Als normaler Zuhörer nimmt man es manchmal gar nicht bewusst war: Die meisten Popsongs besitzen eine sehr ausgefeilte Vocal-Production, nicht selten mit einer Vielzahl an Backing-Vocal-Spuren und auch speziellen Effekten.
Dopplungsspuren und Harmonys (sowie ergänzende / optionale Effektemulationen) flankieren den eigentlichen Hauptgesang. Das Resultat ist eine professionell klingende Produktion, die sich von einem gewöhnlichen „Bedroom-Demo“ abhebt. Dabei benötigt man für einen amtlichen Sound nicht zwingend ein professionelles Tonstudio (inklusive Backgroundsänger). Wir zeigen euch in diesem Workshop, mit welchen Workflows und Tools ihr eure Vocal-Production verbessern könnt!
- Backing-Vocals: Dopplungen
- Typische Probleme von Dopplungsspuren
- Workflows und Tools bei echten Dopplungsspuren
- Manuelles Anpassen per Wellenform DAW
- Manuelles Anpassen per Melodyne oder vergleichbarer Tools
- Automatisches Anpassen per VocAlign
- Virtuelle Dopplungen
- Klassische Studiotricks per Effekt
- „Manuelle“ Notlösung
- Backing-Vocals: Harmonies
- Workflows und Tools bei echten Harmony-Spuren
- Virtuelle Harmony-Spuren
Backing-Vocals: Dopplungen
Dopplungen von Gesangsspuren (und auch Instrumentalspuren!) sind ein seit Jahrzehnten etabliertes Mittel bei Musikproduktionen. Hierbei wird der Hauptgesang vom gleichen oder auch einem anderen Sänger gedoppelt, was meist in einem volleren, „schöneren“ Klang resultiert. Wieviele solcher Dopplungsspuren „erforderlich“ sind, dafür gibt es keine Gesetze. Es ist vom Geschmack und der individuellen Produktionsästhetik abhängig, was übrigens auch für die Verteilung im Stereopanorama gilt. Schon zwei oder auch lediglich ein Dub-Track kann sehr effektiv sein. Häufig werden Dopplungen partiell eingesetzt, um ein Arrangement abwechslungsreich zu gestalten, doch auch durchgehende Dopplungsspuren sind keine Seltenheit.
In diesem ersten Audiobeispiel erkennt man die Wirkung von Dopplungen im Vocal-Arrangement. Es startet mit einer subtilen bis moderaten Dopplung der Lead Vocal und endet in einer Gesangsphrase, in der die Lead-Stimme alleine steht:
Typische Probleme von Dopplungsspuren
Leider klingen Dopplungen nicht immer automatisch gut und verbessern daher die Produktionsqualität nicht auf Anhieb. In der Regel erfüllen Dopplungen ihren Zweck, wenn sie tonal und auch vom Timing eine gewisse Abweichung gegenüber dem Hauptgesang besitzen. Manchmal liegen Verbessern und Verschlimmern nicht weit auseinander.
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Speziell grobe Timing-Abweichungen können die Sprachverständlichkeit verschlechtern, weil asynchrone Konsonanten in Haupt- und Dopplungsspuren zu einem diffusen Klangbild führen. Darüber hinaus können übereinander liegende Zischlaute und auch Atmer zu störend wirken. Die genannten Probleme beschränken sich übrigens nicht auf Dopplungen, sondern betreffen Harmoniegesang gleichermaßen.
Workflows und Tools bei echten Dopplungsspuren
Doch was nicht passt, wird dann eben passend gemacht! Um Dopplungen an den Hauptgesang (Lead Vocal) anzupassen, gibt es verschiedene Wege:
- Manuelles Anpassen per Wellenform (DAW)
- Manuelles Anpassen per Melodyne oder vergleichbarer Tools
- Automatisches Anpassen per VocAlign
Manuelles Anpassen per Wellenform DAW
Anhand der Wellenformdarstellung in der Spurenansicht lassen sich per Schnitt Dopplungsspuren einer Hauptstimme im Timing angleichen. Gleichzeitig können störende Atmer oder Zischlaute in den Dopplungsspuren gelöscht oder im Pegel abgesenkt werden. Timing-Anpassungen lassen sich über simples Verschieben oder auch grafikbasierte Timestretching-Features durchführen, sofern das Hostprogramm hierüber verfügt.
Manuelles Anpassen per Melodyne oder vergleichbarer Tools
Optional lassen sich Dopplungsspuren mit Plug-ins wie Melodyne oder vergleichbaren DAW-Features (z.B. Flex Pitch in Logic) optimieren. Hierdurch erhält man zusätzlich zum Timing auch den wichtigen Zugriff auf die Tonhöhe, wodurch sich Dopplungen tonal der Lead Vocal anpassen lassen.
Workflow-Tipp (für Melodyne-User): In aktuellen Versionen beschleunigt das Sibilanten-Balance-Werkzeug das Reduzieren störender Laute in Dopplungsspuren!
Automatisches Anpassen per VocAlign
Der Software-Hersteller Synchro Arts bietet verschiedene Produkte zum automatischen Angleichen verschiedener Spuren an. Während klassische VocAlign-Versionen ausschließlich das Timing von Dub-Spuren einer Guide-Spur angleichen, erfolgt mit dem noch relativ jungen Plug-in VocAlign Ultra auch eine tonale Korrektur der Dopplungsspuren! Das Arbeiten mit VocAlign ist etablierter Profi-Standard und liefert erstaunliche Resultate unter einer hohen Zeitersparnis im Vergleich zu anderen Methoden.
