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4 Gründe, warum ein Rocksänger keine Gesangsausbildung braucht

Wenn ich an meine Jugend denke, und daran, wie ich damals mit Singen angefangen habe, kann ich die Meinung, dass ein Rocksänger keine Gesangsausbildung braucht, verstehen. Das Klischee, dass man als Rock- oder Metalsänger oder Sängerin einfach mit Singen und Schreien loslegt, hat sich zu gut gehalten. So dachte ich auch – früher. Vor meiner Ausbildung zum Rocksänger. Nun nicht mehr. Und zwar aus den folgenden vier Gründen.

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1. Oh cool, du bist Sänger!

Nun, lasst mich mal ein wenig ausholen. Mit 13 holte ich mir meine erste Gitarre und hab mich gleichzeitig um einen guten E-Gitarrenlehrer gekümmert. Man muss doch jemanden haben, der einem die krassen Riffs und Soli einhämmert. Jemand, der einem zeigt, wie man schnell und sauber spielt, sodass man wie der Gitarrengott Jimi Hendrix abrocken kann. Klischees bedienen. Aber die muss ich ja erst lernen, von jemandem beigebracht bekommen.
Kurz darauf wurde in meiner Punkrock-Band der Platz des Sängers frei, welchen ich gezwungenermaßen ausfüllte. Singen kann ja nicht so schwer sein. Jeder hat ja eine Stimme, man muss sich nur trauen, sie auch zum Singen zu benutzen. Learning by doing. Aussagen wie; ‘Oh cool, du bist der Sänger der Band’ bevor sie meinen Gesangsversuch überhaupt gehört haben füttern das Klischee des coolen Rocksängers. Und das spornte mich umso mehr an, weiter in das Mikro zu spucken, ohne mich um meine Stimme zu kümmern. Denn man wird sehr schnell von positiven Reaktionen beflügelt, dass man sich überhaupt traut, auf einer Bühne zu stehen und zu singen. Jeder findet das grundsätzlich erstmal toll. Was gut ist, versteht mich nicht falsch. Aber es besteht die Gefahr, die Illusion aufzubauen, man singe auch gut und auf eine gesunde Weise. Das zumindest war bei mir nicht der Fall. Durch diesen Irrglauben konnte sich das Bestreben nach einer Gesangsausbildung aber nicht bilden.

2. Wow, du kommst aber hoch!

Mit Klassikern wie ‘Smells Like Teen Spirit’ wagt man sich schon zu Anfang forsch in Richtung Rocksänger. Kurt Cobain hatte auch nie Unterricht, hat man sich damals halbwissend eingeredet. Sonst würde er nicht so schreien. Er würde clean singen, weil man das im Gesangsunterricht so lernt. Nee, nee, man holt einfach tief Luft und schreit was das Zeugs hält. Gleich beim ersten Mal treffe ich die Töne der Originallage und alle finden es geil. Dass meine Stimmbänder vor Angst in die Hosen machen und fast gestorben sind, war in diesem Moment zweitrangig. Von da an ging es nur noch so, ich hab’s ja schon mal geschafft. Ich kann’s einfach nicht so oft wiederholen. Dass diese Lage aber überhaupt nicht passend für meine unausgebildete Bass-Baritonstimme ist, wusste ich ganz einfach nicht. Ich wusste nicht mal, dass es solche Einstufungen gibt. Geschweige denn, dass man transponieren sollte, wenn man nach jeder Probe einen blutigen Geschmack im Mund hatte. Naja, der wurde einfach mit Bier runtergespült. Denn das machen Rocker. ‘Der falsche Stolz des Unwissenden führt zum eigenen Verderben.’, hat sicher mal ein weiser Grieche erzählt. Also wieso sich nicht mal mit der eigenen Stimme befassen? Bei anderen Instrumenten ist es doch auch nicht verpönt, Unterricht zu besuchen!

3. Es war halt einfach nicht mein Tag.

Hatte jetzt Kurt Cobain mal Gesangsunterricht? Dieser talentierte Musiker hat doch auch einfach losgelegt und ist da reingewachsen. Ich hab auf jeden Fall nie gehört, dass er sich über Probleme mit seiner Stimme beklagt hätte. Er klang bei Konzerten zwischendurch schon etwas schräg, aber war das nicht ein gewolltes Interpretationselement? Ja, meiner Meinung nach. Aber aus dem Grund, dass seine Stimmkontrolle gerade den Bach runter paddelte und er es in Interpretationskunst verpackte. Kann man machen. Man kann sich aber auch – trotz Talent – Wissen über den Stimmapparat und alles, was damit zusammenhängt, aneignen. Wissen darüber, was man tun kann, wenn die Stimme versagt oder wie man einen Zusammenbruch der Stimme vermeiden kann. Vorbereitet sein, wenn Talent nicht mehr reicht.

4. Einfach machen!

Ich habe anfangs viel falsch gemacht, beziehungsweise vieles ignoriert. Ich habe mich mit dem Klischee des coolen Rocksängers der “einfach macht” zufrieden gegeben, soweit ich es meiner Meinung nach bedienen konnte. Trotz der Anzeichen, dass etwas nicht stimmt. Sei es, dass nach einem halben Konzert die Stimme abbricht, weil ich grundsätzlich in zu hoher Lage singe. Oder die tagelange Heiserkeit nach Proben und Konzerten. Das nötige Training und Wissen geht im Spaß des Musikmachens teilweise einfach unter. Ich dachte mir, das kommt einfach mit der Zeit.
Als ich mich durch die Gesangsausbildung dann immer mehr mit dem gutturalen Gesang befasst habe, hat sich meine Welt auf den Kopf gestellt. Meine beirrende Vorstellung “Das, was ich kann, ist mein Talent und bleibt so”, hat sich immer mehr verflüchtigt. Ich war trotzdem immer unzufrieden mit dem, was ich konnte und wollte deshalb aus diesen limitierten Möglichkeiten alles rausholen. Mein Ehrgeiz führte mich in Bereiche, in welche ich ohne perfektionsbetriebene Neugier nie hingegangen wäre. Keiner hat mir jemals wirklich mit Begeisterung vermittelt, dass es noch viel mehr da draußen gibt. Dass man die Welt der Stimme unserer westlichen Musik auch mal verlassen sollte. Und vor allem, dass man sich an Unmöglich erscheinendes wagen sollte.

Deshalb hier mein Aufruf an alle Rocksängerinnen und -sänger: Einfach machen!
Du wirst dein blaues Wunder erleben, zu was deine Stimme fähig ist, wenn du dich damit beschäftigst. Immer wieder auf eine andere Weise was lernen. Neue und differenzierte Inputs von verschiedenen Quellen, Lehrern und Klugscheißern wie mir. Dafür musst du nicht perfektionistisch veranlagt sein, aber offen. Offen und furchtlos vor Neuem. Nimm dich nicht so ernst und verlier den Stolz davor, sich von guten Gesangslehrern formen zu lassen. Forsche mit Hilfe von verifizierten Online Tutorials oder schließ dich mit anderen Sänger zusammen. Es gibt viele Möglichkeiten etwas zu lernen. Ich garantiere dir, du wirst es nicht bereuen, dir Wissen und Training anzutun. Dadurch wird deine Stimme zu viel mehr fähig sein, als du glaubst.
– Shout out to your heart –

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