Der Cherry Audio CR-78 emuliert die Roland CR-78 Drum Machine. Tatsächlich deuten die beiden Ziffern auf das Erscheinungsjahr hin, während das CR für „CompuRhythm“ steht. Vor den Kult-Maschinen TR-808 und TR-909 brachte Roland mit dem CR-78 seinen allerersten Drum-Computer heraus, der schließlich auch Musikgeschichte schrieb: Ein Paradebeispiel ist der Hit „In the Air Tonight“ von Phil Collins. Sein Intro bringt diesen besonderen Sound noch heute Millionen von Hörern nahe. Solltet ihr diese erste programmierbare, mikroprozessorgesteuerte, analoge Beatbox trotzdem nicht kennen, ist das halb so tragisch: Das Bonedo-Feature informiert euch über die wichtigsten Eigenschaften der kleinen Vintage-Box.
Bislang haben wir schon ziemlich viele emulierte Synthesizer und Effekte von Cherry Audio getestet. Mit dem CR-78 erfüllt sich nun endlich unser sehnlichster Wunsch: Wir dürfen die erste virtuelle Drum Machine der Kaliforniern ausprobieren.
Wie bei Cherry Audio üblich präsentiert sich auch diese Emulation als Schnäppchen. Die zusätzlichen Features machen das Plugin gegenüber dem Original klanglich flexibler und auch von der Bedienung viel angenehmer. Bislang gab es nur viele Samples und ein paar Anläufe, die CR-78 in die DAW zu bekommen. Schafft Cherry Audio nun den großen Trommelwirbel?
DETAILS & PRAXIS
Grooven mit dem Cherry Audio CR-78
Das Main Panel ist für die eigentliche Beat-Programmierung vorgesehen. Nur auf den ersten Blick ähnelt die Emulation der originalen Drum Machine – tatsächlich verbirgt sich dahinter aber eine übliche Step-Programmierung mit 16 Schritten (wahlweise auch mit 24 Schritten für troische Muster). Auf diese Weise sind Grooves mit diesem Plugin relativ einfach erstellt. Der CR-78 läuft bereits beim ersten Start synchron zur DAW. Akzentuierungen setzen, den Groove anshuffeln, einzelne Patterns eingeben oder kopieren – diese und andere Handgriffe nimmt man im User Play Mode vor.
Für dich ausgesucht
Im Song-Mode fügt man bis zu 99 User Pattern aneinander und gibt sie in einer bestimmten Folge wieder. Der Start und das Ende der bis zu 99 Schritte definiert ihr per End und Loop Step. Wer möchte, kann auch Variation Fills programmieren. Hier muss man nur beachten, dass sie innerhalb eines Songs nicht funktionieren. Es ist wie bei der Drum Machine als Live-Performance-Tool gedacht. Eine Fade-Sektion zum Ein- und Ausblenden von Pattern und Songs rundet das Main Panel ab.
Klänge des CR-78 editieren
Im zweiten Panel Mode „Voice Edit“ können wir die Sounds bearbeiten. Der Cherry Audio CR-78 basiert nicht auf einfachen Samples. Die einzelnen Drumsounds (Bass und Snare Drum, Rim Shot, Hi-Hat, Cymbal sowie verschiedene Percussion-Instrumente) werden modelliert und können daher anders als beim Original auch klanglich geformt werden.
Für Kick und Snare gibt’s direkt auf dem GUI vier Parameter: Dazu gehören Pitch und Decay, wie bei fast allen Instrumenten, sowie Click/Tone, Click Bright beziehungsweise Click Level und Noise Color. Dieses Angebot sieht zwar auf den ersten Blick nicht so spektakulär aus – überzeugt zusammen mit den Effekten des Cherry Audio CR-78 dafür aber beim Sounddesign.
Mix und Effekte
Auf dem letzten Panel „Effects/Mixer“ landen wir selbsterklärend auf dem Mischpult mit seinen 14 Kanälen und den vier einzelnen Effektblöcken. Overdrive, Flanger, Delay (Digital, Tape, PingPong) und Reverb (Spring, Room. Plate, Galactic) sind allesamt parametrisierbar und lassen sich den 14 Instrumenten individuell zuführen. Die Summe wird per Kompressor und 6-Band-EQ druckvoll und transparent.
Das alles ist sehr praktisch eingerichtet und klanglich ziemlich gelungen. Die internen Effekte muss aber nicht unbedingt verwenden. Alternativ gibt es eine Multi-Out-Version, über die man die Drumsounds individuell in den Mixer der DAW einspeisen kann.
Einfach bedienbar
Das skalierbare GUI des Cherry Audio CR-78 kommt auf dem Bildschirm schön nostalgisch rüber. Editieren lassen sich alle Bereiche auch sehr gut. Wer einzelne Funktionen noch größer sehen möchte, nutzt einfach das Zoom-In-Feature.
Zum Glück hat Cherry Audio nicht das komplizierte und eingeschränkte Beat Programming von der originalen CR-78 übernommen. Der Nachbau übertrifft sein Vorbild stattdessen mit einer typischen Schritt-Programmierung im X0X-Style und einem zusätzlichen Pattern-Song-Modus. So sind Grooves bekanntermaßen im Handumdrehen kreiert. Auf Wunsch kann man sie aber auch als MIDI-Noten direkt per Drag-and-drop ins Arrangierfenster der DAW ziehen und dort einfach kopieren oder variieren. Aber natürlich will das Main Panel auch in der Praxis verstanden sein. Bei den ersten Schritten hilft der praktische Online-User-Guide.
Der CR-78 überrascht klanglich
Der Basisklang der Cherry Audio CR-78 präsentiert sich grundsätzlich druckvoll, präsent und lebendig. Ein kleiner Dämpfer: Der Hersteller hat alle 34 Preset-Rhythmen von der originalen Maschine übernommen. Darauf werden aber wohl höchstens Unterhaltungsmusiker mit viel Liebe zur Nostalgie abtanzen. Viel spannender sind die neuen Kreationen. Beeindruckend wird es vor allem in den Kategorien „Songs“ und „Soundscapes“. Sie zeigen, dass man hiermit auch Arrangement-Strukturen aufbauen kann und dass das Plugin doch über analoge Retro-Beats hinausgeht. Wer es drauf hat, kann damit vielleicht sogar einen instrumentalen Track produzieren.
Wir wollen nicht lange um den heißen Brei reden. Es macht viel Spaß, die umfangreiche Preset-Liste kategorisch zu durchforsten und sich spontan zu neuen Projekten hinreißen zu lassen. Einige unsere Favoriten haben wir direkt für die Audio-Demos aufgenommen. Gut? Ja, und es wird auch nicht langweilig. Mit einem optionalen Pack („The Compu-Rhythms Preset Pack“) sorgt Cherry Audio bereits für Nachschub.
FAZIT – Cherry CR-78 Test
Der CR-78 ist eine gelungene Premiere, die fünf Sterne verdient hat. Cherry Audio trommelt vielversprechend und zieht in der Sparte der Drum Machines hoffentlich bald mit weiteren Produkten nach. Auch ein eigenes Instrument-Design mit Sample-Import käme sicher gut an.
Die Sounds und Beats des CR-78 passen wunderbar zu Retro-, Synth-Pop- und LoFi-Producern. Auch für Techno, House und andere, etwas aktuellere Sparten lohnt es sich, die Demo-Version zu probieren. Dank der üppigen Preset-Offerte gelangt man schnell zum Groove, wobei das Handling leichter von der Hand geht als bei der originalen Hardware.
Insgesamt zeigt sich der Cherry Audio CR-78 als neue Referenz und lässt das alte Drum-Machine-Konzept fast schon zur Groovebox werden. Bitte mehr davon!
- Bislang beste Interpretation der Roland CR-78
- Weit mehr als eine klassische Drum Machine
- Spielbare Synth-Klänge wie bei Groove-Boxen
- Einfache Bedienung
- Praktischer Mixer mit guter Effektsektion
- Gelungene und inspirierende Preset Library
- Kostengünstig
- kein Contra
Features
- Emulation des Roland CR-78 von 1978
- Modellierte Sounds, keine Samples
- 16- oder 24-Step-Programmierung
- Swing-Parameter
- Song-Mode mit bis zu 99 Patterns und 99 Steps pro Song
- Flexibles Kopieren von Patterns und Instrumenten
- Alle Sounds im Pattern-Mode einzeln adressierbar
- Drei Panel-Benutzer-Interface: Main, Voice, Effects/Mixer
- Effekte (Overdrive, Flanger, Delay, Reverb)
- Umfangreiche Library mit über 280 Presets
- Originale Factory Presets des Roland CR-78
- Skalierbares GUI, Zoom-In Feature
- Drag-Export von Patterns
- Demo-Version (für 30 Tage)
- PREIS:49,- Euro
Wellenstrom sagt:
#1 - 15.02.2024 um 23:56 Uhr
Ich kann den positiven Gesamteindruck nur bestätigen. Gut zu bedienen, fügt sich perfekt in einen aktuellen Track ein. Eine klangliche Augenweide.
Matthias Sauer sagt:
#1.1 - 16.02.2024 um 09:13 Uhr
Danke, Wellenstrom! Man könnte noch mehr ins Detail kennen ... aber: CR-78 ist insgesamt sehr gelungen! Freue mich schon, einen Track damit zu produzieren :)
Antwort auf #1 von Wellenstrom
Melden Empfehlen Empfehlung entfernenEDL sagt:
#2 - 17.02.2024 um 11:46 Uhr
Warum es wünschen wert sein sollte, dass man in einem Analog Drum Plug-in nun Samples integrieren sollte (wie im Artikel erwähnt), erschließt sich mir überhaupt nicht. Alles was man sich über die Analog-Sounds hinaus wünscht, lässt sich in der DAW erledigen, denn das CR-78 verfügt über Midi-Drag'n'Drop und separate Ausgänge für die einzelnen Sounds.
Matthias Sauer sagt:
#2.1 - 17.02.2024 um 17:59 Uhr
Zusätzlich Samples zu importieren, wäre bei der CR-78 zu viel verlangt. Aber vielleicht bringt Cherry Audio noch eine weitere virtuelle Drum Machine, die auf Samples basiert. Hätte nix dagegen und würde sie auch gern testen ;)
Antwort auf #2 von EDL
Melden Empfehlen Empfehlung entfernenWellenstrom sagt:
#3 - 24.02.2024 um 20:30 Uhr
"Der Hersteller hat alle 34 Preset-Rhythmen von der originalen Maschine übernommen. Darauf werden aber wohl höchstens Unterhaltungsmusiker mit viel Liebe zur Nostalgie abtanzen." Mit Verlaub, ... nope! Habe z.B. für meinen aktuellen Song "Rock 3" mit "Bossa Nova" kombiniert. Groovt nach meinem Empfinden immer noch wie Sau. Außerdem bietet es sich auch immer an, das wiederum mit anderen Rhthmen anderer Drums zu mischen. Was ich z.B. auch gemacht habe für den Song. Die alten Presets machen durchaus Sinn... und das schreibe ich als jemand, der ansonsten NIE mit vorgegeben Pattern arbeitet.