Der Markt der Software-Synthesizer mit Wavetable-Synthese wird dominiert von Xfer Inc’s Serum und Native Instruments Massive. Einen Synthesizer der Ableton Live’s minimalistische Optik mitbringt und sich direkt mit Ableton’s Controller Push bedienen lässt, gab es bis Version 10 von Live nicht. Wavetable bringt viel Gewohntes mit. Die Menge an Modulationen und die seit 10.1 bestehende Möglichkeit eigene Samples als Wavetables zu importieren, machen den Synth aber zu einem eigenständigen und sehr mächtigen Instrument.
Wavetable-Synthese ist an sich nichts Neues. Entwickelt von der Synthesizer-Legende Wolfgang Palm in den frühen 80ern, war der passenderweise als Wave bezeichnete Synthesizer von Palms Firma PPG der erste, der diese Synthese-Art beherrschte. Grundsätzlich kann ein Wavetable-Synthesizer alle Sounds und Wellenformen erzeugen, die auch ein „normaler“ analoger Synthesizer beherrscht wie ein Minimoog oder ein MS-20. Anders als bei diesen werden die Wellen jedoch nicht von analogen Oszillatoren erzeugt, sondern quasi digital aus einem Sample ausgelesen.
Durch diese „Wellentabelle“, also die verschiedenen Abschnitte des Samples, kann bei entsprechender Modulation der Wavetable-Oszillator beim Abspielen durchfahren und einen sehr dynamischen Sound erzeugen. Das ist eine DER Charakteristiken, die die Sounds dieser Synthese-Form von normalen analogen Synthesizern – wie Sylenth1 oder Ableton’s Analog – ebenso wie von glockengleichen FM-Synth-Sounds wie man sie in Operator erzeugt – unterscheidet.
Bass mit Biss
Bei eigenen Bass-Sounds gilt es oft, den Spagat zwischen genrespezifischem und einem individuellen Klangcharakter zu meistern. Moduliert man selbst bei einfachsten Wellenformen die Wavetable-Position per LFO oder Hüllkurve auch nur ein bisschen, verleiht das jedem Sound sofort einen eigenen Charakter. Wie immer gilt: Die Dosis macht die Mischung. Schnell ist man verleitet jeden Parameter mit voller Modulationstiefe zu bearbeiten, was aber oft ins Klang-Chaos führt.
Also eine Hüllkurve auf die Osc.1 Position gepackt: Den Parameter kurz mit der Maus berühren, dann taucht er in der Modulationsmatrix auf. Dort könnt ihr aus den elf Modulationsquellen wählen. Der Effekt ist sofort zu hören. So weit, so digital.
Damit das Ganze noch einen analogen Klangcharakter bekommt, wählen wir bei Filter 1 den PRD-Filter (Live’s Version des Moog-Ladder-Filters aus dem Moog Prodigy), drehen über den Cutoff ein paar Höhen raus und zerren das Signal ordentlich über den Drive-Parameter an. Dazu noch etwas Resonanz, eine zweite Hüllkurve auf den Filter-Cutoff und das Ganze fängt schon an nach Bass zu klingen. Irgendwie fehlt es untenrum noch etwas, da hilft uns der dritte Oszillator, ein Subbass-Oszillator, den wir per Mausklick dazuschalten. Und um dem Ganzen nun noch mehr analogen Charakter zu verleihen, modulieren wir den Cutoff zusätzlich mit dem „Note“-Parameter. Je nach MIDI-Note öffnet oder schließt sich das Filter etwas mehr – bei anderen Synthesizern nennt sich das Key-Tracking.
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Lead-Sounds, die sich durchsetzen
Nachdem wir brav bei einem Oszillator für den Bass-Sound geblieben sind (den Sub-oszillator als nicht vollwertigen Wellenerzeuger mal ausgenommen), braucht es, um Größe zu erzeugen, als erstes zwei Oszillatoren. Eine Faustregel für Leadsounds ist: Je mehr Obertöne, desto besser. Das Instrument soll sich in einem Arrangement gut durchsetzen können. Die meisten Obertöne der klassischen Wellen hat die Saw-Wave. Wavetable bringt sieben verschiedene Wavetables mit, die voller Sägezahnvarianten sind. Wir wählen die Quad Saw Tabelle aus und fahren mit dem Positionsregler so lange durch, bis wir einen passenden Sound finden.
Dazu kommen die Oszillator-Effekte PW und Sync im Classic-Modus, um dem Sound mehr Biss zu verleihen. Oszillator 2 stellen wir auf die Wavetable Saw Harmonics und setzen auch hier den Classic-Modus ein. Damit der Sound aber keine bloße Kopie des ersten ist, stimmen wir die Welle eine Oktave (sprich: 12 Halbtöne) höher und verstimmen sie dann leicht mit dem Detune-Regler. Dadurch wird der Sound leicht verwaschen. Diesen Effekt nennt man Schwebung.
Danach kommt alles in ein ein Filter, dieses Mal nehmen wir das MS2-Filter, angelehnt an das Filter des legendären Korg MS-20. Dieses Mal dämpfen wir die Höhen über dem Cutoff nur ein wenig. Zusätzlich packen wir die Amp-Hüllkurve in der Modulationsmatrix noch mit kleinem Anteil auf den Cutoff, sodass er sich bei jeder Note leicht öffnet. Damit ist etwas mehr Bewegung im Spiel.
