Die Erfolgsgeschichte des 2011 in Michigan/USA gegründeten Quartetts Vulfpeck ist wirklich bemerkenswert. Gestartet sind sie zunächst mit LoFi-Videos aus Mutters Keller und haben sich dank YouTube innerhalb von nur wenigen Jahren eine weltweite Fangemeinde erspielt. Erstaunlich daran ist, dass Vulfpeck dies nicht mit breitenwirksamer Popmusik, sondern mit jazzig-funky angehauchten Instrumentalstücken gelang. Ihr Bassist Joe Dart ist dabei so etwas wie der heimliche Star der Band. Das liegt sicher daran, dass Vulfpecks Musik immer gut hörbare bis dominante Basslinien hat. Zum anderen trägt aber auch ein Song namens “Dean Town” dazu bei, welcher innerhalb kurzer Zeit für Furore vor allem bei Bassisten:innen gesorgt hat und sich unaufhaltsam der 17-Millionen-Marke (!) auf YouTube nähert! In diesem Bass-Workshop nehmen wir “Dean Town” detailliert unter die Lupe!
Ist “Dean Town” die Bass-Hymne der Neuzeit?
Jede Bassist:innen-Generation hat ja bekanntlich ihre eigenen Bass-Hymne(n). Für die Älteren unter uns war das z.B. Stanley Clarkes “School Days”, Larry Grahams “Hair” oder Jaco Pastorius’ “Teen Town”. Vor dem Letztgenanntem macht “Dean Town” eine tiefe Verbeugung, was man allein schon anhand des Namens erkennen kann.
Ihm gelangt dabei ein Kunststück, dass selbst Jaco verwehrt blieb: Durch das Verpacken eines rhythmisch wie melodisch virtuosen Themas in einen absolut tanzbaren und charttauglichen Disco-Groove erreicht er ein junges und breites Publikum, dass frenetisch auf jedem Konzert die Bassline zu “Dean Town” auswendig mitsingt.
Joe Dart als Interpret und Woody Goss als Komponist haben auf diese Weise eine moderne Bass-Hymne erschaffen – das hätten sie wahrscheinlich selbst nicht erwartet! Die Nachfrage nach diesem Song im Unterricht und bei Workshops nach diesem Song spricht ebenfalls für sich.
Wir beleuchten “Dean Town” von allen Seiten!
Da “Dean Town” in vielerlei Hinsicht interessant ist und Herausforderungen für uns bereithält, widme ich mich dem Stück mit einem ausführlichen Workshop und will nicht nur einen Blick auf die Bassline werfen, sondern auch das harmonische Geschehen, Sound, Spieltechnik sowie die Interaktion mit dem Rest der Band unter die Lupe nehmen, denn dies alles trägt ja zum Erfolg des Tracks bei.
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Zunächst präsentiere ich euch hier ein Video, in welchem ich den Song einmal langsam und einmal schnell spiele. Im Clip (und auch im Audio-File) widme ich mich hauptsächlich dem Melodie-Thema des Songs.
Das Intro mit seinen durchratternden Sechzehnteln auf dem Grundton braucht wohl keine ausführliche Erklärung – auch wenn es natürlich schon eine Herausforderung ist, den Wechselschlag auf diesem Tempo mit entsprechend trockenem Staccato-Sound zu spielen.
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Mehr InformationenDer knackige Basssound von “Dean Town”
Joe Dart sah man zur Entstehungszeit von “Dean Town” fast immer mit seinem weißen Fender Jazz Bass. Für den Song nutzte er zum großen Teil nur den bridgeseitigen SInglecoil-Pickup mit etwas zurückgenommener Höhenblende, was zu dem typischen trocken-knochigen Fingerstyle-Sound führt.
In neueren Live-Aufnahmen sieht bzw. hört man ihn auch häufig mal mit Flatwound-Saiten. Da durch diese ganze Bereiche des Oberton-Spektrums wegfallen, wirkt der Ton zwar dumpfer, aber auch direkter und kompakter. Live spielt Joe gerne einen Markbass Little Mark Tube 800 mit einer Markbass 4x10er-Box. In Studio-Videos von Vulfpeck sieht man ihn relativ häufig ganz klassisch mit einem Ampeg B15 Vollröhren-Topteil inklusive Box mit 15″-Speaker.
Kleines Update: Mittlerweile hat Joe Dart den Fender gegen sein Signature-Modell aus dem Hause Music Man ausgetauscht, welches aber wiederum eine klare Hommage an das legendäre Bassmodell von Fender ist.
Spieltechnik
Für seinen speziellen Sound in “Dean Town” positioniert Joe seine Anschlagshand direkt über dem Bridge-Pickup. Hier ist die Spannung der Saiten höher und somit kommt der Attack (das perkussive Anschlagsgeräusch, welches den exakten Start der Note definiert) besser zur Geltung. Sowohl Anschlags- wie auch Greifhand sind ordentlich mit Dämpfen beschäftigt, da die meisten Noten staccato gespielt werden, was den trockenen und knackigen Sound noch zusätzlich unterstützt.
Für präzises Staccato-Spiel auf diesem Tempo (108 bpm) inklusive der technischen und musikalischen Virtuosität von “Dean Town” sollte man sowohl Fingersätze wie auch die Koordination von Anschlags- und Greifhand nicht dem Zufall überlassen. Ansonsten wird man nur schwer über ein gewisses Tempo hinauskommen.
Im oben verlinkten Video habe ich “Dean Town” einmal langsam und einmal etwas schneller gespielt. So kannst du gut sehen, welche Fingersätze ich gewählt habe. Natürlich sind auch viele andere Wege möglich, aber für mich persönlich fühlt es sich so am organischsten an. Am besten probierst du verschiedene Optionen aus und wählst dann, was sich für dich am besten funktioniert.
“Dean Town” – das Tonmaterial
Der Song basiert auf einer achttaktigen Form, die sich ständig wiederholt. Die Akkorde dauern jeweils zwei Takte und lauten: F#m7, C#m7, E7 und B7. Manchmal werden diese durch die Voicings (Interpretation des Akkords und seiner Funktion) des Keyboards noch erweitert oder leicht modifiziert, jedoch nicht grundlegend verändert.
Daraus und aus der Melodie lässt sich auf die Tonleiter F# Dorisch schließen (entspricht E-Dur von F# nach F# gespielt, siehe PDF). Diese besteht aus den Tönen F#, G#, A, B, C’, D#, E, F#. Aus diesen besteht eigentlich das komplette Thema.
Die einzige Ausnahme ist der Akkord E7 in Takt 17 und 18 der Transkription. Hier kommt der Ton D (die Septime von E7) anstelle eines D# zum Einsatz. Ansonsten wird meist über jeden Akkord die entsprechende Pentatonik als Grundlage für die Melodie verwendet, also über F#m die F#-Moll-Pentatonik, über C#m7 die C#-Moll-Pentatonik, über E7 die E-Dur-Pentatonik, und über B7 die B-Dur-Pentatonik. Hier könnt ihr die Scales einzeln sehen:
Phrasierung
Das komplette Thema von “Dean Town” ist geradezu beispielhaft aufgebaut: Die einzelnen Phrasen beginnen auftaktig und führen oft weit in den nächsten Takt hinein. Dadurch werden sehr schön die Akkorde miteinander verwoben und die strenge Form mit ihren klaren zweitaktigen Wechseln aufgelöst.
Die Melodie schwebt sozusagen eine Ebene höher als das harmonische Geschehen. Das trägt auch dazu bei, dass “Dean Town” auch nach mehrmaligem Hören nicht schematisch klingt oder gar langweilig wird. Auch auf diesem Gebiet hat Joe Dart also wohl viel vom Vorbild “Teen Town” gelernt.
Kontext und andere Instrumente bei “Dean Town”
Joe Dart spielt natürlich nicht allein, sondern hat bei “Dean Town” auch noch vier Mitstreiter an seiner Seite. Es ist immer gut und wichtig zu wissen, was denn die übrigen Musiker so treiben und wie unser Spiel zu ihrem in Relation steht. Schauen wir zuerst auf die Drums.
Gleich zwei von Joes Kollegen kümmern sich um den straighten Disco-Groove, der mit der Bassdrum auf allen vier Vierteln dafür sorgt, dass auch eine so virtuose Nummer wie “Dean Town” tanzbar bleibt und der Zugang für ein breites Publikum erleichtert wird. Zudem gestattet ein solch starker Viertelpuls der Drums dem Bass natürlich recht viele Freiheiten.
Das Keyboard hält sich vornehm zurück und legt während des ersten Thema-Durchlaufes nur vereinzelt Akkorde – und dann auch nur, wenn die Melodie eine entsprechende Lücke bietet. Diese Herangehensweise zeigt die hervorragende Interaktion der Musiker: Jeder lässt dem anderen respektvoll Platz ‑ so soll es sein!
In der Wiederholung des Themas kommt die Gitarre hinzu und spielt unisono mit dem Bass, was zu einer deutlichen dynamischen Steigerung führt. Beim Schluss-Thema gesellt sich auch das Keyboard zur Gitarre und zum Bass hinzu, und alle drei Instrumente spielen nun unisono.
Das sorgt zum einen für mehr Power, sprich: einer erneuten Steigerung in Sachen Dynamik. Zum anderen dient es auch dazu, jedem einzelnenen Thema-Durchlauf eine andere Klangfarbe zu verleihen und keine Langeweile aufkommen zu lassen. Einfache Mittel ‑ große Wirkung!
Viel Spaß mit Vulfpecks “Dean Town” und bis zum nächsten Mal,
euer Thomas Meinlschmidt
Matthias sagt:
#1 - 22.05.2018 um 14:09 Uhr
„Das trägt auch dazu bei, dass "Dean Town" auch nach mehrmaligem Hören
nicht schematisch klingt oder gar langweilig wird. Auch auf diesem
Gebiet hat Joe Dart also wohl viel vom Vorbild "Teen Town" gelernt.“ – jetzt muss ich leider klugscheißen. Woody Goss muss von "Teen Town" gelernt haben, der hat nämlich die Bassline zu "Dean Town" geschrieben.
Thomas Meinlschmidt sagt:
#1.1 - 22.05.2018 um 16:13 Uhr
Hi Matthias, alles klar, vielen Dank für den Hinweis. LG, Thomas
Antwort auf #1 von Matthias
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