Geht es um den perfekten Gitarrensound, dann drehen sich Gespräche meist um das Equipment. Aber leider wird darüber oft vergessen, dass es eine besonders wichtige und noch dazu kostenlose Stellschraube gibt, mit der man einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf seinen Gitarrenklang nehmen kann: die Art und Weise, wie wir die Gitarre anschlagen!
Nur wenige machen sich wirklich bewusst, wie eklatant der Soundunterschied sein kann, den sie nur durch Anschlagsposition, Anschlagswinkel, Plektrumstärke und Attackstärke erzielen können. Im Folgenden findet ihr zwar keine allgemeingültigen Regeln, aber einige Überlegungen und Tipps, die euch auf dem Weg zum richtigen Anschlag helfen können!
Quick Facts – Gitarre richtig anschlagen
Der Druck, mit dem das Plektrum gehalten wird, und der Winkel, mit dem es auf die Saiten trifft, sind wichtige Faktoren. Während man es bei Strummings eher locker hält, ist bei Rockriffs oder Solospiel ein 45- bis 90-Grad-Haltungswinkel und ein festerer Griff gefragt.
Die Anschlagsposition sollte über dem Schallloch bzw. zwischen Hals- und mittlerem Pickup liegen; weiter in Richtung Steg wird der Klang härter, Richtung Hals weicher. Für Plektrumstärke und -form gibt es keine allgemeingültige Regel, allerdings werden für Strummings normalerweise eher Medium-Stärken und bei der E-Gitarre häufig Medium- bis Heavy-Plektren eingesetzt.
Ein dynamischer Anschlag bereichert den Ausdruck und nimmt Einfluss auf den Sound und sogar den Zerrgrad.
1. Plektrumhaltung und Winkel
Mit der Handhaltung wird schon der Grundstein für eine solide Technik, aber auch den Sound gelegt. Grundsätzlich ist es schwierig, von richtig und falsch zu reden, da Sound und auch Spieltechnik etwas sehr Individuelles sind. Dennoch würde ich euch gerne ein paar Punkte an die Hand geben, die es zu überdenken lohnt.
Zum einen wird man möglicherweise für das Rhythmusspiel eine andere Pickposition wählen als für das Solospiel. Geht es bei der Begleitung um das Strummen von Akkorden über mehrere Saiten oder aber um feinfühliges Solospiel, empfiehlt es sich, das Pick in einem 45-Grad-Winkel zu den Saiten zu halten. Hier darf das Plektrum gerne etwas nachgeben, wenn man einen weichen Akkordklang erzielen will.
Probiert unterschiedlichen Druck zwischen Daumen und Zeigefinger aus, bis ihr den erwünschten Klang gefunden habt. Häufig ist es ein schmaler Grat, das Pick zwar locker zu halten, aber dennoch fest genug, damit es nicht wegfliegt.
Anders verhält es sich bei definierten, knackigen Rhythmus- oder Soloparts. Hier soll das Plektrum relativ direkt die Handbewegung umsetzen. Lässt man ihm hier Spiel und es gibt nach, dann ist das vergleichbar mit einem Bleistift, mit dem eine filigrane Zeichnung angefertigt werden soll, aber dessen Mine nicht fest sitzt. Das Plektrum muss die Verlängerung der Anschlagshand werden und somit direkt reagieren können.
Zum Plektrumwinkel gibt es verschieden Ansätze. Manche präferieren auch hier 45 Grad, wohingegen andere, wie z.B. Steve Morse, die Saiten tendenziell eher senkrecht, also im 90 Grad Winkel, bearbeiten. Probiert beide Varianten aus!
Hier hört ihr einen lockeren Anschlag und anschließend eine feste Variante:
Und hier eine Melodie im 45 Grad und anschließend im 90-Grad-Winkel des Plektrums:
2. Plektrumposition
Auch die Pickposition kann ganz entscheidend für den Klang sein und wird natürlich auch gerne als Stilmittel eingesetzt. Tendenziell erhält man in Richtung Steg einen härteren, knackigeren Ton, der mehr Höhen und Mittenanteile hat, wohingegen der Sound in Richtung Hals etwas weicher und wärmer wird.
Klassische Gitarristen finden in Kompositionen oft Bezeichnungen wie “sul ponticello” für das Spielen am Steg, “sul tasto” für das Spiel am Hals oder “loco” bzw. “ordinario” für die “Normalhaltung”, die über dem Schallloch liegt, bzw. bei der E-Gitarre zwischen Mittel und Stegtonabnehmer anzutreffen ist.
Um den Soundunterschied deutlich zu machen, spiele ich die gleiche Melodie in allen drei Positionen, mit “sul ponticello” beginnend:
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3. Plektrumstärke und Form
Plektrumstärke, Form, Material und sogar die Oberflächenbeschaffenheit können krasse Unterschiede ausmachen!
Kommen für Akkordstrummings eher Mediumstärken wie z.B. 0.73 mm oder 0.81 mm zum Einsatz, so gibt es bei der E-Gitarre eher die Tendenz, Medium- bis Ultraheavy-Picks einzusetzen. Der Grund ist der gleiche, der in Punkt 1 angesprochen wird: Je härter das Pick, desto direkter und schneller wird die Kraft übertragen.
Doch auch hier werdet ihr unzählige unterschiedliche Anwendungen finden: Pat Metheny benutzt z.B. ein dreieckiges Fenderpick, schlägt jedoch mit der Breitseite an, ähnlich auch Stevie Ray Vaughan, der Fender Medium-Picks mit der Hinterseite verwendete. Brian May benutzt eine alte britische Sixpence-Münze, Eric Johnson hingegen setzt auf ein Jim Dunlop 1,38 mm Pick – die Liste ließe sich endlos weiterführen.
Mein Tipp lautet: Fangt mit einer mittleren Stärke an und arbeitet euch in beide Richtungen durch, bis ihr mit eurem Sound, aber auch dem Spielgefühl zufrieden seid. Probiert dabei verschiedene Materialien aus wie Delrin, Nylon, Carbon, Ultex uvm.
Noch ein kleiner Tipp, mit dem ihr den Sound beeinflussen könnt: Wenn ihr euer Plektrum gefunden habt, nehmt ein feines Schmirgelpapier oder eine Nagelfeile und bearbeitet die Seite, mit der ihr spielt. So könnte ihr die Oberfläche etwas beeinflussen, aber auch den Winkel der Pickseite. Experimentiert auch hier, bis ihr das gewünschte Ergebnis habt!
Hier hört ihr diverse Pickstärken, ich beginne mit einem sehr weichen Plektrum:
4. Anschlagsstärke und dynamische Nuancen
Die Härte eures Anschlags kann diverse Sound-Feinheiten entlocken, hinsichtlich des Klangs, aber auch in Bezug auf den Zerrgrad von z.B. leicht angecrunchten Amps. Allerdings muss ich zugestehen, dass man immer weniger dynamische Abstufungen umsetzen kann, je höher die Verzerrung ist, aber bei Midgain-Sounds lässt sich Einiges mithilfe der Plektrumtechnik herausholen.
Versucht generell, beim Spielen eure Anschlagstärke dazu zu nutzen, den Sound zu formen. Sowohl Riffs als auch Solo-Lines bekommen viel mehr musikalischen Gehalt, wenn dynamische Nuancen herausgearbeitet werden!
Hier hört ihr einen fast cleanen Amp, bei dem ich mit konstant aufgedrehtem Volume-Poti alle Nuancen nur durch den Anschlag gewinne:
5. Steelstring Strumming
Geht es um das typische Western- bzw. Steelstring-Strumming, will man häufig das seidene Schimmern der Saiten in Kombination mit dem perkussiven Anschlag hören. Hier empfehle ich tendenziell, keine allzu harten Plektren zu verwenden, da man sonst zu stark das “Klackern” des Kunststoffs hört. Einem weichen Plektrum hingegen fehlt oft die Definition und der “Punch” des Anschlags. Meine Wahl fällt auch hier auf 0.73 oder 0.81 Stärken, die ich nur halbfest im 45 Grad Winkel zu den Saiten halte.
Interessanterweise wird das Strumming auch gerne “Brushing” genannt, was ein tolles Bild ist, wenn man sich vorstellt, wie man einen Besen halten muss und wie viel Druck sinnvoll ist, um den Boden zu kehren.
Hier ein Akkordstrumming mit einem Soft-, Medium- und einem Heavy Pick: