Einer der beliebtesten Sounddesign-Audioeffekte erhält ein gewaltiges Update: Zynaptiq Morph 3 kommt mit neuen Morph-Algorithmen, einem Modeler-Modul, durch das das Plugin ganz ohne Sidechain-Routing funktioniert, und eine rundumerneuerte Oberfläche. Wie der Extrem-Effekt klingt, was der Granular-Modeler bringt, und was sonst noch alles neu ist, haben wir getestet.
Checkliste zum Kauf von Zynaptiq Morph 3 Pro
- Kreativer Audioeffekt zum Verschmelzen zweier Audiosignale
- 11 Algorithmen, sechs davon neu, die auf unterschiedliche Art zwei Signale „morphen“
- Zwei Audiosignale mischen durch Sidechain-Routing
- Modeler-Modul: Statt Sidechain-Signal Audio-Dateien direkt in Morph 3 laden, spektral verändern und mit Quellsignal morphen
- Transient-Modul zum „Schützen“ der Transienten
DETAILS & PRAXIS
Was Zynaptiq Morph 3 so besonders macht
Da wir den Vorgänger nicht im Test hatten, erklären wir kurz, was Zynaptiq Morph 3 so besonders macht. Schließlich braucht man doch keinen Effekt, um zwei Audiosignale zu mischen? Das geht doch in jeder DAW ganz ohne VST, und zwar auf mehrere Arten? Ob links und rechts im Stereo-Panorama, gleichzeitig mit angepassten Lautstärken oder verschwommen in einem gemeinsamen Reverb: Hier gibt es bereits genug Möglichkeiten. Morph geht allerdings darüber hinaus.
Schon in Morph 2 war es so, dass man zwei Audiosignale durch fünf verschiedene Algorithmen auf unterschiedliche Arten spektral mischen konnte. Das führte zum Beispiel dazu, dass man einen Drum Loop, den man vorher mit einem Synth Pad gemischt hat, im Rhythmus des Beats hüpfen lassen konnte. Genauso konnte man eine Gesangslinie mit einem Trompetensolo morphen – und schon klang der Gesang wie eine Trompete. Das, was bereits Vocoder wie etwa der grandiose Orange Vocoder IV von Zynaptiq leisten, brachten Morph und Morph 2 auf ein neues Level.
Zynaptiq Morph 3 und Morph 3 Pro treiben das Ganze auf die Spitze: Mehr Morph-Algorithmen, eine rundumerneuerte, an den Orange Vocoder angelehnte Oberfläche, ein neues Modeler-Modul und ganz viele kleine neue Verbesserungen sind dabei. Wie für alle anderen Effekte der Hannoveraner gilt auch für Morph 3: Normal klingt hier nichts.
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Wir morphen erste Sounds im Test von Zynaptiq Morph 3
Als Besitzer des Vorgängers bekam man von Zynaptiq Anfang April die Möglichkeit, eine Vorabversion von Morph 3 Pro zu testen. Die Firma erklärt, dass diese bereits alle Features enthält und dass bis zum Release nur noch mit Detailverbesserungen zu rechnen sei. Allerdings fehlen bis auf wenige Beispiele in dieser Version die Presets. Um so besser, mehr Platz für eigenes Sounddesign!
Das grundsätzliche Setup von Morph war schon immer so, dass man den Audioeffekt auf eine Spur gelegt und dann per Sidechain eine zweite Spur in das Plugin geroutet hat. Wie das genau geht, unterscheidet sich je nach DAW so stark, dass ich den Workflow hier nur beispielhaft mit Ableton beschreiben kann.
Morph 3 lade ich auf eine Spur mit einem Vocal-Loop. In der Effektkette sieht man das Plugin samt Sidechain-Bereich. Dort wähle ich eine zweite Spur aus, auf der auch etwas zu hören sein soll, zum Beispiel ein Drum-Loop. Denn das ist zum Grundverständnis wichtig: Morph braucht immer zwei Signale, damit es als Effekt überhaupt funktioniert.