Im folgenden Audiobeispiel sind zwei (links/rechts) „mittelmäßige“ Dopplungsversuche eines Sängers auf der weiblichen Hauptstimme zu hören. Darauf folgt das Hörbeispiel mit einer schnellen VocAlign Ultra-Bearbeitung, die auf „Knopfdruck“ deutlich besser klingt, wenn auch eine phonetisch abweichende Stelle in einer Dub-Spur zusätzliche Bearbeitungsschritte ( z.B. Comping) erfordern würde.
Virtuelle Dopplungen
Manchmal hat man nur eine Lead Vocal zur Verfügung und stellt fest, dass die Klangästhetik einer Dopplung vorteilhaft wäre. Auch für einen solchen Fall gibt es Lösungsmöglichkeiten:
- Klassische Studiotricks per Effekt
- „Manuelle“ Notlösung
Klassische Studiotricks per Effekt
Automatic Double Tracking oder kurz ADT ist ein altbewährter Studiotrick, der im prä-digitalen Zeitalter mit einer zweiten Bandmaschine erzeugt wurde, auf der sich eine Kopie der Lead Vocal befindet. Manipuliert man nun die Bandgeschwindigkeit dieser Maschine, so ändert sich die Tonhöhe als auch der zeitliche Versatz zwischen Originalspur und Kopie, was in einem volleren und wärmeren Klang resultiert.
Dieses Prinzip wird von unzähligen Hardware-Effekten und Plug-ins umgesetzt. Mal „historisch korrekt“ emuliert und auch in progressiver Form, zum Beispiel mit Modulation der Formanten und anderen Feinheiten. In der folgenden Bildstrecke seht ihr einige Plug-in-Beispiele in Form von Tape-Emulationen und weiteren Doubler-Effekten, gefolgt von den entsprechenden Audiobeispielen.
„Manuelle“ Notlösung
Zur Not kann man auch mit einfachsten DAW-Tools interessante Ergebnisse erzielen. So lassen sich Kopien der Lead Vocal manuell (oder per Delay) verschieben und Pitch-Offsets per Plug-in oder Clip-Parameter eingeben. Statische Abweichungen (unmoduliert) haben häufig einen künstlichen Touch, was aber auch eine gewünschte Ästhetik sein kann. Im folgenden Audiobeispiel hört man die Lead Vocal mit zwei Kopien (links/rechts), die jeweils einen statischen Offset von ± 12 Cent und ± 18 ms (Pre-/Delay) haben:
Für authentischere Resultate lassen sich beispielsweise per Melodyne Zufallsabweichungen in Spurkopien generieren und die Synchro Arts Software Revoice Pro generiert quasi auf Knopfdruck Dopplungsspuren auf Basis einer einzigen Gesangsspur nach dem gleichen Prinzip.
Backing-Vocals: Harmonies
Workflows und Tools bei echten Harmony-Spuren
Die Vorgehensweise und auch die potentiellen Probleme sind quasi identisch mit denen echter Dopplungsspuren, was zur Anwendung der gleichen Nachbearbeitungsoptionen führt.
- Manuelles Anpassen per Wellenform (DAW)
- Manuelles Anpassen per Melodyne oder vergleichbarer Tools
- Automatisches Anpassen per VocAlign
Diese müssen hier im Detail nicht noch einmal wiederholt werden. Der Unterschied ist lediglich, dass bei Harmoniegesang Intervalle zur Hauptstimme gesungen werden, deren Tonhöhen und tonale Verläufe gegebenenfalls korrigiert werden müssen.
Bei der Anwendung von Plug-ins wie VocAlign Ultra ist darauf zu achten, dass ein entsprechender Harmony-Algorithmus angewählt wird, der nicht versucht, die Tonhöhe der Harmony dem Lead-Gesang anzugleichen.
Workflow-Tipp: Anstatt der Lead Vocal eine „perfekte“ Harmony-Spur (ggf. durch Editing-Schritt 2) als Guide in VocAlign Ultra verwenden!
Virtuelle Harmony-Spuren
Wie auch bei den Dopplungen lassen sich Harmony-Spuren künstlich generieren. Hört man sich aktuelle Chart-Produktionen an, wird man feststellen, dass es nicht zwingend darum geht, natürlich klingende Resultate zu erzeugen und dass auch Vocoder-ähnliche Chorstimmen im Mainstream angekommen sind. Die musikalische Funktion im Arrangement ist dieselbe. Aber auch natürlich klingende Resultate sind möglich und das Hard- und Software-Angebot entsprechender „Harmony-Engines“ ist groß.
Eine weitere Option zur Erzeugung von Harmonies ist das Transponieren von Kopien der Lead Vocal. Hierzu eignet sich das Melodyne-ähnliche Plug-in RePitch von Synchro Arts besonders gut, da es auch über Intervalle von mehreren Tönen eine exzellente Klangqualität besitzt!
Tools mit Vocoder-ähnlichem Workflow können in der Regel per MIDI gesteuert werden, egal ob man nun die exakten Akkordtöne spielt oder inspirierende Chord-Presets triggert. Auf diese Weise gelangt man nicht selten zu kreativen Resultaten, zu denen man „gesanglich“ wahrscheinlich nicht gelangt wäre.
In der abschließenden Bilderstrecke und den korrespondierenden Audiobeispielen dieses Workshops hört und seht ihr Beispiele künstlich erzeugter Harmonies: