SSL THE BUS+ ist ein üppiger Zwei-Kanal-Kompressor mit dynamischem Equalizer – und damit aktuell die „ultimative“ Bus-Kompressor-Waffe. Erstmals 1976 in der 4000B Console verbaut hat sich der zunächst hauptsächlich auf der Summe verwendete Bus-Comp zum absoluten Standard etabliert. Insbesondere in der 4000 G gelangte er zu Weltrum, weil: „Most Number One Hits have been compressed by this“. Deshalb wird er auch als G-Comp bezeichnet.
Immer wieder um marginale Details verbessert, ist er sich seiner durchaus transparenten „Super-Glue“-Seele stets treu geblieben. Mit THE BUS+ hat der britische Hersteller das Konzept nun richtig aufgebohrt und zu einem voll umfänglichen 19-Zoll-Werkzeugkasten mit reichlichen Klangfacetten transformiert.
Ähnlich zum SSL Fusion, ebenfalls „Engineerd in the UK/Made in China“, zeigt der Hersteller auch hier, wo die Zukunft analoger Hardware liegt – denn unter der 19-Zoll-Haube findet sich so manche Überraschung. Wann wohl die Bus+ Plugins folgen, denn ein Dynamic EQ fehlt dem Native Bundle schmerzlichst!
Details
New Era
Der SSL THE BUS+ ist ein VCA-Kompressor für den Dual-Mono, den M/S- und den Stereobetrieb, letzteren sogar in zwei Facetten. Auf zwei Höheneinheiten und 19 Zoll bietet er umfangreiche und zahlreiche Bedienelemente, darunter 20 gerasterte Potis sowie 15 Taster mit fröhlich-bunter Hintergrundbeleuchtung.
Sogar die Hälfte der Potis beinhaltet einen Push-Befehl, der weitere Funktionen schaltet. Gekennzeichnet werden sie mit den darüber liegenden LEDs. Auch das multifunktionale Zeigerinstrument bietet verschiedene Darstellungsmodi für weiterer Sonderfunktionen.
Für dich ausgesucht
Ganz im Stil des alten 4000er Bus Compressor, beherrscht der „Über-Kompressor“ die Master-Verdichtung immer noch par excellence. Ihre Essenz resultierte salopp gesagt aus der Verschaltung zweier dbx in Reihe. Der neuste Streich setzt ebenfalls auf die bekannten 2181 THAT Chips, nutzt sie aber hier besonders umfangreich.
Familienerbstück
Insbesondere vom alten „G-Comp“ gibt es genügend Plugin-Klone, zahlreiche Hardwarekopien (Smart Research C2, Warm Audio Bus-Comp, Bettermaker, etc.) sowie massig DIY-Projekte. Irgendwann haben die Briten selbst eine aberwitzig-teure 19-Zoll und X-Rack Variante rausgehauen, die ohne Sidechain-Filter jedoch zu old-school und unflexibel sind.
Nochmals später folgte, durchaus widerwillig, eine ebenfalls nicht ganz günstige 500er-Variante und auch in meiner SSL Origin ist ein „Bus Compressor“ verbaut. Beiden haben das wichtige Sidechain-Feature – mit unterschiedlichen Frequenzen zwar – vermissen aber leider auch einen durchaus hilfreichen Dry/Wet-Regler.
Traditionell verfügte „the real classic“ außerdem nur über sehr wenige Ratios (2, 4, 10) sowie recht begrenzte Zeitkonstanten für Attack und Release. Der THE BUS+ hält hier deutlich mehr Parameterwerte sowie den fein regulierbaren Sidechain und Dry-Wet bereit.
Die neunstufige “4K-Style” Harmonic Distortion wiederum moduliert unterschiedliche Bus Compressor Inkarnationen vom leicht schmutzigen G-Comp bis hin zum sehr transparenten „AWS/Duality-Style“. Das Verhältnis Preis/Leistung des BUS+ ist damit bereits um ein Vielfaches besser als bei der überteuerten 500er Variante, das ist sicher!
Analoger Sound, digital gesteuert
Und noch ein Hinweis zur hier besonderen technischen Realisierung: Obwohl der Signalpfad komplett analog ist und mit +27,5 dBU massiv Headroom hat, wird tatsächlich alles digital gesteuert. Damit fließt durch die Bedienelemente auf der Front vereinfacht gesagt auch kein Sound. Und es gibt jede Menge Relais mit sexy Klackern zu hören!
Das ermöglicht zunächst einmal die ganzen Doppelbelegungen und Visualisierungsspielerein, verbessert aber vor allem das Parameter-Matching, weil die tatsächlich ausgelösten Werteänderungen hinter den Reglerbewegungen feiner kalibriert werden können, was wiederum das Stereoverhalten enorm verbessert.
Man kennt das zwar durchaus auch von anderen Industrieprodukten und einigen Synthesizern, im „boutiquen“ Outboard-Biz ist das hingegen sehr selten. Insofern stört es null, dass es sich hier „nur“ um gerasterte Potis und keine echten Drehschalter handelt. Schnulli wie Plugin-Steuerung gibt es nicht.
Bus Compressor Essentials
ATTACK (0,1 bis 40 ms), RELEASE (50 bis 1200 ms) und RATIO (1:-2,5 bis 20:1) kennen jeweils elf Postionen, die sich allesamt knackig bedienen lassen. Mögliche Attack und Release Konstanten wurden gegenüber dem Klassiker verdoppelt, die verfügbaren Ratios sogar verdreifacht. Release wurde außerdem um einen doppelt so flinken „Auto-2“ ergänzt.
