Tatsächlich. Man mag es kaum glauben: Viertel nach acht Uhr – und alle Musiker finden sich pünktlich in der Lobby des Frankfurter Maritim Hotels ein. Der eine oder andere vielleicht noch etwas verschlafen, aber: alle Mann da! Die meisten sind schon am Vortag aus den verschiedensten Winkeln Deutschlands nach Frankfurt gereist: Jost Nickel (Schlagzeug), Cosmo Klein (Vocals), Claus Fischer (Bass), Hanno Busch (Gitarre), Till Sahm (Keyboards), Peter Weniger (Saxophon) und Florian Menzel (Trompete).
Kurz: die Crème de la Crème der deutsche Musiker-Szene. Mehrere Wochen, in denen viele Fragen in unzähligen Mails und Anrufen geklärt wurden, steuern am Morgen des 2. Aprils auf ihren Kulminationspunkt hin – die heutige “Ultimate Jam”-Show um 19 Uhr im Agora-Zelt der Musikmesse.
“Läuft alles”, sagt Jost Nickel mit einem Grinsen im Gesicht. Er wirkt erleichtert. Kein Wunder, denn der Jan Delay-Drummer war als Musical Director für “Ultimate Jam” in den letzten Wochen ganz schön gefordert. Es gab viel zu koordinieren und organisieren. Neben der eingespielten All-Star-Band um Sänger Cosmo Klein, die abends das bewährte Marvin-Gaye-Set präsentiert, werden Jost & Co. schließlich noch drei internationale Star-Gäste begleiten: die Ex-Prince-Bassistin Ida Nielsen, Ex-Thin Lizzy- und Ex-Whitsnake-Bassist Marco Mendoza sowie John “Rabbit” Bundrick, der als Keyboarder für The Who, Bob Marley und weiteren in die Tasten griff. Dazu kommt die vermutlich beste deutsche Schlagzeugerin, Anika Nilles. Sie wird bei einigen Tracks von Mendoza und Bundrick die Drums übernehmen. Für alle gilt: Eine einzige Probe. Dann geht’s wenige Stunden später schon auf die Bühne.
Im Vorfeld wählten die Gaststars gemeinsam mit Jost jeweils drei Songs aus. Jeder Musiker der Backing-Band schaffte sich die Tracks mittels MP3s oder Leadsheets drauf. “Je mehr Material”, sagt Saxophonist Peter Weniger, “desto besser. Transkribieren ist zeitintensiv, aber manchmal war das nötig, da wir nicht für alle Songs Leadsheets hatten.” Bassist Claus Fischer hat für ein paar Tracks die Noten rausgeschrieben. Er sagt: “Meistens sind die Leadsheets von Künstlern so katastrophal, dass man es besser selber macht.” Er muss es wissen. Schließlich hat er als Musical Director der Stefan Raab-Band “Heavytones” bei rund 1000 TV-Shows gespielt und dabei unzählige Künstler begleitet.
Rein handwerklich, dürfte das Gaststar-Repertoire für Musiker dieses Kalibers keine unüberwindbaren Hürden darstellen: solider Funk, Classic-Rock, Soul. Doch es geht um mehr: Schaffen sie es auch, nach nur einer einzigen gemeinsamen Probe, eine lockere, mitreissende Performance hinzubekommen? Eine Show, die über das fehlerfreie Spielen hinausreicht und das Publikum begeistert? Das fragen sich bestimmt auch die Musiker, als sie jetzt vom Hotel zu den Cream Studios aufbrechen.
