Wir alle wünschen uns von Zeit zu Zeit neue Herausforderungen am Instrument und möchten unser klangliches Repertoire am E-Bass erweitern. Im Gegensatz zum bundierten Bass bietet ein Fretless-Bass mit seinem typischen „singenden“ Ton neue Möglichkeiten zur klanglichen Entfaltung. Auch sind zahlreiche berühmte Bass-Heroes mit dem Thema „Fretless“ verbunden, etwa Jaco Pastorius, Jack Bruce, Pino Palladino etc. Gerade in den 80er- und 90er-Jahren hörte man einen Fretless-Bass quasi in Dauerrotation im Radio – man denke nur an die Hits von Paul Young, Peter Gabriels „Sledgehammer“ oder Michael Jacksons „Earth Song“. Was du über das Thema „Fretless-Bass“ wissen musst und worauf du beim Kauf eines bundlosen Basses achten musst, erfährst du in diesem Artikel.
- Fretless-Bass – History
- Kurzer Exkurs zur wohltemperierten Stimmung
- Intonation auf einem Fretless-Bass
- Fretless-Bass: Sound und spezielle Spieltechnik
- ▶ Position der Anschlagshand beim Fretless-Bass
- ▶ Slides auf dem Fretless-Bass
- ▶ Vibrato auf dem Fretless-Bass
- Berühmte Fretless-Player
- Songs mit Fretless-Bass
- Fretless-Bässe – Kauftipps
Fretless-Bass – History
Denkt man an Fretless-Bässe, hat man sofort die Basslegende Jaco Pastorius im Kopf. Pastorius genießt in der Bassszene einen ähnlichen Stellenwert wie Jimi Hendrix bei Gitarrist:innen – er wird als einer der wichtigsten Innovatoren des Instrumentes angesehen. 1669/70 entfernte Jaco Pastorius die Bundstäbchen aus seinem Fender Jazz Bass, füllte die Lücken mit Holzkit auf, und versiegelte das Griffbrett mit Bootslack – und fertig war sein selbst gebauter Fretless!
Ungeachtet seines Genies leistete er hier jedoch keine Pionierarbeit, denn Fretless-Bässe gab es bereits vor Jaco. Die genaue Geschichte ist unklar, doch deuten mehrere Quellen darauf hin, dass der Bassist Bill Wyman von den Rolling Stones bei diesem Thema eine entscheidende Rolle spielte.
Schon im Jahr 1961 entfernte Wyman aus einem seiner Instrumente die Bundstäbe, da diese massiv herunter gespielt waren und nur noch zu Scheppern führten. Bill Wymans Ansatz war also eher pragmatisch und nicht von der Suche nach einem bestimmten Sound getrieben. Bill war jedoch von dem Ergebnis positiv überrascht und nutzte besagten Bass fort an nur noch als Fretless.
Eine weitere Rolle spielt die Firma Ampeg, die 1966 mit ihrem AUB-1 eine Art Mini-Kontrabass ohne Bünde auf den Markt brachte. Damit kamen sie dem Wunsch vieler Kunden nach, welche vom Kontrabass zum E-Bass wechselten. Und auch der Marktführer Fender stellte 1970 ein bundloses Modell des Precision Bass vor. Die Ironie dabei ist, dass der Name „Precision“ eigentlich für das Phänomen der durch die Bundstäbchen ermöglichten präzisen Intonation („intonation with precision“) steht.
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Mit dem „Erdbeben“, das Jaco Pastorius mit seinem Fretless-Sound in der Szene auslöste, erlangte der bundlose Bass im Handumdrehen eine enorme Popularität – viele Bassist:innen folgten Jacos Spuren! Primär war dieser Sound anfangs im Jazz- und Fusion-Bereich zu finden, fand jedoch nach und nach auch seinen Weg in die Pop- und Rockmusik.
Stellvertretend sind hier Namen wie Jack Bruce (Cream) und Pino Palladino (Paul Young etc.) zu nennen. Speziell Letzterer veredelte in den 80er-Jahren zahlreiche Radio-Hits mit dem markanten Sound seines bundlosen Music Man Stingray.
