Dieser Artikel ist der Auftakt einer Reihe von Artikeln, die sich ausgiebig mit der O-Ton-Aufnahme bei Film-, TV- und (Podcast-)Videoproduktionen und der darauffolgenden Bearbeitung beschäftigt.
Wozu braucht man O-Ton überhaupt und mit welchen Mikrofonen und welchen Techniken wird er aufgenommen? Was muss man beim Tonangeln beachten und wie versteckt man Mikrofone richtig? In dieser Reihenfolge werden wir genau das erklären.
Warum professioneller Ton?
Zunächst sollten wir uns die Frage stellen, warum man überhaupt professionellen Ton will. Ein Grund wäre ein ziemliche naheliegender: die Sprachverständlichkeit. Im Zeitalter von sozialen Medien und einer Vielzahl von verschiedenen Endverbraucher-Geräten sollte gewährleistet sein, dass man auf jedem Gerät die Sprache gut verstehen kann.
Ein weiterer Vorteil von gut produziertem Ton: Er erzeugt Emotionen. Dieser Effekt wird oft unterschätzt, auch von Filmemachern selbst. Es gibt ein einfaches Experiment, um die dramatische Bedeutung von Ton für Bild zu verstehen. Schaltet den Ton einfach mal ab, wenn ihr das nächste Mal einen Horrorfilm schaut. Ihr werdet merken, dass das Ganze auf einmal gar nicht mehr so spannend ist.
Schon George Lucas hat gesagt, dass guter Ton (und Musik) die Hälfte des filmischen Erlebens ausmacht. Auch in sozialen Netzwerken oder Youtube lässt sich erkennen, dass Videos mit gutem Ton besser ankommen und öfter angesehen werden.
Vorbereitungen vor dem Dreh
Zunächst schauen wir uns einmal die verschiedenen Phasen der O-Ton-Produktion an. Eure Arbeit als Tonmann beim Film beginnt mit der Vorbereitung. Bevor der Dreh beginnt, sollten einige Vorkehrungen getroffen werden. Wenn es ein Drehbuch gibt, ist es immer gut, sich die Dialoge der Schauspieler anzusehen. Wie viele Schauspieler gibt es in den jeweiligen Szenen? Je nach Anforderungen werden mehr Tonleute benötigt und unterschiedliche Mikrofone ausgewählt. Wo wird gedreht? Gerade bei Außendrehs ist eine Besichtigung des Drehorts zu empfehlen. Welche Störgeräusche könnten an den jeweiligen Drehorten auftreten (zum Beispiel Straßenverkehr, Züge, Menschen oder Tiere).
Auf den tatsächlichen Drehfolgt die Nachbearbeitung (auch Post-Production genannt), die wir in einem gesonderten Artikel behandeln werden. Gehen wir jetzt einmal die verschiedenen Möglichkeiten der Tonaufnahme beim Filmdreh durch. Diese Konzepte gelten sowohl für Hobby-Aufnahmen als auch für professionelle Produktionen für Film und Fernsehen.
Die verschiedenen Aufnahmemöglichkeiten
Ton beginnt bei der Signalquelle. Dies kann eine Stimme oder ein Geräusch sein, das aufgenommen werden soll. Der Einfachheit halber bezieht sich dieser Artikel auf die Sprache.
Im Gegensatz zu der Arbeit in einem Tonstudio sind die Räumlichkeiten, in denen aufgenommen wird, meistens nicht akustisch optimiert. Störgeräusche wie Verkehr oder Generatoren und unschöne Raumklänge sind nicht selten. Daher sollte man sich darüber Gedanken machen, wie man den Klang am besten aufnimmt. Im Folgenden schauen uns wir verschiedene Setups an. Wir beginnen im Consumer-Bereich und arbeiten uns zu immer professionelleren Lösungen vor.
Prinizipiell in Frage kommen
– interne Mikros der Kameras
– auf die Kamera aufgesteckte Mikrofone
– Mikrofone an separaten Auslegern (“Angel” oder “Boom”)
– Ansteckmikros
– verdeckt installierte Mikros (“Plant”)
Für dich ausgesucht
Die naheliegendste Möglichkeit wäre, das Kameramikrofon zu nutzen. Die meisten Kameras verfügen über ein im Kameragehäuse verbautes Mikrofon, um den Schall zum Video aufzufangen. Hiervon lässt sich allerdings grundsätzlich abraten, da die Mikrofone meistens von geringer Qualität sind. Sie sollten höchstens als Referenz für den geangelten Ton dienen.