Um den Lead insgesamt analoger – also nicht nur verzerrter, sondern auch unregelmäßiger – klingen zu lassen, stellen wir LFO 2 auf die Welle „Whitenoise“, ihre Stärke und Intensität aber auf sehr kleine Werte. Dann modulieren wir los. Je mehr Parameter beider Oszillatoren von diesem LFO moduliert werden, desto analoger klingen sie. Ziel ist, dass jede gespielte Note leicht anders klingt –wie bei einem echten analogen Synthesizer. Wer hier neugierig geworden ist, dem sei ein hervorragendes Video von James Wiltshire empfohlen, in dem er sich für die amerikanischen Kollegen vom Computer Music Magazine mit der Erzeugung von analogem Klangcharakter in Soft-Synths beschäftigt.
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Mehr InformationenSo weit, so schmal. Schön analog, schön peitschend, aber insgesamt noch etwas zu dünn. Unison to the rescue! Der „Phase Sync“ Modus ist der passendste. Vier Stimmen, nicht zu stark zueinander verstimmt, und der Sound geht auf. Um dem Ganzen dann doch noch eine modernere Note zu verleihen, stellen wir Wavetable von polyphon auf monophon, damit wir den Glide-Parameter einsetzen können.
Pad-Sounds
Flächensounds, Pads, die den akustischen Hintergrund eines Tracks füllen sollen, brauchen vor allem eins: Bewegung ohne Ende. Je mehr Modulation und Verwaschenheit, desto weiter rückt ein Sound in den Hintergrund. Er fadet ein und aus, bewegt sich nach links und rechts.
Dieses Mal schauen wir bei den Wellenformen etwas über den Tellerrand der klassischen Wellen und stöbern in den elf Kategorien rum. Fündig werden wir für Oszillator 1 in der Kategorie Complex bei dem Wavetable Bit Ring. Für Oszillator 2 wollen wir ähnlich wie bei dem Leadsound eine Welle finden, die den Gesamtsound größer macht. Nach einigem Austesten stellt sich das Wavetable Sines 1 aus der Harmonics-Kategorie als passend heraus. Wieder wird Welle 2 eine Oktave höher gestimmt und etwas stärker als beim Lead per „Detune“ verstimmt. Für beide Oszillatoren kommen eine ordentliche Prise Oszillator-Effekte dazu. Für diese Soundkategorie von großer Bedeutung: Die Hüllkurve! Um das träge Ein- und Ausfaden zu unterstreichen, stellen wir lange Attack- und Releasezeiten ein.
Um den Pad-Sound weiter in den Hintergrund zu ziehen, muss ordentlich gefiltert werden. Das auf dem OSCar Synthesizer basierende OSR-Filter schneidet ordentlich Höhen weg. Für analoge Wärme wird der Drive aufgedreht. Als zusätzliches Bewegungselement, das den Sound weiter verwäscht, nehmen wir beim zweiten Filter ein Bandreject-Filter und machen es durch eine hohe Resonanz so schmal, dass es fast ein Notchfilter wird.
Nun wird moduliert bis zum Mond. Anders als beim Lead-Sound geht es jetzt weniger um subtile analoge Unregelmäßigkeiten, sondern eher um so viel Bewegung und Verdrehung, dass man beim Hören leicht seekrank wird. Die Tonhöhe beider Oszillatoren wird genauso moduliert, wie die Wavetable-Positionen, das jeweilige Panning und beide Cutoff-Regler. Dazu kommt zum Abschluss noch eine gehörige Portion Unsion. Der Random-Note-Modus verleiht dem Flächensound die finale Größe. Beachtet, dass bei voller Stimmenanzahl im Unison-Modus eure CPU unter Umständen gehörig ins Schwitzen kommt.
Sounds mit eigenen Samples
Eine der meistbeachteten neuen Features im kommenden Update 10.1 von Ableton Live ist die Möglichkeit, eigene Audiodateien in Wavetable ganz simpel per Drag’n‘Drop zu importieren. Das ermöglicht völlig neue Sounds.
Warum nicht einfach mal einen Drumloop in Wavetable importieren? Legt man eine der Hüllkurven auf die Wavetable-Position und stellt die Attack-Zeit entsprechend langsam ein, klingt es fast so, also würde man den Drumloop durch einen Vocoder jagen.
Grundsätzlich gilt: Auf der Note C1 wird bei entsprechend eingestellter Attack-Zeit der Loop am natürlichsten abgespielt. Spielt ihr zu Beispiel dann mehrere Noten versetzt zueinander, bekommt ihr eine polyrhythmische Drumline, die man mit einfachem Sample-Editing nie erzeugen könnte. Auch ein Percussion-Loop oder eine Klavier-Note erzeugen ungewöhnliche Sounds, die ihr mit entsprechender Modulation dann noch verändern könnt. Auch der Parameter „Raw“ macht je nach Sample einen großen Unterschied. Drumloops klingen echter, Piano oder Stimme klingen verkratzter. Aber die Möglichkeiten sind unendlich.
Für alle, die tiefer ins Thema “Sounddesign” einsteigen wollen, haben wir noch eine Buchempfehlung:
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