Ableton Live 12 bringt so viele neue Features wie kein anderes Update der DAW. Generatives MIDI, Verbesserungen bei Browser sowie Piano Roll und Workflow. Zwei kreative Devices kommen neben anderen Features bereits in der ersten Public Beta. Erfüllt Ableton tatsächlich Wünsche aus der Community?
Vor gut drei Jahren veröffentlichte Ableton Version 11 seiner DAW. Der Fokus damals: MPE und spektrale Effekte. Seitdem sind neue Instrumente dazugekommen, MPE ist ausgebaut worden – und dann kam überraschend im Mai Push 3. Nun die Public Beta von Ableton Live 12. Selten gab es ein Update mit so viel Neuem von den Berlinern.
Checkliste zum Kauf von Ableton Live 12
- Mixer im Arrangement sichtbar / gestapelten Detailansicht
- Browser-Suche mit Filterfunktionen, “Ähnliche Sounds suchen”
- MIDI-Tools: Melodien, Rhythmen und Akkorde durch KI erzeugen, verändern
- Tuning-Optionen: Globale Tonart (auf alle Clips und Devices angewandt), mikrotonale und nichtwestliche Tonarten
- Neuer Synth Meld und neuer Distortion-Effekt Roar
DETAILS & PRAXIS
Mächtige MIDI-Tools und bessere Piano Roll
Die Piano Roll von FL Studio gilt in der elektronischen Musikproduktion als das Maß aller Dinge. Genau hier setzt Ableton Live 12 an und packt auch noch MIDI-Features dazu, die es so in keiner anderen DAW gibt. Das Update bringt neue Möglichkeiten mit, um MIDI-Noten zu bearbeiten und zu verändern, und erzeugt fortan auch selber Noten.
Ganze drei Bereiche sind in den MIDI-Clips dazu gekommen: PITCH & TIME, TRANSFORM und GENERATE. Ersteres kann Noten quantisieren, verlängern, kürzen oder automatisch in eine Tonart schieben. Daneben gibt’s noch eine „Humanize“-Funktion, die starre MIDI-Noten im Timing variiert.
Für dich ausgesucht
TRANSFORM kennt man bereits so ähnlich aus FL. Das Werkzeug verwandelt zum Beispiel lange Akkorde in zackige Arpeggios, erzeugt Übergangsakkorde oder Strums und vieles mehr! Insgesamt acht Werkzeuge gibt es zu vermelden. Ferner kann man nun endlich MIDI-Noten per STRG/CMD+E teilen.
Generative MIDI – Ableton macht Musik für euch
Und dann ist da noch GENERATE mit seinen vier verschiedenen Modi. „Rhythm“ erzeugt genau das, was sein Name verrät, allerdings jeweils nur für eine MIDI-Note, zum Beispiel die Kick. Für Snare, Hi-Hat oder andere Noten muss man dann immer wieder neue Rhythmen erzeugen, wirklich einfacher als vorher ist das nicht.
SEED ist für Melodien und SHAPE für Glissandi verantwortlich. Das Werkzeug STACKS produziert Akkordfolgen samt Stimmführung und reichert um 7er, 9er und mehr an. Man muss leider dazu sagen, dass der Workflow ausbaufähig ist. Mein Instinkt sagt mir, dass ich als erstes auf „Generate“ klicken sollte, wenn ich den Modus lade. Dann passiert… nichts. Und dann erscheint nach nochmaligem Klicken genau ein Akkord. Will ich einen zweiten, klicke ich das kleine Pluszeichen links an, und muss dann wieder Generate drücken. Und der gleiche Akkord taucht nochmal auf …
Für vier Akkorde muss man also erst bei allen vieren Form, Länge und Grundton einstellen, damit Ableton die Akkordfolge generiert. In der Zeit, in der man das alles mit Pfeiltasten und Mausziehen einstellt, habe ich auch selbst als musiktheoretisch Habwissender die Akkorde selbst gebaut.
Der spannendste Modus der MIDI-Erzeuger ist in dieser Beta leider auch der umständlichste. In der Liste sieht man allerdings auch, dass Drittanbieter eigene Max4Live-Devices entwickeln können – mal sehen, wer es besser hinbekommt.
Globale Tonart und mikrotonale Spielereien in Ableton Live 12
Eine global einstellbare Tonart ist in der DAW-Welt nichts Neues. Eher etwas, wofür Ableton lange gebraucht hat, dann aber mit vollem Elan und ganz eigenem Ansatz aufgeholt hat.
Oben in der Live-Titelleiste legt man eine Tonart, beispielsweise C-Dur oder Fis-Moll fest. Anschließend befinden sich die von den Generative MIDI-Tools erzeugten Melodien und Akkordfolgen automatisch in dieser Tonart. Außerdem kann man bereits vorhandene MIDI-Clips mit der „Fit to Scale“-Funktion an die Tonart anpassen.
Dazu folgt das neue Instrument MELD der globalen Tonart. Das Device stellt sich entsprechend der Obertöne mancher Wellenformen über die tonalen Elemente der Resonatoren ein.
Würde Ableton dieses Feature auf andere Instrumente wie Operator oder Sampler übertragen, würde das eine Ebene an harmonischem Sounddesign eröffnen, die der Konkurrenz weit voraus wäre!
Auch der Import von SCL-Dateien ist möglich. Diese Dateien haben Tonarten gespeichert, mit denen man MIDI-Clips mit mikro-tonalen Intervallen spielen und programmieren kann.
Genauso kann man so aus der westeuropäischen Zwölftontonleiter ausbrechen und zum Beispiel Tonleitern aus arabischen, afrikanischen oder asiatischen Kulturen nutzen.
Neue Browser-Suche und „Ähnliche Sounds“
Auch im Browser von Ableton Live hat sich was getan. Mit FILTERN findet man unter den tausenden Loops und Presets nun schneller das gewünschte Ergebnis. Das Filtern der Ergebnisse geht nun über „Tags“ (Schlüsselworte) wie etwa Art (Loop oder One-Shot), Tonart, Instrument oder Hersteller.
Sucht man häufig nach derselben Sache, wie zum Beispiel einem Lieblings-Plugin oder einem Loop-Pack, kann man die Suche nun auch speichern und direkt mit einem Klick links in der Liste aufrufen. Das ersetzt zumindest ansatzweise die unvollständig ausgebauten „Sammlungen“. Aber das eigentliche Highlight hier ist „Show Similar Sounds“.
Dank der „Similar Sounds“-Funktion findet Ableton nun auch automatisch ähnlich klingende Loops, One Shots und sogar hauseigene Presets für euch. Ableton zeigt außerdem bei jeder Ähnlichkeitssuche die Ergebnisse in einem Ranking an – das betrifft sowohl Sounds aus der Library als auch solche aus den Zusatzpacks und den Sample-Ordnern, die man selbst hinzufügt. Externe VSTs sind davon leider ausgeschlossen.
Besonders praktisch ist die Ähnlichkeitssuche im Drum Rack. Hier kann man damit nämliche ganze Drumkits mit verwandten Sounds austauschen. Auch einzelne Pads kann man ausschließen oder verriegeln – so klickt man sich stundenlang zum perfekten Drumkit. Für mich ein echtes Highlight!
Ableton Live 12 bringt alle Bereiche in eine Ansicht
Was unspektakulär klingen mag, bringt nach einer Eingewöhnung endlich den Einbildschirm-Workflow zu Live. Gleichzeitig im Clip zu automatisieren und darunter die Devices und VSTs zu steuern ohne viel Hin- und Herklicken – das beschleunigt die Arbeit deutlich.
Man muss aber auch sagen, dass der Ableton-typische Minimalismus verloren geht und die Ansicht vollgestopft und überladen wirkt.
Für diesen neuen Workflow hat Ableton die vorher einheitlichen Symbole zum Auf- und Zuklappen in den vier Ecken in jeweils zum Bereich passende Symbole geändert. Außerdem gibt’s jetzt mehr Themes und damit mehr Farbenvarianz
. Wie ich auch schon bei FL Studio erwähnt habe, sind das für mich absolute Nicht-Features. Aber das gehöre ich wohl zur winzigen Minderheit. Fünf neue Themes sind dabei, von „Angst Robot“ bis „Twenty-four Carat“.
Meld, Roar und Granulator III – neue Devices in Live 12
MELD ist ein Zwei-Oszillator-, Zwei-Filter-Synthesizer, der 14 verschiedene Wellenformen mit jeweils unterschiedlichen Modulations-Möglichkeiten mitbringt. Im Filter gibt es neben Standard-Lowpass- und Highpass-Modellen auch ungewöhnliche Resonatoren oder Phaser.
Insgesamt ein Instrument, dass vom Sound her irgendwo zwischen Ableton’s Wavetable, Tracktion Kult und Massive X anzusiedeln ist.
Mit ROAR ist die Zeit vorbei, wo man in Ableton mühsam DIY Multi-Band betreiben musste, zumindest, was Verzerrung betrifft. Aber das ist nur die Spitze der Spitze vom Distortion-Eisberg. Bis zu drei Bänder unterschiedlich verzerren, dazu über Mid-Side und Feedback Sounds in einer Weise zerstören und anwärmen, die ich maximal von Minimal Audio Rift kenne – und darüber hinaus.
Wo hat Ableton nachgebessert – Endlich Bounce-in-Place!
Bounce-In-Place, also das Rendern der Effekte einer Spur direkt in einen neuen Audioclip, ohne dass man den Umweg über die Freeze-Funktion gehen muss, ist endlich dabei. Die Funktion entspricht „Bounce-In-Place“ oder „Render-in-Place“, was man bereits im Push 3 Standalone in der Vorschau bewundern konnte.
Arpeggiator und Chord Effekt wurden leicht überarbeitet. Dagegen ist GRANULATOR III grundlegend erneuert worden. Die Oberfläche und der Workflow des Granular-Samplers machen ihn jetzt viel zugänglicher als Instrument für Live-Peformances.
