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Interview und Gear Chat: Homer Steinweiss

Im zarten Alter von 16 Jahren wagte sich Homer Steinweiss in die New Yorker Funk-Szene und wurde bald eine zentrale Figur des dortigen Soul Revivals. Mit einem unheimlichen Talent für Groove und einem akribischen Sinn für Sound ist er ein ebenbürtiger Nachfolger der großen Meister des Funk Drumming wie Clyde Stubblefield, Jabo Starks oder James Gadson, deren Vermächtnis er, getrieben durch seinen eigenen kreativen Stil, in die moderne Welt befördert. So ist sein Drumming auf Produktionen von Bruno Mars, Mark Ronson, Michael Bublé und Nas zu hören und hat mit dem „Back To Black“ Album von Amy Winehouse den Sound eines Albums mitgeprägt, das schon jetzt ein absoluter Klassiker ist.

Foto von Amy Harris.
Foto von Amy Harris.


Als Mitglied der „Dap Kings“ kreierte er den authentischen Vintage Sound für Alben von Sharon Jones, Charles Bradley und eben jener viel zu früh verstorbenen britischen Soul Diva. Ihre Leidenschaft für die Soul-Musik der 60er Jahre hat die „Dap Kings“ mit ihrem hauseigenen Label Daptone Records zu einem modernen, von Motown inspirierten Label gemacht, das nahezu jeden aktuellen Musiktrend ignoriert und die Authentizität von Aufnahmen der alten Schule rekreiert. So nehmen sie Drums mit einem, maximal zwei Mikrofonen auf und spielen den Song gemeinsam mit kompletter Band ohne Clicktrack auf Tape ein. Das Medium der Wahl bleibt Vinyl, und so werden Singles auch noch im 45er-Format veröffentlicht. Mittlerweile ist Homer Steinweiss, beheimatet im eigenen „Diamond Mine“ Studio in Brooklyn, neben seiner Tätigkeit als Sessiondrummer auch als Produzent und Songwriter beschäftigt. Wir sprachen mit ihm über seine aktuellen Projekte, seine vielschichtige Arbeit als Musiker, den kreativen Input in Studiosessions und ab wann ein Drumgroove zur Komposition wird.

Hallo Homer, du bist in der New Yorker Szene sehr umtriebig. Woran arbeitest du zur Zeit?
Momentan liegt mein Fokus auf meiner Band „Holy Hive“. Da kümmere ich mich um Songwriting und Produktion, spiele Drums und ein paar andere Instrumente. Nebenbei arbeite ich immer wieder mit Lee Fields und auch mit Mark Ronson zusammen, der bald ein neues Album rausbringt, auf dem ich gespielt habe.
Welche Instrumente spielst du neben Drums?
Meine Eltern sind beide Pianisten und haben mir das natürlich auch näher gebracht, aber so richtig bin ich nicht drangeblieben. Erst später habe ich dann angefangen, Conga, Percussion und schließlich Drums zu spielen. Ich spiele ein wenig Bass und Gitarre, nehme aber jetzt auch wieder Klavierunterricht, weil ich mich ein bisschen breiter aufstellen möchte.
Ist das eher, um dich musikalisch besser ausdrücken zu können oder auch, um professioneller als Songwriter agieren zu können?
Ja, ich bin sowieso schon länger im Songwriting aktiv, aber möchte da einfach besser werden. Als Drummer finde ich es aber auch wichtig, die Wertigkeit des Drumparts als Teil des Songs zu erkennen. Wenn ich also ein innovatives Pattern kreiere, ist das Songwriting. Das kann manchmal ein harter Kampf sein, aber ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, da fair behandelt zu werden. Ich bin da auch sehr transparent und versuche so, die Grauzone zu überwinden. Wenn ich also das Gefühl habe, dass mein Drumpart ein essenzieller Bestandteil der Komposition ist, teile ich offen mit, dass ich dafür auch Prozente bei den Songwriting Credits bekommen möchte. Nehmen wir als Beispiel mal die moderne Popmusik. Die meisten Drumparts sind programmiert, und die Songwriter oder Produzenten, die diese Programmings machen, bekommen in der Regel dafür Songwriting Credits. Ich verstehe nicht, was der große Unterschied sein soll, wenn man als Drummer etwas Innovatives am Instrument zum Song beiträgt, anstatt am Computer zu programmieren. Ist das wirklich weniger wert? Natürlich ist es etwas anderes, wenn ich im Studio bin, um exakt einen Part nachzuspielen oder wenn ich ein ausnotiertes Stück vorgelegt bekomme. Ich denke, es ist einfach wichtig, darüber zu sprechen.

