Zwei Grammys hat er bereits gewonnen, für einen dritten wurde er gerade wieder nominiert. Der Musiker, Produzent und Soundtrack-Komponist Harold Faltermeyer gehört zu den erfolgreichsten deutschen Musikern. Seinen Durchbruch feierte der Keyboarder bereits in den 1980er Jahren mit dem Soundtrack zu dem Eddie Murphy-Klassiker „Beverly Hills Cop“. Mit dem Motto-Track „Axel F“ schrieb er Musikgeschichte – und landete damit einen echten Evergreen.
Harold Faltermeyer studierte Klavier und Trompete an der Münchner Musikhochschule. Nach dem Studium arbeitete er für Hit-Lieferant Giorgio Moroder an verschiedenen Alben (u. a. „Hot Stuff“ von Donna Summer) und an ersten Hollywood-Soundtracks („American Gigolo“). Derzeit feiert der bodenständig gebliebene, bei München lebende Musiker mit dem Soundtrack zum Kino-Hit „Top Gun: Maverick“ einen weiteren Welterfolg. Inklusive weiterer Grammy-Nominierung. Kein Wunder, dass er gerade wieder von attraktiven Angeboten aus Hollywood überhäuft wird.
Harold Faltermeyer nahm sich für unser Interview eine volle Stunde Zeit, um über seine Arbeits- und Lebensweise, die Entstehung von „Axel F“ und über das Job-Profil eines Soundtrack-Komponisten zu plaudern. Sein Credo ist ein motivierender Appell an jeden Musiker: „Dran bleiben!“ Irgendwann winke das Glück.
Wenn du auf dein Leben, auf deine Karriere zurückblickst: Gibt es da Schlüsselmomente oder Weichenstellungen, die für deine Biografie entscheidend waren?
Allerdings. Davon gibt es sogar mehrere. Genau genommen, ist die Liste endlos. Du kommst im Leben immer wieder an Momente – sei es in der Ausbildung, in der Schule oder sonst wo – wo sich für Dich Weichen stellen. Dann liegt es an dir, dass du die richtige Abzweigung nimmst. Das ist schwer, unglaublich schwer sogar. Es sind die Momente, in denen sich Karrieren entscheiden, da geht es im Zweifelsfall um Glück und Unglück und da verrennen sich ja auch ganz viele.
Du sprichst gerade das „Glück“ an. Wer sich etwas mit Deiner Biografie beschäftigt, bekommt unweigerlich den Eindruck, dass Du ein Glückskind bist. Siehst Du Dich selbst auch als solches?
Ja, ich sehe mich wirklich als Glückskind – und dafür bin ich unglaublich dankbar. Da ich mir über dieses Glück – das ja ein Geschenk ist – so bewusst bin, habe ich mir geschworen, dass ich immer natürlich bleiben werde. Egal, was passiert, ich werde nicht abheben. Ich bin ein Sonntagskind, da sagt man ja immer, dass das glückliche Kinder wären. Aber ich glaube, dass man seinen Lebensplan zu einem guten Teil schon in den Pampers mitgeliefert bekommt.
Für dich ausgesucht
Bleiben wir noch kurz bei diesem Thema: Man steht im Leben immer wieder an Kreuzungen, du kannst links oder rechts abbiegen. Ist es Glück oder Intuition, die richtige Abzweigung zu nehmen?
Es ist Intuition. Für mich fand die wichtigste Weichenstellung 1984 statt. Da war ich mit einer Clique von guten Freunden in einem Hotel in Oberhausen im Ruhrgebiet. Wir sitzen also in dieser lustigen Runde an der Hotelbar, als die ziemlich nervöse Hotel-Rezeptionistin auf mich zukommt und sagt, dass jemand aus Übersee für mich anruft. Handys gab es ja zu dieser Zeit noch nicht. Ich sagte ihr, ich rufe zurück, ich bin jetzt am Feiern, wird schon nicht so wichtig sein. Sie meinte aber, dass es sehr wichtig sei. In dieser Sekunde hatte ich die Eingebung, dass es tatsächlich wichtig sein könnte. Also habe ich den Anruf angenommen. Am anderen Ende der Leitung war Jerry Bruckheimer, der große Hollywood-Produzent. Das war der Anfang unserer Zusammenarbeit. Wäre ich da nicht an das Telefon gegangen, wer weiß, wie meine Karriere, mein Leben verlaufen wäre.
Wie ist Jerry Bruckheimer auf Dich aufmerksam geworden?