Kurzer Exkurs zur wohltemperierten Stimmung
Ein Fretless-Bass ist wie ein Streichinstrument eigentlich ein Paradoxon. Zum einen ist es nicht gerade leicht, darauf sauber zu intonieren. Zum anderen kann man auf ihm im Gegensatz zu einem bundierten Bass erst wirklich exakt intonieren.
Der Hintergrund: Die Bundstäbchen eines E-Basses bilden mit ihrer Position auf dem Griffbrett nämlich stets nur immer einen Kompromiss, denn sie repräsentieren die sogenannte „wohltemperierte Stimmung“. Dieses System wurde vor allem vom deutschen Barock-Musiker Andreas Werckmeister ab 1681 etabliert.
In temperierter Stimmung bilden z. B. die Töne F# und Gb denselben Ton. In nicht-temperierter Stimmung liegt das Gb hingegen leicht tiefer bzw. das F# leicht höher. Der Kompromiss der Einteilung der Töne in die heute bekannten Halbtonschritte bewirkte, dass von nun an in allen Tonarten des Quintenzirkels musiziert werden konnte. Auch das Zusammenspiel verschiedener Instrumente wurde dadurch enorm vereinfacht.
Heutzutage musizieren wir für gewöhnlich fast ausschließlich mit Instrumenten zusammen, welche die wohltemperierte Stimmung nutzen. Es gibt jedoch auch Musiker, die noch ganz bewusst in nicht-temperierter Stimmung arbeiten.
Intonation auf einem Fretless-Bass
Hilfe bei der Orientierung bekommt man bei Fretless-Bässen entweder durch sogenannte „Dots“ an der Griffbrettflanke, wie man sie auch von bundierten Bässen kennt. Diese befinden sich im dritten, fünften, siebten, neunten, zwölften etc. Bund. Allerdings sind diese Markierungen bei einem Fretless nicht in der Mitte des Bundes platziert, sondern dort, wo sich normalerweise der Bundstab befindet.
Noch mehr Unterstützung bieten Fretlines auf dem Griffbrett, die eine Art „virtuelle Bundstäbe“ darstellen:
Bei beiden Varianten stellt man schnell fest, dass man in den tieferen Lagen mit dem Fingern direkt auf dem virtuellen Bundstab (Dot oder Line) greifen muss. Der Finger wird hier zum Bundstab! Je höher man kommt, desto mehr muss man vom Bundstab Richtung Mitte des „Bundes“ rücken. Dies sind zwar Nuancen, aber diese entscheiden auf einem Fretless über „Sieg oder Niederlage“.
Fretless-Bass: Sound und spezielle Spieltechnik
Der Klang von Fretless-Bässen wird gerne mit Attributen wie „singend“ oder „lyrisch“ beschrieben. Die Saite wird nicht durch Metall (Bundstab) abgedrückt, sondern durch unsere Finger, die natürlich deutlich weicher sind.
Dies wirkt sich massiv auf die Einschwingphase des Tons aus: Der Ton schwillt im Vergleich zum Bundbass langsamer an, wodurch eine Art „Singen“ entsteht, welches sich durch bestimmte Spieltechniken auf dem Instrument zusätzlich unterstützen lässt. In Internet-Foren liest man häufig den Begriff „Mwoah“-Effekt, bei welchem die Töne verlangsamt anschwellen.
Einige dieser speziellen Fretless-Spieltechniken schauen wir uns nachfolgend genauer an. Weitere nützliche Tipps zum Fretless-Spiel gibt es in unserem speziellen Bass-Workshop “Fretless-Bass lernen: Die 5 besten Tipps”.
▶ Position der Anschlagshand beim Fretless-Bass
Da wäre zum einen die Position der Schlaghand beim Anschlagen der Saiten. Beim bundierten E-Bass positioniert man den Daumen der Anschlagshand ja für gewöhnlich auf einem der beiden Tonabnehmer. Natürlich funktioniert das ebenso auf einem bundlosen E-Bass.
Um den typischen klagenden Fretless-Sound zu unterstützen, empfiehlt es sich allerdings, mit der Hand weiter in die Nähe des Griffbrettendes zu rücken. Das Anschlags-Attack der Saite wird durch diese veränderte Position der Schlaghand reduziert und der Einschwingprozess der Saiten verlangsamt – die Sate kommt sozusagen “schwerer in Gang”.
