Wenn es für die Band zu Aufnahme ins Recording-Studio geht, sollte man sich natürlich entsprechend vorbereiten – jeder einzelne und die gesamte Band.
Wir haben für euch zusammengetragen, auf was ihr achten solltet. Wetten, dass ihr irgendwas vergessen würdet?
Hier erfahrt ihr, wie ihr die Planung der Session angehen könnt, wie ihr euch musikalisch beim Proben auf die Studio-Aufnahme vorbereitet und was ihr bei den Instrumenten bedenken solltet. Natürlich könnt ihr diese Informationen nicht nur verwenden, wenn ihr ein großes Tonstudio bucht, sondern auch, wenn ihr ausführliche Proberaumaufnahmen plant, etwa an einem verlängerten Wochenende.
Studioaufenthalt planen: Songs und Musiker
Ist das Songmaterial wirklich fertig? Also so richtig wirklich?
Auch wenn es vielleicht albern klingt: Die Songs sollten stehen, wenn man sich ins Studio begibt. Und wenn man hundert Mal vorher diese Doku über eine Band aus den Siebzigern gesehen hat, die ohne Plan und Idee ins Studio gegangen ist, wo dann ihr bestes Album entstanden ist – wenn ihr eine Plattenfirma habt, die auch heute noch solche Spielchen bezahlt: Gratulation. Alle anderen sind sicher gut beraten, nicht mit Halbfertigem aufzuschlagen. Also merzt die „weißen Stellen“ vorher komplett aus. Dazu gehören übrigens auch die Backing-Vocals: Ist hier alles durchkomponiert? Oder ist (wie so oft) nicht einmal klar, wer die Backings überhaupt einsingen soll? Das alles hilft auch dabei, etwas zu vermeiden, das im Studio keinen Platz hat: Streit innerhalb der Band.
Aber nicht falsch verstehen, denn natürlich darf man sich gerne inspirieren lassen und auch mal spontan sein. Nur sollte man sich nicht sicher sein, dass das dann auch alles klappt. Könnte sonst ein teurer Spaß werden.
Fast alle Bands benötigen es, dass für jeden Musiker nicht nur die groben Abläufe klar sind, sondern auch die weiteren Feinheiten. Wo spielt der Trommler das triolische Fill mitten in der Strophe, das erst auf der Eins-und des nächsten Taktes endet? Das sollte auch der Bassist wissen, sonst muss nachher herumeditiert oder gepuncht oder sogar nochmal eingespielt werden!
Keine blöde Idee ist, die wichtigsten Punkte schriftlich zu fixieren. Da kann dann auch außerhalb von Probekeller oder Aufnahmeraum jeder mal draufgucken. Und den Tontechniker freut es auch, wenn er einen Überblick über den Song bekommt.
Für dich ausgesucht
Tunings und Keys festlegen
Sich vor der Aufnahmesession noch einmal Gedanken um die Tonart zu machen, ist alles andere als unnötig. Meist wird ein Song so gespielt, wie er dem Gitarristen auf seiner Lagerfeuergitarre aus den Fingern auf das Griffbrett gefallen ist. Dabei sollte man doch auch sehen, wie die Range von Sänger oder Sängerin ist, welches für den Song die „Schokoladentonhöhe“ ist und wo der Song voraussichtlich auf dem Album erscheinen wird. Der Song in D soll voller fröhlicher Energie nach vorne preschen? Das kann schwer werden, wenn der Track davor in E war… Ein guter Tontechniker und/oder Produzent hat übrigens ein Auge auf diese Dinge, aber verlassen sollte man sich nie darauf. Und ein „Spielt den Titel doch mal einen Ganzton höher.“ über Talkback kann sicher Schweißperlen auf so mancher Stirn verursachen. Außer beim Trommler, der ist natürlich fein raus.
„Texte fertig?“ – „Ja, zu mehr als 80%!“
Die Texte sollten komplett fertig sein. Dazu gehört nicht nur, dass auch das letzte Stückchen Proberaum-Kauderwelsch in echte Worte übersetzt wurde: Für Nicht-Muttersprachler ist es wichtig, die Texte überprüfen zu lassen. Denn nichts ist peinlicher, als wenn ein Album fertig ist und sich ein Fünfte-Klasse-Grammatikfehler eingeschlichen hat oder der „Butcher“ in gutem Glauben an die Konstanz der Ausspracheregeln im Englischen „Battscher“ ausgesprochen wurde. Also: Fertige, überprüfte Texte ausdrucken und mitnehmen.
Eltern und Lehrer haben leider Recht gehabt: Üben, üben, üben!
„Wird schon klappen“ ist eine echt blöde Herangehensweise. Außer es klappt dann doch, denn dann ist ja alles gut. Aber man fühlt sich meist besser, wenn man weiß, dass man seine Hausaufgaben gemacht hat. Deswegen sollte bei der Recording-Session jeder seinen Part im Schlaf beherrschen. Bei Liveauftritten sagt man, dass man maximal 80-90% „Schwierigkeitslevel“ bringen sollte, um ganz sicher zu sein, dass auch alles funktioniert, sei es das schwierige Drumfill, das flotte Arpeggio oder die Tastenartistik in der rechten Hand. Schön ist ja, dass man sich je nach Aufnahmeverfahren und Zeitgestaltung auch mal erlauben kann, Dinge mehrmals zu spielen – und dass der erste Take immer der beste sei, ist laut Ausführung unseres Autoren Gregor Hennig ein unbegründeter Studiomythos.
Wichtiger als das, was der einzelne Musiker so zu zaubern vermag (und was eher die Musikerpolizei interessiert), ist aber, wie deine Band insgesamt funktioniert. Wie ist das Zusammenspiel, spielen da einzelne Musiker eher gegeneinander oder ergänzen sich Eigenschaften in Groove und Ausdruck? Oft ist es gut, wenn eine Band über viel gemeinsame Spielerfahrung verfügt. So bietet es sich an, Stellen eines Songs auch mal separat einzuzählen und zu spielen oder Problemkinder-Parts immer wieder im Loop zu proben.
Der Langsamspiel-Trick
Doch wie übt man Groove eigentlich? Ein Möglichkeit ist, Tempi zu verändern – und zwar vor allem nach unten! Wenn man einen Song mal in 70% der Geschwindigkeit gespielt hat, fällt oft auf, welche Probleme da lauern, wo Unklarheiten bestehen oder wer wann verzieht, zu sehr drückt oder wer den Groove falsch „denkt“.
Metrono oder Metroyes? Beides!
Es sollte frühzeitig überlegt werden, ob mit Click oder ohne eingespielt werden wird – das Spiel mit Metronom hat Vor- und Nachteile. Aber für den Fall einer Umentscheidung im Studio sollte immer beides (!) geübt werden. Bei manchen Songs bietet es sich zudem an, einen Tempotrack zu programmieren, in welchem beispielsweise leichte Änderungen für Refrain, Bridge oder Solopart vorkommen.
Kann man Songs „kaputtüben“?
Eine tolle Ausrede ist: Man kann einen Song auch “totüben” und damit entzaubern. Da ist durchaus etwas dran: Ein hundertmal gespielter Song wird vielleicht im Studio eher emotionslos heruntergespielt als einer, der noch den Enthusiasmus des Neuen befeuert! Aber diese Entscheidung kann euch niemand abnehmen.
Welches Instrument wird bezüglich des Grooves gerne vergessen?
Die Antwort ist nicht “Bass” oder “Keyboard”. Sondern: keines! Es ist kein Instrument, sondern der Gesang, der, was den Groove angeht, gerne stiefmütterlich behandelt wird! Immer solltet ihr euch vor Augen halten, dass die Vocals meist das wichtigste Signal einer Aufnahme sind. Und gutes Timing ist eine enorm wichtige Sache. Das liegt vor allem daran, dass Editierungen schneller als unnatürlich wahrgenommen werden als wenn beispielsweise Basslinien geradegezogen werden. Warum? Nun, jeder Mensch hat eine enorme Hörerfahrung, da er täglich stundenlang dieses Signal hört und interpretiert – kleinste Abweichungen fallen sofort auf. Also: Es ist enorm hilfreich für eine gute Studioperformance, wenn Rhythmisierung/Phrasierung genau geregelt sind, bevor es ins Studio geht. Und wer wissen will, wie man am Mikrofon grooven kann, der soll einfach mal wieder Michael Jackson, James Brown oder Tom Jones hören. Die können das nämlich.
Stehen die Sounds?
Es sollte allen zumindest halbwegs klar sein, wohin die Reise klanglich gehen sollte. Gut ist es ebenfalls, dem Tontechniker schnell und ohne langes Suchen ein paar Alternativen anbieten zu können – ein anderer E-Piano-Sound zum Beispiel. Vorteilhaft ist auch, wenn ihr Soundvorstellungen schnell einmal anhand einer Beispielproduktion vorspielen könnt. Vielleicht habt ihr auch schon tontechnische Erfahrungen. Nicht alle Tontechniker reagieren sofort beleidigt, wenn man von erwiesenermaßen gut funktionierenden Mikrofonierungsmöglichkeiten dieser speziellen Snare oder den Eigenheiten der mitgebrachten Akustikgitarre zu berichten weiß…
Also einmal schwarz auf weiß und kurz und knackig:
Alle Songs sollten beim Gang ins Studio durchkomponiert und eingeübt sein.
Instrumente auf das Studio vorbereiten
Im Studio sollte jeder Musiker mit perfekt eingestelltem und gewartetem Equipment aufkreuzen. Für die „TLC“ („Tender Love & Care“) investierte Zeit ist gut investierte Zeit, das gilt genauso für die Gitarre, die man vom Gitarrenbauer überprüfen lässt oder den Amp, der einen Röhrenwechsel bekommt. Und an Saiten und Fellen zu sparen ist nicht die allerbeste Idee, wenn eine Studioaufnahme ansteht.
Checkliste Gitarren und Bässe
- Sind neue Saiten aufgezogen? Sind sie stimmstabil?
- Ist die korrekte Tonhöhe sofort da oder erst lange nach dem Einschwingen?
- Schnarren Saiten?
- Sind die Instrumente oktavrein?
- Laufen Switches und Potis, die während des Spiels benutzt werden sollen, rausch- und knackfrei?
Checkliste Verstärker und Effekte
- Wie stark rauscht und brummt der Amp?
- Sind die Pedale frei von Knacksen oder Rauschen?
- Lassen sich die einzelnen Effekte aus einem Effektboard auch ohne Aufwand einzeln erreichen und umpatchen?
Checkliste Schlagzeug
- Sind die Ständer und Stative in Ordnung und halten Becken und Trommeln sicher?
- Haben alle Beckenständer Beckenfilze, etc., damit die Becken nebengeräuschfrei schwingen können?
- Quietschen Fuß- oder Hi-Hat-Maschine nicht?
- Rappelt keines der Böckchen?
- Ist auch der Schlagzeugstuhl frei von Geräuschen?
- Sind die Stimmungen so möglich, dass der Snareteppich nicht mitraschelt?
Ersatzteile und Werkzeuge sollten ebenfalls dabei sein, um im Ernstfall schnell kleine Reparaturen oder Einstellungen vornehmen zu können. Es gibt eigentlich keine Entschuldigung, ohne Snarefell oder Ersatzsaiten dazustehen und dann anzufangen zu googeln, wo eigentlich der nächste Musikladen ist. Sinnvoll ist es auch, ein Ersatzinstrument dabeizuhaben. Sowieso kann es sein, dass der Tontechniker bei euch nachfragt, ob es nicht ein Alternativinstrument gibt, das klanglich besser geeignet ist. Allerdings haben viele Studios auch eine teilweise beachtliche Auswahl an eigenen Musikinstrumenten.
Nicht unwichtig ist ebenfalls, dass alle ihr Equipment kennen sollten. Wenn beispielsweise ein Keyboarder nicht weiß, wie man die Temperierung verändert oder die Referenztonhöhe seines Instruments auf 443 Hz stellt, damit der Sound mit dem Glockenspiel harmoniert, kostet das oft unnötige Zeit und unterbricht den kreativen Prozess.
Organisatorisches für die Studioarbeit
Mit dem Studiopersonal solltet ihr im Vorfeld planen, wie vorgegangen werden soll. Dabei sollten die nachfolgend angesprochenen Dinge geklärt werden. Das ist natürlich kein Zwang und niemand macht sich Freunde, wenn er im Vorfeld schon wie ein Buchhalter auftritt. Aber es hat schon oft die Situation gegeben, dass noch eine halbe Stunde Zeit übrig ist, kein Stückchen Gesang aufgenommen wurde und kein Geld mehr da ist. Und Streit will ja niemand, oder? Schnell überschätzt man sich und andere: Drei Stunden proben oder ein Konzert spielen ist etwas anderes, als an einem Tag zehn Albumstücke einspielen zu wollen…
Es gibt eine Menge zu besprechen: Werden die Basics live eingespielt oder alles nacheinander im Overdub-Verfahren? Passiert alles im Studio von Aufnahme bis Mix und Mastering? Oder geht ihr mit den aufgenommenen Spuren nach Hause? Was passiert, wenn ein enorm umfangreiches Editing notwendig werden würde? Wenn Daten getauscht werden müssen, welche Formate stehen zur Verfügung? Was geschieht, wenn ihr unzufrieden seid?
Aktuell gilt es natürlich, schon weit im Vorfeld zu überprüfen, ob es Einschränkungen durch die Pandemie gibt. Wie viele Leute dürfen gemeinsam in einem Raum sein, wann und wi müssen Masken getragen werden, ist Zeit zum Lüften etc. eingeplant etc.
Zu klären mit dem Tonstudio
- Leistungen ausmachen
- grobe Zeit- und Ablaufplanung
- Option auf (bezahlten) Extratag klären
- Überstundenregelung ausmachen
- Was passiert im Krankheitsfall/bei Absage?
Zu klären innerhalb der Band
- Welche Songs werden aufgenommen? Welche Prioritäten gibt es?
- grobe Zeit- und Ablaufplanung
- Urlaube großzügig planen, Freiberufler: Auftragsabsagen klären!
- Kostenübernahme klären, vor allem für Extrakosten
- Was passiert im Krankheitsfall?
- Können Subs („Ersatzmusiker“) einspringen?
- Transport-/PKW-Beladung, etc.
- Anreiseroute
- Übernachtungen
- Essen
Studio-Packlisten
Hier sind ein paar Packlisten, damit ihr nichts vergesst, bevor es ins Studio geht!
Studio-Packliste Gitarren und Bässe
- Instrumente Amp(s) und Box(en)
- Effekte, Effektboard
- Ersatzsaiten
- Plektren
- Gitarrenkabel
- Lautsprecherkabel
- Patchkabel
- Stimmgerät
- Batterien, Netzteile
- instrumentenspezifisches Werkzeug (z.B.: Inbus und Seitenschneider)
- Material zur Hand- und Nagelpflege
Studio-Packliste Schlagzeug
- Trommeln, Becken, Hardware
- Sticks, Besen, etc.
- Ersatz-Schlagfelle (Snare und Bassdrum)
- Ersatzbeater
- Stimmschlüssel und anderes Werkzeug
- Dämpfungsmaterialien (z.B. Moongel)
- evt. Teppich
- einfache Percussion
Studio-Packliste Keyboard
- Instrument(e)
- Instrumentenständer
- Hocker/Bank
- Audio- und MIDI-Kabel, Netzteile
- Pedale
- Speichermedien
Siehe auch: Packliste für Keyboarder
Sänger müssen nichts mitnehmen? Naja, viele haben einen (geschlossenen!) Lieblingskopfhörer. Und in jedem Fall: Bonbons, Tees und dergleichen mitnehmen, also alles, was im Notfall der Stimme hilft!
Studio-Packliste Vocals
- Texte
- eigener geschlossener Kopfhörer
- Tees, Bonbons, leichte Medikamente für die Stimme
Studio-Packliste allgemein / ganze Band
- Unterlagen (Reiseunterlagen, Kontaktdaten, Verträge, Texte, Songaufbau…)
- Smartphones, Tablets, etc. mit Netzteilen
- leere, groß dimensionierte Speichermedien
- Beispielproduktionen, eigene Live- und Proberaumaufnahmen
- vorbereitete Daten, Clicktracks, Pilotspuren, Samples, etc.
- bequeme, geräuscharme(!) Kleidung
- Drogerieartikel, Medikamente, Übernachtungssachen
- Snacks und Getränke
- wichtiges “Mood”-Equipment (Deko etc.) zum Personalisieren des Studios
- Dinge zum Totschlagen von Zeit (Bücher, Spiele…)
Vielleicht abschließend noch folgende Worte (quasi als Ausgleich für die Planungs- und Vorbereitungswut): Natürlich muss ein Studioaufenthalt nicht unbedingt den Beigeschmack einer Unternehmensprüfung oder der Planung eines Staatsempfangs bekommen. Es sind auch schon wahnsinnig gute Platten entstanden, als drei von vier Musikern nach einer durchzechten Nacht erst nachmittags ins Studio gestolpert sind, einer Band am Vortrag der Bandbus aufgebrochen wurde und die wichtigsten Instrumente weg waren oder kurzfristig der Sänger gefeuert und am Aufnahmetag ein anderer engagiert wurde.