Lateinamerikanische Grooves – besser bekannt als “Latin-Grooves” – sind rhythmisch zumeist sehr komplex und klingen für uns Europäer im ersten Moment nicht selten recht ungewohnt. Bis man Grooves aus diesem Genre wirklich verstanden hat und authentisch spielen kann, sind nicht selten viel Zeit, Geduld und eine Menge Übung erforderlich. Dennoch ist es für jede(n) Bassist:in sinnvoll, einige der populärsten Latin-Grooves für Bass zu erlernen, denn diese Rhythmen finden sich längst auch in unserer hiesigen Popmusik wieder.
Besonders die internationale Fusionszene bedient sich sehr ausgiebig aus dem spannenden und breitgefächerten rhythmischen Pool, welchen die lateinamerikanische Musik zu bieten hat. Bereits mit ein paar einfachen Latin-Grooves kann man im Handumdrehen seinen rhythmischen Horizont erweitern und bekommt gleichzeitig jede Menge Inspiration für eigene Grooves. Außerdem wirkt sich das Üben der Patterns sehr positiv auf die rhythmische Sicherheit eines jeden Tieftöners aus.
In diesem Workshop stelle ich euch ein paar der populärsten Bassgrooves aus der riesigen Welt der lateinamerikanischen Musik vor und zeige anschließend, wie man die gelernten Patterns über eine Akkordverbindung anwenden kann.
Latin-Bassgrooves: Samba
Den Samba kennt wahrscheinlich auch hierzulande mittlerweile jeder. In der Grafik unten könnt ihr den Grundrhythmus und zwei häufige Variationen dieses bekannten Latin-Grooves sehen. Auf den ersten Schlag eines jeden Taktes wird der Grundton gespielt. Auf dem dritten Schlag sitzt in der Regel die Quinte, also die fünfte Stufe des jeweiligen Akkordes. Die Achtelnoten auf den Zählzeiten 2+ und 4+ können auch als Deadnote (also rein perkussiv!) gespielt werden – der Groove klingt dann dynamischer und spannender.
In der ersten Variation fällt die letzte Achtel komplett weg und der dritte Schlag wird deutlich betont. Mit dieser Betonung soll eine große Basstrommel, die sogenannte Surdo, simuliert werden, welche in der traditionellen brasilianischen Musik eine wichtige Rolle spielt.
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Noch reduzierter klingt die zweite Variation, bei der, zusätzlich zur Betonung auf die 3, der erste Ton sehr kurz und knackig gespielt wird. Am lebendigsten klingt der Samba natürlich, wenn man zwischen den Variationen spielerisch und mit Geschmack hin- und herswitchen kann, anstatt statisch auf einem Pattern zu bleiben. Hört euch dazu das erste Audiobeispiel an: Ich spiele hier im Wesentlichen die verschiedenen Grundvariationen und bleibe dabei zur Verdeutlichung auf einem Akkord (C-Dur).
Wenn ihr den Grundrhythmus erst einmal sicher spielen könnt, so könnt ihr den Samba-Groove als nächsten Schritt durch eine Abfolge von verschiedenen Akkorden jagen. Ich habe für das Audiobeispiel eine relativ einfache und in der brasilianischen Musik durchaus übliche Akkordfolge gewählt. Abgesehen vom Basic-Grooves spiele ich darüber hinaus auch noch die eine oder andere rhythmische Variation zur Auflockerung und für euch zur Inspiration. Lehnt euch beim Üben ruhig etwas weiter aus dem Fenster und geht spielerisch mit dem Samba-Groove um – diese Musik lebt davon!
Latin-Bassgrooves: Baiao
Der Baiao ist noch einfacher aufgebaut als der Samba und besteht im Wesentlichen aus den beiden Zählzeiten 1 und 2+. Der Groove wirkt sehr synkopisch und besitzt einen starken Vorwärtsdrang. Wegen der einfachen rhythmischen Struktur ist es sehr wichtig, dass ihr den Groove und vor allem die Zählzeit 2+ sehr präzise spielt, sonst geht der Push-Charakter schnell flöten.
Im ersten Audio spiele ich das Basic-Pattern und die Variation zur Verdeutlichung wieder auf dem Akkord C. Bei der Variation verwende ich auf dem vierten Schlag einmal die Quinte und einmal die Sekunde – je nach Kontext sind aber auch andere Akkordtöne möglich. Experimentiert einfach damit herum!
Noch mehr Spaß macht es natürlich, den Baiao durch eine Akkordfolge zu spielen. Ich habe hierfür einfach unser Samba-Schema verwendet und die Dauer der Akkorde verdoppelt.
Latin-Bassgrooves: Partido Alto
Der Partido Alto ist eine Variation des Samba und wird normalerweise etwas langsamer gespielt. Dafür ist die Rhythmik des Partido Alto allerdings etwas komplexer, er besteht nämlich aus einem zweitaktigen Pattern, wie ihr der Grafik unten entnehmen könnt. Der Partido Alto wirkt fast schon funky und wird dementsprechend auch gerne bei modernen Musikrichtungen eingesetzt.
