Einschlag hat. Von Pittsburgh liebevoll „Dynamic VCA“ getauft, lässt es sich in zwei Modi betreiben. Im „VCA“-Modus verhält der Amp sich wie ein herkömmliches VCA in Kombination mit der VCA-Envelope. Im LPG-Modus jedoch mutiert das VCA zu einem dynamischen Low-Pass Gate, wie es vom West Coast-Pionier Buchla etabliert wurde.
Man kann sich das in etwa vorstellen wie ein ‚lebendiges‘ VCA, welches wie eine Art Gate auf die Amplitude des Eingangs-Signales reagiert. Zeitgleich reagiert auch das Filter dynamisch auf die Amplitude. Somit ist das Low Pass Gate als eine Art Filter-Envelope zu verstehen, die aber in Kombination mit dem VCA einen ganz eigenen Klang-Charakter hat und sich vor allem dann für perkussive Sounds sehr gut eignet, wenn man den „Pluck“-Schalter aktiviert. Diese Erkenntnis ist aber nur der Beginn endloser Klang-Experimente. Denn das Dynamik-Verhalten im Low Pass Gate-Mode lässt sich auf mehreren Ebenen beeinflussen, sei es durch die Intensity der ADSR-Hüllkurve oder den Input-Gain des Quell-Signals.
Hier wird es also schnell experimentell und unkonventionell, was sich bei einem Blick auf die Modulations-Möglichkeiten des Microvolt fortführt. Statt einer herkömmlichen Filter-Hüllkurve besitzt der Desktop-Zwerg einen „Function Generator“, der mit seinen Fadern „Rise“ und „Fall“ zu einer Art AD-Hüllkurve für das Filter wird. Spannend: Der Function Generator ist loopbar, was bedeutet, dass er auch zum Filter-LFO umfunktioniert werden kann. Die Komponenten „Rise“ und „Fall“ lassen sich auf Wunsch von der Modulations-Sektion beeinflussen.
Wie beim Oszillator gilt auch hier das Prinzip „One For All“. Lediglich ein LFO soll die Modulations-Arbeit stämmen, wofür er mit stufenlosem Regler von Sägezahn bis Puls und einem Random-Generator ausgestattet ist, der dem Hören nach zu muten eine regulierbare Kombo aus willkürlichen Rate- und Depth-Werten ist. Schließlich ist auch noch eine Arpeggiator-Einheit dabei, die leider aufgrund der sparsamen Beschriftung etwas unklar und unübersichtlich im Workflow ist. Offensichtlich ist ein Random-Modus aktivierbar, aber der Arpeggiator reagiert auch auf die Reihenfolge und Länge der Midi-Eingabe und lässt sich zusätzlich als eine Art Sequenzer nutzen.
Last but not least beherbergt der Microvolt auf seiner kompakten Bedienoberfläche dann auch noch eine stolze Patch-Bay, die mit insgesamt 39 Ein- und Ausgängen zur großen Spielwiese wird. Dem fertigen Sound-Konstrukt kann schließlich in der Output-Sektion noch ein regelbarer Overdrive beigefügt werden.
Anschlüsse
Die üppige Patch-Bay beherbergt auch die obligatorischen Anschlüsse des Microvolt. Audio-In, Audio-Out und Phones Out sind folglich nur im Miniklinken-Format vorhanden, was aber ganz im Sinne der Eurorack-Kultur und bei Geräten dieser Größe nicht ungewöhnlich ist. Der Pittsburgh kann via CV Clocks empfangen und senden und hat In/Outs für externe Signale. Ein Midi-CV-Adapter für den Midi-Input ist ebenso im Lieferumfang enthalten wie das 1,5A DC-Netzteil, welches den Synth mit Strom versorgt.