Die 11 Algorithmen und das X/Y-Pad
Die Ausrichtung der beiden Ebenen des X/Y-Pads in der Mitte von Zynaptiq Morph 3 muss man sich verinnerlichen, um das Plugin auch wirklich nutzen zu können: Auf der x-Achse ereignet sich ein reiner Lautstärke-Crossfade zwischen Quelle und Sidechain. Auf der Y-Achse wird dann spektral gemorpht. Damit erzeugt man allein durch die Automation der X- und y-Achse jede Menge kreativer Zwischenüberlappungen und Vermischungen beider Signale.
In Morph 2 waren fünf Algorithmen zum Morphen dabei: Classic, Interweave, Tight, Classic (LL) und Interweave (LL). Sie unterschieden sich weniger in der Qualität als vielmehr im geeigneten Quellmaterial und in der Latenz. Alle fünf sind auch in Morph 3 dabei. Dazu gibt es sechs neue Algorithmen, vier in der Standardversion und zwei weitere in Morph 3 Pro.
Interweave V3 verzerrt beim Morphen weniger harmonisch im Vergleich zum gleichnamigen Morph-Algorithmus des Vorgängers. Dazu laufen Imprint Smooth und Imprint Crystal quasi ohne Latenz und eignen sich außerdem beide besonders gut für Morphing von perkussivem Material. Bei Enharmonic kommt ein patentiertes, Osmosis genanntes Morph-Verfahren zum Einsatz, das bei zwei temposynchron laufenden Loops ein akustisches „Durchsickern“ erzeugt.
In der Pro-Version sind dazu noch die Algorithmen Fusion und Sonance dabei. Bei Fusion klingen die Morph-Ergebnisse mit am besten. Die „schönen“ Artefakte vieler anderen Morph-Algorithmen fehlen hier fast gänzlich. Die bekommt man bei Sonance, der Signale beim Morphen fast so sehr verwäscht wie ein Reverb, noch und nöcher.
Der Modeler – Zynaptiq Morph 3 ganz ohne Sidechain!
Die größte Neuheit neben den sechs Algorithmen ist der Modeler. Man scheint sich bei Zynaptiq gefragt zu haben, ob es keine Möglichkeiten gibt, das doch recht komplexe Plugin zu vereinfachen. Und sind wir mal ehrlich: Sidechain-Routing beherrscht man zwar mit etwas Übung auch in der DAW. Einfacher wäre es doch aber, wenn man zum Mischen ein zweites Audiosignal direkt im Plugin nutzen könnte.
Zynaptiq wäre nicht Zynaptiq, wenn man es bei einem simplen Audio-Player belassen würde. Hier wird das Audiomaterial schon vor dem Morphen zu vier verschiedenen Abspielweisen (fünf in der Pro-Version) verwurstet: Einmal kann man die geladene Audiodatei einfach im Loop abspielen lassen. Dann gibt es drei sogenannte „Style Transfer“-Modi namens RMS, Peak, und Spectral. Diese zerschneiden und granulieren das Audiomaterial und erzeugen daraus neue Sounds – um es einmal sehr vereinfacht darzustellen.
Dazu gibt es in der Pro-Version noch einen Custom-Modus. Er zerschneidet eine Audio-Datei von allen drei „Style Transfer“-Modi gleichzeitig an den gewünschten Stellen zerschneiden und setzt sie neu zusammen. Wem das alles etwas kryptisch erscheint: Mit dem Modeler avanciert Morph 3 zum abgefahrensten Vocal-Tool, das ich bisher gehört habe.
Legt man das Plugin zum Beispiel auf eine Spur mit Sprachaufnahmen und lädt im Modeler die Aufnahme eines Türquietschens, dann klingt es mit etwas Feinarbeit so, also würde das Quietschen sprechen – abgefahren!
Bessere Resultate dank Transient- und Formanten-Modul in Zynaptiq Morph 3
Neben neuen Algorithmen und dem Modeler hat man Zynaptiq Morph 3 noch eine ganze Reihe an neuen, nützlichen Features verabreicht. Wer zum Beispiel den Vorgänger kennt und länger damit gearbeitet hat, wird wissen, wie schmal der Grat ist, ab dem ein Signal zu undeutlich klingt, wenn man es durch Morph jagt.
Mit dem Transient-Modul leitet Morph 3 die Transienten beider Signale VOR dem Morphen am Morph-Modul vorbei und mischt sie danach wieder hinzu. Sehr praktisch, um Drum Loops perkussiver klingen zu lassen, Konsonanten in Sprachaufnahmen deutlicher hervorzuheben und das Resultat weniger verwachsen klingen zu lassen.
Dankenswerterweise hat Zynaptiq seiner Morph-Wundertüte auch einen optional zuschaltbaren Limiter spendiert. So schützt man sich per Knopfdruck vor dem Übersteuern. Zum kleinen Mixer und dem hervorragend klingenden Reverb sind in der Pro-Version zu allen vier Kanälen je ein stufenloser High- und Low-Pass-Filter dazugekommen. Das ist sehr praktisch, um effektierte und unbearbeitete Signale auf verschiedene Frequenzbereiche zu verteilen.
FAZIT
Zynaptiq Morph 3 hat mir als Effekt-Aficionado sehr viel Spaß gemacht und mich zu so vielen Sounddesign-Eskapaden verleitet wie lange kein Audioeffekt. Mit MMorph von Melda, Transmutator von United Plugins und einigen Max-for-Live-Devices gibt es zwar auch andere Tools für extremes Sounddesign, die zwei Signale morphen, doch reicht keines an die Vielseitigkeit von Morph 3 heran.
Ich hoffe allerdings sehr, dass das Plugin zum Release noch etwas stabiler läuft und Zynaptiq noch mehr Presets beilegt. Da beides aber (hoffentlich) nur auf die Vorabversion zutrifft, kann ich es fairerweise nicht als Minuspunkt werten.
Features
- Audioeffekt zum spektralen Vermischen zweier Audiosignale
- Morphing der zwei Signale über Sidechain-Routing oder internes Modeler-Modul
- 11 Morphing-Algorithmen: Classic, Interweave, Tight, Classic (LL) und Interweave (LL) aus Morph 2. Neu dabei: Interweave V3, Imprint Smooth, Imprint Crystal, Enharmonic, Fusion (Pro), Sonance (Pro).
- Modeler-Modul: Eigene Audio-Dateien direkt in Morph 3 als zweite Audioquelle laden. Fünf Abspiel-Modi: Loop, RMS, Peak, Spectral, Custom (Pro)
- Transient-Modul zum automatischen Umleiten der Transienten vor dem Morphen
- Formant-Modul: zwei Oktaven hoch- und runterstimmbare Formanten
- Mixer: Mischverhältnisse der vier Module (Quelle A, Quelle B, Modeler, Morph-Signal) einstellen, High- und Low-Pass-Filter für jedes Modul (nur Pro), Reverb-Modul
- PREISE
- Zynaptiq Morph 3: EUR 179,- (Straßenpreis 22.04.2024)
- Zynaptiq Morph 3 Pro: EUR 179,- (Straßenpreis bis 22.04.2024, danach 309,- Euro)
- Update zu Morph 3: 79,- Euro für Besitzer von Morph 2
- Update zu Morph 3 Pro: 79,- Euro für Besitzer von Morph 2 (169,- Euro ab 22.04.2024)
- neue Algorithmen erlauben noch realistischeres Vermischen zweier Signale
- extreme Monsterstimmen-Effekte durch das Modeler-Modul
- Transient-Modul „schützt“ Drum-Loops
- integrierter Limiter
- (noch kaum Presets)