Die Geräte aus Drawmers 1970er Serie erfreuen sich – nicht zuletzt dank innovativer Features und ihres hervorragenden Preis-Leistungsverhältnisses – großer Beliebtheit. Mit dem 1971 Dual Parametric Equaliser haben wir den aktuellen Neuzugang im Test. Drawmer vermarktet den 1971 als flexiblen EQ mit Vintage-Charakter, der sowohl für sanftes Shaping im Mastering geeignet ist als auch für herzhafte Klangformung einzelner Signale. Eine Drawmer-Innovation ist der „Crush“-Button, mit dem pro Band und Kanal ein Kompressor mit fixen Parametern und Auto Makeup zugeschaltet werden kann. Außerdem fügt er harmonische Obertonsättigung hinzu und soll laut Drawmer das Signal anfetten, verdichten und mit etwas Sheen und Shimmer versehen. Klingt spannend.
Quick Facts zum Drawmer 1971
- parametrischer Dual-Mono-Equalizer im 19“-Format
- vier Bänder
- variable Hoch- und Tiefpassfilter
- zuschaltbares „Crush“-Setting pro Band und Kanal
Tradition seit 42 Jahren
Der Name Drawmer mag nicht dasselbe Gewicht haben wie SSL oder Neve, den britischen Hersteller mit dem unverwechselbaren Look darf man aber guten Gewissens als Traditionsunternehmen bezeichnen. 1982 startete Ivor Drawmer (der 2023 verstarb) sein Unternehmen mit dem legendären DS201 Dual-Gate, das bis heute im Portfolio des Herstellers ist und vor allem in der Livebranche fast schon als Industriestandard bezeichnet werden darf.
Die 1960er Serie von Drawmer brachte in den 80ern den Sound begehrter (und teurer) Vintage-Röhren-Geräte in die Reichweite kleiner Homestudios. Seine Designs waren dabei original, smart durchdacht und am Puls der Zeit. Mit Aufkommen der digitalen Aufnahmetechnik kreierte Drawmer die 1970er Serie, die nicht mehr auf Röhren-, sondern auf FET-Schaltungen basiert und warmen analogen Sound zu bezahlbaren Preisen verspricht. Geräte wie den 1973 Multiband-Compressor (inzwischen auch als Plug-in von Softube erhältlich) darf man wohl getrost Klassiker nennen.
Drawmer 1971: Unboxing
Ich habe seit vielen Jahren den Drawmer 1978 Tone Shaping Fet Compressor im Rack, der in 99% meiner Mixe auf Drums und Bässen absolut zuverlässig und überzeugend seine Dienste verrichtet. Insofern war ich freudig gespannt auf den 1971 EQ. Erstmal macht alles einen vertrauten Eindruck: Schlichte Verpackung, das so nüchterne wie ikonische schwarz-weiße Geräte-Design mit den gelben Potischeiben. Firlefanz sucht man an Drawmer-Geräten vergeblich. Anders wären die Preise wohl auch nicht machbar, denn Drawmer rühmt sich mit dem Slogan „still hand-built in the UK“.
Leider entpuppt sich dieses Versprechen schon auf den zweiten Blick nicht als unbedingtes Qualitätsmerkmal. Zwar sind alle Potis gerastert, was schnellen Recall speziell im Mastering ermöglichen soll – aber das bringt natürlich was, wenn die Potis auch einigermaßen mit den Markierungen übereinstimmen. Ausgerechnet die Markierungen der beiden Inputpotis weichen so voneinander ab, dass ich erstmal unsicher bin, ob ich wirklich den gleichen Wert eingestellt habe (Übrigens: Wer genau hinsieht, entdeckt dieses Phänomen auch beim abgebildeten Exemplar auf der Drawmer-Webseite).
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Einen Equalizer richtig einstellen lernen könnt ihr hier. Bei der Benutzung des EQs werden diese Dinge häufig falsch gemacht.
Nachtigall, ick hör dir testen!
Mit inaktiven Bändern schicke ich also erstmal einen Testton durch das Gerät und stelle fest: Ja, ich habe offenbar den gleichen Wert eingestellt. Aber: das Matching ist nicht überzeugend. 0,4 dB Abweichung zwischen links und rechts sind sicher noch tolerabel, für Stereo-Mastering aber definitiv zu viel. Und: Mit einem -18dBFS-Sinuston (Standard-Referenzpegel in den meisten Studios) komme ich mit keiner Einstellung von Input und Output auf Unity Gain, da die Potis eben in festen Schritten gerastert sind. Da ich aber jetzt endlich wissen will, wie der 1971 klingt, lasse ich meine Ohren entscheiden und wähle als „Unity-Gain“ einen Click (die Position ist nicht beschriftet, erst der nächste Click sagt „-3“) unter 0 dB im Output.
Let’s rock
Los geht’s: Zunächst jage ich meinen aus anderen Tests bekannten Rocktrack durch die schwarze Kiste. Einmal bypasse ich den Drawmer in der DAW, einmal am Gerät, um zu checken, ob der 1971 trotz True Hardware Bypass von sich auch schon etwas Sound macht. Die schnelle Antwort: Ja, das tut er, vor allem in den Höhen. Man muss aber schon seeeeehr genau hinhören. Eine „Mojo-Box“ mit ist er definitiv nicht.
Danach nehme ich den Drawmer aus dem Bypass und beginne mit dezentem EQ’ing. Um das Low End etwas konkreter zu machen, filtere ich bei 35 Hz, wähle in den Bässen das Peak-Setting bei ca. 100 Hz und booste 2 dB. Bei 500 Hz cutte ich etwas Mulm recht schmalbandig 2 dB, bei 830 Hz booste ich breitbandig 2 dB, um Bass und Gitarren nicht zu „kalt“ werden zu lassen und gebe obenrum 2 dB bei 5 kHz dazu (mit 6 dB Flankensteilheit). Zu guter Letzt setzte ich den Tiefpass (der am Gerät High Cut heißt) bei 20 kHz an, um es schön rund zu halten. Das Ergebnis ist subtil, aber überzeugend und entspricht einem dezenten Mastering-Eingriff.
Der rote Knopf
Da Drawmer im Manual darauf hinweist, dass der EQ möglichst viel Headroom (der intern übrigens mit +21 dBU angegeben ist) haben soll, lasse ich Input und Output so stehen. Jetzt wird es nämlich endlich Zeit, den roten Knopf zu drücken. Herzhaft aktiviere ich das Crush-Setting in allen Bändern und verstärke die Boosts in Bässen, hohen Mitten und Höhen von 2 auf 5 dB. Wir wollen ja schließlich auch „watt hören, woll?“. Und das tun wir auch. Der Track gewinnt an Größe und Dichte und natürlich auch an Lautheit. Vor allem die Gitarren erhalten einen deutlichen Schub und nehmen mehr Raum ein. Das gefällt!
Drawmer 1971: Slope & Crush
Als nächstes nehme ich meinen ebenfalls aus anderen Tests bekannten Elektronik-Loop. Hier die EQ-Einstellungen des ersten Beispiels: Filter bei 18 Hz, +3dB bei 80 Hz (Flankensteilheit 12 dB), +3dB breitbandig bei ca. 440 Hz (Güte 2,8 Oktaven), +3dB bei ca. 2,2 kHz (Güte 2 Oktaven), +5 dB bei 5 Khz (Flankensteilheit 6 dB). Für das zweite Beispiel möchte ich gezielt nochmal die „Slope“-Optionen für die Flankensteilheit in den Bässen und Höhen checken. Laut Drawmer sollen sie einen unterschiedlichen „Fokus“ ermöglichen. Unten rum gehe ich von 12 dB auf 6 dB, oben rum von 6 auf 9 dB. Der Unterschied ist in beiden Fällen deutlich und offenbart das Klangformungspotenzial, vor allem im Bassbereich.
Ein EQ sieht rot!
Ihr ahnt, was folgt: natürlich, der rote Knopf. Mal schauen, wie weit wir gehen können. Diesmal „crushe“ ich allerdings nur beide Mittenbänder und die Höhen, um den für diese Musik so wichtigen Bassbereich clean zu lassen. Außerdem erhöhe ich wieder alle Boosts: Bässe von +3dB auf +5dB, beide Mittenbänder und Höhen von +3dB auf +7dB, um sie noch stärker in die Crush-Sättigung zu fahren. Die „Slopes“ switche ich wieder zurück auf 12 dB in den Bässen und 6 dB in den Höhen. Das Ergebnis klingt offen, satt und crunchy. Mehr Sättigung wäre mir dann aber auch zu viel.
Delikates Material mit dem Drawmer
Zum Abschluss krame ich mein etwas ruhigeres Test-Instrumental hervor, um den Drawmer auch auf delikaterem Material zu checken. Diesmal beziehe ich die Crush-Funktion direkt mit ein. Im ersten Beispiel lauten die Settings: +2 dB bei 125 Hz (Flankensteilheit 9 dB), +2 dB bei ca. 220 Hz (Güte 1,5 Oktaven) mit Crush, -2 dB bei 1,7 kHz (Güte 1 Oktave), +3 dB bei 1,2 kHz (Flankensteilheit 6 dB), Filter bei 14 kHz. Im zweiten Beispiel experimentiere ich wieder mit den Slopes für die Flankensteilheit: unten gehe ich auf 6 dB, oben auf 12 dB. Der Unterschied ist wieder klar hörbar und macht einen musikalischen Unterschied, achtet vor allem auf das Frequenzspektrum der Hi-Hat.
Test des Drawmer 1971: Fazit
Der Drawmer 1971 ist ein gut klingender analoger EQ mit vielen, aber nicht zu vielen Optionen zur Klangformung. Eine analoge Mojo-Box mit süßem Boxtone ist er nicht. Das innovative Crush-Feature ist kein universeller „Bettermaker“, trotz mangelnder Einstellungsmöglichkeiten aber absolut musikalisch und in vielen Fällen sicher eine gute Wahl. Dass es pro Band schaltbar ist, war eine smarte Entscheidung der Designer. Auch die verschiedenen Slopes für die Flankensteilheit in Bässen und Höhen bringen eine Menge Sound-Potenzial mit. Das Gerät ist sauber verarbeitet und macht haptisch einen soliden und wertigen Eindruck. Ein Kritikpunkt ist die suboptimale Abstimmung einiger Potikappen sowohl mit den Markierungen der Drawmer-typischen gelben Unterleger als auch mit den gerasterten Markierungen am Testexemplar. Da das Matching beider Kanäle auch nicht atemberaubend ist, hätte ich unterm Strich sogar bevorzugt, dass Input und Output gar nicht oder zumindest feiner gerastert sind – so hätte ich wenigstens für links und rechts gleichen Pegel und Unity Gain einstellen können. Für kritische Mastering-Anwendungen könnte das Testexemplar so nur eingeschränkt empfohlen werden.
- parametrischer 4-Band-EQ mit zwei Kanälen
- 2 XLR Ein- und Ausgänge
- interner Headroom: +21 dBU
- Bypass pro Band und Kanal und für das ganze Gerät
- CRUSH-Feature pro Band und Kanal schaltbar
- variable Hoch- und Tiefpassfilter von 10 bis 225 Hz und 4 bis 32 kHz
- Pegelhub pro Band: +/- 12 dB
- Low Frequenzen: 35 bis 700 Hz
- Low Flankensteilheit: 6, 9, 12 dB Peak
- Low-Mid Frequenzen: 55 bis 2100 Hz
- Low-Mid Bandbreite: 0,33 bis 3,3 Oktave
- High-Mid Frequenzen: 400 bis 14000 Hz
- High-Mid Bandbreite: 0,33 bis 3,3 Oktave
- High Frequenzen: 1200 bis 20000 kHz
- High Flankensteilheit: 6, 12 dB
- hergestellt in: Großbritannien
- Webseite: drawmer.com
- Preis: € 1599,– (Straßenpreis am 30.7.2024)
- gute Verarbeitung
- durchdachtes Design mit vielen, aber nicht zu vielen Klangformungsoptionen
- Crush-Feature klingt in vielen Fällen überzeugend und wertet das Signal auf
- Ausrichtung einiger Potis zu gerasterten Markierungen nicht optimal, Stereo-Matching könnte besser sein
Berry sagt:
#1 - 19.08.2024 um 13:25 Uhr
Sehr informativer Test. Angesichts des Anspruchs des Herstellers halte ich die angeführten Contras für relevant...