In dieser Folge soll ein Verzerrer im Mittelpunkt stehen, der zu den ersten wirklichen Distortionpedalen auf dem Markt zählt und wie seine Zeitgenossen, der Boss DS-1 oder der MXR Distortion+, seinen ganz eigenen und erheblichen Beitrag zur Rockgeschichte geleistet hat. Dazu unternehmen wir eine Zeitreise in die Vergangenheit, genauer gesagt in das Jahr 1978, in das Geburtsjahr der legendären ProCo The Rat!
Wie nur wenige Pedale aus dieser Zeit hat The Rat die Jahrzehnte nicht nur unbeschadet überlebt, sondern kann in der eigenen Familie auf eine eindrucksvolle Nachkommenschaft unzähliger Varianten zurückblicken, die sich – mit individuellen Abweichungen, versteht sich – alle am legendären Sound des Originals orientieren. Ganz zu schweigen von der Armada an Klonen, von Budget- bis Boutique.
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Quick Facts:
- Die Pro Co Rat entstand 1978 und gehört neben dem Boss DS-1 und dem MXR Distortion+ zu den ersten Hardclipper-Distortionpedalen auf dem Markt. Die Entwickler waren Scott Burnham und Steve Kiraly aus Kalamazoo, Michigan.
- Im Laufe der Jahre gab es einige optische Veränderungen und mittlerweile existieren diverse Modelle wie die Rat 2, Turbo Rat, You Dirty Rat oder das Solo Pedal.
- Besonderen Kultstatus erreichten die alten “Made in USA” Rat-Modelle mit dem Motorola Chip LM308, auch wenn einige User die neue Chipvariante bevorzugen.
- Die Einsatzbereiche der Rat reichen vom Booster über Distortion bis zu übertriebenen Fuzzsounds und die Musikgeschichte ist voll von prominenten Usern.
Intro
In den 70er Jahren war der Pedalmarkt noch relativ überschaubar. Zwar hatte man versucht, den Sound von großen und lauten übersteuerten Röhrenamps in Fußtretergröße einzufangen, hatte damit aber nicht uneingeschränkten Erfolg. Zwar existierten ab 1974 der MXR Distortion + und einige Fuzzmodelle (deren Geschichte ihr hier nachlesen könnt), die sicherlich super interessant und kultig klangen, aber mit dem natürlichen warmen Sound eines übersteuerten Röhrenamps nicht allzu viel gemein haben. Das sollte sich ändern, als Boss 1977 den OD-1 auf den Markt brachte und Ibanez nur zwei Jahre später den Tubescreamer, beides Pedale, die ihre Verzerrung über Softclipping verwirklichten und in der Lage waren, Medium-Gain-Sounds zu generieren.
Da viele Gitarristen jedoch auch eine dichtere, aggressivere und vor allem gain-reichere Zerrstruktur suchten, erschienen nach dem genannten MXR Distortion+ parallel weitere “Hardclipper”, wie der Boss DS-1 und die ProCo Rat. Sei es als Standalone-Zerre oder als Soloboost eines angezerrten Amps – die Einsatzmöglichkeiten der verschiedenen Zerrergattungen in Kombination mit diversen Amps ließen eine ungeheure Klangvielfalt entstehen und prägten den Sound vieler 80er-Jahre-Alben und weit darüber hinaus.
Geschichte
Bereits Mitte der Siebziger waren die Ingenieure Scott Burnham und Steve Kiraly aus Kalamazoo, Michigan, eine heiße Adresse, wenn es darum ging, Dallas Arbiter Fuzz Faces oder andere Pedale zu modifizieren. Irgendwann wuchs die Idee, mit einer eigenen Zerrer-Kreation aufzuwarten. Beide Entwickler arbeiteten meist im Keller und weil der angestrebte Klang den “Sound des Untergrundes” abbilden sollte, entschied man sich 1978 für den Namen eines Säugetiers, das sich in dieser Umgebung besonders heimisch fühlt, nämlich der Ratte, zu englisch Rat.
Die ersten The Rat-Verzerrer wurde 1978 exklusiv auf Kundenwunsch gefertigt, ein Exemplar, von dem nur noch elf Modelle zuzüglich eines Prototypen existieren. Aufgrund des sehr einfachen Standardgehäuses wird das Modell auch “Bud Box Rat” genannt. Es verfügte über drei Regler, die Distortion, Tone und Volume justierten und aus einem rustikalen Gehäuse ragten, bei dem sogar die Bohrlöcher von Hand gearbeitet waren.
