Die unverschämtesten Bühnengeschichten

Vor einigen Monaten spielte ich mit meiner Band auf einem kleinen Festival in Norddeutschland. Während meiner Ansage zum letzten Song setzte sich plötzlich ein Mann auf den Bühnenrand, erklärte lautstark, dass diese Bühne ihm gehöre, und rief mir im Imperativ “Spiel!” zu.

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Inhalte
  1. Deine Bühne ist meine Bühne
  2. Wenn du das inszenieren würdest, würde dir keiner glauben, dass es wahr ist
  3. Alles Spezialisten
  4. Die bestellte Musik stört
  5. Die direkteste Art einen Songwunsch vorzutragen ist …
  6. Aber Veranstalter und Clubcrews können das auch
  7. Last but not least: Die üblichen Klischees


Ähm … ja. Da muss man natürlich kurz überlegen, wie man souverän auf die Situation reagiert, doch solche Sachen passieren uns Musikerinnen und Musikern nicht selten. Inspiriert von meinem eigenen Erlebnis habe ich mich bei meinen Kolleginnen und Kollegen umgehört und sie nach ihren furchtbarsten, unglaublichsten und respektlosesten Geschichten gefragt. Die schönsten Anekdoten habe ich für euch zusammengetragen:

1. Deine Bühne ist meine Bühne

“Spielbudenplatz Hamburg. Wir beginnen zu spielen und auf einmal springt ein betrunkener Tourist mit aufblasbarer Plastik E-Gitarre hervor. Er hatte sich hinter der Bühne versteckt und darauf gewartet. Leider hielt er sich nur drei Sekunden gerade, fiel dann nach vorne und riss einen Teil der PA mit sich zu Boden.”
“Ein Typ in der ersten Reihe hat irgendwann das Ladegerät für sein Handy rausgeholt und seelenruhig in die Steckerleiste auf der Bühne gesteckt, wo mein Effektboard dranhing. #eiskalt.”
“Menschen, die versuchen auf die Bühne zu springen, ihre Agilität dabei grob überschätzen und in bzw. auf teuren Pedalboards notlanden, sind auf jeden Fall meine neuen besten Freunde.”

2. Wenn du das inszenieren würdest, würde dir keiner glauben, dass es wahr ist

“Beim Singen wurde mir das Mikro aus der Hand gerissen und von einem grölenden Zwei-Meter-Mann in Beschlag genommen. Als man das dann endlich zurückbekam, wurde unser Gitarrist einfach beim Spielen weggetragen! Man würde jetzt klischeehaft denken, dass das auf jeden Fall ein Schützenfest gewesen sein muss, aber nein, fancy Restaurant, fancy Leute und vermutlich noch fancygeres Koks.”
“Ich mag auch immer diese wunderlichen Existenzen auf Stadtfesten & Co. Die kennt auch jeder, oder? Wir hatten mal einen Typen, der mit einem Plüsch-Alf so wild getanzt hat, dass mindestens 20 m² vor der Bühne leergefegt und damit alle halbwegs normalen Leute vertrieben waren. Eine Hippiefrau packte ein Playmobil-Pferd aus und ritt damit auf einmal so auf dem Bühnenrand entlang.”
“Vor mir hat mal ein Mann auf die Bühne gepinkelt. Zu seiner Verteidigung muss ich sagen, dass er nicht mehr wusste, wo er war.”

3. Alles Spezialisten

“Älteres Ehepaar bucht uns, Streichquartett, für ein Privatkonzert im Rahmen einer Feier. Kurz BEVOR es losgeht, sagt die alte Dame zu uns – in einem Tonfall, als würde sie Kinder ermahnen: ‘Also ich habe mir das Haydn-Quartett op. 77/1 heute morgen noch mal in der Aufnahme vom ‘Alban Berg Quartett’ [eines der bekanntesten Ensembles auf dem Gebiet] angehört. (Ermahnender Blick) Also das ist keine Mugge hier!'”
“Wir haben mal im Jazzclub Minden gespielt – war ein Megaabend! Danach kam ein Herr auf unseren Gitarristen zu und meinte: ‘Ja, war schon ganz gut, aber du musst noch üben, ne.’ Er erstmal ganz höflich: ‘Ich bin ja auch noch jung. Spielen Sie auch Gitarre?’ – ‘Nein, aber ich hab Ahnung davon’.”
“Mann: ‘Kennste das, wenn jemand spielt und so richtig im Flow ist?’ Ich: ‘Ja.’ Mann: ‘Dann spiel doch mal so.'”
“Typ nach dem Auftritt zur alten Band eines Freundes: ‘Ich seh euch noch auf ganz anderen Bühnen – auf kleineren.'”
“Älterer Herr in der Pause zwischen zwei Sets eines Jazzkonzerts: ‘Sie sind ja alle sehr bemüht und so, aber schön ist das nicht.'”
“Anekdote leider nur aus dritter Hand vom einem Hamburger Kollegen: Wochen-Engagement bei einer Kölner Karnevalssitzung, am Ende des ersten Abends beugt sich einer der Karnevals-Präsidenten-Nasen vom Podium zur Band runter, restlos besoffen: ‘Seid ihr morjen och wieda daa?’ – ‘Ja.’ – ‘Oooooh Scheiße! Dat wa grottenschläääääsch’.”
“Intimer Konzertabend, das Stück nähert sich einer wunderschönen Pianissimo-Stelle, als ein älterer Herr die Lokalität betritt. Er wartet nicht ab bis das Stück oder zumindest die Pianissimo-Stelle verklungen ist, er öffnet in Zeitlupentempo seinen Klettverschluss. Stück. Für. Stück. Für. Stück. Danke!”