Auto bedeutet hier: Je lauter, desto schneller. Die Ratios erhielten insbesondere unter den kleinen Werten feinen Zuwachs und, ganz neu, sogar „negative Ratios“ fürs kreative Pumpen. Genaue Wertnennungen erspar ich mir an dieser Stelle, ihr könnt sie den Foto selbst entnehmen, weil die Beschriftung wirklich präzise ist.
MAKE-UP, THRESHOLD, und DRY/WET sind mit 31 Positionen feiner aufgelöst, und erledigen soweit, was man von einem VCA-Kompressor erwartet. Die Auflösung des Make-up lässt sich durch den Push-Befehl verfeinern – aus -10 bis +20 werden so -5 bis 10 dB. Ferner lässt sich dieser Gain sogar „Post D-EQ“ schalten.
Ähnliches gilt für das S/C HPF, also das Hochpass-Sidechain-Filter, das Low-Cuts von 10 Hz bis 300 Hz in 10-Hz-Schritten setzt. Hier weist der Push-Befehle wiederum den External Sidechain zu, der rückseitig über einen Satz XLRs zugeführt wird.
Welches Jahrzehnt soll es sein?
Kommen wir zum ersten Wahnsinn: SSL THE BUS+ kann nicht nur den modernen Bus-Comp-Sound aktueller AWS und Duality emulieren, sondern eben auch den alten „unbalanced Sound“ der 4000er. Drückt man den 4K Button gibt’s mehr Rotz, und das äußerst fein dosierbar in neun Stufen: Von Gelb bis Rot durch die Taster LOW THD und F/B in Verbindung mit dem 4K Mode gedrückt – fette Number One.
Wer es hingegen „cleaner“ benötigt, aktiviert LOW THD und verzichtet auf die üblichen Harmonics im Tiefbass. Außerdem gibt es den F/B MODE. Der manipuliert aber nicht die Topology, wie man vielleicht vermuten mag, sondern nur den Sidechain selbst, und sorgt so für noch smoothere Compression.
Dynamic Equalizer
Als wäre die Front durch Aufspreizen der „normalen“ Kompressorparameter und die tolle Erweiterung auf Dual-Mono inklusive Mid/Side-Mode nicht platzraubend genug, packt SSL noch einen gut parametrisierten Dynamic-EQ oben drauf! Das macht auch total Sinn, denn normalerweise fängt man mit Bus-Kompression im Allgemeinen durch Bus-EQing davor oder danach auch immer wieder etwas auf.
Hierzu gibt es zunächst den „statischen“ LF GAIN für den Bass mit +/-10 dB sowie einen parallelen HF GAIN mit +/-10 dB. Letzterer ist allerdings nur in den Stereo-Modes verfügbar, was für mich absolut legitim ist. Der HF-Gain ist damit der einzige Regler, den es explizit an der rechten Seite zu bedienen gilt, wenn sich der Kompressor im Link-Mode befindet.
Lasst euch von der fehlenden Beschriftung des LF-Reglers in meinen Bildern nicht täuschen – normalerweise müsste hier rechts LF/HF GAIN stehen, bei meinem Model handelt es sich aber wohl um Vorserie.
Aufwendiger EQ
Der Bass-EQ ist ein Low-Shelf, der eine optionale „G-Style LF Curve“ mit Over/Undershots kennt. Der HF ist auch ein Shelf, kann aber wiederum auf Glocke umgeschaltet werden. Zur Wahl der Einsatzfrequenz muss man die entsprechenden Bandregler gedrückt halten und über die Nadelanzeige einstellen – klingt komplizierter, als es tatsächlich ist.
Die Bänder sind präzise regelbar, sprich von 20 Hz bis 170 Hz beim Bass, zwischen 2 kHZ und 17 kHZ beim HF Shelf und von 700 Hz bis 16k bei der Glocke – bei allen dreien geht das mit 16 Zwischenschritten und sexy Relais-Klackern.
Bei der modernen Jagd nach konstantem Pegel bringt uns die dynamische Komponente neben den statischen Bändern noch viel weiter, insbesondere beim partiellen Verdichten des Basses. Ich nutze dafür seit Jahren meinen Tube Tech SMC-2B, wobei es sich dabei streng genommen um einen Multi-Band-Kompressor und nicht um einen Dynamic-EQ handeln – die Grenzen verschwimmen in der Praxis aber ohnehin.
Lirum, larum: Es gibt neben den beiden HF/LF-Gain-Reglern auch noch vier Threshold-Regler, wodurch die Bänder dynamisch agieren. Sprich: Sie führen Cuts oder Boosts erst nach Überschreitung des Thresholds proportional aus. Nach links gedreht agieren die D-EQ-Regler als Compressor, nach rechts entsprechend als Expander – je weiter man sie aufdreht, umso tiefer der Threshold – und, logisch, umso orangener leuchten die LEDs.
Ferner kann man mit den Nadelanzeige auch die Range einstellen, also die maximale Compression oder Expansion. Außerdem stehen für alle Bänder Normal und FAST sowie ein Autozeitverhalten zur Verfügung, letzteres leuchtet dann pinkfarben. Klingt irgendwie alles ganz schön kompliziert, zumal es viele weitere Besonderheiten in den unterschiedlichen Stereo-, 4K- und M/S-Modes zu entdecken sowie ganz allgemeine zahlreiche, weitere praktische Bedien-Features gibt – aber das wirklich nur noch am Rande. Wie funktional das jetzt alles tatsächlich ist, klären wir dann besser in der Praxis!