1979 begann dann die erste größere Produktion des Nagers, der als “Big Box” Modell bekannt ist und bis 1981 erhältlich war. Wie der Name verrät, fiel das Gehäuse hier etwas größer aus und die Ratte wurde mit einem neuen Logo versehen, die Potis waren jedoch in ihrer Wirkung identisch zum Vorgänger.
1981 erschien dann die zweite Version des Verzerrers, die ebenfalls in einem größeren Chassis steckte und deren Logo ein kleines Facelift erhielt. Bei dieser Version wurde allerdings das Tone-Poti in “Filter” umbenannt und auch die Wirkungsweise hatte sich verändert, denn ursprünglich beschnitt der Tone-Regler die Höhen beim Drehen entgegen dem Uhrzeigersinn. Der neue Filterregler arbeitete nun genau gegenläufig, das heißt, je höher dieser aufgedreht wurde, desto dunkler wurde der Ton. 1984 bis 1988 wurde das Design erneut verändert und bewegte sich langsam in die Richtung des aktuellen Looks, denn das Gehäuse der sogenannten R2DU wurde kleiner und U-förmig, weshalb diese Variante auch den Beinamen “Small Box Rat” bekam. Die Schaltung blieb jedoch identisch. Aufgrund der aufkommenden Popularität von 19″ Systemen entwickelte man parallel dazu eine Rackvariante, die zwei Rat-Modelle enthielt, die entweder separat oder simultan kaskadiert eingesetzt werden konnten und sich per externem Fußschalter bedienen ließen.
1988 kam es zur finalen Änderung des Designs, das auch heute noch in ähnlicher Form erhältlich ist, allerdings wurde aus der Rat die Rat 2.
10 Jahre später wurde der Ratte schließlich eine LED gegönnt, die rot im Buchstaben A des Logos erscheint – der Schriftzug ist übrigens fluoreszierend.
Kleine Veränderungen seit dem Erscheinen des Zweiermodells gab es am Gehäuse, das seit 2003 leicht abgeschrägt ist, und beim OP-Amp, der von einem Motorola LM308 zu einem TI OP07CP umgestellt wurde. Auch die Produktion wurde aus den USA 2008 nach China verlegt. Übrigens weisen die alten Rats noch einen Netzteileingang im Miniklinkenformat auf, was sich bei der aktuellen Version ebenfalls geändert hat.
2010 war kurzzeitig ein Reissue der 1985 White Logo Rat erhältlich.
Rat-Varianten
Aus dem klassischen Rat-Design sind diverse Variationen hervorgegangen, die sowohl klanglich als auch hinsichtlich ihrer Flexibilität abweichen.
So erschien 1989 die Turbo Rat, die sich aufgrund des Einsatzes von roten Clipping-Dioden durch einen aggressiveren Sound vom Standardmodell unterscheidet.
Ebenfalls besondere Erwähnung verdient die “You Dirty Rat”, die seit 2004 erhältlich ist. Im Gegensatz zur Ur-Ratte ist dieses Modell jedoch mit Germanium-Transistoren bestückt.
Andere Modelle waren die Vintage Rat (1991-2005), BRat (1997-2001), der Zweikanaler Deucetone (seit 2002), die Fat Rat, die Bassvariante Juggernaut oder das Solo Pedal.
Eigenheiten
Auch wenn die Rat als typisches Hardclipping-Distortionpedal gilt, kann sie dank ihrer guten Reaktion auf das Lautstärkepoti der Gitarre sowohl Overdrive als auch bei höheren Gain-Werten jenseits der 12-Uhr-Stellung Fuzz-ähnliche Klänge abliefern und wird auch gerne als Gainbooster vor angezerrten Amps platziert. Das Design der ProCo Rat kann in vier Blöcke eingeteilt werden: Eingangsstufe, Klangregelung, Ausgangsstufe und Stromversorgung.
Die Schaltung ähnelt der des Boss DS-1 sehr, allerdings kam beim Ursprungsmodell der Rat ein Motorola LM308 OP-Amp zum Einsatz, der jedoch 2003 gegen einen Texas Instruments OP07DP oder OP07CP ausgetauscht wurde. Das Motorola-Chipmodell besitzt eine niedrige Slew Rate (Flankensteilheit bzw. maximale Anstiegs- oder Abfallgeschwindigkeit der Ausgangsspannung eines OP-Amps) und hat einen starken Einfluss auf den Klang des Pedals. Auch die Clipping-Dioden waren im Ursprungsmodell 1N914 Modelle, die mit der Rat2 durch 1N4148 ersetzt wurden.
Je näher die Rat dem Urmodell kommt, desto höher sind auch die Gebrauchtmarktpreise und vor allem Exemplare mit dem LM308 Chip erzielen in der Regel weit über 150 Euro. Interessanterweise zählt der LM308 nicht einmal zu den besonders effektiven Op-Amps, gemessen an den heutigen Standards der Audiotechnologie. Und es gibt durchaus User, die die Texas-Instruments-Version dem Standardmodell vorziehen, da sie bei manchen Amps weniger harsch klingt.
Klanglich zeichnet sich die Rat, ähnlich wie der Tubescreamer, durch eine Betonung der Mittenfrequenzen aus, weshalb sie für ordentliche Durchsetzungsfähigkeit im Mix sorgt. Die Klangregelung ist ein variabler Widerstand und arbeitet als passiver Lowpass-Filter, dessen Wirkungsbereich relativ breit ist.
Der Output des Pedals ist nicht sonderlich hoch und deshalb erreicht man Unity-Gain etwa in der 15-Uhr-Stellung. Will man das Pedal als Booster nutzen, empfiehlt es sich deshalb, die Lautstärke auf das Maximum anzuheben und den Gainregler auf etwa 9 oder 10 Uhr zu setzen. Gerade die Kombination 800er Marshall plus Rat ist ein 80er-Jahre-Standard geworden, der auch heute streckenweise noch gerne gesehen und gehört wird. Im Gegensatz zu Bosspedalen oder dem MXR Distortion sind übrigens alle Rat-Modelle, mit Ausnahme der BRat, mit einem True Bypass ausgerüstet.
Aufnahmen
Die Liste der Rat-User ist endlos und erstreckt sich quer über alle Genres. Im Jazz, Blues und Rock ist sie vor den Füßen von John Scofield, Kurt Rosenwinkel, aber auch Jeff Beck, David Gilmour und Andy Summers zu finden.
Auch Metallicas erstes Album “Kill ’em all” ist vom Sound des Pedals geprägt, das vor einem modifizierten 800er Marshall hing.
Weitere berühmte Aufnahmen sind:
- Foo Fighters “Foo Fighters”
- Blur “Song 2”
- Radiohead “The Bends”
- Nirvana “Nevermind” (neben dem Boss DS-1)
- R.E.M. “Monster”
- Coldplay “Viva la Vida or Death and All His Friends”
- Sonic Youth “Dirty”
Alternativen
Inwieweit der Kauf eines Klons bei einem Thekenpreis von unter 80 Euro für das Original sinnvoll ist, sei dahingestellt, aber wie für alle Pedalklassiker finden sich natürlich auch für die Rat Alternativen, die eine Kopie bzw. Variante der Schaltung darstellen.
Einige davon sind z.B. der Mooer “Black Secret”, der Valeton “Darktale”, der CMATMods “Ratified” oder der Little Bear “R.Attack”:
Soundbeispiele
Hören wir uns zunächst ein paar klassische Rat-Sounds an.
Zum Einsatz kommt eine Ibanez Artist mit Häussel 59 Tonabnehmern über einen Fender Bassman. Die verwendet Rat wurde noch in den USA gefertigt und besitzt den LM308 Chip.
Distortion | Filter | Volume |
---|---|---|
13:00 | 13:00715:00 | |
Hier ein Low-Gain-Setting, gespielt mit einer Stratocaster.
Distortion | Filter | Volume |
---|---|---|
11:00 | 14:00 | 15:00 |
Und nun ein fuzziges Hi-Gain-Setting.
Distortion | Filter | Volume |
---|---|---|
15:00 | 9:00 | 15:00 |
Da die Ratte gerne als Booster vor Marshallamps eingesetzt wurde, kommt hier einen Marshall 800 zum Zug. Ihr hört zuerst nur den 800er und dann mit Booster. Da, wie oben erwähnt, der Output des Pedals nicht sehr hoch ist, hole ich mir etwas Gain mit dem Distortionregler hinzu.
Distortion | Filter | Volume |
---|---|---|
8:00 | 12:00 | Max |
Nun hört ihr zuerst die Rat mit LM308 und anschließend mit dem TI OP07DP OP Amp. Der Unterschied ist deutlich, denn die frühere Variante klingt etwas schärfer, wohingegen sich die neue RAT etwas dunkler, aber auch weniger harsch gibt. Dennoch ist aus meiner persönlichen Sicht die Entscheidung, was man denn bevorzugt, eine geschmackliche und keine qualitative.
Distortion | Filter | Volume |
---|---|---|
12:00 | 13:00 | 15:00 |
Nun kommen wir zur Turbo Rat. Das Setting ist ebenfalls eher mittig, dennoch kommt die Turboversion deutlich aggressiver daher und hat auch wesentlich mehr Output, weshalb sie sich zum Boosten auf jeden Fall besser eignet.
