Auch nach 25 Jahren zieht die außergewöhnliche Rockband A Perfect Circle ihre Fans noch immer in den Bann. Zur diesjährigen „Sessanta“-Tour, bei der sie sich mit den Bands Primus und Puscifer im wahrsten Sinne die Bühne teilten, holten die Kalifornier Josh Freese mit ins Boot, einen der gefragtesten Pop-/Rockdrummer überhaupt. Um die Jahrtausendwende war Josh für einige Jahre festes Mitglied der Band und ist auf den ersten drei Studioalben zu hören. Auf Mer De Noms, dem 2000er Debütalbum, befindet sich mit „Judith“ einer der wohl bekanntesten und genialsten A Perfect Circle-Songs, der nicht ohne Grund die führende Single der Platte war.
Er ist ein Paradebeispiel für Josh’s unnachahmliche Art, technische Finesse mit roher Energie und hoher Spielfreude zu kombinieren. In diesem Workshop zeigen wir euch einige Auszüge aus seinem Drumpart zu „Judith“ anhand von Noten- und Soundbeispielen.
Sideman par excellence?
Die Live- und Studio-Credits, die sich Josh (geb. 25. Dezember 1972) bislang erarbeitet hat, lesen sich wie das Who-is-Who der Pop- und Rockgeschichte der letzten drei Jahrzehnte. In gewisser Weise ist Josh der Sideman par excellence, steht er doch regelmäßig mit Musikgrößen wie Sting, The Vandals, Devo, Weezer, The Offspring und natürlich allen voran den Foo Fighters auf der Bühne, stellvertretend für seinen Freund und Kollegen Taylor Hawkins (RIP). Zudem blickt Josh als einer der gefragtesten Studiodrummer der LA-Szene auf unzählige Recording Credits zurück, u.a. für Chris Cornell, Lenny Kravitz, Lana Del Rey, Katy Perry, Michael Bublé, Evanescence oder Avril Lavigne, und tourte intensiv mit Bands wie Nine Inch Nails und Guns ’N’ Roses.
Der Begriff „Sideman“ beschreibt jedoch längst nicht das, was Josh Freese als Musiker und Person ausmacht. Neben seiner markanten Stimme am Schlagzeug ist er zudem auch für seinen einzigartigen Humor bekannt, der sich wie ein roter Faden durch die verschiedenen Social-Media-Plattformen, bis hin zu eigenen Soloplatten, wie etwa die 2021 erschienene „Just A Minute Vol. 1“ zieht, eine Compilation aus 20 einminütigen Songs, die Josh während des Lockdowns im eigenen Homestudio produzierte.
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Die “Judith”- Recordingsession fand im legendären Sound City Studio statt
In einem ausgedehnten Interview mit Rick Beato verrät Josh, dass „Judith“ zu den Songs gehört, auf die er in seiner Karriere bislang am stolzesten ist. Die Recordingsession fand damals im Sound City Studio statt, das unter anderem für seinen ikonischen Schlagzeugsound bekannt ist. Nicht umsonst wurden hier neben Nirvana’s „Nevermind“ unzählige legendäre Platten, unter anderem von Neil Young, Johnny Cash, Rick Springfield, Tom Petty, Metallica, Tool und Rage Against The Machine aufgenommen. Im besagten Interview erinnert sich Josh, dass er den Song vorab mit der Band geprobt hatte und daher im Studio lediglich einen, höchstens zwei Takes brauchte:
„We’ve been rehearsing that song, we’ve been playing that song a bit, you know. So I knew it […], I knew exactly how it went. […] When we cut it, I just remember going for it and loving it, feeling like a little kid. […] There’s so much joy in what I was doing and I felt so inspired doing it“ (Josh Freese, Interview mit Rick Beato: „Josh Freese Interview: Foo Fighters’ New Drummer“)
Dem Song, speziell dem Drumtrack, hört man die große Spielfreude und Inspiration, von der Josh spricht, definitiv an! Es ist offensichtlich, dass Josh sich keinesfalls alle Parts im Vorfeld kleinteilig überlegt hat, sondern ausgehend von einer grundsätzlichen Idee für das Feel und die Dynamik in den einzelnen Songteilen „einfach drauflos gespielt“ hat, wobei ihm natürlich seine langjährige Erfahrung als Studiodrummer entgegen kam.
