Das Aufbauen von Tonleitern auf dem Klavier gehört zu den eher unbeliebten Disziplinen, mit denen man sich während der Ausbildung zum Pianisten auseinandersetzen muss. Das Thema Tonleitern ist recht trocken und erfordert ein Quantum Theorie, ein Wissen, das sich später aber als äußerst nützlich erweist.
Schließlich geht es nicht nur darum, motorische Abläufe zu etablieren und sich auf der Tastatur mit ihren 88 Tasten zurechtzufinden, sondern auch darum, die verschiedenen Tonleitern und die darin verwendeten Töne kennen zu lernen.
- Was ist eine Tonleiter?
- Wie ist eine Tonleiter aufgebaut?
- Muss man das Aufbauen von Tonleitern auf dem Klavier lernen?
- Das Erlernen des Aufbaus von Tonleitern auf dem Klavier öffnet viele Türen.
- Wozu sind Vorzeichen notwendig?
- Die enharmonische Verwechslung
- Die verschiedenen Tonschritte beim Aufbau der Tonleiter
- Der Aufbau einer Dur-Tonleiter auf dem Klavier
- Die Tonschritte beim Aufbau einer Dur-Tonleiter
- Die Tonschritte beim Aufbau einer Moll-Tonleiter
- Zum Schluss
Was ist eine Tonleiter?
Eine Tonleiter in der Musik ist eine Reihe von Tönen, die nach ihrer Tonhöhe geordnet und durch Rahmentöne begrenzt sind, nach denen eine Wiederholung dieser Töne in höherer oder tieferer Lage erfolgt.
Wie ist eine Tonleiter aufgebaut?
In den meisten Fällen hat eine Tonleiter den Umfang einer Oktave und folgt dabei einer heptatonischen Tonleiterstruktur (Heptatonik = griechisch = „Siebentönigkeit“), bei der Tonleitern aus acht Tönen gebildet werden, von denen aber wegen der gleichen Tonart des ersten und letzten Tones nur sieben Töne als wirklich verschieden gezählt werden. Alle diatonischen Skalen in der abendländischen tonalen Musik, wie die Dur- und Molltonleiter, folgen der heptatonischen Struktur in einem Tonsystem.
Muss man das Aufbauen von Tonleitern auf dem Klavier lernen?
Ich persönlich habe mich während meiner Ausbildung sehr an eine Aussage von Swjatoslaw Richter gehalten, einem der besten Pianisten der Welt. Der russische Pianist sagte einmal in einem Interview, dass er in seinem ganzen Leben keine einzige Tonleiter auf dem Klavier geübt habe. Das klingt aus dem Munde eines Musikers seines Kalibers fast unglaublich. Aber was Richter damit wohl sagen wollte, ist: Gewandtheit und musiktheoretisches Wissen sind für einen Pianisten sehr wichtig. Aber wenn man beides hat, braucht man keine Tonleitern mehr zu üben. Sieh es einfach als Werkzeug, als Mittel zum Zweck. Bei Herrn Richter muss man sich wohl eher fragen, wie ein Autodidakt, der mit 13 Jahren bereits Chefkorrepetitor der Oper seiner Heimatstadt war, zu diesen Einsichten und Fähigkeiten gekommen ist. Hier kann man ihn spielen hören.
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Das Erlernen des Aufbaus von Tonleitern auf dem Klavier öffnet viele Türen.
Neben der Geläufigkeit von Händen und Fingern sowie dem Erlernen des Daumenuntersatzes wird durch das Üben von Tonleitern vor allem die Tonzusammensetzung (Aufbau) der verschiedenen Tonleitern auf dem Klavier und damit der Tonarten erlernt. Dafür sind sie wirklich sehr nützlich. Außerdem kann man mit ihnen leicht ins Spiel kommen. Schon Franz Liszt gab seinen Schülern folgende Regel für das Üben: 20 Minuten pro Tag üben, aber vier Stunden spielen! Und während ein Stück erst einstudiert werden muss, kann man eine Tonleiter immer sofort spielen. Vorausgesetzt, man weiß, aus welchen Tönen sie besteht. Wer also nach ausgiebigem Tonleiterstudium ein Stück in E-Dur spielt, dessen Hände und Finger wissen sofort, welche Töne in dieser Tonart vorkommen. Und genau deshalb beschäftigen wir uns in diesem Workshop mit der musiktheoretischen Seite der Tonleitern. Also: Welche Tonleiter muss man wie spielen? Oder: Aus welchen Tönen besteht eigentlich welche Tonleiter?
Wozu sind Vorzeichen notwendig?
Zuerst allerdings klären wir aber die Frage: Wieso gibt es überhaupt Vorzeichen? Welchen Zweck erfüllen sie beim Aufbau von Tonleitern auf dem Klavier? Um das zu erklären schauen wir uns einmal eine C-Dur-Tonleiter an.
Die C-Dur Tonleiter besteht aus sieben verschieden Tönen. Schaut man sich aber eine Klaviatur an, erkennt man innerhalb einer Oktave mehr als sieben Töne.
Das bedeutet, dass es in unserer Musik mehr Töne gibt, als wir über die Stammtöne C-D-E-F-G-A-H-C in unseren Noten notieren können. Und genau hier kommen die Vorzeichen ins Spiel. Wenn wir die anderen fünf Töne auch notieren wollen, brauchen wir die Vorzeichen.
Die enharmonische Verwechslung
Der aufmerksame Leser hat bestimmt bemerkt, dass die schwarzen Tasten selbst keine Namen haben und nur durch andere Töne – durch die Verwendung von Vorzeichen – erklärt werden. Deshalb haben sie auch immer zwei Namen. Das nennt man enharmonische Verwechslung. Hier ein Beispiel.
Hier sieht man zwei scheinbar völlig unterschiedliche Töne. Erhöht man das F durch das Kreuz (#) um einen Halbton, erhält man den Ton Fis (F#). Wird das G durch das B (b) um einen Halbton erniedrigt, erhält man ein Ges (Gb). Namentlich sind diese beiden Töne nicht unterschiedlicher. Aber jetzt hören wir uns die beiden einmal nacheinander an.
Sie klingen identisch. Bei der gezeigten Tonleiter, die alle zwölf Töne zeigt, ist es egal, wie man die Zwischentöne benennt. Im Zusammenhang einer Tonart oder einer Tonleiter mit nur acht Tönen hängen die Namen der Töne allerdings vom jeweiligen Ausgangston ab. Das zeige ich am Beispiel der D-Dur Tonleiter.
Tonleitern auf dem Klavier aufbauen: die D-Dur Tonleiter und ihre Vorzeichen
Der dritte Ton der D-Dur-Tonleiter wird um einen Halbton erhöht. Durch die Erhöhung um einen Halbton heißt der erhöhte Ton nun Fis, da er vom Ton F ausgeht. Ges ist in diesem Fall nicht möglich, da es vom vierten Ton der Tonleiter, dem Ton G, ausgehen müsste. G kann aber in unserem Beispiel nicht erniedrigt werden, da es ohne Erniedrigung bereits in der D-Dur Tonleiter vorkommt.
Die verschiedenen Tonschritte beim Aufbau der Tonleiter
Zunächst schauen wir uns die verschiedenen Tonschritte an. Ist der Begriff Intervalle noch geläufig?
Ein Tonschritt in der Musik ist immer eine Sekunde. Da es zwei verschiedene Sekunden gibt, gibt es auch zwei verschiedene Tonschritte. Der Halbtonschritt ist die kleine Sekunde, der Ganztonschritt die große Sekunde.
Kleine und große Sekunden können also nicht nur als Intervalle, sondern auch als Tonschritte bezeichnet werden. Die Prim und alles, was über die Sekunde hinausgeht, kommt nicht als Tonschritt in Frage. Diese Intervalle sind aber für unsere momentane Analyse des Aufbaus der Tonleiter zunächst nicht wichtig. Um einen Tonschritt genau zu untersuchen, fragt man sich am besten, ob eine Taste übersprungen wird oder nicht. Wenn eine Taste zwischen den beiden Tönen der Skala liegt, hat man einen Ganztonschritt. Wenn man aber die nächste Taste spielt, egal ob schwarz oder weiß, macht man einen Halbtonschritt.