Kamerainterne Mikrofone verfügen häufig über eine Kugelcharakteristik. Das bedeutet, dass sie den Schall aus allen Richtungen gleich laut aufzeichnen und sich somit ungewünschter Raumklang und Störgeräusche im Verhältnis zum Schall von dem Schauspieler sehr laut auf der Aufnahme wiederfinden lassen. Sollte man über kein weiteres externes Mikrofon verfügen, so sollte man zumindest die „Auto-Gain-Funktion“ deaktivieren, über die viele Kameras verfügen. Diese Funktion pegelt den Ton immer lauter und leiser, je nachdem, wie viel Signal das Mikrofon aufnimmt. Dadurch wird bei leisen Stellen das Gain aufgerissen, was zu hörbarem Rauschen und starken Schwankungen in der Signallautstärke führen kann. Daher empfiehlt es sich, auch bei Kameraton manuell zu pegeln. Hierbei sollte man genügend Headroom lassen, damit das Signal auch an lauten Stellen nicht übersteuert. Ein großer Nachteil dieses Setups ist, dass es schwierig bis unmöglich ist, während der Aufnahme an der Kamera nachzupegeln. Daher sollte man den Take im Vorhinein schon einmal proben und die Kamera einpegeln.
Der nächstbeste Ansatz wäre ein Mikrofon, das sich auf den Blitzschuh-Adapter montieren lässt. Ein gutes Beispiel hierfür wäre das Rode Video Mic Rycote. Es wird auf der Kamera montiert und über den Audioeingang der Kamera mit dieser verbunden.
Diese Mikrofone sind meist von höherer Qualität als die in den Kameras verbauten Mikrofone und weisen eine unterschiedlich starke Richtcharakteristik auf. Das bedeutet, dass sie den Schall, der von hinten auf das Mikrofon eintrifft, nicht so stark aufnehmen wie den Schall aus der frontalen Einfallsrichtung. Auch das Eigenrauschen dieser Mikrofone ist generell besser, wodurch auch leisere Geräusche besser aufgenommen werden können. Auch nicht zu verachten ist die elastische Halterung, in der diese Mikrofone platziert werden. Hierdurch lassen sich tieffrequente Rumpelgeräusche eliminieren. Ihr vermeidet so auch Griffgeräusche, die als Körperschall über den Kamerakörper übertragen werden.
Bei all diesen Vorteilen gibt es aber auch hier Nachteile, die genannt werden müssen. Führt man die Kamera mit der Hand, so macht sich das zusätzliche Gewicht nach einer Weile bemerkbar und die Kameraführung wird anstrengend. Des Weiteren ist das Mikrofon immer noch relativ weit von der Schallquelle entfernt und nimmt somit immer noch viel Raumklang mit auf.
Um näher an der Schallquelle mikrofonieren zu können, braucht man einen sogenannten Tonangler (auch Set-Ton-Assistent oder Boom-Operator genannt). Dieser befestigt ein Mikrofon mit „Shotgun“-Charakteristik am Ende einer langen Stange („Tonangel“ oder „Boom-Pole“), um so möglichst nah an die Schallquelle zu kommen, ohne selber im Bild zu stehen. Geangelt wird meistens von oben.
Über einen sogenannten Setmischer bekommt das Mikrofon die benötigte Phantomspannung und kann gleichzeitig während der Aufnahme vom Angler nachgepegelt werden. Ein Beispiel hierfür wäre der Sound-Devices MixPre. Wichtig: Setmischer können oft kein Audiosignal aufzeichnen, sie dienen nur zur Verstärkung des Mikrofonsignals und sorgen für die vom Mikrofon benötigte Phantomspeisung. Der Setmischer muss daher wiederum mit dem Audioeingang der Kamera oder einem externen Rekorder verbunden werden. Bei diesem Workflow hat man allerdings den Nachteil, dass Kamera und Tonangler immer mit einem Kabel verbunden sein müssen.
Will man die physikalische Verbindung von Kamera und Mikrofon trennen, so benötigt man einen Setrekorder wie den Sound Devices 664 oder den Zoom F8. Diese Geräte werden meistens von einer zweiten Person gesteuert, dem Settonmeister. Da die Bedienung recht komplex ist und der Angler sich auf das Angeln konzentrieren muss, macht es mehr Sinn, dass der Settonmeister das Pegeln der Signale, die Benennung der Audiofiles und das Führen von Notizen zu verschiedenen Takes übernimmt.