Vier Snare-Flams leiten das schwere Intro-Riff ein
Mit vier lauten Flams auf der Snare leitet Josh das schwere Intro-Riff ein, das – wie der gesamte Song – auf einem 6/8-Takt basiert. Josh spielt hier einen energetischen Beat, zunächst mit geöffneter Achtel-Hi-Hat. Eine Bassdrum auf der ersten Zählzeit und ein Backbeat auf der vierten Achtel bilden dabei das Grundgerüst. Hinzu kommen neben Ghostnotes auf der Snare weitere Bassdrum-Schläge, überwiegend auf den zwei Sechzehntel-Offbeats vor dem Backbeat und dem letzten Downbeat, also der sechsten Achtel.
Das Ganze könnte man als grundsätzliche Beat-Blaupause des Songs sehen, doch machen erst die kleinen Variationen, die Josh von Takt zu Takt einbaut, den Beat so richtig spannend und lebendig. Nach vier Takten geht die Gitarre kurz für weitere vier Takte auf eine gedämpfte Spielweise über, die vorab schon einmal den anstehenden Vers-Teil einleitet. Josh reagiert darauf, indem er die Hi-Hat nun geschlossen spielt und jetzt auf Sechszehntel in der rechten Hand wechselt. Auch die Variationen und die Ghostnotes bleiben jetzt fast gänzlich aus.
Schnelle Doppelschläge mit der Bassdrum
Bevor Sänger Maynard James Keenan einsetzt, fährt die Dynamik mit einem Drum-Interlude nochmals kurz hoch. Über ausklingende Gitarrenklänge spielt sich Josh für vier Takte merklich frei. Spannend sind hier die beiden schnellen Doppelschläge in der Bassdrum, die für eine Menge „Drive“ und „Excitement“ sorgen.
Zum Vers-Teil geht Josh wieder zurück in den Sechzehntel-Beat auf der Hi-Hat, die er jetzt geschlossen spielt.
Ein schnelles Fill-in leitet den Chorus ein
Im Pre-Chorus geht die Band dynamisch zurück auf das Intro-Level. Josh behält den Sechzehntel-Modus auf der Hi-Hat bei, spielt sie jetzt jedoch analog zu den lauteren Gitarren weiter geöffnet. Im letzten Takt leitet er schließlich mit einem schnellen Fill-in über Snare und Toms den Chorus ein. Wenn es überhaupt so etwas wie ein typisches Josh Freese Fill-in oder „Lick“ gibt, dann vielleicht diese Art von „punkigen“ Läufen über die Toms, die immer ein bisschen an Fill-ins von Dave Lombardo auf alten Slayer-Platten erinnern.
Den Chorus spielt Josh nun wieder mit einer weit geöffneten Achtel-Hi-Hat und generell etwas freier, was die Variation der Bassdrum und den Einsatz von Ghostnotes angeht. Zudem unterstützt er das hohe Energielevel nun mit einigen Crashbecken-Schlägen.
Der Post-Chorus startet auf dem Ridebecken
Im Post-Chorus wechselt Josh auf das Ridebecken und spielt nun in jedem Takt ein Fill-in oder zumindest eine markante Variation des Beats. Im zweiten Takt seht ihr noch einmal eines der für Josh sehr typischen schnellen „Punk-Fills“ über die Toms.
Allen, die es noch nicht kennen, sei das folgende Video ans Herz gelegt. Es zeigt Josh Freese in den allerersten Proben mit den Foo Fighters. In rund einer Stunde bekommt man hier einen guten Eindruck von Josh’s unnachahmlichen Drumming-Stil:
Ich wünsche euch viel Spaß beim Anhören und Nachspielen der Soundfiles. Bis zum nächsten Mal!
Jonas
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