Der Aufbau einer Dur-Tonleiter auf dem Klavier
Um zu verstehen, aus welchen Tönen sich eine Tonleiter auf dem Klavier zusammensetzt und wann welcher Ton auf- oder abwärts geht, muss man wissen, wie der Aufbau einer Tonleiter aussieht. Deshalb ist es sehr wichtig, bereits bekannte Tonleitern zu analysieren. Wir nehmen eine Dur-Tonleiter, weil sie in allen Tonarten immer gleich aufgebaut ist. Moll ist etwas komplizierter, aber dazu später mehr. C-Dur kennt fast jeder, deshalb verwenden wir sie für die Untersuchung. Alles, was wir tun müssen, ist die C-Dur-Tonleiter auf ihre Tonschritte hin zu betrachten, und schon haben wir einen Bauplan für die Dur-Tonleiter. Diesen können wir dann auf alle anderen Tonleitern übertragen.
Im nächsten Schritt analysieren wir die C-Dur-Tonleiter hinsichtlich ihrer Tonschritte.
Vorgehensweise
Von C nach D überspringen wir eine schwarze Taste, hier haben wir also einen Ganztonschritt. Wieder ein Ganztonschritt ist der Sprung von D nach E. Von E nach F fehlt die schwarze Taste dazwischen, also haben wir hier nur einen Halbtonschritt. Von F nach G, von G nach A und von A nach H überspringen wir wieder jeweils eine schwarze Taste und haben somit drei Ganztonschritte hintereinander. Zum Schluss haben wir wieder nur einen Halbtonschritt, weil die schwarze Taste fehlt.
Auf der Tastatur sieht man das noch schneller.
Die Tonschritte beim Aufbau einer Dur-Tonleiter
So sieht also die Tonschrittverteilung einer Dur-Tonleiter aus. Innerhalb einer Oktave von C bis zum nächsten C gibt es genau zwei Stellen, an denen die schwarze Taste fehlt. Das sind die sogenannten natürlichen Halbtonschritte. Wenn man also von E nach F geht, kann man keinen Ton überspringen, es muss sich also um einen Halbtonschritt handeln. Genau aus diesem Grund ist C-Dur besonders einfach, denn die Töne der Skala fallen ausschließlich auf die weißen Tasten der Klaviatur. Wenn man sich an den Bauplan der Durtonleiter hält, sind auch Tonleitern in anderen Tonarten kein Problem mehr. Fassen wir noch einmal zusammen. Eine Durtonleiter besteht aus folgenden Tonstufen: Grundton – 1 – 1 – ½ – 1 – 1 – 1 – ½
Wofür stehen die Zahlen?
1 steht für einen Ganztonschritt, ½ für einen Halbtonschritt. Hier sollte man daran denken, nach dem Grundton mit dem Zählen der Schritte zu beginnen. Wer den ersten Ton bereits als Schritt zählt, verschiebt alles und kommt nicht zum richtigen Ergebnis. Wir überprüfen das Ganze in einer anderen Tonart: E-Dur. Zuerst bauen wir mit dem Bauplan eine E-Dur-Tonleiter und überprüfen dann unser Ergebnis. Wir beginnen beim Ton E. Nach dem Bauplan ist der erste Schritt ein Ganztonschritt. Wenn wir nur zum F gehen, das die nächste weiße Taste ist, machen wir nur einen Halbtonschritt. Wir müssen also zum Fis. Der nächste Ganztonschritt bringt uns zum Gis. Dann ein Halbtonschritt zum A. Drei Ganztonschritte führen uns zu den Tönen H, Cis und Dis. Schließlich noch ein Halbtonschritt nach E. Nach unserem Bauplan sind die Töne der E-Dur-Tonleiter also E – Fis – Gis – A – H – Cis – Dis – E.
Und so erscheint die E-Dur Tonleiter offiziell mit ihren Vorzeichen:
Hören wir uns zur Kontrolle noch beide hintereinander an.
