Schon seit über 25 Jahren ist Chris Heiny als Drummer und Perkussionist in der Musikszene aktiv. Nach einer klassischen Ausbildung am Schlagwerk widmete er sich später voll und ganz dem Drumset. Über die Jahre wirkte er in vielen unterschiedlichen Bands und Projekten mit und ist seit über zehn Jahren Mitglied des Blue Man Group Ensembles. Die unzähligen Vorstellungen der Show führten ihn an Spielstätten in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Schweden. Nebenbei begeisterte er mit seinem Schlagzeug-Trio „Playmobeat“ viele Rhythmusinteressierte, und spätestens seit seiner Zusammenarbeit mit Bosse ist er auch in der Popmusik in der Spitzenklasse angekommen.
Als fester Bestandteil der Band spielt er seit 2010 viele Club- und Festivalkonzerte und war auch an den Studioproduktionen der Erfolgsalben beteiligt. Das jüngst veröffentlichte Album „Alles ist jetzt“ von Bosse stieg sogar an der Spitze der Charts ein. Höchste Zeit also, mit dem umtriebigen Mann aus dem idyllischen Schwarzwald über seinen Werdegang, die Arbeit als Profimusiker und sein abgefahrenes Hybrid-Setup bei Bosse zu sprechen.
Hey Chris, erzähl doch mal ein bisschen, wie das mit der Musik bei dir angefangen hat!
Ich bin in der Nähe von Freiburg im Schwarzwald geboren und quasi mit Spätzle und Speck großgezogen worden. (lacht) Mein erstes Drumkit war Tupperware, die Snare ein Zeitungsständer und meine Sticks Stricknadeln. Für den tiefen Ton einer Bassdrum kam die Rücklehne eines Wohnzimmersessel zum Einsatz. Mit 12 Jahren habe ich dann mit Unterricht für klassisches Schlagwerk bei der Schlagzeugerin Victoria Ifrim angefangen. Das war wirklich super, weil ich durch sie alle Orchesterinstrumente kennenlernen durfte und auch in Theorie- und Harmonielehre gefördert wurde. Ich habe also Xylophon, Marimbaphon und Pauken gespielt, bevor ich an einem Drumset saß. Im städtischen Blasorchester war ich dann allerdings erstmal nur für die Triangel zuständig. Nebenbei habe ich weiter viel an der kleinen Trommel gelernt, Rudiments geübt und uralte Partituren gewälzt. Zum Üben hatte ich zuhause nur eine kleine Trommel ohne Ständer, weshalb die dann schräg auf einem Stuhl stand.
War dir das klassische Material nicht irgendwann zu trocken?
Ja, natürlich! Aber meine Eltern haben entschieden, dass ich zuerst ein Jahr fundiert klassischen Unterricht bekommen soll. Von meinem gesparten Kommunionsgeld habe ich mir dann endlich ein echtes Drumset kaufen können. Das war damals ein Tama Swing Star mit 22 Zoll Bassdrum und Toms in 12, 13 und 16 Zoll. Dazu gab es Paiste 505 Becken. Das war zwar ein Low-Budget Anfängerset, aber ich muss heute sagen, dass das gar nicht so schlecht klang.
Hattest du dann auch direkt eine erste Band?
Meine eigene Band war erstmal der Cassettenrekorder. Ich habe dann immer zur „Highway to Hell“ von AC/DC und vielen anderen Cassetten von meinem Bruder gespielt. Die ganzen Produktionen aus den Achtzigerjahren waren ja alle punktgenau gespielt oder der Groove kam direkt von einem Drumcomputer, weshalb die Cassetten, sofern sie nicht leierten, ein super Metronom waren. Ich habe damals alles aus dem Gefühl gemacht. Ich hatte zwar weiter klassischen Unterricht, aber war quasi ein Autodidakt am Drumset und habe einfach geguckt, wie Grooves gut klingen.
Im Nachhinein war das doch sicher sehr nützlich, eine fundierte technische Grundlage am Drumset zu haben.
Ja, das hat mir echt viel gebracht. Es gibt auch bei Bosse einige Nummern mit Marching Drums, bei denen ich mich dann nicht durchschummeln muss, sondern das wirklich so ohne großen Aufwand umsetzen kann.
Hast du dann auch klassisches Schlagwerk studiert?