Für eine größtmögliche Flexibilität können auch noch Funkangeln verwendet werden. Mit ihnen kann die physikalische Verbindung zwischen Angler und Settonmeister getrennt werden, wodurch sich der Angler frei am Set bewegen kann und der Settonmeister nicht unbedingt direkt am Geschehen platziert sein muss. Dies erleichtert ihm auch die Beurteilung des aufgenommenen Tons, da er sich einen ruhigeren Platz suchen kann. Dieses Setup mit einem Settonmeister und ein oder mehreren Tonanglern ist auch das gängige in professionellen Produktionen.
Ton Angeln – was muss man beachten?
Generell kann man sagen, dass es immer Sinn macht, das Mikrofon möglichst nah an der Schallquelle zu platzieren. Je näher das Mikrofon an der Schallquelle platziert ist, desto höher ist der Anteil von Direktsignal zu Raumklang und Störgeräuschen. Je weiter man von der Schallquelle entfernt ist, desto mehr vom Raumklang bekommt man.
Vor der Aufnahme sollte man sich fragen, ob das Mikrofon im Bild zu sehen sein darf. Bei Reportagen, Fernsehshows oder sogenannten Vlogs (Video-Blogs) ist es an sich in Ordnung, ein Mikrofon zu sehen. Hier wird nicht versucht, die Illusion einer realen Situation aufrecht zu erhalten. Daher kann man in solchen Situationen ruhig ein Handmikrofon oder ein Ansteckmikrofon verwenden, das in Kopfnähe (oft am Kragen) befestigt wird.
Ganz im Gegensatz dazu sollte man bei Spielfilmen unbedingt darauf achten, dass keine Mikrofone im Bild zu sehen sind, da diese sofort die Illusion zunichte machen würden. Hier gibt es für den Tonangler am Set einige Dinge zu beachten. Wie ist der Bildausschnitt der Kamera? Oder gibt es gar mehrere Kameras? Bewegen sich die Kameras während der Aufnahme? Sind Angel oder Mikrofon irgendwo im Bild zu sehen? Wo stehen die Lampen? Wirft die Angel eventuell einen Schatten an eine Wand oder gar auf einen der Schauspieler? Wo sind reflektierende Flächen wie Glas oder Metall, in denen die Angel zu sehen sein könnte? All diese Dinge sorgen dafür, dass man als Tonangler manchmal nicht so nah an der Schallquelle sein kann, wie man es gerne hätte. Hier kommen Ansteckmikrofone zum Einsatz.
Alternativen zum Mic Boom
Ansteckmikrofone (auch Lavaliermikrofone genannt) werden – wie der Name schon erahnen lässt – direkt an der Schallquelle platziert, indem sie angesteckt werden. Da sie sehr klein sind, kann man sie gut hinter der Kleidung der Schauspieler verstecken. Durch ihre Bauweise haben Lavaliermikrofone meistens eine Kugelcharakteristik, wodurch sie auch viel unerwünschten Raumklang aufnehmen. Da sie aber sehr nah am Mund des Schauspielers platziert werden können, ist der von ihnen aufgenommene Ton dennoch durchaus brauchbar.
Im Gegensatz zu Shotgun-Mikrofonen haben Lavaliermikrofone meistens einen etwas dumpferen Klang. Dies liegt unter anderem daran, dass sie meistens unter mindestens einer Schicht von Kleidung platziert werden, wodurch hohe Frequenzen nicht so gut zum Mikrofon durchdringen können. Um Reibungsgeräusche an der Kleidung zu vermeiden, gibt es für Ansteckmikrofone auch noch sogenannte Concealer. Diese werden über die Kapsel gestülpt und verhindern so, dass die Kleidung in direkten Kontakt mit dem empfindlichen Mikrofon kommt. Bei professionellen Produktionen werden Ansteckmikrofone meistens schon von der Garderobe an den Schauspielern angebracht.
Über eine Funkstrecke kann das Audiosignal direkt zum Setmischer geschickt werden. Lavaliermikrofone können aufgrund ihrer geringen Größe auch gut am Drehmotiv versteckt werden. Typische Beispiele hierfür wären auf einem Tisch hinter einem Gegenstand (etwa bei einer Szene am Frühstückstisch), in einer Lampe oder hinter der Sonnenblende im Auto. In diesem Fall spricht man von einem sogenannten „Plant Mikrofon“.