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Der enge Zeitplan ist “eine Herausforderung”
Kurz vor neun Uhr. Alle Taxen kommen nacheinander in der Goldbergstraße 34 an. Auch das schon ziemlich betagte Wohnmobil von Cosmo. Wobei “Wohnmobil” schwer untertrieben ist. Das “Cosmobil” ist, wie der in Berlin lebende Sänger und Songwriter das Vehikel liebevoll nennt, gleichzeitig Tourbus, Live-Location und mobiles Studio – Rock ´n´ Roll pur! Was man von der eher gemütlichen Wohngegend hier in Frankfurt Oberrad weniger behaupten kann. Ungläubig checkt der eine oder andere die Adresse. Sie stimmt. Nach kurzem Suchen, findet sich ein Firmenschild an der Hausfassade. Cream Tonstudios. Eine Tonschmiede, in der einige Kapitel Musikgeschichte geschrieben wurden. Immerhin nahmen hier unter anderem “Supermax”, Sven Väth und die Produzenten von “Snap” ihre Alben auf. Heute geht es aber nicht um Recording – heute dient es als Rehearsal-Studio. Nachdem uns eine aus dem Fenster schauende Frau sofort als Musiker identifiziert, weiß sie was wir suchen: den Studioeingang. Am Grillplatz vorbei finden wir an der Rückseite eines Flachbaus eine Metalltüre. Sie ist offen und wir tapsen – mit allerlei Equipment beladen – vorsichtig über eine steile Treppe in den Keller. “Ah, da seid ihr ja”, begrüßt uns Studio-Chef Stefan Hahn. Auch er noch nicht so ganz ausgeschlafen. Na klar. Neun Uhr ist für einen rechtschaffenen Musiker einfach noch keine Zeit um auf Touren zu kommen. Normalerweise. Aber heute gilt das nicht. Bis um 15 Uhr bleibt schließlich nur Zeit, um mit den Gästen das Programm zu proben – und keine Minute länger. “Der enge Zeitplan ist schon eine Herausforderung”, sagt Claus, “jeder Künstler würde einfach immer gerne mehr Zeit haben. Aber da müssen wir jetzt durch.”
Ohne Zeit zu verlieren, kümmert sich jeder um sein Equipment: Mikroständer werden aufgeklappt, Keyboards auf Stative gestellt, Gitarren und Bässe gestimmt, Becken justiert, die Gesangsanlage getestet und so weiter. Die übliche Technik-Routine einer achtköpfigen Band.
Um 9.15 Uhr trifft Ida Nielsen ein. Gut gelaunt entsteigt sie dem Taxi, zwei Bässe im Reisegepäck. Cosmo Klein gibt später zu: “Da war ich nervös wie ein kleiner Teenie.” Als überzeugter Prince-Fan ist ihm Ida Nielsen natürlich ein Begriff. Dass er heute Abend bei ihr im Background-Chor singt, ist für ihn eine Herausforderung, aber auch Ehre. “Die Aufregung hat sich im Übungsraum aber sehr schnell gelegt”, sagt er später, “sie ist einfach eine sehr entspannte und freundliche Person.” Nicht nur das. Sie weiß auch ganz genau, was sie will. Bei der Probe ihrer drei Songs gibt sie den Musikern immer wieder konkrete Anweisungen: “An dieser Stelle das HiHat offen spielen”, “hier spielt die Gitarre diese Melodie mit”, “ihr Bläser singt bitte den Refrain mit”. Das bleibt nicht ohne Wirkung: Mit jeder Probeminute grooven die ganz im harten Funk angesiedelten Tracks besser und besser. Auch für Ida stellt das Experiment ein musikalisches Abenteuer dar: kurze Probe. Und dazu noch mit einer großen Band. “Im Normalfall habe ich keinen Bläsersatz in meiner Band”, sagt die Dänin, “doch was Peter und Florian hier arrangiert haben, gefällt mir sehr.” Das Kompliment gebührt Trompeter Florian Menzel, wie Peter Weniger sagt: “Er hat die Arrangements geschrieben und einen super Job gemacht.”
Die Chemie stimmt schon mal …
Nach dem ersten musikalischen Abtasten steht fest: Energie und Vibes stimmen. Das sollte doch mit einer heißen Tasse Kaffee belohnt werden – meinen zumindest die beiden Kaffeetanten, Gitarrist Hanno Busch und Keyboarder Till Sahm. “Das ist leider echt gerade ein Problem”, lässt etwas verlegen Studio-Boss Stefan vernehmen, “wir haben nämlich gerade etwas umgebaut und … außerdem sind kaum Tassen da.” Eine Band mit Allüren und Egos im XL-Format hätte nach dieser Ansage die Probe geschmissen – und anschließend womöglich das Studio in Schutt und Asche gelegt. Anders unsere deutschen All-Stars. Sie machen – natürlich – diszipliniert weiter. Und als Stefan seiner Kaffeemaschine dann doch noch die eine oder andere dampfende Tasse abringt, ist die Welt wieder in Ordnung. Damit neben der Koffein-Unterversorung aber nicht noch weitere Mangelerscheinungen bei den hart probenden Musikern auftreten, erinnert Musical Director Jost eindringlich an das Catering. Exklusiv sind die kulinarischen Wünsche nicht: Stullen mit Käse und Schinken reichen für’s erste.