Nein. Ich habe immer wieder Konzerte von lokalen Bands besucht und bei den Schlagzeugern, die mich beeindruckt haben, Unterricht genommen. Ein großes Glück für mich war auch, dass es einen örtlichen Musikladen gab, der regelmäßig erfolgreiche Trommler für Workshops eingeladen hat. So habe ich beispielsweise Gregg Bissonette oder auch Curt Cress oder Gary Chaffee gesehen. Bei letzterem habe ich eine Masterclass besucht, als ich eigentlich noch Anfänger war und bin mit Kopfschmerzen rausgekommen. Ich wusste gar nicht, wo ich anfangen sollte zu üben. Trotzdem war es eine große Motivation. Ich habe einfach versucht, alles mitzunehmen und war auch eine Zeit an der Future Music School in Aschaffenburg, um bei Claus Hessler Unterricht zu nehmen. Außerdem gab es ja noch die Videos auf VHS-Cassetten, für die ich ständig Geld gespart habe. Ich habe dann sehr viel Inspiration von anderen Trommlern in verschiedensten Stilistiken aufgesogen. Eine Zeit lang wollte ich so klingen wie Jeff Porcaro und habe den dann intensiv ausgecheckt und war später auch begeistert von Phil Maturanos Latin Drumming. Ich wollte zwar kein Latin Drummer werden, aber habe so wirklich viel gelernt.
Wie hast du den Sprung in den Profibereich gemeistert?
Naja, ich habe erstmal eine Tischlerlehre gemacht. Währenddessen habe ich immer mit verschiedensten Bands gespielt, und mein erster wirklicher Job war dann eine Coverband. Es sprach sich im Freiburger Raum rum, dass ich ganz passabel spielen konnte, also wurde ich zu einem Vorspiel eingeladen. Damals war die Band „The Clap“ im südbadischen Raum sehr umtriebig. Nachdem ich ein Konzert der Truppe gesehen habe, war mir klar, dass ich mich ganz schön ins Zeug legen musste, weil die stilistisch wirklich breit gefächert unterwegs waren. Trotzdem hat es mich gereizt, weil ich gerade diese Flexibilität so spannend fand. Beim ersten Treffen habe ich dann einen Song gespielt, und danach waren alle mucksmäuschenstill. Ich war erst erschrocken und dachte, dass sie mehr erwartet hätten, aber die waren begeistert, wie ich auf Anhieb den Song genagelt hatte, und so durfte ich bei ihnen jedes Wochenende mitspielen. Zusätzlich habe ich noch an einer Musikschule unterrichtet. Ich hatte zwar keinen pädagogischen Abschluss, aber es ging trotzdem irgendwie. Das war natürlich toll, so viel zu spielen, aber ich habe trotzdem meine Lehre zu Ende gemacht. Eigentlich wollte ich sogar noch weiter machen und habe auf dem zweiten Bildungsweg in der Berufsakademie gelernt. Eines Tages saß ich dann in einer Stunde Rechnungswesen und hatte sowas wie ein Erleuchtung. Das werde ich nie vergessen. Auf einmal fand in mir etwas statt, und meine innere Stimme fragte mich, was ich eigentlich wirklich machen wolle. Natürlich war die Antwort: Musik. Ich bin dann tatsächlich aufgestanden, zum Lehrerpult gegangen und habe gesagt, dass ich mich jetzt abmelde. Die dachten, ich spinne! Ich bin aber dann wirklich direkt ins Sekretariat gegangen und habe mich abgemeldet. Der innere Drang, Musik zu machen, war so groß, dass ich ihn nicht länger zügeln konnte.
Wow!