Jerry hat mich 1981 im Studio gesehen, als ich mit Giorgio Moroder an dem Soundtrack zu dem Richard Gere-Film „American Gigolo“ gearbeitet habe. Er hat gesehen, wie ich als Keyboarder und Arrangeur sehr schnell die Sounds ändern konnte und die Technik im Griff hatte. Diese damals neue MIDI-Technik. Das hat ihn scheinbar so beeindruckt, dass er mich ein paar Jahre später in jenem Hotel anrief, und zu mir sagte: Ich habe einen Film für dich.
Was war das für ein Film?
Das war „Thief of Hearts”. Ein erotischer Thriller, der weder in den USA noch in Deutschland groß einschlug – aber für mich war es der Einstieg in Hollywood und der Beginn der Zusammenarbeit mit Jerry Bruckheimer und Don Simpson. Ich habe da schnell gelernt, dass man als Filmkomponist im Normalfall nicht viele Freiheiten hat. Es läuft ja so: Der Regisseur dreht sein Tagespensum, das bekommt er direkt überspielt und schneidet am selben Abend noch die Szenen zusammen. Ein Musikcutter sitzt schon dabei und versucht, parallel zum Schnitt, Musikvorschläge zu machen. Damals noch mit CDs. Die Cutter hatten eine Bibliothek mit Tausenden von Filmmusiken – von Ennio Morricone bis Hans Zimmer – und dann läuft das immer auf das Gleiche hinaus: Der Regisseur verliebt sich in eine Sequenz und möchte genau so eine Art von Musik. Die Folge: als Komponist bist du eingeschränkt und einer kopiert vom anderen.
Bei dem Soundtrack zu „Beverly Hills Cop“, die nächste Zusammenarbeit mit Bruckheimer und Simpson, war das aber anders, oder?
Völlig anders sogar! Martin Brest, der Regisseur, wollte Neuland betreten. Die einzige Vorgabe, die er mir machte, war, es sollte sich völlig von dem unterscheiden, was man bisher von Komödien-Soundtracks kannte. Ich dachte mir also: wie wäre es mit elektronischer Musik?
Das Ergebnis ist unter anderem „Axel F.“ – ein Musikevergreen, ein Klassiker der elektronischen Musik. Diese außergewöhnliche, vertrackte und trotzdem eingängige Melodie darf man auch als Glücksfall bezeichnen, oder?
Ja, absolut. Es ist wirklich eine bösartige Melodie. Zu allem Überfluss auch noch superschwer zu spielen, weil sie einfach rhythmisch sehr vertrackt ist durch diese Halbtöne. Ich habe den Song von vielen Bands leider ziemlich falschspielen gehört – weil sie einfach ignorant über die Feinheiten darüber huschten.
Wie bist Du auf diese Melodie gekommen?
Ehrlich gesagt, aus der Not heraus. Wie gesagt, wollte der Regisseur einen neuen Weg gehen. Ohne Orchester – was bei Hollywood-Komödien ein fast revolutionärer Gedanke war. Wir hatten weitgehend freie Hand. Die einzigen Vorlagen, die wir hatten, waren drei CDs von unserem Musikeditor Bob Badami. Das war ziemlich schräge Musik, darunter auch so afrikanische Musik. Ich habe dann versucht, diese Klänge irgendwie einfließen zu lassen. Doch die ersten Versuche waren einfach nur kläglich. Also haben wir wirklich alles Mögliche ausprobiert und herumexperimentiert. Jerry und Don sind dann täglich im Studio vorbeigekommen und wollten hören, wie weit wir sind. Einer im Team, Billy Webber, der Cutter, meinte dann, dass man uns am besten feuern sollte und dass man doch wieder ganz konventionell auf ein Orchester zurückgreifen sollte. Wir standen also mit dem Rücken zur Wand – und da bleibt einem nur noch die Flucht nach vorn. Also: was komplett Schräges machen. Etwas, das überhaupt nicht formatiert ist, was unvergleichlich und avantgardistisch ist.
Das hört sich nach enormem Druck an – was ja nicht unbedingt die beste Voraussetzung für Kreativität ist …
Stimmt. Aber ich wollte nicht klein beigeben. Mein Kampfgeist war geweckt. Irgendwie hatte ich dann mal „Rocket“, diesen eckigen Track mit den markanten Halbtonschritten von Herbie Hancock im Hinterkopf, und auch die Techno-Pioniere von Kraftwerk. Ich habe mir überlegt, dass sie mich als Deutschen ja gebucht haben und dass sie diese Art von Sound wohl von mir erwarten. Schließlich war Kraftwerk schon damals Kult – und es war etwas ganz anderes als diese Synthie-Schule von Vangelis oder Tangerine Dream.
Du bist also auch analytisch an die Sache ran gegangen?
Ja, unbedingt! Zum Beispiel habe ich mir vorgenommen, keine Pads, keine Flächen zu setzen. Ich habe mir sogar Verbots-Zeichen in den Kalender gezeichnet und darunter „Pads“ geschrieben. Als ich dann eines Tages abends wieder alleine im Studio war, habe ich mir die Filmsequenz mit Eddie Murphy angeschaut, und versucht, die Art und Weise, wie er sich bewegt, in Noten zu fassen. Dann springt er irgendwo runter, hüpft hoch, dann ein paar schnelle Turns von ihm. Ich habe seine Mimik genau studiert und dieses aus dem Nichts kommende Lachen. All das wollte ich in Noten umsetzen und plötzlich war da diese Melodie, die ich wie in einer Art Trance gespielt habe. Ich wusste sofort, dass ich jetzt das Thema hatte, da war ich mir sicher.
Das spürt man sofort?
Ja, das ist ein großartiges Gefühl. Man weiß, man ist auf eine Song-Goldader gestoßen. Ich wusste sofort, welches Tempo das richtige ist. Noch in derselben Nacht habe ich die Linn-Drums programmiert und das Thema darauf gespielt. Das Ganze floss plötzlich wie Wasser.
Waren die Produzenten auf Anhieb überzeugt oder musstest Du wieder Überzeugungsarbeit leisten?
Das hat sich wieder hingezogen, mehrere Tage lang sogar. Erst als Regisseur Martin Brest sagte: „Das ist es!“ Ab da waren auch die anderen mit im Boot. Martin ist bei seinen Entscheidungen unglaublich kritisch. Wenn er sich aber mal entschieden hat, dann heißt das was.
Welches Equipment hast Du für „Axel F“ verwendet?
Für die Melodie habe ich einen Roland Jupiter-8 benutzt, einen Yamaha DX7 für die Marimba-Sounds, ein Moog Model 15 und einen Oberheim OB-8 für die Bässe. Die Linn LM-1 für die Drums. Natürlich war der damals legendäre Roland TR-808 auch mit dabei, er steuerte Percussion und die Klatscher bei. Die Wassertropfen, die für den Track ja typisch sind, programmierte ich mit den modularen Synthesizern Roland Series 700 und 100 M.
Die Musik ist bei vielen Filmen extrem entscheidend. Nehmen wir nur mal die Italo-Western. Ohne die Klänge von Ennio Morricone wären das ziemlich banale Filme. Auch „Top Gun“ lebt zu einem guten Teil von der Musik.
Das stimmt. Beim neuen „Top Gun: Maverick“ ging die Produktion vor vier Jahren für mich los, also im Jahr 2018. Als ich die ersten Szenen sehe, habe ich sofort wieder die Musik aus dem ersten Teil gehört. Das war auch okay, denn sogar im Drehbuch stand: „Top Gun Anthem“. Jerry ist dann zu mir gekommen und hat gesagt: „Thank you again for the gift of this music, because this made us construct the movie”. Es ist auch outstanding – nicht zu klassisch, nicht zu poppig. Es ist heroisch, aber nicht trivial. Das Top Gun-Thema hat in Amerika ja fast die Funktion der Nationalhymne. Sie spielen es vor einem Baseballspiel und dann stehen alle auf und legen die rechte Hand aufs Herz.
Aber für „Top Gun: Maverick“ wurde der Soundtrack neu aufgenommen, oder?
Genau, den haben wir neu aufgenommen. Mit neuen Sounds. Ich habe die Soundfiles vom ersten Teil lustigerweise noch gehabt, die ja auch nicht unbedingt so speziell sind. Da ist nur die Kombination speziell, wenn du zum Beispiel die Glocken nimmst, die am besten in C-Dur klingen. Der tiefe Ton auf dem Klavier erschien mir damals einfach, na ja, zu normal. Deshalb habe ich Tubular Bells genommen, die hatten wir sogar im Studio herumstehen. Ich haue also auf diese Tubular Bells und denke mir: Das klingt wie „Der Glöckner von Notre Dame“, da muss etwas anders her. Damals war gerade der DX7 von Yamaha der erste ganz große FM-Synthesizer, der hatte im Stock-Programm auf Button 32 „Tubular Bells“. Das klang in hohen Lagen zwar nicht gut, aber das tiefe C gefiel mir. Aber es klang noch dünn. Also haben wir acht DX7 geholt, die ganz leicht untereinander verstimmt, die Algorithmen leicht verstellt – und schon klang das richtig satt. Über alles haben wir dann noch eine echte Tubular Bell gelegt. Da haben wir also richtig gebastelt. Damals gabs die DX7 in einem Rack gemounted, der hieß dann TX816, mit acht DX7. Diesen Sound haben wir auch für „Top Gun: Maverick“ verwendet.
