George Lynch zählt fraglos zu den großen Guitar-Heroes der frühen Heavy- und Glam-Metal-Szene, die zu Beginn der 1980er-Jahre in Los Angeles einige interessante und kreative Player hervorbrachte. Diese Zeit war geprägt von Gitarristen wie Eddie Van Halen, Randy Rhoads, Jake E. Lee, Warren deMartini oder Steve Vai. Sie erschienen geballt auf der Bildfläche und gaben sich in Hairmetal-Bands wie Ratt oder bei Ozzy Osbourne oder David Lee Roth zeitweise die Klinke in die Hand.
Lynch wurde primär durch sein Spiel in der Band “Dokken” bekannt, konnte aber auch mit seinem eigenen Projekt “Lynch Mob” beachtliche Erfolge in der Szene verbuchen, wobei sein Ton, Spiel und auch seine Art Riffs zu schreiben einen hohen Wiedererkennungswert haben. Da wir dem Ausnahmegitarristen bereits mit einer Solotranskription von “Into the Fire” gehuldigt haben, wird es nun Zeit für eine etwas umfangreicheren Workshop!
Biographie von George Lynch
George Lynch wurde am 28. September 1954 in Spokane, Washington, geboren, verbrachte seine Jugend jedoch in Auburn, Kalifornien. Als er im Alter von 10 Jahren zur Gitarre griff, zählten zu seinen frühen Einflüssen neben Bluesern wie Muddy Waters und Albert King auch die Beatles, Jimi Hendrix, Jeff Beck und Black Sabbath. Dazu kam die neue Gilde der Hardrock-Gitarristen wie Randy Rhoads, Yngwie Malmsteen und Eddie Van Halen. Lynch startete seine musikalischen Gehversuche in Bands wie „The Boyz“ und „Xciter“, die jedoch eher lokal erfolgreich waren. Deshalb war er anfangs gezwungen, regulären Dayjobs nachzugehen, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten.
George Lynch scheitert bei Ozzy Osborne an Randy Rhoads und Jake E. Lee
1979 ergab sich für ihn die Chance, den Gitarrenposten beim frisch von Black Sabbath getrennten Ozzy Osbourne zu übernehmen. Beim ersten Versuch unterlag er Randy Rhoads, durfte ihn allerdings dafür an dessen Musikschule als Gitarrenlehrer ersetzen. Nach Randys Tod 1982 ergab sich für Lynch ein zweites Mal die Gelegenheit. Aber Ozzy entschied sich erneut gegen ihn und besetzte die Stelle mit Jake E. Lee. Bereits 1980 war George bei der Band “Dokken” eingestiegen, für die sich in den frühen 80ern das Blatt wendete. Don Dokkens Formation konnte neben einigen Platinauszeichnungen sogar eine Grammy-Nominierung einheimsen, wodurch Georges Ruf als Topgitarrist der Metalszene gefestigt wurde.
Lynch Mob überzeugt mit dem Debütalbum “Wicked Sensation”
Wegen anhaltender Spannungen zwischen Don und George kam es jedoch 1989 zur Trennung und Lynch gründete seine eigene Formation “Lynch Mob”, deren Debut “Wicked Sensation” sowohl von Kritikern als auch Fans sehr gelobt wurde. Nach zwei Alben und einem Solo-Release kam es zu einer Reunion mit Dokken, die jedoch nur wenige Jahre anhielt. Seit diesem Zeitpunkt veröffentlicht George immer wieder Alben mit diversen Formationen, bei denen z. B. sein früherer Dokken-Bandkollege Jeff Pilson, Doug Pinnick von Kings X, Corey Glover von Living Colour oder auch Michael Sweet von Stryper mitwirken.