Was fehlt – CLAP, ARA und Freeze Groups
Wie bei jedem großen DAW-Update geht der Blick auch zu den Features, wo man sich meist selbst Nachbesserung wünscht. Und da muss ich sagen, ist in der Beta nicht viel für mich dabei.
Ableton Live 12 fehlt weiterhin ein dynamischer EQ und sowie ein hauseigenes Vocal-Tuning-Tool. Das Einfrieren von Gruppen ist weiterhin nicht möglich.
Es wäre wünschenswert, für Performance-Verbesserung, das integrierte Max4Live deaktivieren zu können. Eine Unterstützung von Plugin-Formaten wie CLAP oder ARA würde ebenfalls gut kommen. Bestrebungen, die Kompatibilität mit anderen zu erhöhen, wie es PreSonus und Bitwig mit ihrem universellen DAW-Format DAWproject vormachen, zeigen sich auch nicht.
Aber nun genug gemotzt: Exports sind mit bis zu 21GB jetzt 10x größer als zuvor. Das ich das noch erleben darf 🥺.
FAZIT – Ableton Live 12 Public Beta
Ableton Live 12 erfüllt Community-Wünsche wie eine mächtigere Piano Roll, einen besseren Browser-Workflow und mehr Themes. Mit den Generative MIDI Tools und dem Distortion-Effekt Roar kommen zwei Features in die DAW, die mich kreativ inspiriert haben, wie lange kein anderer Neuzugang. Wobei der Hersteller den MIDI-Tool-Workflow in puncto Zugänglichkeit noch überarbeiten könnte – zumal er sich eher an Einsteiger zu richten scheint.
Features
- DAW für Windows und Mac
- Mehrspuraufnahmen bis zu 32 Bit / 192 kHz
- Integriertes Max for Live (Suite)
- Session View für das Sammeln von Ideen
- Workflow überarbeitet: Alles auf einem Bildschirm (Arrangement + Mixer + Piano Roll + Devices),
- Browser mit Filterfunktion
- „Show Similar Files“ – Automatisch ähnliche Sounds und Presets suchen
- Neue MIDI Tools: Pitch & Time für Korrekturen, Transform für kreative Erweiterung, Generate zum Erzeugen von Rhythmen und Melodien
- Piano Roll: MIDI Noten teilen
- Globale Tonart: auch microtonal und nicht-europäisch über SCL-Dateien
- Neuer Instrument: Meld (bi-timbraler Synthesizer)
- Neuer Effekt: Roar (Multiband-Distortion)
- Neues Soundpack: Lost and Found (Zum Release der endgültigen Version)
- „Ähnliche Sounds finden“ erleichert Tauschen von Sounds
- Roar bietet ungewöhnliche Verzerrung und Sounddesign-Möglichkeiten
- Bounce-In-Place: Rendern von Spuren mit einem Klick
- Browser durch Filter & Tags viel besser nutzbar
- Generative MIDI Tools kreatives MIDI
- Gruppen-Freeze, Plugin-Formate ARA und CLAP fehlen
- Einbildschirm-Workflow macht Oberfläche unübersichtlich
- Workflow des Stacks-Tools umständlich
Bjoern Welling sagt:
#1 - 19.11.2023 um 10:30 Uhr
„ Melodien, Rhythmen und Akkorde durch KI erzeugen, verändern“ Also ob hier KI zum Einsatz kommt würde ich bezweifeln
Michael Bereckis sagt:
#2 - 27.01.2024 um 19:28 Uhr
Hallo, ich habe jahrelang mit Ableton Live (letzte Version 10) gearbeitet und dann aber auf Logic Pro umgestiegen. Nun habe ich den wunderbaren Expressive Osmose. Kann Live 12 hinsichtlich MPE mehr als das aktuelle Logic Pro? Vielen Dank.
Aljen sagt:
#2.1 - 24.02.2024 um 19:57 Uhr
Ich hab beides… Live 11 und das (selbstverständlich) aktuelle Logic Pro. Die beiden Verhalten sich zueinander in etwas wie Audi und BMW. Beide sind sehr, sehr gut. Beide haben bestimmte Innovationen an ihrer Seite. Mit beiden kommst Du quasi immer an Dein Ziel, das schnell und zuverlässig. Der einzige Unterschied: Logic und Live parallel kann ich mir problemlos leisten. Einen Audi und einen BMW parallel aktuell zu halten würde mich materiell doch etwas einschränken, schließlich habe ich noch andere Ausgaben.
Antwort auf #2 von Michael Bereckis
Melden Empfehlen Empfehlung entfernenMarkiman sagt:
#2.1.1 - 29.02.2024 um 14:59 Uhr
ich würde mal behaupten, dass der Auto-Vergleich spätestens bei MPE scheitert ;-) Michael wollte wissen ob Live 12 oder Logic quasi mehr Drehmoment und/oder eine bessere Federung hat, wenn es um MPE geht, um in dieser Sprache zu bleiben.
Antwort auf #2.1 von Aljen
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