Stimmt es, dass Tom Cruise höchstpersönlich gefordert hat, dass Du wieder für den Soundtrack sorgst?
Ja, stimmt, das hat er selbst angeregt. In einem BBC-Interview für einen anderen Tom Cruise-Film fragte man ihn nach der Top Gun-Fortsetzung. Er erzählte davon, dass man beispielsweise mit echten Piloten drehen werde – und dass Harold Faltermeyer wieder an Bord sein wird. Ich wusste nichts davon und habe das erst über einen Social-Media-Kanal erfahren. Daraufhin habe ich meinen Agenten angesetzt, er hat bei Paramount angerufen und es bestätigt bekommen. Dann gingen auch schon die Verhandlungen los …
Wie war das Gefühl, als du das gehört hast?
Cool natürlich, weil es ja eine Ehre ist und Wertschätzung für deine Arbeit ausdrückt. Dass der Film über 1,5 Milliarden Dollar eingespielt hat und damit einer der erfolgreichsten Filme dieses Jahres ist, ist ein wohl ein weiterer Glücksfall.
Hans Zimmer mischt bei dem Soundtrack ja auch mit. Wie kam es dazu?
Beim ersten Gespräch mit Joseph Kosinski, dem Regisseur, fragte er mich, was ich davon halten würde, wenn man noch einen „contemporary composer“ mit dazu nehmen würde? Da war ich sofort dabei. Jemanden, der am Puls der Zeit ist und alle angesagten Sounds drauf hat. Ich sage also: „Wie wäre es mit Hans Zimmer?“ Und Kosinski antwortet: „Ich wollte ihn nicht nennen, aber das wäre eine brillante Idee.“ Also hat sich mein Agent mit Hans Zimmer in Verbindung gesetzt und das ganze eingefädelt.
Habt ihr, Du und Hans Zimmer, auch gemeinsam komponiert?
Nein, das haben wir nicht. Der Hans sagte zu mir: „Ich möchte für dich nicht der Komponist sein. Ich stelle mir eher vor, dass ich dein Instrumentator, dein Mentor, dein Arrangeur und auch dein Ideengeber bin.“ Das war der Tenor, den er auch überall kolportiert hat. Er hat das auch in einem großen Meeting, wo alle dabei waren gesagt. Er meinte: “So, I have to say one thing. This man wrote a couple of magnificent themes about 35 years ago and the worst thing we could do is if we would try to verschlimmbessern anything.” Er hat ja seine eigene unverwechselbare Sprache, aber genau so hat er das gesagt. Und so wurde „Verschlimmbessern“ zum geflügelten Wort in der ganzen Abteilung.
Wie ging es dann los?
Ich habe nicht mit den alten Tracks angefangen, sondern gleich etwas Neues komponiert: Für die „Darkstar“-Szene, in der Maverick abstürzt. Damit habe ich gleich mal mit dem Schwersten angefangen. Als ich das abgeliefert habe, kommt der Kommentar: „Well, it sounds good, but can we try something else?”. Das hört man super gerne. Ich habe dann noch zwei Layouts gemacht, dann habe ich irgendwann mal gesagt: „So. I am not the guinea pig, so make up your mind.” Und der Hans hat dann gesagt: „Ich halte mich da raus, da ich jetzt eh noch keine Zeit für den Film habe.“ Mit dem Ergebnis, dass in großen Teilen das allererste Demo von „Darkstar“ genommen wurde.
Dass „Top Gun: Maverick“ so einschlägt, ist ein weiterer Glücksfall. Ich könnte mir vorstellen, dass Du gerade sehr viele Anfragen bekommst …
Ja, das stimmt. Aber ich bin am Überlegen, denn mit einem der größten Filme anfangen und einem der größten aufhören ist eine runde Sache. Vielleicht sage ich jetzt: Okay, that´s it.
