Der Mayer EMI MD900 ist ein charismatischer Desktop-Synthesizer von Horst Mayer aus Österreich, dessen Konzept auch im Eurorack Verwendung findet. Für wen sich der exklusive Bolide wirklich lohnt und ob er höchste Soundansprüche erfüllt, finden wir heraus.
Auf den einschlägigen Webseiten ist er schon gefeiert geworden. Der Hardware-Entwickler Horst Mayer aus Österreich hat sich mit dem MD900 wohl selber so etwas wie ein Trauminstrument verwirklicht, das nun nach vielen Jahren marktreif im Handel verfügbar ist. In puncto Konzept, Klang und Bedienung soll dieser Desktop-Synthesizer neue Akzente setzen und den hohen Verkaufspreis legitimieren. Ursprünglich stammt die Engine vom Eurorack-Synthesizer M800. Diese wurde für den Mayer EMI MD900 überarbeitet und um neue Features erweitert. Das Instrument arbeitet intern mit dem Betriebssystem Linux OS, das sich nach Druck auf den Einschaltknopf innerhalb von maximal 30 Sekunden inklusive aller Audio-Dateien und Preset-Daten hochfährt. So bekommt man einen USB-Stick für Firmware-Updates gleich mitgeliefert und darf davon ausgehen, dass Mayer den Synthesizer permanent weiterentwickelt.
Details
Was ist der Mayer EMI MD900?
Beim ersten Hinschauen vermutet man einen umfangreich programmierbaren virtuell-analogen Synthesizer, zumal er das Kürzel „X-VA“ (Erweiterter VA-Synth) trägt. Doch in Wirklichkeit kann der multitimbrale MD900 mehr: Es stehen insgesamt vier Synthesizer-Parts (plus Drum-Part) bereit, die man per MIDI (Tastatur oder Sequencer) auf unterschiedlichen Kanälen anspielt. Für jeden dieser vier Parts des MD900 gibt es nicht nur eine separate Effekt-Sektion, sondern obendrein einen Sequencer und einen Arpeggiator. Weiterhin bietet der Desktop-Synth mehrere Drum Kits, Samples und noch einen Clip-Launcher, der an die DAW Ableton Live erinnert. Alle Einstellungen werden im sogenannten „Arranger“ gespeichert und zügig mit einem Tastendruck aufgerufen.
Eigentlich wundert es, dass weder das Handbuch noch die Webseite des Herstellers diese besonderen „Groove-Box-ähnlichen“ Anleihen stärker in den Fokus rücken. Die insgesamt 16 Stereo-Stimmen verteilt der Mayer MD900 unter den vier Synthesizer-Parts dynamisch. Hier fragen wir uns theoretisch, ob die Polyfonie nicht ein wenig knapp bemessen ist. Zum Vergleich: Der preiswerte Synthesizer Korg Wavestate bietet ebenfalls vier Layer bei insgesamt 64 Stereo-Stimmen. Für transparente Arrangements mit linearen Drums, einem Bass sowie einstimmige Arpeggios sollten die 16-fache Polyfonie des MD900 aber locker genügen, zumal der Drum-Sample-Part bis zu 14 Samples unabhängig von der Synth-Engine abspielen kann.
Wertige Hardware
Das Aluminium-Gehäuse mit klassischen Holzrändern wirkt ästhetisch. Bei eher leichtem Gewicht (4,4 kg) und bei Abmessungen von 46 × 29,5 × 6,5 cm lässt sich der Mayer EMI MD900 mit kleinen herausklappbaren Gummifüße angewinkelt ziemlich stabil auf dem Studiotisch platzieren. Während unseres Tests stand er allerdings auf einem K&M 28075 Spezialständer, der für größere Desktop-Modelle oder kleinere Tastatur-Synthesizer sehr praktisch sein kann.
Für dich ausgesucht
Das Frontpanel macht Lust aufs Zupacken: 37 Drehregler, zehn klickbare Endlos-Encoder, 23 Buttons, elf kleine Taster sowie 42 LEDs und zwölf Fader sind übersichtlich verteilt. Sie liegen gut in der Hand und lassen sich mechanisch leicht betätigen. Was jetzt schon positiv auffällt: Der MD900 ist auch bei dunklerer Umgebung oder bei kritischen Lichtverhältnissen gut zu überblicken. Selbst die Positionen der Hüllkurven-Segmente sind dank LEDs stets gut sichtbar. Ein Blickfang ist das 5“ große berührungsempfindliche Bildschirm, fünf kleine Displays („Assistenzdisplays“) unterstützen Sektionen wie Oszillator, Noise oder LFO.
Anschlüsse
Rückseitig findet sich neben Stereo-Eingang zwei Monoklinken-Ausgänge sowie ein Kopfhörer-Ausgang, der sich sehr separat, aber relativ zur Hauptsumme regulieren lässt. Drei USB-2.0-Anschlüsse, das MIDI-Trio, Anschlüsse für Sustain- und Expression-Pedal und die Netzteilbuchse runden die Rückseite ab. Zwar könnte man zusätzliche Line-Ausgänge erwarten, um Kicks oder andere Instrumente in den Mixer zu schicken, Horst Mayer will aber bald ein passendes USB-Audio-Interface vorstellen.
Klassische Klangarchitektur
Der 16-stimmige Mayer EMI MD900 basiert auf einer herkömmlichen Struktur mit zwei Oszillatoren und Noise-Generator. Deren Audiosignale gelengen in einen Mixer und können von dort wahlweise in den Filter- und Verstärker-Block geführt werden. Beide Oszillatoren sind identisch aufgebaut. Sie verfügen jeweils über zwei Betriebsarten: Wavetable Mode oder Algorithm Mode. Interne Wellensätze und auch importierte User-Dateien (WAV) lassen sich laden und mit einigen Parametern, insbesondere mit dem Spect.Morph, modulieren. Das Touch-Display präsentiert die Wavetables in der 2D/3D Ansicht. Künftig soll noch der Parameter „FM-Range“ ergänzt werden, für typische Wavetable-Sounds ist der MD900 aber schon momentan bestens gewappnet.
Der Algorithm Mode entspricht weitgehend einem VA-Synthesizer, wobei neben den klassischen Oszillator-Wellenformen weitere Klangspektren erzeugt werden können. Der MD900 bietet mehrere Oszillatormodelle als Algorithmen. Beispiele: „Just Saw“, „VA Sweep“ (Morphing zwischen Wellenformen), „Dual PWM“ (Doppelte Pulsbreitenmodulation) oder „PD Sin“ (Phase Distortion). Beide Oszillatoren lassen sich in einem Unisono-Mode unterschiedlich stark verstimmen, wodurch wuchtige und vor allem schwebungsreiche Klängen entstehen. Hinzu kommt eine dritte klangerzeugende Komponente: Noise ist ein Sample-Player, der eine Reihe an verschiedenen Geräuschen abspielt, die der User selbst als WAV-Datei importieren kann. Im Klartext: Es lassen sich beliebige Samples einladen und kreativ nutzen, was die klangliche Vielfalt nochmals drastisch erhöht. Zur weiteren Klangformung soll später noch ein Shaper implementiert werden, der auf dem Frontpanel schon ersichtlich ist.
Multimode-Filter, reichlich Modulation plus Effekte
Weiter geht’s mit den beiden Stereo-Filtern des Mayer EMI MD900, die parallel angelegt und über die gleichen Parameter verfügen. Es stehen jeweils zehn klassische Filtertypen zur Auswahl, vor allem mit Moog– und Oberheim/SEM-Charakteristik. Mayer sieht sich offensichtlich der Tradition verpflichtet und verzichtet zunächst einmal auf eigene Filtermodelle.