Als kurz vor elf John “Rabbit” Bundrick und sein Buddy, der Sänger und Songschreiber Simon Burrett, in den Cream Studios eintreffen, ist Ida Nielsen noch am Proben. Mittlerweile klingt das so, als ob Ida seit Ewigkeiten mit dieser All-Stars-Formation zusammenspielen würde. Bundrick, oder besser gesagt “Rabbit”, wie der legendäre Keyboarder seit Menschengedenken genannt wird, ist sichtlich angetan: “Wow”, raunt er Simon durch die donnernden Funk-Klänge ins Ohr, “das klingt fantastisch!” Der aus Texas stammende, seit langem im Süden Englands lebende Keyboarder ist angetan. Vielleicht sogar ein kleines bisschen eingeschüchtert. Kaum zu glauben, bei seiner Vita. Immerhin hatte der Mann mit dem grauen Bart beim halben Rock-Lexikon seine Finger im Spiel: Free, Mick Jagger, Bob Marley, Roger Waters, Brian Eno und – vor allem – The Who. Viele Jahre lang war er mit Daltrey, Townsend & Co. auf Tour und im Studio. Ein buchstäblich alter Hase, dieser Rabbit. Doch in letzter Zeit ließ es der Keyboarder gemächlicher angehen, die Routine vergangener Tage mag sich deshalb nicht sofort einstellen. Als er dann noch die auf seinem Keyboard drapierten Noten durcheinander bringt und bei der zweiten Strophe von “Last Taxi To Gatwick” in einem anderen Song landet, kommt bei dem Rock-Urgestein kurz Hektik auf. Doch die Crew um Jost, Claus und Peter ist nicht nur an ihren Instrumenten top – sie besitzt auch Fingerspitzengefühl. Schon nach relativ kurzer Zeit fühlen sich “Rabbit” und Simon jedenfalls hörbar wohler. Einen wichtigen Beitrag leistet auch Anika Nilles, die kurz nach den beiden Briten im Studio angekommen ist. Sie spielt bei zwei Rabbit-Songs Drums – und zeigt, dass sie nicht nur über ausgefuchste Technik und exzellentes Timing verfügt, sondern auch über musikalische Beweglichkeit. Bei dem Who-Original “Behind Blue Eyes” ist sie gefordert. “Man meint, der Song sei langsam”, erklärt Rabbit die Crux des Tracks, “aber in Wirklichkeit ist er ziemlich schnell.” Auch schneller als im Original, wie Anika feststellt, und die Geschwindigkeit für ihren Click-Track um ein paar Beats höher schraubt. “Das ist das Schwierige daran”, sagt sie, “dass man in dem Feeling spielt, wie es sich der Künstler für den Song vorstellt.”
Als letzter Special-Guest wird um 13 Uhr Marco Mendoza erwartet. Der aus San Diego stammende Bassist und Sänger kann ebenfalls auf eine schillernde Biografie verweisen: Thin Lizzy, The Dead Daisies, Ted Nugent gehören genauso zu den Auftraggebern des Kaliforniers mit dem sonnigen Gemüt, wie Neal Schon (Journey), Roch Voisine oder Right Said Fred. Ein musikalischer Tausendsassa, der Rock, Metal, Funk und Fusion gleichermaßen kompetent bedient. Für die heutige “Ultimate Jam”-Show hat sich Mendoza ein paar Soul-Klassiker ausgesucht. Um was für einen Vollblut-Musiker es sich bei ihm handelt, wird schnell klar. Schon bei den ersten Takten von “Higher Ground”, dem Stevie-Wonder-Klassiker. Kurzer Harmonie- und Tempo-Check – und los geht’s. Aber wie! Der eher kleine, fast zierliche Musiker wächst, steht er mit seinem Bass vor dem Mikro, innerhalb weniger Takte über sich hinaus und wird zum Riesen. Wie wird da erst der Auftritt? “Herrlich, diese unverfälschte Energie”, schwärmt Cosmo Klein nach dieser Kostprobe des Rockers. Dazu kommt, dass dieser freundliche Edel-Rocker so weit von Allüren entfernt ist, wie ein Punker vom Moll-7-Akkord.
Tougher Zeitplan: Probe, Soundcheck, Show
Um 15 Uhr rollt wieder eine kleine Taxi-Armada an. Nächstes Ziel: das Agora-Zelt auf dem Musikmesse-Gelände. Nächster Job: Soundcheck. Auch wenn die eigentliche Herausforderung, die Show um 19 Uhr, erst noch ansteht, wirken die Musiker jetzt entspannter. Die Proben mit den Star-Gästen liefen gut. Die Chemie stimmte, die Stimmung sowieso. “Es war easy, alle waren freundlich und kooperativ”, sagt Claus und ergänzt, “ich denke, sie waren alle auch froh, dass sie so eine professionelle Band gestellt bekamen.” Während der kleine Taxi-Convoi auf die sonnenbeschienene Skyline von Mainhattan zurollt, beschreibt Peter Weniger, der neben seiner Musiker-Karriere Professor und künstlerischer Leiter des Jazz Institut Berlin (JIB) ist, den heutigen Job: “Es geht darum, dass sich jeder Gast mit uns wohlfühlt und so performen kann, wie er möchte.” Klingt einfach. Und ist doch so schwer …
Bis 15 Uhr war das Agora-Zelt noch mit der BigBand der Bundeswehr belegt, die in dieser 1.500-Mann-Location eine swingende Kostprobe ihres Könnens gab. Von 16 bis 18 Uhr ist jetzt Zeit für den Soundcheck mit Band und Gaststars. Durch die große Routine des gesamten Ensembles verläuft der Check schnell und reibungslos, Jost hält als MD die Fäden fest in der Hand, sorgt für größtmögliche Effizienz – und so verlassen die Musiker bereits um 17.30 wieder die über 80 Quadratmeter große Bühne des Zirkuszeltes. Ganz klar: Die Location wirkt schon imposant. Ein aufwändiges Licht-Truss mit Moving- und Spotlights von u.a. Claypaky und JB-Lighting und eine top d&b-Linearray-PA (V8/V12/V-Subs) bieten hochprofessionelle Voraussetzungen für ein Konzert. Vielleicht war der eine oder andere von der Respekt einflößenden Dimension der Spielstätte überrascht. Und vielleicht trieb das den Puls bei dem einen oder anderen etwas in die Höhe. Wenn dem so war – anmerken ließ sich das keiner. So blieb, zumindest äußerlich, jeder der Musiker entspannt, bis es schließlich um 19 Uhr heißt: Showtime.
Probe ist das eine. Soundcheck das andere. Doch wie eine Band letztlich wirklich klingt, zeigt sich erst im Ernstfall. Beim Konzert. Nicht nur, weil vielleicht Schieberegler und Potis an Mischpult und Amps um einen Tick weiter aufgedreht werden. Sondern weil Musiker vor allem Menschen sind, und Menschen unter Anspannung für gewöhnlich Adrenalin ausschütten. Zu viel davon kann eine Performance ruinieren. Zu wenig genauso. Als die Band, angeführt von Sänger und MC Cosmo Klein, auf die Bühne kommt und die ersten Takte des “Intro Theme” von Marvin Gayes genialem “Live At The Palladium”-Album anstimmt, hat man das Gefühl: die Adrenalin-Dosis stimmt genau. Man spürt bei allen Musikern hohe Konzentration – vor allem aber Spielfreude. Dass sie sich beim Show-Einstieg mit den vertrauten Marvin-Gaye-Songs “All The Way Round”, “Since I Had You” und “Come Get To This” auf sicherem Terrain bewegen, dürfte weiter zur Lockerheit beitragen.
Stimmung – ab dem ersten Ton
Mit der Marvin Gaye-Show ist Cosmo Klein übrigens in unterschiedlicher Besetzung, meist aber mit eben dieser Band, seit ein paar Jahren Tour. Für Cosmo geht damit ein Traum in Erfüllung. Denn das Marvin-Gaye-Album ist seit vielen Jahren sein persönlicher Liebling. “Ich wollte das großartige Stück Musik wieder auf die Bühne bringen”, sagte er im Vorfeld des Konzertes. Wer ihn und diese Band jetzt hört, kann ihm zu dieser Idee nur gratulieren. Mehr noch: Die Band beweist in den komplexen, mitunter halsbrecherisch arrangierten Songs ihre Extraklasse. Wer bei dem anspruchsvollen Sound die Augen schließt, könnte glatt glauben, der gute, alte Marvin Gaye sei auferstanden um der Welt erneut zu zeigen, wie Soul zu klingen hat: Die perfekte Illusion. Zumindest akustisch.
Das Konzept von Ultimate Jam lässt keine Langeweile aufkommen. Nach drei Band-Songs kommt der erste Star-Gast, danach wieder drei Songs von der Band. Und so weiter. Als erster Special Guest betritt Ida Nielsen die Bühne. Die zierliche Bassistin lächelt, zählt ein – und zeigt, dass sie in sechs Prince-Jahren ihr Funk-Handwerk perfektioniert hat. Sie hat gelernt, worauf es bei ihrer Musik ankommt. “You Can’t Fake The Funk” heißt einer ihrer Titel. Wie recht sie hat. Dass ihr Sound zu 100 Prozent authentisch und sich dazu auf hohem musikalischem Niveau bewegt, lässt die Zelt-Besucher sofort mitgrooven, mitwippen, mitklatschen. Scheinbar mühelos spielt sie die komplexesten Bass-Figuren, während sie gleichzeitig singt und rappt. Aber sie teilt auch das Spotlight. So bekommt beispielsweise Peter Weniger bei einem fulminanten Solo Gelegenheit seine Extraklasse zu beweisen. Schon jetzt ist das Publikum völlig aus dem Häuschen.
Nächster Gast ist ein Rock-Urgestein. Rabbit Bundrick mit seinem Kumpel Simon Burrett, der heute – eher ausnahmsweise – zum Mikro greift und die Lead-Vocals übernimmt. Die beiden Briten sind ebenfalls am Vortag aus London angereist um sich auf der Musikmesse umzusehen. Sie waren angetan, sagten sie, hätten keine so große Show erwartet – und auch nicht eine Band von dieser Güte. Rabbit wird später sagen, dass es wahrscheinlich die beste Band war, mit der er jemals zusammen gespielt hat. Vielleicht nur so dahin gesagt im Überschwang der Gefühle. Doch: Ein tolles Kompliment ist es für Jost & Co allemal. Leider funktioniert die Hammond nicht ganz wunschgemäß, und so ist der großartige Rock-Sideman zu Beginn seiner Show etwas irritiert. Doch der Ärger schnell verflogen – und Rabbit kann mit wuchtigen Orgelkaskaden andeuten, warum er zu den größten Keyboardern der Rockgeschichte gehört. Vor allem das im Übungsraum anfangs Probleme bereitende “Behind Blue Eyes” quittiert die Menge mit frenetischem Applaus.
Die Premiere ist geglückt
Für den krönenden Abschluss sorgt Marco Mendoza. Sein Show-Talent deutete er ja schon im Proberaum an. Doch was er jetzt in seinem Set abliefert, ist erste Liga. Mindestens. Was für ein Showman! Er plaudert, ächzt und stöhnt, tanzt und tänzelt; er kann singen wie ein weißer James Brown und Basspielen wie ein Gott – und während er das alles macht, schnippt er unablässig Picks ins jubelnde Publikum. Hätte er dazu noch auf einem Trampolin springend mit Medizinbällen jongliert – niemand wäre verwundert gewesen. “Ich bin ja sozusagen ein Stammgast auf der Musikmesse”, sagt er nach dem Auftritt, “doch ich muss sagen: bei `Ultimate Jam´ zu spielen, war schon etwas ganz Besonderes. Es hat großen Spaß gemacht.” Okay, sagt er, die sehr kurze Probe sei schon etwas problematisch gewesen, andererseits: “Mit Musikern dieser Qualität kann eigentlich nie etwas schief gehen.”