4. Die bestellte Musik stört

“Neulich beim Hochzeitsempfang auf einer (sehr weitläufigen) Terrasse habe ich im Hintergrund Musik gemacht. Ich war mit meinen Boxen in einer Ecke aufgebaut und habe wahrscheinlich nicht mal die Hälfte der Fläche mit geringer Lautstärke beschallt. Eine ältere aufgedonnerte Frau baut sich vor mir auf und gestikuliert wild und unverständlich. Ich dachte im ersten Moment, sie will mir ein Kompliment machen, sie hört aber nicht auf, “scht” schließlich mit dem Finger vor dem Mund, guckt böse und deutet auf ein schlafendes Kind im Kinderwagen zwei Meter entfernt. Fun Fact: Die Eltern stehen ziemlich unberührt daneben, Baby pennt selig, niemand hat ein Problem. Und außerdem: Was denkt sie, wofür ich engagiert bin?”
“Silvester-Duo zum Empfang der Gäste unten in der Lobby, Gäste gehen mit ihrem Champagnerglas an uns vorbei und eine ältere Dame sagt zu uns: ‘Können Sie endlich aufhören, das ist ja furchtbar’. Wir: erst sprachlos, dann kam der Lachflash.”
“Musikveranstaltung in einem Hamburger Hotel. Ich trage meinen Amp und meine Gitarre Richtung Bühne. Ein großer Tisch mit einer Gruppe Frauen sitzt direkt vor der Bühne. Die Dame am Kopfende des Tisches sieht mich und sagt sehr laut: “Oh Gott, Sie machen hier jetzt nicht Musik, oder?”

5. Die direkteste Art einen Songwunsch vorzutragen ist …

“Ein Typ kam mal auf die Bühne und hat versucht, mir direkt während des Spielens einen Songwunsch ins Ohr zu brüllen. Wegen des In-Ears war das ein bisschen schwierig, daher hat er sich entschieden, mir mit seinem Handy das Blickfeld zu verschließen, damit ich den Song nachlese. In der Pause warf er dann die Sheets eines Kollegen wie Konfetti auf der Tanzfläche in die Luft.”
“Schön auch immer bei Hintergrund-Gigs: Publikum oder Veranstalter, die einem Wünsche oder Anweisungen beim Spielen ins Ohr schreien, am Besten mitten im Song, während man (übrigens als einzige mit einem Instrument im Mund) gerade ein Solo spielt.”

6. Aber Veranstalter und Clubcrews können das auch

“Einer meiner ätzendsten Gigs war der, bei dem die Veranstalter meinten, während des Auftritts die Stühle und Tische abzubauen und über die Bühne tragen zu müssen. Das ist unverschämter als alles, was je ein Gast gemacht hat. Generell merke ich, wenn ich so drüber nachdenke: Die Veranstalter in manchen Läden (z. B. einige Irish Pubs) nehmen sich oft viel mehr raus als die Gäste (überraschenderweise). Keiner wird gerne wie eine Jukebox behandelt.”
“Kulturbrauerei Hildesheim. Wir spielen ein Akustikkonzert mit sehr leisen, intensiven Stellen. Der Thekencrew fällt nichts Besseres ein, als Bier- und Wasserkästen zeitgleich mit der Feinfühligkeit einer Abrissbirne in den Kühlschrank zu räumen.”

7. Last but not least: Die üblichen Klischees

“Ich hatte dieses und letztes Jahr je einen Gig, bei dem irgendwelche Typen laut ‘Titten raus’ geschrien haben. Das finde ich megaschlimm.”
“Ein Typ wirft 10 Cent in den Hut und fragt mich danach, ob ich das beruflich mache und ob man davon überhaupt leben kann.”
“Alle Gäste vergnügt am Plaudern während sie dich gekonnt zu ignorieren scheinen. ‘Habt noch ‘nen schönen Abend, das war der letzte Song!’ Gäste: ‘Och nö, spiel noch ein paar mehr.’ Dann bei der Zugabe fangen sie sofort wieder an loszubrabbeln.”
“Duo-Gig, ich begleite mit Gitarre eine farbige Sängerin. Noch beim Soundcheck geht ein alter Mann an uns vorbei und fragt laut, ob wir auch ‘deutsche Musik’ spielen.”
Sind euch schon unglaubliche Sachen in eurem Bühnenleben passiert? Ich bin gespannt!
Eure Nina

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