Auch die insgesamt drei LFOs sind allesamt gleich aufgebaut. Sie gestatten natürlich tempo-synchronisierte Modulationen und ermöglichen somit lebendige rhythmische Muster für elektronische Musik. Vier Hüllkurven nach dem ADSR-Schema bietet der MD900, wobei die beiden ersten Hüllkurven dem Lautstärke-Verlauf (Amp A + B) und das dritte Exemplar der Filtersektion dient. Die Hüllkurven lassen sich aber ebenso anderweitig adressieren, denn schließlich sorgt noch eine Modulationsmatrix für virtuelles Strippenziehen innerhalb der Synth-Engine des MD900. Nicht weniger als 21 Quellen lassen sich mit 45 Zielparametern verbinden. Leider bleiben die Parameter der Effektsektion in der Matrix des MD900 außen vor.
Wie schon erwähnt, verfügt jeder der vier Synthesizer-Parts über eigene Effekte, die man parallel oder seriell schaltet. Im Angebot stehen jeweils Standards: Reverb, Stereo-Delay, Mod-Delay (Flanger, Chorus, Vibrato), Tube-Amp sowie Kompressor, Limiter und Equalizer. Moderne FX-Typen fürs kreative Effekt-Design sind nicht vorgesehen – der MD900 bleibt konsequent klassisch. Der Stereo-Eingang ließe sich künftig fürs Einspeisen von Audio-Signalen zwecks Vocoding nutzen – hier liegt noch Potenzial brach.
Sequencer, Clips und mehr
Der MD900 integriert auch ein musikalisches Triebwerk: eine Kombination aus ausgeklügeltem Arpeggiator mit bis zu 64 Schritten und einem Step-Sequencer, der importierte MIDI-Sequencen importieren und wiedergeben kann, aber in der Grid-Ansicht das Editieren von Noten oder anderer MIDI-Events verweigert. Die Arpeggios und Sequencen lassen sich den vier Synthesizer-Parts frei zuweisen. Speziell fürs Beat-Programming gibt es separat einen Drum-Pattern (Grid), mit denen sich die Samples des Drum-Parts in gewohnter Drum-Machine-Manier rhythmisch setzen lassen.
Der Clip-Laucher des MD900 soll schließlich alle MIDI-basierten Phrasen im DJ-Style für die Live-Performance spielbar machen. Den Parts A bis D, Drum-Part, CV1/2-Ausgängen lassen sich beliebige Sequencen, Arpeggios oder Drum-Patterns zuweisen, die danach – ähnlich der Clip-Ansicht von Ableton Live – spontan und intuitiv abgefeuert werden können. Dabei muss man nicht komplett am internen Display des MD900 hängenbleiben, sondern kann einen externen Hardware-Controller anschließen und damit die Clips triggern, während aber die Navigation am Touchscreen erfolgt.
prutz sagt:
#1 - 12.09.2022 um 16:58 Uhr
Stichwort Reverbqualität - das, was ich da höre, ist meinem Yamaha Modx hörbar überlegen, zumindest was dessen Part-Reverb-Algorithmen betrifft. Da verwende ich lieber ein Zoom Multistomp, das klingt noch "musikalischer" als das, was Yamaha da hinein verbrochen hat. Wenige Presets sind natürlich schade, aber deswegen 3/5 Bewertung ? Auf den in der Tat ausgeklügelten Arp pro Track wird leider nicht eingegangen. Aus der Anleitung ersehe ich starke Ähnlichkeiten mit dem BlueArp. Wenn das Teil nicht so teuer wäre, tät ich es schon nur deswegen kaufen, zumal meine Yamaha-Büchse in diesem Bereich sehr stark schwächelt (niemand will 10k Arps durchblättern, die nicht step-editierbar sind). Aber meine Schmerz/Abwinkgrenze liegt dzt. leider bei ca. 1800,- für so ein Instrument. Zu schade.