Musiktheorie und Harmonielehre für Gitarristen? Viele scheuen diese beiden Begriffe wie der Teufel das Weihwasser, und das mit teils kuriosen Begründungen wie “Das hemmt mich in meiner Kreativität”, “Dann spielt man nicht mehr so innovativ”, oder “Ich will nicht, dass meine Musik so verkopft wird”.
An dieser Stelle kann ich jeden Sorgenträger beruhigen: Nichts davon wird eintreten, wenn man es schafft, seinen kreativen Output geschickt mit Know How zu verbinden, denn Wissen ist bekanntlich Macht und in sehr vielen Fällen kann ein solides Theoriefundament das Spielen erheblich erleichtern und befruchten.
Musiktheorie ist ein weites Feld, das ganze Bibliotheken füllen kann und sicherlich ist nicht alles davon wichtig, um ein guter Musiker zu sein. Aus diesem Grund haben wir hier für euch ein paar zentrale Topics ausgewählt, mit denen ihr euer Verständnis für Musik bereichern könnt, ohne das Theoriethema unnötig zu überfrachten.
Quickfacts
- Das Erkennen und Benennen von Tonarten ist wichtig für die Kommunikation unter Musikern, ist Improvisationsgrundlage und definiert die zugehörigen Akkorde.
- Eine solide Kenntnis der Intervalle ist essentiell z.B. bei der Transposition von Stücken und beim Ausarbeiten von zweistimmigen Elementen im Spiel.
- Das Verstehen von Akkordstrukturen hilft, sich selbst komplexe Akkordbilder herzuleiten, ohne stupide Griffbilder lernen zu müssen.
- Zu verstehen, welche Akkorde in einer Tonart Sinn machen, hilft bei der Komposition, Transkription und Improvisation.
- Je mehr man über den Einsatz von Skalen und bestimmtem Tonmaterial weiß, desto besser und gezielter kann man die Tonleitern als “Farben” im Spiel einsetzen.
1. Tonarten und Vorzeichen
Die Durtonleiter als Basis westlicher Musik besteht aus Ganz- und Halbtonschritten, wobei letztere zwischen der dritten und vierten sowie der siebten und achten Stufe beheimatet sind. 12 Tonarten beschert uns das westliche, temperierte Tonsystem und jede Tonart hat dabei eine bestimmte Anzahl an Vorzeichen in Form von Kreuzen oder Bs. Erwähnenswert ist sicherlich auch, dass es zu jeder Durtonart auch ein paralleles Moll mit exakt den gleichen Vorzeichen gibt.
Das Erkennen der Tonarten ist ganz essentiell für euch, denn nur so könnt ihr wissen, in welcher Tonart ihr beispielsweise improvisieren müsst, oder aber, welche Akkorde zum jeweiligen Song passen.
Einen guten Überblick über die Tonarten und ihre Vorzeichen liefert der Quintenzirkel, zu dem ihr hier einen umfassenden Beitrag findet:
Für dich ausgesucht
Ebenfalls eine gute Auskunft über alle Tonarten findet ihr hier:
2. Intervalle
Den Abstand zwischen zwei Tönen nennt man “Intervall” und die Bezeichnungen der jeweiligen Intervalle lehnen sich an die lateinischen Zahlen an: Prime, Sekunde, Terz, Quarte, Quinte, Sexte, Septime und Oktave.
Kenntnisse der Intervalle sind ganz essentiell in der Kommunikation, denn nicht selten hört man Sätze wie: “Hey, spiel doch die zweite Stimme eine Sexte über mir!” oder “Ich kann heute nicht so gut singen, lass uns den Song eine kleine Terz tiefer spielen!”. Ganz abgesehen davon sind die berühmten “Double Stops” auf der Gitarre nichts anderes als der neudeutsche Name für Intervalle.
Eine fundierte Erklärung zu diesem Thema findet ihr hier:
3. Akkordaufbau
Kennt man den Abstand zwischen zwei Tönen, ist der Weg zum dreistimmigen Spiel und zu den Akkorden nicht mehr weit. Wer weiß, wie Drei-, aber auch Vier-, Fünf- und Sechsklänge aufgebaut sind, kann sich kinderleicht komplexe Akkorde selbst herleiten, ohne im Sinne von “1200 Griffe für die Schlaggitarre” zig Akkordbilder auswendig lernen zu müssen, deren Aufbau man nicht versteht und die man schnell wieder vergisst.
Hier findet ihr eine Anleitung durch den Akkorddschungel:
4. Mögliche Akkorde innerhalb einer Tonart
Wer weiß, welche Akkorde innerhalb einer Tonart höchstwahrscheinlich vorkommen können, hat in vielen Feldern einen klaren Vorteil:
a) Beim Raushören von Songs kann man gezielt nach Akkorden suchen, wenn man die Tonart des Stückes kennt.
b) Beim Songwriting weiß man, aus welchem Akkordtopf man sich bedienen kann, falls einem die Inspiration keine schöne harmonische Wendung schenken will.
c) Wenn man die Stufenakkorde gut kennt, kann man allein anhand der Akkordprogression herausfinden, in welcher Tonart das Stück ist und demnach auch, welches Skalenmaterial bei der Improvisation eingesetzt werden kann.
Grob lassen sich die möglichen Akkorde einer Tonart, lässt man Modulationen und chromatische Rückungen mal außen vor, ganz grob in drei Kategorien einteilen: Stufenakkorde, Zwischendominanten und Modal Interchange.
Zu jedem dieser drei Themen findet ihr hier umfangreiche Informationen:
Stufenakkorde:
Wer sich gezielt mit Gitarrenakkorden auseinandersetzen will, dem sei dieser Beitrag ans Herz gelegt:
Zwischen- bzw. Sekundärdominanten:
Modal Interchange:
5. Tonleiterkenntnisse
Im Rahmen der Improvisation hat man als Gitarrist natürlich mehrere Skalen und damit auch “Farben” zur Hand, die man gezielt und je nach musikalischer Situation einsetzen kann. Wer nur mit der Pentatonik glücklich ist, sollte sich nicht gezwungen fühlen, alle anderen Skalen auch zu kennen, denn es gibt unzählige Gitarristen, die nur mit diesem Tonraum Weltklasse-Soli spielen.
Wer jedoch etwas mehr Flexibilität und manchmal auch Stiltreue sucht, sollte zumindest ein paar Alternativen und auch ihren Einsatzbereich kennen.
Wichtige Tonleiter, die man kennen und verstehen sollte wären:
- Dur- und Mollpentatonik
- Bluesskala
- Durtonleiter und ihre Modi
- Harmonisch Moll (für Dominanten, die sich quintfällig in Mollakkorde auflösen)
- Für Jazz- und Fusionplayer: Melodisch Moll und ihre Modi
Hier findet ihr genauere Erläuterungen zu den Skalen: