Handys auf Konzerten – Wie geht man als Künstler mit Smartphones vor der Bühne um?

Ob man Konzerte besucht oder selbst spielt, sie sind leider kaum wegzudenken: Smartphones. Unsere Gesellschaft hat sich angewöhnt, alles Mögliche mit dem Telefon festzuhalten und mit der eigenen Community zu teilen – Essen, Outfits, neue Errungenschaften, Freizeitaktivitäten. Das geht bei Konzerten manchmal über ein obligatorisches “Hier bin ich gerade”-Foto hinaus und ehe man sich versieht, filmen Teile des Publikums mehrere Songs des Konzerts mit. Obwohl sich die Technik in rasanter Geschwindigkeit seit Jahren immer weiterentwickelt, ist die Bild- und Tonqualität von Konzerten nach wie vor für unser künstlerisches Empfinden nicht so schön, dass man sich gerne auf diesen Videos verlinkt sieht.

(Bild: © Shutterstock, Foto von Suprun Vitaly)
(Bild: © Shutterstock, Foto von Suprun Vitaly)

Mein Publikum die Smartphones

Mal brummt der Bass, mal sieht das Licht aus dem Filmwinkel komisch aus, in der Dunkelheit rauscht das Bild oder es ist die Ansage gefilmt worden, die man nicht unbedingt gern bei YouTube sehen möchte. Mal ganz abgesehen von dem Fall, dass man vielleicht auch mal einen nicht so guten Tag erwischt haben könnte und doch gerne selbst bestimmt, was von sich im Internet zu finden ist und was nicht. Je bekannter man wird, desto eher wird man solche Videos von sich in den sozialen Netzwerken finden. Darüber hinaus ist das Display der Smartphones auch noch eine Wand zwischen Band und Publikum. Viele Künstlerinnen uhaben das Gefühl, dass die Verbindung zum Publikum weniger intensiv ist, weil die Leute mit dem Blick auf dem Bildschirm kleben und nicht mehr richtig “dabei” sind. Mit dem Smartphone in der Hand klatscht es sich selbstredend schlechter und damit das Bild bloß nicht verwackelt, wird auf Springen und Tanzen verzichtet. Das Ergebnis: Die Band müht sich ab und animiert, was das Zeug hält – die Stimmung bleibt verhalten, weil das Publikum in Teilen gar nicht mitmacht. Ganz zu schweigen von der blockierten Sicht für die Zuschauer, die an den ganzen Handy-Armen vorbeigucken müssen.

Wie gehen die Stars mit der Herausforderung Handy um?

Einige große Künstler sind von den Smartphones auf ihren Konzerten mittlerweile so genervt, dass sie die Nutzung verbieten, darunter Kendrick Lemar, Jack White oder auch Alicia Keys.
Bei ihnen werden die Handys beim Eingang in kleine Kunststofftüten verpackt und versiegelt, sodass sie während des Konzertes nicht genutzt werden können und erst beim Ausgang wieder vom Personal geöffnet werden. Als Künstlerin oder Künstler zu entscheiden, dass Smartphones bitte draußen bleiben sollen, kann zum einen unsympathisch auf das Publikum wirken. Vielmehr ist diese zugegebenermaßen drastische Maßnahme für die meisten von uns kleinen bis mittelbekannten Künstler gar nicht umsetzbar bei kleinen Clubtouren oder Open Airs.

Ist ein Handy Verbot auf Konzerten der beste Weg?

Ich finde nein. It is what it is. Wir können die Menschen und Zeiten nicht ändern, also akzeptieren wir den Umstand erst einmal als solchen.
Eine kleine persönliche Anekdote: Ich habe vor einigen Jahren auf einem kleinen öffentlichen Open Air gespielt, relativ am Anfang meiner Künstlerinnenkarriere. Beim Soundcheck hat mich ein älterer, unangenehmer Herr angesprochen, mich Dinge über die Band gefragt und mir von einer anderen Band aus Hamburg erzählt, deren Konzert er mal besuchte. Er zeigte mir auf seinem Handy dann ein Video, das er gefilmt hatte und was sah ich: Er hat konsequent das Dekolleté der Sängerin gefilmt. Es war kein Gesicht erkennbar, nur Schlüsselbein bis Oberbauch. Ich habe mich dann von dem Herren abgewandt und dem Soundcheck gewidmet, aber als er während des Konzertes ganz vorn stand und plötzlich sein Handy zum Filmen zückte, konnte ich mir denken, was er von mir filmte.
Worauf ich hinaus möchte: Ich bin froh, dass ich dieses Material nirgendwo finden konnte und irgendwelche Schritte einleiten musste, damit dies irgendwie verschwindet. Aber ich habe mich tierisch unwohl gefühlt und könnte noch weitere Momente aufzählen, in denen ich ähnlich ungerne gefilmt werden wollte.
Wir Sängerinnen und Sänger sind auf der Bühne unglaublich angreifbar, dürfen aber nicht die Kontrolle über das Geschehen während unserer Show abgeben. Also stellt sich die Frage:

Was können wir Künstler tun, um uns auf der Bühne wohl zu fühlen?

1. Bühnenoutfit
Die Frage, was man anzieht stellt sich nicht nur für ein Foto oder Videoshooting, sondern ganz allgemein für das Geben von Konzerten. Mein erster große Tipp: Zieh dir etwas an, in dem du dich wohlfühlst!
Wenn die Hose ständig zwickt oder der Reißverschluss am Kleid aufgeht, die Schuhe zu hoch sind und das Hemd zu eng, kann man nicht gut performen. Und das sieht man der Person dann auch an.
Inspiration zum Thema Bühnenoutfit bekommst du auch in unserer Serie “Stagedesign & Bühnenoutfit”

2. Eine “Schei*egal-Haltung” entwickeln
Ist euch mal aufgefallen, dass man regelrecht automatisch posiert, wenn man weiß, dass man gefilmt oder fotografiert wird? Oder dass man manche Dinge viel besser macht, wenn man sich vermeintlich unbeobachtet fühlt?
Macht man sich ständig Gedanken darüber, dass man gefilmt werden könnte oder wie man denn dabei wohl aussähe, macht es das Konzert sehr wahrscheinlich nicht besser, sondern steifer, man büßt an Lockerheit ein. Tolle Anregungen, wie du deinen Kopf auf der Bühne ausstellen kannst, findest du hier

3. Das Publikum erziehen
Künstler wie Thees Uhlmann oder Bosse greifen zu anderen Methoden: Sie weisen ihr Publikum darauf hin, dass es ein bisschen doof ist, immer das Smartphone in der Hand zu haben. Das ist völlig legitim und oft folgt das Publikum einem netten Hinweis auch gerne. Dass das Publikum filmt, ist in erster Linie ja auch als Kompliment zu verstehen. Wie oben schon erwähnt ist es eine Krankheit unserer Gesellschaft, quasi alles festhalten und teilen zu wollen. Selten macht sich jemand im Publikum Gedanken darüber, wie oft er seine schlechten Konzertvideos mit grausiger Tonqualität zu Hause in Ruhe anguckt (in den allermeisten Fällen nämlich gar nicht) und dafür weniger aktiv beim Konzert “dabei” ist. So kann ein charmanter Wink mit dem Zaunpfahl Wunder bewirken.

4. Smartphones kreativ in die Show einbinden
Früher waren Feuerzeuge, heute sind es die Taschenlampen am Handy! Im unten verlinkten Video zeigt Adele in beeindruckend persönlicher Weise, wie man Smartphones auch wunderschön einbinden kann. Ich habe das selbst schon einige Male bei Konzerten gemacht und das Publikum sowie ich als Künstlerin haben großen Spaß daran.

>>> Adeles Gruß an Amy Winehouse

5. Smartphones als Chance begreifen

Wir müssen die Kirche vielleicht auch etwas im Dorf lassen, ein Bruchteil der Videos, die gemacht werden, landet irgendwo im Internet. Oft bleiben die Videos aber Datei-Leichen auf dem Handy oder werden an Freunde geschickt. Alles, was aber irgendwie geteilt wird, bringt natürlich auch die Chance, neue Leute zu erreichen. Eine Erwähnung in der Instastory oder ein Post bei Instagram mit Verlinkung kann euch bekannter machen. Und darüber hinaus könnt ihr nach Konzerten eure Follower nach schönen Fotos und Videos fragen, die Fanbindung stärken und gleichzeitig neuen Content generieren.

6. Grenzen ziehen

Dass gefilmt wird, muss nicht bedeuten, dass es einen Freifahrtschein für alles gibt. Wir alle kennen hektische Soundchecks mit bereits vor der Bühne stehenden Lokal-Reportern oder schlechte Backstage-Bedingungen. Bei Clubkonzerten kann man als Künstler*in durchaus ein paar Regeln aufstellen, die in den Rider aufgenommen werden könnten. Das Filmen und Fotografieren backstage und beim Soundcheck zu untersagen, ist total legitim und wird ohnehin nicht besonders viele Leute vor den Kopf stoßen, sondern nur die, die nicht verstehen, dass Filmen in diesen Situationen unangebracht ist.
In diesem Sinne: Viel Spaß beim nächsten Konzertfilm!

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(Bild: © Shutterstock, Foto von Suprun Vitaly)

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von nina.graf

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