Das Album „Spectrum“ der Schlagzeuglegende Billy Cobham gilt bis heute als Genre-definierendes Meisterwerk des Jazzrock. Ein Synonym dafür ist der Begriff „Fusion“, also die Verschmelzung unterschiedlicher Stilistiken, etwa die Grooves aus dem Funk und Rock mit der Harmonik des Jazz usw. Es trifft aber ebenso auf die Besetzung von „Spectrum“ zu: Neben Billy Cobham bedient kein Geringerer als Lee Sklar die dicken Saiten. Am Keyboard ist Jan Hammer zu hören, der in den 80er-Jahren durch die Musik zur Blockbuster Serie „Miami Vice“ zu Weltrum gelangen sollte. Und für die Gitarre war ein junges Bluesrock-Talent namens Tommy Bolin zuständig, welcher kurze Zeit später Ritchie Blackmore bei Deep Purple ersetzen sollte. Auf „Spectrum“ befindet sich der Klassiker „Stratus“, welcher sich vor allem aufgrund seines satten Grooves und seiner coolen Bassline zu einem Standard dieses Genres entwickelt hat.
„Stratus“ – Original-Video
Lee Sklars Bassline zu „Stratus“ ist trotz ihrer Einfachheit eine enorme Herausforderung in Sachen Konstanz und Ausdauer sowie eine hervorragende Übung für die Anschlagshand. Die Gründe dafür wollen wir in diesem Workshop klären.
Aber vor allem wollen wir unser Augenmerk auf eine zeitgemäße Interpretation von Stratus legen. Das Original ist zwar ein Klassiker, aber klanglich mittlerweile auch etwas „angestaubt“. Frischen Wind in die Sache bringt eine Live-Version der Musikgiganten Stanley Clarke am E-Bass und Larry Carlton an der Gitarre.
Hier kannst du diese grandiose Version hören:
Rhythmik
„Stratus“ ist in einem moderaten Tempo von ca. 88 bpm. Die Bassline des A-Teils besteht aus einem zwei Viertel langen Pattern aus fortlaufenden 16teln. Dabei wird jeder Pulsschlag betont. Unsere Aufgabe im A-Teil von „Stratus“ ist, eine konstante Soundfläche zu schaffen. Dies erfordert Ausdauer und beständige Gleichmäßigkeit. Das ist mit viel Konzentration und Disziplin verbunden und nicht selten sogar schwieriger als rhythmisch oder technisch herausfordernde Basslines.
Eine Stolperstelle bei „Stratus“ kann das vierte Sechzehntel des Patterns sein. Hier müssen wir für nur eine Note von der A- auf die E-Saite wechseln. Dies kann zu einem winzigen Stolpern in der Bassline führen. Was sonst als menschlicher Faktor unter Umständen als charmant durchgeht, hat hier jedoch verheerende Auswirkung: Durch die fortlaufenden 16tel und den „Flächen-Charakter“ fällt dieses kleine Stolpern viel mehr ins Gewicht. Um das zu vermeiden, sollte man bei diesem Groove besonders Augenmerk auf die Abfolge seiner Finger legen.
Hier sind drei Varianten, wie man „Stratus“ spielen kann. Zwei davon mit konstantem Wechselschlag – einmal mit dem Zeigefinger beginnend, einmal mit dem Mittelfinger. Bei einer Variante ziehe ich den jeweiligen Finger von der A- auf die E-Saite durch (Raking), um ein Stolpern zu vermeiden.
Es lohnt sich, einmal alle drei Versionen zu probieren und seinen persönlichen Favoriten zu finden. Keine davon ist besser oder richtiger als die andere.
Der B-Teil von „Stratus“ ist dann ein deutlich rhythmisierter und synkopierter Unisono-Riff mit Gitarre und Keyboards, der sich am besten durch mehrmaliges Hören erschließt.
Tonmaterial
Zunächst einmal ist die Live-Version einen Halbton höher als das Original. Dies ist vermutlich dem Saxophon geschuldet, das sich in Bb deutlich leichter tut als in B. Die Bassline beinhaltet die drei Töne Bb, Ab und F, welche Grundton, Septime und Quinte des zugrunde liegenden Akkords Bb7 sind.
Das kraftvolle Unisono-Riff des B-Teils basiert dann auf der klassischen Bb-Moll Blues-Pentatonik. Bb-Myxolydisch (Bb, C, D, Eb, F, G, Ab) ist hingegen das Mittel der Wahl für das Outro, über das Billy Cobham soliert.
„Stratus“ – Basssound
Im Gegensatz zum Original ist der Bass bzw. Stanley Clarke in der „Live At The Greek“-Version deutlich prominenter. Mit Sicherheit spielt er hier einen seiner zahlreichen Alembic-Bässe. Die rockige Attitüde und der massive Sound kommen doch hauptsächlich durch den Octaver zustande, dessen Charakter sehr stark an den Boss OC2 erinnert.
Um dem Original möglichst nahe zu kommen, ist ein moderner Bass mit Aktiv-Elektronik und der OC2 bzw. ein Derivat davon (MXR Vintage Bass, Markbass Octaver Raw) zu empfehlen. Aber man sollte eigentlich mit nahezu jedem Bass und Octaver ein zufrieden stellendes Ergebnis erzielen. Die Devise lautet: Hauptsache fett!
„Stratus“ – Transkription
Hier findest du die Noten/TABs sowie die von mir eingespielten Klangbeispiele.
Viel Spaß mit der sensationellen Bassline von „Stratus“ und bis zum nächsten Mal!
Thomas Meinlschmidt