ANZEIGE

Schmidt Synthesizer – eine Unterwerfung

Zu behaupten, ich kannte den Schmidt Synthesizer nicht, wäre gelogen. Allein seine schiere Größe hat es unmöglich gemacht, ihn damals auf der Frankfurter Musik Messe 2011 zu ignorieren – nur richtig auf dem Schirm hatte ich ihn nie. Das kann intuitiver Selbstschutz gewesen sein, denn immerhin wusste ich, was das Teil kostet – aktuell: 26k.

Schmidt Synthesizer Test

Zur letzten Superbooth hab ich mich getraut ihn auszuprobieren. Und eh ich mich versah, durfte die Demo Unit für exakt ein Jahr in meinem Studio residieren – ein Wechselbad der Gefühle. Und davon handelt dieses Manifest, was mehr Feature als Test ist!

Details

Heavy Duty Facts

Da steht er vor mir. Was für ein Gerät, der „Schmidt Syntheszier – Eightvoice Polyphonic“! Handlich? Leider nein, leider gar nicht; und so brauchte es auch einen Volvo-Kombi, um ihn in dem Flight-Case überhaupt wegzubekommen: 48 kg ohne Case, zusammengeklappt 114 cm x 60 cm und ohne Knöpfe 13 cm hoch. Achtstimmig. Analog. Digital kontrolliert. Made in Germany. Kompromisslos.

SM57 für Größenvergleich 🙂

Der Schmidt Synthesizer ist ein feuchter Ingenieurstraum in Echtholz, mit zehnjähriger Entwicklungszeit. 2011 hat man ihn erstmals präsentiert: einen modularen Synthesizer, der gar nicht wirklich modular ist – denn das braucht er nicht. 

Es fängt beim konsequenten Verzicht auf eine Routing-Matrix an. Jede Sektion kennt eigene Envelopes sowie zahlreiche, dedizierte LFOs und sehr viele Veloctiy-Amounts. Das alles gibt’s im direkten Zugriff, Doppelbelegungen hingegen nur sehr, sehr wenige.

Schmidt Synthesizer Rückseite
Links außen findet man den Stereo-Out und die acht Einzelausgänge auf großer Klinke, rechts die Controller-Anschlüsse.

Mit Händen und Füßen

Als spielerische Ergänzung zur Klaviatur dienen ausgewählte „Realtime-Modifier“. Darunter das Pitch-Wheel, ein ebenfalls schick leuchtendes Modulationsrad, ein eleganter Joystick, sowie natürlich Aftertouch und fünf weitere „Externals“. Es handelt sich dabei um analoge Eingänge auf großer Klinke, die auf diese Weise rückseitig vier Anschlüsse für Expression-Pedale und vier für Fußtaster bereithalten. USB, MIDI Trio und IEC-Stromanschluss sind hier auch dabei.

Schmidt Synthesizer Connections
Die Control-Inputs A4-A1, das MIDI-Trio, B4-B1 und USB2.

Die Realtime-Modifier weist man über die Bedienelemente neben dem Keyboard zu: Assign drücken, Zielparameter durch Drehen des entsprechenden Reglers an der Front festlegen – fertig, spielen! Und bei Bedarf als Teil des Presets speichern.

Das Übertragungsverhalten kann man auf vielseitige Weise beeinflussen, Mehrfachzuweisungen im Sinne von Makros sind allerdings nicht möglich. Und wo wie gerade dabei sind: Der Schmidt verfügt über zwei Bereiche, um Presets zu wechseln: einmal hier, links außen, und noch einmal „ganz da drüben“, rechts neben dem Display. Luftlinie 1 Meter. 

61-Tasten-Fatar, bald mit Multi-Aftertouch

Zwei weitere Drehregler in der Keyboard-Sektion bestimmen die Farbe von LEDs und Display – für den kleinen Hippie-Moment zwischendurch. Das Keyboard stammt von Fatar und ist mit 61 halb-gewichteten Tasten inklusive Velocity und Aftertouch ausgestattet. 

Schmidt Synthesizer Wheels
Modulators-Assign für die Real-Time-Modifier: X & Y für den Joystick, Aft.(ertouch), (MOD-)Wheel und Ext.(ernal). Keyboard-Transpose, Color-Regler für LEDs und Display, Master-Tune, Volume sowie Preset-Wechsel-Taster und Kopfhörerausgang kommen hinzu.

Eine Multi-Aftertouch-Klaviatur ist übrigens in Planung, von extern empfängt der Schmidt entsprechende Befehle aber bereits jetzt schon – nur eben nicht per MPE.

Kompromisslose Klangerzeugung

Beeindruckender als die Ausmaße des Synths und die Unmengen an „funky“ Bedienelementen ist am Ende allerdings der komplexe – aber eigentlich auch wieder gar nicht so komplizierte – Signal-Flow mit den vielen Modulationsmöglichkeiten. Denn diese sind fast immer direkt vor Ort.

Schmidt Synthesizer PWM Section
Die dedizierten LFOs für die PWM für OSC2, OSC3 & OSC1 – warum diese Reihenfolge ? Keine Ahnung.

Der Schmidt zeigt sich dahingehend so einfach wie genial; nur in der detaillierten Umsetzung hier und da manchmal eigenwillig. Was ich sagen will: Einfach dran setzten und losspielen – das könnt ihr vergessen. Das hat weder bei mir noch bei irgendeinem meiner Synth-affinen Studiogäste geklappt; selbst Jean Michael Jarre scheint bei seiner knappen YT-Demo etwas angespannt.

Hands on, Hands off

Der Schmidt ist definitiv ein Synthesizer zum Spielen, aber gewiss kein Spielzeug. Die Macher sprechen von Kunst, und so überrascht der „initiale Verzicht“ auf einen Arpeggiator und Sequenzer wiederum nur so halb. 

Schmidt Synthesizer Filter Section
Finden Sie den Cutoff auf Anhieb?

Einige Kunden wollten aber selbst das nicht so stehen lassen und haben beim Programmieren die DIY-Initiative ergriffen. Der Dank gilt Dr. Robert Skerjanc, der nachträglich noch einen Arp und Step-Sequenzer ins Menü „assembled“ hat. Die Fußtaster-Eingänge dienen dann zur Steuerung von Rec/Play, sodass es sich schön improvisieren lässt. 

Schmidt Synthesizer Display
Nice to have, der Schmidt braucht das aber eigentlich nicht.

Nur, so richtig sexy ist das Ganze fürs Detail-Programming nicht, was in Anbetracht des begrenzten Speichers und des „Von-hinten-durch-die-Brust“-Ansatzes auch nachvollziehbar bleibt. Viel wichtiger ist ohnehin, dass man irgendwann realisiert, dass der Schmidt den eigentlich auch gar nicht braucht – Stichwort: Envelope-Repeat.

Bevor man anfängt, muss man sich erst mal vollständig reindenken – und dabei ist das Handbuch besser immer in der Nähe. Das hilft mit seinen grundsätzlichen Erklärungen der technischen Möglichkeiten inklusive Fließtext und Blockschaltbildern zwar durchaus weiter, nur wie man das Ganze am besten in der musikalischen Praxis anwendet, entpuppt sich als Stop-and-Go-und-wieder-zurück-Prozess. 

Schmidt Synthesizer Oscillators 1 & 2
Oben links: OSC1 und OSC2 sowie die PWM-Sektion für alle OSCs.

Wie man das besser machen könnte? Keine Ahnung, aber Instant-Satisfaction steht hier nicht auf dem Speiseplan. Es sei denn, man konzentriert sich auf das reine Preset-Surfen und auf universelle Modwheel-Action. Das geht schon – und ist auch für sich schon mehr als beeindruckend. Hier und da gibt es Brot-und-Butter-Sounds, am wohlsten fühlt sich der Schmidt aber sicherlich als Solo-Artist.

Slow down, Bro

Manche Design-Entscheidungen bleiben mir wohl auch weiterhin ein Rätsel. „Weil Stefan das eben so wollte“, lautet die Lösung, zumindest musste ich mir das des Öfteren vom Vertrieb anhören und habe mir noch etwas häufiger auf die Zunge gebissen und das „ja, aber“ verkniffen – denn niemand mag Klugscheißer. Wer Stefan ist und welche wichtige Rolle er einnimmt, klären wir aber besser später noch. Ab in den Ring, äh in die Praxis!

Schmidt Synthesizer Oscillators 3 & 4
Unten Links: OSC3 und OSC4 sowie Envelope sind Vibrato-Sektion
Kommentieren
Profilbild von Wellenstrom

Wellenstrom sagt:

#1 - 12.05.2023 um 17:11 Uhr

1

Ein Synthesizer, den man sich, im wahrsten Sinn des Wortes, erst verdienen muss. Wird mit Sicherheit die bescheidene Villa des einen oder anderen Zahnarztes schmücken. Ist er musikalisch relevant? Wohl eher nicht. Ein Luxusartikel eben.

Profilbild von Ramon Schmidt

Ramon Schmidt sagt:

#2 - 13.05.2023 um 10:44 Uhr

0

… Nunja, ich hätte da schon Bock drauf … www.betriebsdruck.de lässt grüßen!

Profilbild von Thomas Dengler

Thomas Dengler sagt:

#3 - 05.07.2023 um 11:40 Uhr

1

Ich hatte einen Schmidt, über 2 Jahre. Danach - zum Glück- noch einen Käufer gefunden. Vorneweg , ich teile die Ansichten des Testers nicht im geringsten Maße ;-) Der Synth ist klanglich das Gegenteil von dem was hier geschrieben wird, d-h vernachlässigbar bis entäuschend. Die Imposanz des Bedienpanels gleicht das aber zumindest optisch aus. Die Filter sind vor allen Dingen zu kritisieren. Diese sind derart unmusikalisch harsch, das ich es am Anfang nicht wahr haben wollte. Das ständige Mantra "Schmidt hätte den Klang genau so gewollt" ist seit Jahren abgenutzt, geradezu albern und Marketing BS. Die zudem immer wieder gerne gezeigten großen non -SMD Platinen sollten auch nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Synth ein halb digitaler ist. Das einzig analoge am Schmidt sind drei DVCO und die Filter (klanglich sind diese gut mit den "Analogen" von Arturia zu vergleichen). Alles andere am Schmidt ist Digital. und das hört man von vorne bis hinten. Ein sehr schönes Stück Studio-Möbel, das genau so klingt wie die ganzen youtube Videos korrekt wiedergeben, ziemlich ".xyz.." für den getriebenen Aufwand. Eine Aufwertung mit einem Poly AT Keybed, das Fatar jetzt anbietet macht sicherlich Sinn. Aber ob das kommt ? Da würden sicherlich die bis dato ca 150 bisherigen Käufer ihre Geräte zum Umbau nach Erlangen einschicken wollen. Wie auch immer. Ein tolles Projekt, aber der Schmidt erinnerte mich immer an den Aston Martin Lagonda meines Vaters ;-))

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.