Ja, das war schon verrückt. Daraufhin bin ich dann wirklich Hausieren gegangen, habe mich an Musikschulen beworben und viel unterrichtet. Da war ich ungefähr 21 Jahre alt und habe dann sieben Jahre weiter in der Coverband gespielt und unterrichtet. Als Andy Schumacher, ein Freund von mir, in Berlin die Drum Factory eröffnete, fragte er mich, ob ich nicht einfach in Berlin unterrichten will. Das war natürlich eine aufregende Idee, und ich wollte eh mal eine Abwechslung, weil mir die Kreativität im Alltag mit Coverband und Unterrichten zu kurz kam. Er hat mir direkt zehn Schüler vermittelt, und ich habe dann Stück für Stück über Jam Sessions immer mehr Musiker kennengelernt. Ich habe mir erstmal drei Jahre gegeben und wollte gucken, was in der Hauptstadt so passiert. Berlin war einfach eine andere Hausnummer, und ich habe mich wieder angespornt gefühlt und richtig geübt. Dann bin ich irgendwann zur Blue Man Group Audition gegangen. Die Show kam gerade frisch nach Berlin, und es wurden viele Trommler gesucht. Vor mir war Tim Neuhaus dran, und der hat mich ganz schön beeindruckt. Beim Vorspiel haben mir dann richtig die Hände gezittert, aber ich bin trotzdem durchgekommen und konnte dann im Theater am Potsdamer Platz spielen. Das war natürlich super, weil ich eine Anstellung hatte und monatlich bezahlt wurde. Später wurde die Show in Berlin dann verkleinert, weil die große Show nach Oberhausen verlegt wurde. Jens Fischer, der musikalische Leiter, fragte mich damals, ob ich der Drum Trainer für die neuen Musiker in Oberhausen werden wollte. Das war eine schwere Entscheidung, weil Berlin ja so gut für mich lief, aber ich bin dann letztendlich doch für 18 Monate nach Oberhausen gezogen. Parallel zog dann die Show aus Amsterdam nach Stuttgart, später nach Basel, Wien und Zürich um. Das war natürlich der Hammer, weil es ganz in der Nähe meiner Heimat lag und normalerweise der Weg aus Berlin ja wirklich unglaublich lang war. Ich habe dann die Organisatoren regelrecht bekniet und durfte die Europatour mitspielen. Später machte ich dann auch noch in Stockholm halt, was natürlich auch unglaublich schön war. Ich konnte als Ausgleich zur Show dort immer raus in die Natur, was mir sehr gut getan hat. Während dieser Zeit habe ich auch Björn Krüger kennengelernt, der damals bei Bosse trommelte.
Ah, kam so die Verbindung zustande?
Ja. Er wurde damals als Sub nach Stockholm eingeflogen und hat mich gefragt, ob ich eine Tour bei Bosse für ihn spielen könnte, weil er mit Henrik Freischlader international unterwegs war. Das passte alles wunderbar vom Timing, und so konnte ich bei einer Tour für ihn aushelfen. Aki Bosse war zu der Zeit so beschäftigt, dass wir uns kaum kennenlernen konnten, und so haben wir uns erst kurz vor den Proben über ein viertelstündiges Skype-Telefonat kennengelernt. Wir haben dann die Tour gespielt und uns super verstanden. Nach der Tour war aber erstmal klar, dass Björn weiter spielt. Irgendwann wurde es aber mit Henrik Freischlader bei ihm so viel, dass eine Entscheidung her musste. Es war dann letztlich auch für Björn gut, dass er seinen Hauptfokus auf die Konzerte mit Henrik Freischlader legen konnte und Bosse mit mir einen Drummer hatte, der ebenso am Start war.
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Es ist ja auch für das Bandgefühl schöner.
Ja, wirklich! Bosse ist mehr als ein Job. Die Band ist so zusammengewachsen, dass sich das mittlerweile wie eine kleine Familie anfühlt.
Bist du auch an der Soundfindung und der Studioproduktion beteiligt?
Ja, ich spiele immer wieder mal Songs ein, aber das hängt auch immer damit zusammen, wer das jeweilige Album produziert. Philipp Steinke, der viele Alben produziert hat, ist ja ein Multiinstrumentalist und spielt viele Sachen selbst ein und hat natürlich auch seine Schlagzeuger, die er hin und wieder für Produktionen engagiert. Auf der neuen Platte habe ich auf drei Songs getrommelt, da sind aber auch einige Songs dabei, die eine elektronische Beat-Ästhetik haben.
Setzt du diese Ästhetik dann auch live mit elektronischen Drums um?
Ja, ich habe ein Hybrid-Setup, was mega Spaß macht. Ich besorge mir dann die Sounds aus der Produktion und integriere sie ins Setup. Ich wechsle deshalb zwischen verschiedenen Pedalen am Boden und den Pads und Triggern an den Trommeln hin und her.
Spielt ihr live auch mit Backingtracks?
Nein. Das ist einfach nicht der Bosse-Sound. Bosse ist beweglich und spontan, er bricht gerne mal aus Songs aus oder spielt sie in völlig neuem Gewand. Das ist mit Backingtracks einfach nicht möglich. Es kann bei einem Konzert sein, dass wir einen Song spontan als Bossa Nova oder Reggae spielen. Da kommt mir wirklich auch wieder meine Erfahrung aus der Coverband zugute, weil ich so stilistisch spontan und flexibel agieren kann.
Spielst du denn zum Click oder hast du Einzähler?
Ja. Ich nutze den internen Click aus meinem Yamaha Pad und spiele immer die erste Strophe zum Click und schalte ihn dann mit dem Stock aus, weil der Refrain sowieso immer anzieht. Das ist Bosse, er gibt einfach immer Vollgas. Wenn ich jetzt strikt auf dem Click bleiben würde, hätte man den Eindruck, ich würde die Band bremsen. Ich mache dann in der zweiten Strophe den Click wieder an und manövriere die Band langsam wieder in Richtung des Originaltempos. Ich bremse nicht ab, aber habe eine Referenz, damit der Song nicht insgesamt viel zu schnell wird. Das hilft mir wirklich, weil ich ein sehr energetischer Trommler bin und sich sonst eine Eigendynamik entwickeln kann und die Band dadurch immer schneller werden würde.
Wie gehst du mit Fehlern um? Bei so vielen Konzerten verspielt man sich doch sicher mal.
Na klar, ich verrumpel’ mich ab und zu mal wirklich ordentlich. Das passiert einfach. Ich kann auch nur an jeden Musiker appellieren, dass man sich das selbst nicht so übel nehmen sollte. Wir sind doch Menschen, und da haut man halt mal daneben. Man sollte auch den Fehlern nicht hinterher trauern. Ich hatte früher Konzerte, bei denen ich mich wegen Fehlern so mies gefühlt habe, dass ich erst danach realisiert habe, dass es nichts bringt, sich deswegen den ganzen Abend kaputt zu machen. Dann muss man sich eben hinsetzen und üben oder gut auf das musikalische Material vorbereiten. Ich gehe wirklich immer sehr gut vorbereitet in einen Job. Schon alleine wegen des guten Gefühls, mit dem man dann in eine Aufnahmesession, eine Probe oder ein Konzert kommt. Man ist einfach gelassener und hat mehr Spaß an der Musik.
Tauschst du live Snares aus? Bei Bosse wechselt es ja immer mal zwischen sehr tiefen Snaresounds und höheren Stimmungen.
Ich versuche, das mit meinem Hybrid-Setup zu lösen. Das heißt, dass ich mit einem Snare Trigger die höhere Snare auf die Hauptsnare triggere und der Mischer den akustischen, tiefen Sound etwas zurück nimmt. Für mich ändert sich dadurch das Spielgefühl nicht, aber die klangliche Facette erweitert sich natürlich immens.
Du bist ja mit Bosse wahnsinnig viel unterwegs. Hast du daneben noch andere Projekte?
Ich spiele weiterhin in der Blue Man Group, wenn ich in Berlin bin. Das ist wirklich großartig, dass man da so flexibel sein kann. Dem Musical Director ist das auch wichtig, damit die Show ihre Frische behält. Zusätzlich unterrichte ich noch, spiele hin und wieder in verschiedenen Combos in Berlin und auch nach wie vor mit meiner Band Playmobeat.
Hast du bei so vielen Baustellen manchmal ein Gefühl der Überlastung?
Ja, wenn sich alles überschneidet, habe ich gelernt, dass ich manche Sachen dann weglassen muss. Man kann eben einfach nicht alles auf einmal machen. Aber ich genieße die Abwechslung wirklich sehr.
Vielen Dank für’s Gespräch!
- Drums: Gretsch Brooklyn Set in Black Oyster Finish:
- 24“x14“ Bass Drum
- 13“x10“ Tom
- 16“x16“ Floortom
- Snare:
- Ludwig Black Beauty Snare 14“x 6,5“
- Becken:
- Paiste Traditional 15“ HiHat
- Paiste Traditional 18“ Crash
- Paiste Traditional 22“ Ride
- Paiste Traditional 20“ Crash
- 2x Paiste 602 10“ Splash als X HiHat
- Percussion:
- LP Matador Bongos
- LP 13“ Timbale
- LP Tamburin
- Schlagwerk Cajon Flap Large
- E Drums:
- Yamaha DTX Multi Pad
- Roland BT1 Bar Trigger Pad
- Roland Snare Trigger
- Roland BT1 Bar Trigger Pad an Ludwig Snare montiert
- Fußpedale (von Links nach Rechts):
- Yamaha Pedal + RhythmTech Tamburin an Meinl Pedal Mount montiert
- Yamaha HiHat Maschine
- Yamaha E Pedal
- Yamaha Single Bassdrum Pedal
- Yamaha E Pedal
- 10“ HE Rack mit 12 Kanal Sound Craft Mixer, Fischer Amp Bass Shaker im Rack montiert
- Boss DB90 Metronom auf dem Rack montiert
- Hardware:
- Gibraltar Flat Base Hardware
- Sticks:
- Ice Stix 5B Crusher BOSSE Signature Sticks
- Felle: Remo