Diese Position der Schaghand kann man auf diesem Bild gut erkennen:
▶ Slides auf dem Fretless-Bass
Auch Slides sind natürlich auf einem bundierten E-Bass ebenfalls möglich ist, klingen jedoch lange nicht so elegant wie auf einem Fretless, wie ihr hier hören könnt:
Dasselbe gilt vor allem für Slides mit Flagoletts. Hierbei wird zunächst ein Flageolett-Ton erzeugt, danach der greifende Finger heruntergedrückt und anschließend der Slide in gewohnter Weise durchgeführt.
▶ Vibrato auf dem Fretless-Bass
Der große Unterschied zwischen Vibrati auf einem bundierten und einem bundlosen E-Bass ist, dass auf einem Bundbass der Ton immer nur nach oben gehen kann, da der gegriffene Ton in seiner Höhe ja durch das Bundfeld festgelegt wird. Vibrati auf einem Fretless-Bass zeichnet aus, dass durch das leichte Drehen der Fingerkuppe beim Greifen der Ton auch nach unten variiert werden kann.
Diese kleine Melodie beinhaltet ein paar Fretless-typische Artikulationen. Mit einem bundierten Bass würde das ganz anders klingen.
Die Verwendung des Fretless-Basses verleiht diesem Funkgroove seine eigene Note.
Berühmte Fretless-Player
Hier ist eine kurze Liste mit Bassisten, welche Spezialisten auf dem Fretless sind. Natürlich gibt es unzählige mehr, aber als Start für die eigene Fretless-Reise kann die Liste schon mal dienen:
- Jaco Pastorius (Weather Report, Solokünstler)
- Jack Bruce (Cream, Solokünstler)
- Percy Jones (Brand X)
- Tony Franklin (Blue Murder etc.)
- Pino Palladino (Paul Young, Pete Townshend etc.)
- Sting (The Police, Solo)
- Steve Bailey (Solokünstler)
- Michael Manring (Solokünstler)
- Jimmy Haslip (Session Artist, Yellowjackets)
- Gary Willis (Tribal Tech, Session Artist)
- Ralf Gauck (Solokünstler)
Songs mit Fretless-Bass
In diesen Song-Beispielen aus unterschiedlichen Stilistiken kann man die Wirkung eines Fretless Bass wunderbar hören:
Jaco Pastorius:
Pino Palladino:
- „Wherever I Lay My Hat“
- „I’m Gonna Tear Your Playhouse Down“
- „Come Back And Stay“
- „New York Minute“
- „Lady In Red“
Marcus Miller:
Tony Levin:
Nathan East:
Guy Pratt:
John McVie:
Jeff Ament:
Fretless-Bässe – Kauftipps
Hier findet ihr einige aktuelle Fretless-Bässe in unterschiedlichen Preisklassen. Qualitativ sind alle hier gezeigten Instrumente grundsätzlich durchaus zu empfehlen, sodass ihr in erster Linie euren persönlichen Geschmack und euren Geldbeutel entscheiden lassen könnt.
Generell sind bei Fretless-Bässen alle Punkte von Bedeutung, auf die man auch bei der Anschaffung eines bundierten E-Basses achten sollte. Es ist jedoch unbedingt ratsam, sich im Vorfeld darüber klar zu werden, auf welche Art man sich dem Thema Intonation nähern möchte. Hiervon kann (und sollte!) die Entscheidung abhängen, ob man Fretlines oder lediglich Dots als Orientierungshilfen auf dem Griffbrett wählt.
Ich hoffe, ihr alle seid bereits oder werdet in Zukunft „bundlos glücklich“ – es lohnt sich!
Bis zum nächsten Mal, euer Thomas Meinlschmidt
Hans Georg K. sagt:
#1 - 24.12.2023 um 17:17 Uhr
Schöner Artikel. Eine Anmerkung zum Earth Song: Guy Pratt erzählt in seinem Buch „My Bass and other animals“ nette Anekdoten von der Session. Auf seinem YouTube Kanal zeigt er auch, was er wie damals gespielt hat. Ein Spector kam da zum Einsatz. Fretless war der aber nicht. Guy spielte einen Status fretless.