Homer ist bekannt für seinen besonderen Sound am Drumset. Bild zur Verfügung gestellt von Homer Steinweiss.
Homer ist bekannt für seinen besonderen Sound am Drumset. Bild zur Verfügung gestellt von Homer Steinweiss.

Songwriting Credits führen ja gerne mal zu ausufernden Diskussionen. Hattest du deswegen schon mal Streitigkeiten?
Ich finde, man muss das Selbstvertrauen haben, danach zu fragen. Ich hatte bisher keine großen Streitigkeiten, aber ich glaube, dass die teilweise sehr intensiven Diskussionen darüber ein Teil des Prozesses sind. Wichtig ist eine transparente Kommunikation. Es wird meistens ja erst dann wirklich schwierig, wenn man die ganze Zeit nichts sagt und nach Fertigstellung des Songs nach Credits fragt. Manchmal passiert aber auch das Gegenteil: Ich spiele eine Recording Session und habe nicht die Intention, später Teil der Komposition zu sein, weil ich eine hohe Gage kriege und meines Erachtens nicht viel zum Songwriting beitrage, bekomme aber dann später doch Credits, weil der Künstler, Produzent oder Songwriter meinen Input mag. Es gibt aber auch durchaus Leute, mit denen ich nicht mehr zusammenarbeite, weil ich das Gefühl habe, dass sie meinen Anteil an einem Song nicht zu schätzen wussten.
Nimmst du viel in deinem eigenen Studio auf?
Ja. „The Diamond Mine“ ist mit 130 Quadratmetern ein relativ großes Studio mit einem Aufnahmeraum mit Keys, Drums, verschiedenen anderen Instrumenten und Amps und einer Regie mit Bandmaschine und Pult. Dazu gibt es dann noch eine Lounge und ein Lager. Ich nehme dort mit meinem Projekt auf, schreibe Songs und produziere. Außerdem vermiete ich das Studio an andere und nehme dort auch die Drumtracks für die meisten Sessions auf, für die ich gebucht werde.

Lee Fields & The Expressions – Will I Get Off Easy – Live at Diamond Mine

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Bist du dann gleichzeitig auch Engineer und Mischer?
Nicht so häufig. Ich versuche, nicht gleichzeitig Engineer zu sein, wenn ich Drums einspielen soll, weil es ganz schön hart ist, beides in einem zu machen. Für Projekte mit kleinerem Budget geht das schon mal, aber normalerweise haben die Leute, die mich buchen, ein Budget, mit dem ich einen befreundeten, guten Engineer buchen kann. Häufig sind die Leute auch in einem Team, sodass ich die Drum-Spuren nicht mixe.
Gibt es ein spezielles Setup, mit dem du den Sound erzielst, den viele Leute mit dir verbinden?
Nein. Es gibt viele verschiedene Setups. Ich sorge erstmal dafür, dass die Drums im Aufnahmeraum genau so klingen, wie ich sie hören möchte. Dann höre ich in der Regie, wie die Drums über die Mikrofone klingen und verändere vielleicht hier und da noch etwas. Ein komplettes Drumset ist für mich auch ein Instrument. Natürlich kann man an jede einzelne Trommel ein Mikrofon hängen, damit man mehr Kontrolle über die einzelnen Signale hat, aber ich finde, dass ein großer Teil des eigenen Sounds gerade dadurch entsteht, wie man die jeweiligen Teile eines Drumsets klanglich balanciert. Die interne Dynamik und Balance ist mir also wichtiger als das Setup der Mikrofone.
Spielst du ausschließlich Vintage Drums, um den Retro-Sound zu erzeugen?
Ich lehne moderne Drums nicht ab, mag aber die alten Trommeln wegen des leichteren Feels besonders gerne. Das schließt übrigens auch die simple Hardware mit ein. Ich finde auch, dass Becken auf leichteren Stands anders klingen. Ich habe mir aber vor drei Tagen auch ein Gretsch Catalina Club Jazz Set von 2006 gekauft. Das klingt verdammt gut.
Der Aufbau deines Drumsets ist sehr ungewöhnlich. Wie kam es dazu?
Wenn man sich mein Setup anguckt, sieht es aus, als hätte jemand, der keine Ahnung hat, die Drums einfach nur so hingestellt. (lacht) Ich habe lange Zeit ein dreiteiliges Set im typischen Aufbau eines Rechtshänders gespielt. Irgendwann ist in meinem rechten Fuß ein neurologisches Symptom namens „fokale Dystonie“ aufgetreten. Das trat zum ersten Mal nach 10 bis 15 Jahren Schlagzeugspielens auf. Ich konnte die Bass Drum mit meinem rechten Fuß nicht so spielen, wie ich wollte. Erst dachte ich, dass ich aufhören müsste, professionell Drums zu spielen, aber dann kam ich auf die Idee, die Bass Drum mit meinem linken Fuß zu spielen. Das war eine ziemlich gute Lösung. Ich habe dann die ersten zwei Jahre nach Auftreten der Störung einfach mit einem Doppelpedal die Bass Drum mit dem linken Fuß gespielt, die Hi-Hat mit der Clutch komplett geschlossen gehalten und den rechten Fuß gar nicht benutzt. Nach zwei Jahren hatte mein rechter Fuß sich zumindest gut genug erholt, um die Hi-Hat zu öffnen und zu schließen. Ich habe also einfach die Bass Drum und Hi-Hat getauscht, mochte aber, wie das Floor Tom und das Rack Tom stand. Deshalb sieht das so komisch aus. (lacht) Mein linker Fuß funktioniert jetzt für die Bass Drum super, und mit dem rechten Fuß auf der Hi-Hat habe ich keine Probleme. Wenn ich aber mit dem rechten Fuß die Bass Drum spiele, tritt die neurologische Fehlfunktion innerhalb von zehn Minuten wieder auf. Deshalb bleibt das Setup für mich jetzt so. Wenn ich beispielsweise eine halbe Stunde Songs mit einem Disco Beat spielen muss, bei dem sich die Hi-Hat auf jedem Offbeat öffnen soll, war es das dann für den Rest des Tages mit dem linken Fuß. Nicht optimal, aber es gibt Schlimmeres.

