Eine neue Folge aus der Origins of Sound Serie über legendäre Klänge, die Musikgeschichte geschrieben haben. Hier kommt Teil 5: der „Hoover“. Der legendäre Staubsauger-Sound, auch bekannt als „Mentasm“ oder „Dominator“.
Oder einfach: das Roland Alpha Juno Preset „What The“, programmiert von Eric Persing.
„Bigger and bolder and rougher and tougher, in other words sucker, there is no other.”
Die Firma Roland hat viele essenzielle elektronische Instrumente produziert, deren Sounds Musikgeschichte geschrieben haben. Über die TR-808 und TR-909-Drummachines und die Acid-Maschine TR-303 muss ich sicher keine weiteren Worte verlieren.
Ebenso wenig über SH-101, Juno-106 oder Jupiter-8, alles Legenden. Aber auch weniger berühmte Synths haben ihre tiefen Spuren hinterlassen. Einer davon ist der Alpha Juno-1 aus dem Jahre 1985. Er brachte uns den Hoover. Also auf zum Frühjahrsputz!
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Rein von der Soundarchitektur war der Alpha Juno-1 der kleine vieroktavige Nachfolger des Juno 106. Allerdings ohne die Regler, mit digitalen Parameterabstufungen und dem namensgebenden ungerasterten Alpha-Dial als einzigem Werkzeug zur Dateneingabe.
Zur Parameteranwahl hatte sich nun auch Roland für billige Folientaster á la Yamaha DX-7 entschieden. Die Parameter waren auf das Gehäuse aufgedruckt und wurden über ein verästeltes Menü angewählt. Dadurch war kein intuitives Tweaken der Sounds mehr möglich, aber dafür konnte der kleine Synth zum Kampfpreis von knapp über 1.000,- DM angeboten werden.
Später folgte noch der Alpha Juno-2, der sich vom kleinen Bruder allerdings nur durch ein besseres Keyboard auszeichnete, mit Anschlagsdynamik und einer Oktave mehr. Wer richtige Regler wollte, konnte den Controller PG-300 dazukaufen. Später erschien dann mit dem MKS-50 auch die 19-Zoll-Rackversion.
Ursprung
Zum ersten Mal „dominant“ genutzt wurde das „What The“-Preset von Techno-Innovator Joey Beltram und seinem R&S-Label-Mate Edmundo Perez aka Mundo Muzique. Unter dem Projektnamen Second Phase produzierten sie „Mentasm“.
In einem Interview mit Red Bull Academy sagt Edmundo Perez über den Ursprung des Stücks: „Es war nicht so sehr die Musik, die es inspirierte, sondern die Besessenheit vom „What The“-Sound selbst.
Ich war entschlossen, einen Sound zu verwenden, der als völlig nutzlos empfunden wurde. Außerdem hatte ich den Eindruck, dass viele Leute nicht verstanden haben, warum Roland so einen „dummen“ Sound in einen so großartigen Synthesizer einbaut.
Ich war fasziniert von dem Sound und spielte die ganze Zeit damit. Ich wollte ihn effektiv in einem meiner Projekte einsetzen. Es ging nur darum herauszufinden, wie man ihn geschickt mit einem MIDI-Sequenzer steuert, damit er irgendwie Sinn macht und beeindruckt.“
Diese Herangehensweise erinnert an DJ Pierre und seinen Gebrauch der TB-303, die 1985 das so ziemlich nutzloseste vorstellbare Musikinstrument war und für eine Handvoll Dollars in Second-Hand-Läden angeboten wurde. Durch den Track „Acid Tracks“ wurde nicht nur ein neuer Musikstil definiert, sondern es änderte sich auch schlagartig das Interesse an dem kleinen Bass-Synthesizer.
Anders als DJ Pierre’s intuitives Herumschrauben an der 303 entstand die Mentasm-Sequenz jedoch aus dem obsessiven Herumprobieren mit dem „What The“-Sound, das letztlich von Erfolg gekrönt war.
Mentasm
Die Demoaufnahme von „Mentasm“ entstand mit Hilfe eines Apple Macintosh SE und Master Track Pro auf einem Kassettenrekorder. Master Track Pro triggerte das „What The“-Preset des Alpha Juno 1 via MIDI mit allerlei Pitchbending. Perez spielte das Demo seinen Freund Joey Beltram vor und sie beschlossen, das Stück gemeinsam zu Ende zu produzieren.
Bei einem Besuch bei R&S in Gent (Belgien) spielte Perez die Demoversion ebenfalls seinem Labelboss Renaat Vandepapeliere vor, der aber noch nicht darauf ansprang.
So kam also die „zweite Phase“ der Produktion, die in Beltram’s Studio stattfand und die letztlich dann auch für den Projetnamen Pate stand.
Sie sampleten die komplette Alpha Juno-1-Sequenz in Perez‘ Casio FZ-1 Sampler und nutzten für alle Filterfahrten das interne Casio-Filter. Die Drums kamen von einer Akai MPC-60, die Effekte von Alesis und natürlich wurde über einen analogen Mixer (Mackie 32-8) direkt auf DAT aufgenommen. Bezahlbares Harddiskrecording oder gar Ableton Live gab es halt 1991 noch nicht.
Diesmal war Renaat sofort begeistert und signte das Stück. 1991 war ein Jahr, wo gerade in Berlin das Rennen nach immer schnelleren Beats und krasseren Sounds voll im Gange war und R&S eines der absoluten Top-Label. „Mentasm“ eroberte den Tresor-Club und die Tekknozid-Raves im Sturm und prägte sofort eine neue Sound-Ära, hier und auch in Benelux.
So war es nicht verwunderlich, dass schon bald die erste kommerziellere Weiterverwertung erfolgte: die niederländische Produzentencrew Human Resource (Johann van Beek und Robert Mahu) verarbeitete die Mentasm-Idee weiter, reicherte sie mit einem Rap an und veröffentlichte das Stück ebenfalls 1991 auf dem niederländischen Hardcore-Label 80 Aum Records.
Dominator
„Dominator“ ging sofort durch die Decke, eroberte Clubs und Raves und erreichte Platz 36 der UK-Singles-Charts und sogar Platz 6 in Belgien und den Niederlanden. Pop-Charts wohlgemerkt!
Über 50 Remixes wurden veröffentlicht und auch der seinerzeit sehr populäre Joey Beltram durfte einen machen. Sein Mentasm-Partner-in-crime Edmundo Perez wurde nicht gefragt. Beltram remixte 1992 auch noch gleich „Charly“ (August 1991), den ersten Hit von The Prodigy, die den Mentasm-Sound ebenfalls nutzten.
Die Detroiter Techno-Revoluzzer Underground Resistance zogen 1992 mit “Fury” nach und “Are You All Ready?” von Hard House-Legende Tony de Vit soll hier mal exemplarisch für den besonders prägnanten Einsatz des Hoovers Mitte der Neunziger stehen.
Durch die Clubs war der Mentasm-Sound im Mainstream angekommen und in den folgenden Jahrzehnten gönnten sich auch Pop-Künstlerinnen wie Rihanna („Birthday Cake“, „Phresh Out The Runway“) und Lady Gaga („Bad Romance“) einen kleinen „Touch of Hoover“.
Derzeit wird Techno wieder schneller, wilder und archaischer, die BPM-Zahlen durchbrechen auch schon mal die 150er-Grenze und Hoover-Sounds erleben eine glorreiche Renaissance.
https://www.youtube.com/watch?v=wvb1zkcpJ38
Origins of Sound: Der Hoover-Papa
Der eigentliche Vater hinter diesem typischsten aller Rave-Sounds ist jedoch Eric Persing. Er war Chef-Sound-Designer für Roland von 1984 bis 2004 und kreiierte in diesen 20 Jahren Preset-Klänge für alle relevanten Roland-Synths wie den Roland D-50 (remember “Digital Native Dance”?), den JD-800 und die Synthesizer-Serien JX, JV, JP und XP.
Später gründete Eric die Software-Synth-Schmiede Spectrasonic
Der erste Synth, für den er Presets erstellte, war jedoch der Roland Alpha Juno-1 und dazu gehörte auch das „What The„_Preset.
Bau deinen eigenen Staubsauger
Die Grundlage sind drei Oszillatoren, die jeweils eine Oktave voneinander gestimmt und mit Pulsweitenmodulation moduliert sind. Schön breit Chorus drauf und Pulsweite und Chorus mit einem schnellen LFO durchrühren.
TIPP: Origins of Sound Hoover
Am besten nimmt man natürlich den Original-Juno. Wenn der nicht zur Verfügung steht oder ihr sowieso lieber in-the-box produziert, dann empfehle ich Euch den ReDominator von Audio Realism, den Machern der ABL-3 Bassline.
Der ReDominator beherrscht sogar den SysEx-Import der originalen Juno-Patches. Aber auch andere Software-Synths beherrschen können hoovern, wie z.B. der unverwüstliche Sylenth 1 von Lennar Digital.
Also, auf zum Frühjahrsputz und saugt den Staub raus!
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