Für dich ausgesucht
- Die besten Gitarren-Soli – Dokken w/George Lynch – Into the Fire – Workshop
- Jake E. Lee: Biografie, Spielweise und Equipment des Ausnahmegitarristen
- Warren DeMartini – Biografie, Spielweise und Equipment der Glam-Metal-Legende – Workshop
- Sound Tipps für Gitarristen – Classic Rock
- Die besten Gitarrenriffs in Noten und Tabs – Ozzy Osbourne feat. Jake E. Lee – Bark at the Moon
Das Equipment von George Lynch
George setzte im Laufe seiner Karriere eine Fülle an Gitarren und Amps ein. War er in der Anfangszeit noch mit Gitarren von Charvel und Kramer zu sehen, so folgte 1986 eine sehr fruchtbare Kooperation mit ESP, aus der seine typische Kamikaze-, Skull & Snakes-, sowie Serpent-Reihe hervorging. Dabei handelt es sich um eine Superstrat mit Floyd Rose-Tremolo, die mit nur einem Humbucker in der Steg- und einem Singlecoil oder auch einem Humbucker im Singlecoil-Format in der Halsposition ausstaffiert ist. Seymour Duncan entwickelte mit ihm für die Stegposition den “Screamin’ Demon”. Bei ihm handelt es sich, ganz entgegen dem, was der Name vermuten lässt, nur um einen etwas heißeren PAF, dessen Mitten etwas gescoopt sind und der mehr “Growl” ermöglicht. Nach einem kurzen Zwischenspiel bei PRS ist George nun wieder bei ESP gelandet.
Auch wenn Lynch mittlerweile Randall Amps verwendet, setzte er in den 1980ern noch gemoddete Marshall Plexis ein. Dabei prägte vor allem der Sound des getunten #39 Super Tremolo, den er über den Ampverleiher S.I.R. erhalten hatte, seinen Klang. Funfact: Genau dieser Amp ist auch auf der Guns ‘n’ Roses Platte “Appetite for Destruction” zu hören. Auch Verstärker von Soldano, Diezel, Laney und Bogner gehörten zu Lynchs Fuhrpark. Effekte werden bei ihm eher sporadisch eingesetzt. So verwendet George gerne ein Morley Wah, einen Mu-Tron Octave Divider, einen Boss Equalizer, das Echoplex sowie andere Delays und von Zeit zu Zeit Modulationseffekte.
Der Workshop
Georges Kompositionsstil wird sehr vom Einsatz des Tritonus geprägt, der in unzähligen seiner Rhythmusparts zu finden ist. Generell fußen viele seiner Riffs auf Powerchords, deren Quinte entweder vermindert oder erhöht wird. Diese Liebe zu Dissonanzen zeigt sich dann oft in Intervallen wie der #11, #5, aber auch der b9. Artificial Harmonics sind ebenfalls gern gesehene Gäste sowohl in seinen Riffs als auch den Soloparts. Grundsätzlich weist sein Solospiel viele Gemeinsamkeiten mit seinen befreundeten Kollegen und Zeitgenossen wie Jake E. Lee und Warren deMartini auf. Auch hier finden wir eine sehr energiegeladene Spielauffassung, die extrem furios und wild daherkommt. Eine Besonderheit seines Tons ist das starke Vibrato, das er häufig mit dem Tremoloarm umsetzt, aber auch in Form eines Slide-Vibratos realisiert. Dieses findet man z. B. auch bei Greg Howe und wird durch schnelle Minislides in den darüber- oder darunterliegenden Bund erzielt. Licks mit großen Stretches, Legato-Spiel, Tapping und der moderne Einsatz von Blueslicks sind ebenfalls unerlässliche Ingredienzien seines Sounds. Für die Dokken- und Lynch Mob-Songs stimmt George seine Gitarre oft einen Halbton tiefer. Der Einfachheit halber verwende ich jedoch für den Workshop das Standard-Tuning!
“Unchain the Night” (1985)
Nach einer EP und zwei Longplayern erschien 1985 das Album “Under Lock and Key”, das für die Band den kommerziellen Durchbruch in den Staaten bedeuten sollte. Neben der Single “In my Dreams” sticht der Opener “Unchain the Night” heraus, dessen Riff den für George Lynch typischen Tritonus präsentiert.