„Ich lehne moderne Drums nicht ab, mag aber die alten Trommeln wegen des leichteren Feels.“ In seinem Studio hat Homer eine große Auswahl an Instrumenten. Bild zur Verfügung gestellt von Homer Steinweiss.
„Ich lehne moderne Drums nicht ab, mag aber die alten Trommeln wegen des leichteren Feels.“ In seinem Studio hat Homer eine große Auswahl an Instrumenten. Bild zur Verfügung gestellt von Homer Steinweiss.

Neben deinem einzigartigen Sound hast du ein besonderes Feel, das – ähnlich wie bei vielen alten Funk- und Souldrummern – nicht den Anspruch hat, quantisiert zu klingen, sondern durch seine Lebendigkeit erst so besonders wird. Führt das mit manchen Produzenten in Zeiten von Pro Tools und Loop-basierter Produktion zu Verständnisschwierigkeiten in der Herangehensweise an den Song?
Gute Frage, die gar nicht so einfach zu beantworten ist. Jeder Produzent hat seine individuelle Herangehensweise an einen Song. Das schließt natürlich auch die Arbeitsweise mit Drums ein. Ich sehe die Drums gerne als Fundament des Songs. Wenn es also um einen Song geht, der nicht mit kompletter Band eingespielt wird, möchte ich die Drums gerne zuerst einspielen, damit sich alle anderen Instrumente an den Drums orientieren können. Die meisten modernen Produktionen werden aber genau gegenteilig gehandhabt, weil häufig aus einem Songwriting-Demo mit skizziertem, quantisierten Beat ein Song entsteht, bei dem zum Schluss die Drums ein möglichst lebendiges Feel erzeugen sollen. Es ist relativ hart für mich, zu einem Click zu spielen, weil mein Feel eher intuitiv ist und sich nach dem Song richtet. Ich habe aber natürlich gelernt, zum Click zu spielen, und in manchen Tempi klappt das perfekt. Es gibt aber mit Sicherheit Produzenten, die nicht damit klar kommen, dass ich in Fills schneller oder langsamer werde, während andere genau das suchen. Wenn jemand also nach perfekt genagelten, nahezu quantisierten Drums sucht, sollte er mich besser nicht anrufen. (lacht) Wenn es um etwas Spezielles, Innovatives geht, bin ich aber vielleicht genau der richtige.
Es erfordert Courage und Selbstvertrauen, das in einer Welt zu sagen, in der der überwiegende Teil der Musikproduktionen mit Computern gemacht wird.
Versteh mich nicht falsch, ich liebe viele Genres, bei denen die Musik mit Drumcomputern gemacht wird. Ich mag dieses repetitive Feel und verstehe mich auch bei vielen Sessions als eine Art Drumcomputer mit speziellem Feel. Ich denke auch, dass das gut klappt, und mit der modernen Technologie ist es ja auch ein Leichtes, Dinge gerade zu rücken, wenn sie wirklich zu weit auseinander sind. Das machen viele Produzenten, mit denen ich aufnehme. Sie buchen mich für meinen Sound und editieren sich dann alles so, wie sie es haben wollen. Da ist es natürlich auch wichtig, dass die Produzenten gut editieren. Editieren ist ja nicht gleich quantisieren. Damit ein Loop rollt, muss er nicht hundertprozentig gerade sein, und oftmals ist auch genau das das gewisse Etwas an einem Song. So funktionieren ja sehr viele Hip-Hop-Produktionen. Der Click ist für mich eine Temporeferenz. Ich finde es fantastisch, wenn Drummer von Beginn eines Songs bis zur letzten Note mit Kick und Snaredrum den Click verschwinden lassen, weil sie perfekt „in time“ sind. Natürlich ist das bei mir auch hin und wieder der Fall, aber es ist bei weitem nicht die Regel, und manchmal bin ich sogar weit weg vom Click. Ich finde, dass viele Drummer dem Click zu viel Wichtigkeit einräumen und das dann oft im Weg der Musik und der Emotion steht. Oft üben Trommler auch so hart daran, wie eine Maschine in time zu sein und verlieren so ihren eigenen Sound oder haben gar keine Chance, ihn überhaupt erst zu entwickeln. Es gibt auch viele Lehrer, die sich zu sehr darum kümmern und zu wenig auf die Musikalität achten. Deshalb habe ich irgendwann auch aufgehört, Unterricht zu nehmen.