Distortion | Filter | Volume |
---|---|---|
12:00 | 12:00 | 13.00 |
Nun die “You Dirty Rat” mit Germanium-Transistor.
Distortion | Filter | Volume |
---|---|---|
12:00 | 13:00 | 15:00 |
Zum Abschluss hört ihr den Little Bear Clone im Vintage-Setting, was dem Standard-Rat-Sound entspricht. Der Klangcharakter ist sehr ähnlich, dennoch hört man klare Unterschiede zu den ProCo-Versionen.
Distortion | Filter | Volume |
---|---|---|
11:00 | 12:00 | 13:00 |
A. Tamm sagt:
#1 - 03.08.2024 um 23:00 Uhr
Vielen Dank erst einmal für den engagierten Artikel. In der Einleitung gibt es jedoch gewisse Unstimmigkeiten: 1) Der Ibanez Tubescreamer wurde nicht ein, sondern zwei Jahre später, also 1979, auf den Markt gebracht. 2) Dioden- bzw. Hardclipping-Pedals, wie Die Ratte, sind - anders als im Artikel dargestellt - nicht die Antwort auf die vermeintlich zu weich klingenden Boss OD-1 oder Ibanez TS-808, sondern eine ganz eigene und ältere Entwicklungslinie. Diese beginnt bereits 1974 mit dem MXR Distortion+, das heißt also einige Jahre vor den ersten "echten" Overdrive-Pedalen. Die folgenden Konkurrenz-Produkte, wie der DOD 250, der Boss DS-1 und letztlich The Rat, sind ein relativ eigenständiges Genre. Eher ist es umgekehrt, dass die ersten Drive-Pedals eine Antwort auf die vielen Musiker*innen immer noch zu rough'n'raw klingenden Distortion-Effekte waren. Streng genommen beginnt das erfolgreiche Experimentieren mit Dioden-Clipping schon im Jahr 1966/67. Der lengendäre Bosstone von Jordan-Electronics besaß im völligen Gegensatz zu anderen frühen Fuzz-Pedalen aus der Urzeit der Verzerrung, bereits über eine Diodenstufe in seinem Schaltkreis. 3) Letztlich ist die Aussage im Artikel, Fuzz-Pedale wären entwickelt worden, um - wenn auch unzureichend - übersteuerte Röhren-Amps zu simulieren kaum haltbar. Auch hier gilt eher das Gegenteil: Der Fuzz-Effekt war in den 60ies schlichtweg etwas unerhört und aufregend Neues, der den relativ cleanen Röhrenamps dieser Phase eine nahezu revolutionäre Ästhetik einhauchen könnte. Erst einige Jahre später waren Tube-Amps in der Lage ansehnliche Verzerrungen aus sich selbst heraus zu produzieren, wie die Geschichte der Firma Marshall eindringlich darlegt (wobei Marshalls nur ein Mosaikstein im Gesamzpuzzle der Rockmusik sind). Ansonsten jedoch ein schöner Artikel über die Ratte, die auch ich über alle Maße liebe!
Haiko (Bonedo) sagt:
#2 - 05.08.2024 um 14:33 Uhr
Hallo A.Tamm, danke für den Hinweis! Die Geburtsjahr des TS ändern wir natürlich auf 1979 ab! Sorry falls der andere Absatz mißverständlich war, aber das können wir korrigieren. Ich gebe Dir recht, dass das Distortionpedal in Form des MXR Distortion+ bereits vor dem Overdrive erschien, generell denke ich aber schon, dass die Weiterverfolgung des Gedankes, sowohl in der Amp- als auch in der Pedalwelt drauf abzielte, ab den 70ern bis in die 90er hinein mehr Gain zu erreichen. Insofern habe ich das im Artikel nicht als eine dirkete Konsequenz aus dem Overdrive verstanden, sondern eher als eine begleitend stattfindende Entwicklung. Mit dem Fuzzpedal wollte man wohl ursprünglich den Sound der defekten Konsole emulieren, die bei der Aufnahme von Marty Robbins Song "Don't worry" zu hören war. Was im Ergebnis im Maestro FZ-1 mündete. Letztendlich hatte man im Verlauf aber auch sogenannte "Overdrive" Pedale, wie das Ibanez OD850, das klanglich wenig mit einem Overdrive zu tun hatte. Gitarristen waren aber natürlich auf der Suche nach Verzerrung, was eben ein Fuzz oder das Aufschlitzen von Speakerkalotten miteinschloss. Aber ich gebe Dir natürlich dahingehend recht, dass das Fuzz konzeptionell eigentlich nicht dafür angelegt war, aber in seiner Verwendung dann wohl doch diese Aufgabe aus Playersicht übernehmen sollte. Beste Grüße, Haiko