“Mr. Scary” (1987)
1987 veröffentlichte Dokken mit “Back for the Attack” ihr bis heute erfolgreichstes Album mit einem sehr trockenen und angriffslustigen Gitarrensound. Mr. Scary ist das einzige Instrumentalstück des Longplayers und stammt alleine aus der Feder von George Lynch. Auch hier finden wir ein Riff, bei dem George mit der Quinte und der b9 des Powerchords spielt, um einen klassisch phrygisch-dominanten Sound zu gewinnen. Für den Intropart verwendet er einen Mu-Tron Octave Divider. Da er hier einige Gitarrenspuren “stackt”, habe ich in der Transkription einen Weg gewählt, mit dem ihr das Stück auch mit nur einer Gitarre spielen könnt.
“Dream Warriors” (1987)
Ebenfalls auf “Back for the Attack”, findet sich “Dream Warriors”, das zum Soundtrack des dritten Teils von “Nightmare on Elm Street” werden sollte. Hier hört ihr ein prägnantes, aeolisches Riff, aber auch ein schönes, cleanes Akkordpicking von George.
“Wicked Sensation” (1990)
Der Opener der ersten Lynch Mob-Platte kommt mit einem brachialen Riff, bei dem sich George erneut der Quinte des Powerchords bedient und diese chromatisch verschiebt. Auch abgesehen davon findet sich in der Rhythmusgitarre so einiges, was den Sound der frühen 80s-Metal-Gitarristen auszeichnet: offene Akkorde, chromatische Basslines und eine sehr autoritäre, aggressive Spielweise.
“Unchain the Night” (1985) – Solo
Das Solo von “Unchain the Night” zeigt viele archetypische George Lynch-Spielweisen. Am Anfang steht eine sehr lyrische Melodielinie, die mit einem genüsslichen Bending endet, gefolgt von einer diatonisch fallenden Terzsequenz. Es folgt ein Repeating-Pattern aus der Em-Scale, dem George erneut eine absteigende Terz-Sequenz folgen lässt, die im Ton d# aus E-Harmonisch-Moll endet. Bei den Bendings kombiniert er sehr elegant Ganz- und Halbtonschritte. Auch das Repeating-Pattern, in dem er ganz in Randy-Rhoads-Manier Tonmaterial aus E-aeolisch und E- Blues kombiniert, klingt aufgrund des chromatischen Elements sehr spannungsreich!
“Wicked Sensation” (1991) – Solo
Im “Wicked Sensation“-Solo haut George so ziemlich alles aufs Parkett, was sein Spiel auszeichnet: Hier trifft man auf einen tollen Ton, horizontale Slides auf einer Saite, wilde Legatoläufe und Tapping-Sequenzen. Typisch für sein Spiel ist die Vermischung von aeolischem Skalenmaterial, aber auch modern aufgefassten Blueslicks. Wie viele Spieler dieser Zeit findet man auch hier sehr weite Stretches und die Vermengung von Tapping-Licks mit Slides.
Get the Sound
Um an Lynchs Ursound zu kommen, hilft euch eine heiße britische Zerre. Das kann ein getunter Marshall sein, allerdings könnt ihr auch ein Plexi oder 800er Modell mit einem Overdrive oder Tubescreamer anblasen. Ab den 1990ern darf auch gerne ein Soldano SLO-100-ähnlicher Sound gewählt werden. Was die Gitarren anbelangt, dürfte ein Humbucker in der Stegposition unerlässlich sein, um die Riffs schön fett hinzubekommen. Bei cleanen Pickings ist Lynchs Sound oft sehr komprimiert und glasig, was für Singlecoils spricht. Hier könnt ihr entweder eine Zwischenposition oder den Hals-Singlecoil verwenden. An Effekten würde ich nur etwas Reverb und für die Leads ein Delay wählen. Hier ein Soundvorschlag mit einem Neural DSP SLO100 PlugIn, repräsentativ für Georges Sound in den 1990ern:
Damit wünsche ich Euch viel Spaß mit George Lynch!