Für „Holy Hive“ schreibt, produziert und trommelt Homer.

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Wann war das?
Ich hatte ein paar Lehrer und einen wirklich guten, der mir eigentlich alles beigebracht hat. Mit 16 habe ich dann aufgehört, weil es da für mich auch musikalisch in Bands und der New Yorker Szene losging. Ich hatte damals eine Band namens „The Mighty Imperials“, die bei dem lokalen Indie-Label „Desco“ unter Vertrag war, das regelmäßig Musik von uns rausgebracht hat. So kam ich in die Brooklyn Soul-Szene, zu der ich mich noch heute zähle. Aus „Desco“ wurde irgendwann „Daptones Records“, und so kam ich auch zu den Dap Kings, mit denen ich bei Sharon Jones und Charles Bradley spielte. Mark Ronson hat irgendwann die Horn Section der Dap Kings für sich entdeckt und dann auch die gesamte Band. Eine der ersten Sessions war dann gleich mit Amy Winehouse, die wir damals alle noch gar nicht kannten.

„Die interne Dynamik und Balance ist mir also wichtiger als das Setup der Mikrofone.“ Für einen guten Sound setzt Homer vor allem auf den Klang im Raum. Bild zur Verfügung gestellt von Homer Steinweiss.
„Die interne Dynamik und Balance ist mir also wichtiger als das Setup der Mikrofone.“ Für einen guten Sound setzt Homer vor allem auf den Klang im Raum. Bild zur Verfügung gestellt von Homer Steinweiss.

Sharon Jones und Charles Bradley sind 2016 und 2017 gestorben. Sind die Dap Kings weiterhin aktiv?
Es gibt die Band noch, wir spielen auch weiterhin Studiosessions, aber sind natürlich nicht mehr so aktiv, weil Sharon und Charles verstorben sind. Das ist wirklich sehr schade. Aber ich denke, dass wir immer weiter zusammen Musik machen werden.
Was sind deine Pläne für die Zukunft?
Ich liebe es, Platten zu machen, möchte das auch in Zukunft weiterhin machen und damit meinen Lebensunterhalt verdienen. Ich schreibe gerne Songs, liebe Produzieren und Trommeln und kann mir auch vorstellen ein Buch oder ein Lehrvideo über meine Art des Drummings zu machen.
Vielen Dank für’s Gespräch!

Bild zur Verfügung gestellt von Homer Steinweiss.
Bild zur Verfügung gestellt von Homer Steinweiss.
Homers Equipment:
  • Drums: Gretsch Round Badge (Vintage)
  • Bassdrum: 22″x14″
  • Toms: 13″x9″, 16″x16″ Floor Tom
  • Snare: Ludwig Acrolite 14“ x 5“
  • Becken: Zildjian
  • 14“ Avedis Hi-Hat
  • 20“ K Constantinople Ride
  • 22“ Avedis Sizzle Ride
  • Sticks: Promark 5A und 5B

Website: http://www.homersteinweiss.com

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Tobias sagt:

#1 - 02.03.2021 um 10:32 Uhr

0

Schönes Interview. Vor allem, dass die fokale Dystonie mal angesprochen wird.
Das mit dem linken Fuss auf der Bassdrum ist richtig gut gelöst - oder nochmal Glück gehabt. Denn wenn die Hände betroffen sind, sieht es anders aus.
Diese gefürchtete Musiker-Krankheit sollte mal als Hauptthema behandelt werden. Musiker sollten wissen, warum und wie diese Krankheit entsteht.

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