Du spielst also mit dem Gedanken, mit der Soundtrack-Arbeit aufzuhören?
Ja, mit dem Gedanken spiele ich. Mal sehen.
David Paich von Toto hat mir in einem Interview erzählt, wie aufwändig und anstrengend Soundtrack-Jobs sind. Er meinte, dass man Tag und Nacht daran arbeitet – und dass das auch erwartet wird. Stimmt das?
Grundsätzlich stimmt das, es ist schon sehr anstrengend. Aber es gibt ein paar verschiedene Arten, ranzugehen. Ich habe immer reingehackt wie ein Irrer. Sehr schnell gearbeitet und äußerst schnell abgeliefert. Dafür war ich auch bekannt. Das kannst du in der heutigen Zeit aber gar nicht mehr machen, da die Soundtracks viel komplexer geworden sind. Die technische Ausfertigung eines Soundtracks ist heute so, dass du Hunderte von Spuren abgibst. Die sind alle in einzelne Stems aufgeteilt und werden durch dieses neue Pro Tools jagt. Das hätte man früher natürlich nicht machen können, solche Mischpulte gab es nicht. Aber mit Pro Tools, wo du eine Oberfläche hast, die locker über 500 Kanäle springen kann, da kann man das machen, weil sie sich bei der Mischung natürlich so Mühe geben. Du gibst ihnen die ganze Chose mehr oder minder ungemischt, also virtuell ungemischt. So arbeitet der Hans auch, das ist heute Standard.
Wie läuft das ab?
Die arbeiten so, dass du das Pro Tools System verwendest wie eine dumme Bandmaschine. Also in Pro Tools benutzen wir überhaupt keine Effekte. Null. Wir nehmen nur das Medium Aufnahmetechnik her und behandeln es wie eine Bandmaschine. Also alle Regler sind auf null und die ganzen Sounds zaubern wir in den DAWs, also ich in Logic, der Hans in Cubase und da mischen wir schon richtig mit allem, mit Hall, mit allem Drum und Dran. Aber das, was dann hinterher ankommt, ist zur absolut freien Verfügung. Also wenn jetzt einer sagt: „Ich möchte das Tamburin nicht haben“, dann macht der Spur 344 einfach zu.
Das klingt fast so, als ob man einen Rohstoff abliefert, der erst ausgeformt wird – als wäre die Postproduktion aufwändiger als der Kompositions- und Produktions-Prozess.
Ja richtig, da wird eine Ewigkeit herumgemacht. Das ist nicht mein Ding. Hans Zimmer sieht das pragmatisch, der sagt: „Gib ihnen einfach, was sie haben wollen, du hast eh keinen Einfluss mehr“. So ist es auch. Ich war beispielsweise nicht mal beim Mischen von „Top Gun: Maverick“ dabei, das war früher anders.
Das heißt: in Zukunft Fokus auf das Komponieren, oder? Das ist ohnehin die schönere Arbeit.
Genau. Da kannst du wirklich deinen Gefühlen freien Lauf lassen und das kreative Arbeiten ist sowieso das Beste. Kürzlich habe ich ein Theaterstück geschrieben und auch die Musik dazu komponiert. Das war auch eine sehr schöne Erfahrung. Ich habe das Stück gemeinsam mit Robby Heinersdorff geschrieben, es heißt „Brauchen Sie ´ne Quittung?“. Es geht darin um die Klischees von Pop- und Jazzmusikern. Es ist ein Zwei-Personen-Stück, das nur in einem Taxi spielt, Ingolf Lück, der ehemalige „Formel 1“-Moderator und Anja Kruse spielen es.
Du packst die Dinge an – was mich wieder zum Ausgang unseres Gesprächs bringt: Lässt sich das Glück auch erzwingen? Vielleicht durch eine bestimmte Lebensweise?
Genau, durch die richtige Lebensweise. Glück kann man nicht erzwingen, nur fördern. Das ist wie bei den Wellenreitern in Kalifornien. Die Wellen kommen ständig rein und diese Wellenreiter paddeln auf ihren Brettern darauf zu – die meisten verpassen den richtigen Punkt. Doch aus diesem Pulk von Surfern steht immer wieder einer plötzlich auf, der die perfekte Welle erwischt hat – und er gleitet mit ihr bis ans Ufer. Er war genau zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort und er ist nicht zu früh und nicht zu spät aufgestanden. Wenn man dranbleibt, wenn man es immer wieder versucht, dann erwischt man irgendwann mal die perfekte Welle. Früher oder später klappt das.