Anhand des ersten Audiobeispieles, bei dem ich wieder auf dem Akkord C-Dur bleibe, könnt ihr euch mit dem Groove-Grundpattern und der Variation vertraut machen. Als Tonmaterial verwende ich für die Synkopen (Zählzeiten 3+ und 4+) eine kleine Septime und den Grundton, die Viertelnoten im zweiten Takt (Zählzeit 3 und 4) führen mit den Tönen Bb und H chromatisch wieder zum Grundton C auf dem ersten Schlag. Und noch ein Tipp zum Üben: Der Groove klingt knackiger und funkiger, wenn ihr die halben Noten kürzer spielt, als im Notenbild eingetragen.
Beim Durchlauf durch die Akkordfolge verwende ich im Wesentlichen die gleichen Töne wie beim Beispiel auf C, allerdings natürlich immer bezogen auf den jeweiligen Akkord. Auf E-7 im ersten Takt spiele ich also den Grundton, die synkopische kleine Septime, und der nächste Grundton beziehen sich bereits auf den Akkord A7, also spiele ich demzufolge G und A.
Danach gehe ich wieder mit chromatischen Vierteln zu E-7 und immer so weiter. Wie schon bei den vorherigen Grooves bleibe ich aber auch beim Partido Alto weder rhythmisch noch in Sachen Tonmaterial total stur bei der Grundversion. Wichtig ist lediglich, dass man beim Improvisieren das rhythmische Grundgerüst nie aus den Augen verliert!
Latin-Bassgrooves: Reverse Partido Alto
Der Partido kann auch einfach umgedreht – oder anders gesagt: ab dem zweiten Takt – gespielt werden. Das Ergebnis heißt “Reverse Partido Alto” und klingt noch ein Spur moderner als der normale Partido Alto. Im Funk- und Fusionbereich ist der Reverse Partido Alto in mehr oder weniger abgewandelter Form deshalb sehr häufig zu hören. Das Tonmaterial bleibt im Grunde gleich, ich spiele die Septime und den Grundton der Synkope aber nicht mehr hoch, sondern in der gleichen Oktave wie den chromatischen Aufgang zur 1.
Für den Durchlauf durch das Akkordschema müssen wir nur wieder die Töne den Akkorden anpassen. Versucht auch einfach mal den Groove zu slappen – der Reverse Partido Alto eignet sich wirklich 1a dafür!
Latin-Bassgrooves: Tumbao
Die vier Latin-Grooves, die wir bis jetzt kennengelernt haben, entstammen allesamt der brasilianischen Tradition. Zum Abschluss knöpfen wir uns aber noch einen afro-kubanischen Rhythmus vor. Hierbei handelt es sich um den Tumbao, welcher unterm Strich zu den einfachsteren Grooves der afro-kubanischen Musiktradition zählt. Dies mag auch der Grund sein, warum dieser Groove häufig auch in unserer westlichen Popmusik zur Anwendung kommt.
In der traditionelleren, eher langsam gespielten Version, wird der vierte Schlag nicht zur nächsten 1 übergebunden, sondern immer gespielt. Bei schnelleren Stücken hört man hingegen meistens die Version mit der übergebundenen Viertel. Ihr könnt beide Versionen wieder in einer Grafik unten sehen, im Audiobeispiel in C spiele ich allerdings nur die öfter vorkommende Variation. Das Tonmaterial der Basic-Version ist ebenfalls sehr simpel und besteht in der Regel nur aus dem Grundton und der Quinte.
Für das Tumbao-Playback mit Akkorden habe ich den A-Teil des Jazzstandards “Autumn Leaves” eingespielt. Dessen Akkordfolge passt hervorragend zu afro-kubanischer Musik. Als rhythmische Variation spiele ich auf die vierte Zählzeit öfter mal zwei Achtel anstatt einer Viertel – der Groove nimmt dadurch etwas mehr Fahrt auf.
In Sachen Tonmaterial würde ich den Tumboa immer eher schlicht belassen und im Wesentlichen bei der Grundton-Quinten-Geschichte bleiben. Im Playback variiere ich den Groove deshalb auch nur an einigen Stellen mit chromatischen Durchgangstönen.
Nun wünsche ich euch viel Spaß mit diesen populären Latin-Bassgrooves!
Bis zum nächsten Mal, euer Rainer
Tom sagt:
#1 - 06.09.2023 um 18:53 Uhr
Hallo Rainer, vielen Dank für Dein super tolles Tutorial! Das hat mir echt weitergeholfen. Genau das Richtige!!! Tolle Erklärung mit Audio und Noten! Was will man mehr. Das Üben und Reinfuchsen macht richtig Spaß!!!
Rainer.bonedo sagt:
#1.1 - 07.09.2023 um 10:27 Uhr
Hallo Tom, freut mich, dass dir der Workshop gefällt und danke für das Lob! Viel Spass ! Rainer
Antwort auf #1 von Tom
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