Auch hier entstehen durch die vier Kreuze vier erhöhte Töne. Und auch hier heißen die Töne der E-Dur-Tonleiter somit E – Fis – Gis – A – H – Cis – Dis – E. Unser Bauplan funktioniert also hervorragend. Wer sich an an diesen Dur-Tonleiter-Bauplan hält, kann jede Tonleiter auf dem Klavier aufbauen!
Die Tonschritte beim Aufbau einer Moll-Tonleiter
Die Unterscheidung bei Moll besteht darin, dass es verschiedene Molltonleitern gibt. Zum Beispiel gibt es das sogenannte reine, auch natürliches oder äolisches Moll genannt. Dieses Moll erscheint so wie die parallele Durtonleiter. Allerdings startet sie logischerweise beim Grundton der Mollparallele, dadurch ändert sich somit auch der Bauplan. Bei äolischem Moll sieht der Plan so aus: Grundton – 1 – ½ – 1 – 1 – ½ – 1 – 1
Die Töne beider Leitern (Dur und parallele Molltonart) sind völlig identisch und deshalb sind sie auch parallel oder miteinander verwandt.
Das reine, natürliche oder äolische Moll wird allerdings nicht so oft verwendet. Viel häufiger ist das harmonische Moll. Hierbei wird die siebte Stufe zusätzlich zu den Vorzeichen der Tonart erhöht. Somit ergibt sich folgender Bauplan: Grundton – 1 – ½ – 1 – 1 – ½ – 1 + ½ – ½
Vorgehensweise
Die Sekunde zwischen F und G wird durch das Kreuz zusätzlich erweitert. Trotzdem bleibt es musiktheoretisch eine Sekunde. Ich habe vorhin am Beispiel der D-Dur-Tonleiter erklärt, dass das erhöhte F nicht Ges heißen kann, weil der Ausgangston ein F war und deshalb Fis heißen muss. Genauso ist es mit den beiden Tönen F und Gis der harmonischen a-Moll-Tonleiter und dem Intervall, das sie zusammen bilden. Ursprünglich liegen F und G eine Sekunde auseinander. Nach der Erhöhung des G zum Gis ist es immer noch eine Sekunde, aber durch das zusätzliche Vorzeichen auch eine übermäßige Sekunde. Wir haben also im vorletzten Tonschritt der harmonischen Moll-Tonleiter einen Ganzton plus einen Halbtonschritt.
Melodisches Moll
Die dritte Art von Moll ist das melodische Moll. Im Gegensatz zum harmonischen Moll wird hier die Sexte noch um einen Halbton erhöht – sie wird zur großen Sexte -, wodurch dieser Tonleiter-Aufbau wesentlich leichter zu singen ist. Von der Struktur her unterscheidet sich melodisch Moll von der Paralleltonart Dur nur durch die kleine Terz am Anfang. Es ergibt sich somit folgender Bauplan: Grundton – 1 – ½ – 1 – 1 – 1 – 1 – ½
Zum Schluss
Hat man den Aufbau der Dur- und Molltonleitern verstanden, ist es wichtig, das Gelernte aktiv in das tägliche Üben am Klavier einzubauen. Hier hilft es bereits, täglich Tonleitern in verschiedenen Tonarten aufzubauen und zu spielen. Nach einiger Zeit und wenn man einen besseren Überblick hat, kann man sich einen Ablauf überlegen, der einen nacheinander durch alle Tonarten führt. Dabei sollte man die Tonleitern zuerst abwärts und dann aufwärts spielen. So lernt man sie noch besser kennen. Irgendwann beherrscht man dann alle Tonleitern im Schlaf, auch mit beiden Händen gleichzeitig, sowohl in Gleich- als auch in Gegenbewegung. Dabei sollte man auch mal andere Starttöne als den Grundton wählen, um weitere Lerneffekte zu erzielen.
Ray sagt:
#1 - 17.02.2021 um 12:46 Uhr
Gibts die ganzen hilfreichen Beiträge vielleicht auch als ein kleines Büchlein, z.b. als eBook?
Michael Geisel sagt:
#1.1 - 19.02.2021 um 09:35 Uhr
Hallo Ray, als eBook haben wir die Beiträge bisher nicht vorgesehen. Uns freut es sehr, dass dir unsere Artikel gefallen!
Antwort auf #1 von Ray
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