„Übung macht den Meister“ – das ist eine Wahrheit, an der auch wir Schlagzeuger natürlich nicht vorbeikommen. Nur, was in Sachen Üben den gewünschten Erfolg bringt, ist nicht immer klar. Zunächst gilt es herausfinden, woran genau es denn hapert – und das wird uns oft in Situationen klar, in denen wir unsere „instrumentale Komfort-Zone“ verlassen müssen: Eine fremde Stilrichtung zum Beispiel; Beats, die eine ungewohnte Akzentstruktur haben und unsere „Unabhängigkeit“ fordern (besser: „Interdependence“, da die Gliedmaßen ja keineswegs unabhängig, sondern vielmehr in Verhältnissen zueinander agieren); Grooves, die besonders langsam, aber dafür auch besonders exakt gespielt werden müssen… es gibt endlos viele Beispiele für diese Herausforderungen. Eine entscheidende Voraussetzung zum souveränen Abliefern in solchen Momenten ist die Fähigkeit, wirklich zu wissen und zu fühlen, wo exakt welche Noten im Rhythmus-Konstrukt sitzen.
Kommt euch folgendes Szenario bekannt vor? Ihr hört einen Song, einen Basslauf oder eine Synthie-Linie, bekommt schnell ein Gefühl dafür, wippt mit und wartet auf den erlösenden Einsatz des Grooves – und dann merkt ihr, dass der gedachte Downbeat um eine Achtel oder eine Sechzehntel verschoben sitzt. Die Linie bekommt ein ganz anderes Feel als erwartet.
Die Fähigkeit, einen Rhythmus aus unterschiedlichen zeitlichen Perspektiven wahrzunehmen und sich darauf einzustellen, ist nicht immer einfach zu zeigen, aber erstrebenswert – und üb-bar!
Und schließlich das Ding mit dem „Sich-körperlich-wohlfühlen“, also das Problem mit der Balance: Damit meine ich diese Momente, in denen man es zwar irgendwie hinbekommt, zu spielen, was man soll, aber man „pfuscht sich eben ein wenig durch“, presst es so raus. Oft merken die Mitmusiker gar nicht, dass man jedesmal an dieser Stelle kämpfen muss und aufgrund der zum Beispiel ungewohnten Fußarbeit unsouverän auf dem Hocker rum-eiert, man selber hat aber jedesmal ein bisschen Schiss vor dem Fill, der Phrase, dem Groove – und das nervt natürlich.
Bewusstsein über jede Notenposition, Wahrnehmung der Rhythmik aus verschiedenen Perspektiven und entspannte Balance am Kit sind also drei extrem wichtige Faktoren, die unsere musikalische Bandbreite mitbestimmen und somit den Horizont unserer instrumentalen Ausdruckskraft beeinflussen.
Es gibt unzählige bewährte Methoden, an diesen Skills zu arbeiten. In diesem Video-Workshop möchte ich euch eine Konzeptübung zeigen, die ich seit Jahren sowohl für mich selbst als auch für unzählige Studenten nutze, um eben diese Felder zu beackern.
Ich nenne sie „Moving Paradiddles – Moving Feet“ – und so sieht das Konzept aus:
- Schritt 1: Hände spielen Moving Paradiddles
- Schritt 2: Hand Paradiddles miteinander kombinieren
- Schritt 3: Moving Bass Drum Figuren
- Schritt 4: Paradiddle-Hände mit Moving Bass Drum Figuren kombinieren
- Schritt 5: Alle Paradiddle-Hände mit den Moving Bass Drum Figuren
- Schritt 6: Klassische Fuß-Ostinati
- Schritt 7: Hand Patterns A – D kombiniert mit Polka / Baion / Samba / Tumbao Fuß-Ostinati
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr InformationenWorkshop
Alle Noten zum Workshop gibt es hier als Download.