Die letzten 20 Minuten der ersten – und hoffentlich nicht letzten – “Ultimate Jam”-Show der Musikmesse gehören wieder Cosmo Klein und Mavin Gaye. Als Cosmo nach der letzten Zugabe alle Gaststars nochmals auf die Bühne bittet, geht um 21.35 das musikalische Experiment zu Ende – vollauf geglückt. Das sehen nicht nur die Musiker und die paar Hundert Gäste so – auch Musikmesse Festival-Chef Wolfgang Weyand zeigt sich nach der Ultimate Jam-Premiere im Backstage-Bereich begeistert. “Genau so habe ich mir das vorgestellt”, sagt er und lächelt ein zufriedenes Lächeln für ein weiteres Selfie.
Nachgefragt bei Jost Nickel
Musical Director – der Libero der Band
Was macht eigentlich ein „Musical Director“? Wir fragten nach bei Drummer und „Ultimate Jam“-MD Jost Nickel.
Wie kann man den Job eines Musical Directors (MD) beschreiben?
Jost Nickel: Für mich ist der MD derjenige, der den Überblick bewahrt. Dass er zum Beispiel bei einer Probe sagt, was noch nicht so gut lief. Vielleicht muss er da mal den einen oder anderen Musiker gezielt ansprechen. Oder: Man erinnert sich beim Soundcheck an den letzten Gig und daran, dass da die eine oder andere Passage nicht so toll lief. Das sollte der MD ansprechen und dann sollten diese Stellen beim Soundcheck angespielt werden. Neben dem Überblick ist auch Weitblick gefordert. Wenn man zum Beispiel weiß, dass bei einem Gig in vier Wochen ein Musiker verhindert sein sollte, dann ist es der Job des Musical Directors, sich um adäquaten Ersatz zu kümmern. Frühzeitig, schließlich muss sich der Ersatzmann ja noch auf den Gig vorbereiten.
Ähnelt der MD dem Produzenten bei Recording-Sessions?
Ja, so sehe ich schon so. Wobei ich als MD den Musikern nicht vorschreiben möchte, was sie genau zu spielen haben. Muss ich aber sowieso nicht, da ich ohnehin die Musiker aussuche, von denen ich weiß, dass das musikalisch ohnehin passt. Der MD ist die letzte Qualitäts-Instanz, er trägt die Verantwortung und er muss auf dem Schirm haben, was noch alles erledigt werden muss. Ein gewisses organisatorisches Talent schadet da nicht. Es geht oft auch um ganz simple pragmatische Dinge, wie: Der Drummer muss bei einem Konzert einfach früher als der Saxophonist da sein. Er braucht ja länger zum Aufbauen und nimmt mehr Platz in Anspruch. An solche Dinge sollte ein MD denken.
Muss ein MD während einer Live-Show auch mal eingreifen? Wenn ja, ist das als Drummer machbar?
Auf beide Fragen lautet die Anwort. Ja! Wenn etwas live schief läuft, muss der MD reagieren. Wir hatten bei der “Ultimate Jam”-Show sogar den Fall: Ein Gaststar hat einen Song ausgelassen. Da musst du als MD schnell reagieren. Und das geht auch als Schlagzeuger, da ich mit In-Ear-Kopfhörern spiele, an dem ein Mikro angebracht ist. Da habe ich sofort eine Ansage gemacht, wie es weitergeht. Die haben natürlich nur meine Mitmusiker über ihre In-Ear-Systeme gehört und nicht das Publikum.
Mit wem könnte man in einer Fußballmannschaft den MD vergleichen? Mit dem Torwart, oder dem Spielführer?
Ich bin zwar nicht gerade ein Fußball-Experte, aber ich würde sagen: Es ist der Libero. Derjenige, der den Überblick behält und der aufpasst, dass nichts aus dem Ruder läuft.