Schritt 1: Hände spielen Moving Paradiddles
Als erstes schauen wir uns vier Paradiddle Hand Stickings (A – D) an. Hier beginnen wir mit dem klassischen (A) Sticking RLRR LRLL mit Akzenten auf den Vierteln. Von hier aus lassen wir den Akzent mit den folgenden drei Sticking-Varianten weiter nach rechts wandern, sodass beim zweiten Sticking (B) der Akzent auf der zweiten Sechzehntel, beim dritten Sticking (C) auf der dritten Sechzehntel und schließlich beim vierten und letzten Sticking (D) auf der vierten Sechzehntel der Viertel liegt. Es gilt zu verstehen, dass, unabhängig von der Sechzehntel-Start-Postion, das eigentliche Sticking im Verhältnis zum Akzent immer gleich bleibt.
Diese vier Varianten üben wir zunächst einzeln – am besten sowohl mit Metronom, als auch ohne. Versucht, mit der Hi-Hat Viertel dazu zu treten, das hilft, die wandernden Akzente ins Verhältnis zur Position im Takt zu setzen. Und: Lautes Zählen in Sechzehnteln ist das beste Mittel, sich selbst zu führen und immer den Überblick zu bewahren.
Für dich ausgesucht
Schritt 2: Hand Paradiddles miteinander kombinieren
Wenn ihr die einzelnen Sticking- und Akzent-Varianten beherrscht und verinnerlicht habt, ist es Zeit, alle vier Figuren hintereinander und ohne Unterbrechung durchzuspielen. Achtet dabei genau auf den notierten Handsatz, sodass ihr beim „Verbinden“ der Stickings nie mehr als zwei aufeinander folgende Schläge mit derselben Hand ausführt.
Schritt 3: Moving Bass Drum Figuren
Nun kommt die Bass Drum ins Spiel: Auch hier arbeiten wir mit der Idee der „Moving Accents“, also der wandernden Akzente. Die Bassdrum-Figuren 1 – 4 haben, ebenso wie zuvor die Hände, einen Akzent bzw. Schlag pro Viertelbereich, der sich, so wie die Hände, je um ein Sechzehntel nach rechts bewegt. Auch hier hilft die in Vierteln getretene Hi-Hat bei der Orientierung. Im Verbund mit dem Kick Pedal sorgt der linke Fuß (hat man sich erstmal daran gewöhnt) auch für ein physisches Gefühl von Erdung und Ausbalanciertheit.
Schritt 4: Paradiddle-Hände mit Moving Bass Drum Figuren kombinieren
Dann wollen wir nun erstmalig Hände und Füße miteinander kombinieren. Auch hier gilt: Langsam und gleichmäßig üben, darauf achten, dass ihr immer den Downbeat des Taktes hört bzw. spürt und dass die Schläge mit den Händen sauber mit denen der Füße zusammenfallen. Wir üben zunächst jedes der Hand Stickings einzeln (lautes Zählen nicht vergessen..!), während die Moving Bass Drum Accents darunter durchwandern. Und definitiv langsam üben, 60 bpm oder langsamer sowie ohne Metronom.
Naturgemäß fällt uns die Wahrnehmung der Hand Patterns A und C mit ihren Akzenten auf den Vierteln bzw. den Achtel-Offs leichter als die der Patterns B und D, eventuell solltet ihr für die beiden Sechzehntel-Off-Varianten B und D etwas mehr Übezeit aufbringen, bis ihr sie genauso sicher wahrnehmen könnt wie die anderen beiden.
Schritt 5: Alle Paradiddle-Hände mit den Moving Bass Drum Figuren in einer Übung ohne Unterbrechung nacheinander durchspielen
Wenn Ihr euch schließlich sicher fühlt mit den Kombinationen, könnt ihr nun das Herzstück dieses Übungskonzeptes in Angriff nehmen: Das ununterbrochene hintereinander Durchspielen aller vier Handsätze (A – D) mit jeweils allen vier (1- 4) Bassdrum-Figuren. Auch hier gilt wieder: Langsam und exakt üben, immer den Überblick über die Positionen im Takt bewahren, auf Balance und generelles Körpergefühl achten, laut mitzählen, auch bei Hängern nicht unterbrechen, sondern im Tempo-Flow und der gewählten Form (zum Beispiel immer eintaktig, immer zweitaktig, viertaktig oder wie auch immer..) bleiben!
Schritt 6: Klassische Fuß-Ostinati
Nachdem wir uns durch das „Durchdeklinieren“ aller Bassdrum-Akzente nun schon eine erhebliche „Interdependence-Freiheit“ erarbeitet haben, können wir jetzt noch einige klassische Fuß-Ostinati mit den wandernden Paradiddle-Händen kombinieren. Die vier Klassiker, die ich gerne dazu benutze und für besonders effektiv halte, sind Polka / Baion / Samba / Tumbao, ihr könnt aber natürlich jedes Ostinato benutzen, das Ihr wollt.
Schritt 7: Hand Patterns A – D kombiniert mit Polka / Baion / Samba / Tumbao Fuß-Ostinati
Das Polka-Ostinato mit Vierteln in der Kick und Off-Beats in der getretenen Hi-Hat bietet einen guten Einstieg, schließlich ist es ja, bis auf die Hi-Hat, identisch mit der „Moving Accent Nr. 1“- Variante.
Das brasilianische Baion-Ostinato, ebenfalls mit Hi-Hat auf den Offs und drei Noten in Dreiergruppen, verteilt auf zwei Viertel, kreiert einige interessante Groove-Varianten in der Kombi mit den Händen.
Bei der ebenfalls aus Brasilien stammenden Samba werden zwei aufeinander folgende Sechzehntel in der Bass Drum gespielt. Hier gilt es, besonders auf das präzise Zusammenfallen der Hände mit den Füßen zu achten. Die Hi-Hat wird auch hier wieder auf den „und“-Positionen getreten.
Und schließlich das Tumbao-Ostinato aus dem afro-kubanischen Umfeld, welches mit seiner Phrasierung ohne einen Schlag auf der „1“ eine weitere Herausforderung in Sachen Wahrnehmung und Orientierung darstellt. Dieses Ostinato könnt ihr sowohl mit getretener Viertel-Hi-Hat angehen (so wie ich im Video), als auch mit der Variante „Hi-Hat tritt Off-Beats“ üben; geht beides und macht beides Sinn.
Fazit
Das ist sie also, meine Konzeptübung „Moving Paradiddles – Moving Feet“. Ich möchte euch ein letztes Mal motivieren, diese Übungen mit Geduld und Disziplin in Angriff zu nehmen. Euer Haupt-Augenmerk solltet ihr unbedingt auf Präzision, Wahrnehmung und Balance bzw. Körpergefühl legen – und nicht ungeduldig auf Geschwindigkeit gehen. Lautes Mitzählen ist hier wichtig und unglaublich hilfreich (und eine gute Gelegenheit, das mit dem eventuell ungewohnten Zählen trotz eventueller Anfangsschwierigkeiten einmal grundsätzlich anzugehen…). Die Fähigkeit, immer entspannt in verschiedenen Subdivisionen mitzählen zu können, ist für jeden Drummer super wertvoll. Versucht einfach, eure Stimme als „fünftes Gliedmaß“ zu verstehen, welches genauso trainiert werden kann wie eure anderen vier physischen Elemente.
Wenn ihr das Konzept dann einige Zeit bearbeitet und die einzelnen Positionen wirklich verinnerlicht habt, kann es kleine Wunder für euer Spiel, eure Flexibilität und Souveränität am Schlagzeug bewirken – versprochen!
Von hier aus stehen euch natürlich alle weiteren Möglichkeiten offen, mit dem Konzept zu arbeiten und es zu erweitern: mit und ohne Metronom / Click, verschiedene Orchestrierungen und Tempi, andere Ostinati, weitere Paradiddle-Varianten, ternäre Rhythmik („Shuffle Feel“), Verdopplungen oder andere Verzierungen… Was auch immer euch in den Sinn kommt, ist möglich – solange ihr vorher eure Hausaufgaben gemacht habt und beim Üben immer genau in euer Körpergefühl hineinhorcht und eure Balance so im Griff habt.
Also, viel Spaß beim Auschecken & Üben wünscht euch
Harry Bum Tschak
Hier geht’s zurück zur Übersicht mit allen Workshop-Folgen.
Weitere interessante Workshops findet ihr hier:
Groupings am Drumset mit Moritz Müller
Video-Workshop Besenspiel mit Guido May