Softskills für Musiker

Das Leben als Newcomer ist nicht gerade unkompliziert. In der Anfangsphase eines Band/Projektes müssen viele Dinge abseits der Musik selbst in die Hand genommen werden, um sich als Act soweit zu etablieren, dass potentielle Geschäftspartner Interesse an einer Zusammenarbeit entwickeln. Es gibt demokratische Bands, wo die Aufgaben intern verteilt werden, aber auch Projekte, bei denen eine Person, meist die Sänger oder die Sängerin den Kopf und Motor der Band bildet und alleine für alle Aufgaben rund ums Musikmachen zuständig ist. Ich bin selbst in mehreren Bands unterwegs und möchte im Folgenden ein paar Gedanken und Erfahrungswerte dazu äußern, wie sich bei dem Typ Band “Songwriter sucht sich seine Musiker zusammen” oft eine unglückliche Rollenverteilung entwickelt und welche Auswirkungen sie für das gesamte Fortkommen hat.

Foto: Shutterstock, Studiostoks
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Dass Dinge wie Zuverlässigkeit – sowohl was Termine als auch das Spielen betrifft -und Professionalität im Bühnenalltag unabdingbar sind, ist wohl kein Geheimnis und meist für alle Beteiligten klar. Deshalb soll es hier um die Aspekte einer Band gehen, die über das Musizieren hinausgehen.
Die folgenden Beobachtungen und Meinungen sind natürlich subjektiv und von meinen ganz persönlichen Erfahrungen in Newcomerbands geprägt – mal als Frontmann, mal als Instrumentalist. Es kann also gut sein, dass viele von euch ganz andere Erfahrungen machen oder gemacht haben und eventuell anderer Meinung sind. Schreibt gerne einen Kommentar und lasst uns wissen, was ihr zu diesem Thema zu sagen habt. 


Band oder Soloprojekt?


In Band-Projekten entsteht oft eine Art Mischform zwischen Soloprojekt und Gemeinschaftsprojekt, in dem die Verantwortlichkeiten meistens nicht ganz geklärt sind. Bei einem motivierten, kreativen Frontmann steigt man natürlich gerne in die Band ein. Alle haben Spaß am Arrangieren und Musizieren und natürlich sowohl emotional als auch wirtschaftlich gesehen ein Interesse daran, dass es vorangeht und sich das Projekt entwickelt. Oft gibt es aber noch kein wirtschaftliches Künstlerumfeld in Form von Label, Manager, Promotion und Vertrieb und man muss diese Dinge selbst in Angriff nehmen. Häufig wird dann im Stillen davon ausgegangen, dass der jeweilige Frontmann all diese Dinge übernimmt.

Das führt logischerweise meist zur Überforderung und auch gerne mal zu einer Schreibblockade. Kreativität braucht Zeit und Muße, und die ist schwer zu finden, wenn man dauerhaft mit Administration beschäftigt ist.


Juhu, die erste CD ist draußen! Und jetzt?


Ich habe vor Kurzem im Rahmen einer Veröffentlichung am eigenen Leibe zu spüren bekommen, was man so alles zu tun hat, wenn man es mit der ersten eigenen Veröffentlichung ernst meint: Mixing, Mastering, Social-Media-Kampagne, Organisation und Bewerbung der Release-Party, Artwork, Merch, Sticker, CD- Pressung, Proben, etc. Da fällt das Songwriting für einige Monate vollkommen unter den Tisch. Und dann steht man da mit der ersten EP, macht ordentlich Wind, generiert Reichweite – und weiß plötzlich gar nicht mehr, was als Nächstes kommen soll.
Songs natürlich – von denen man aber leider nicht mal weiß, wann man sie überhaupt schreiben soll. Der Gedanke “Kann ich das überhaupt noch?” ist dann auch nicht mehr weit – und der kann fatal sein für so ein Projekt. Denn hat man einmal angefangen, Marketing zu betreiben, sollte man natürlich dranbleiben, damit der Effekt nicht verpufft und die ganze Arbeit umsonst war. Man muss, oder besser gesagt will ja irgendwie weitermachen. Aber ohne Songs keine Band! Und wenn es mal nicht ganz rund läuft, steigt auch schnell mal jemand aus. Man hat schließlich noch andere Projekte, die gerade besser laufen.

“Ich spiel’ hier nur”

Das ist oft die Einstellung, mit der Instrumentalisten in solche Newcomerbands ein- und auch wieder austreten. Ich habe mich selbst bei diesem Gedanken erwischt, der grundsätzlich ja erstmal nicht zu verurteilen ist. Die Krux daran ist schwer auf den Punkt zu bringen, ich versuche es trotzdem einmal.

Songwriter verwenden abgesehen von Leidenschaft und Spaß auch eine Menge Zeit und Mühe dafür, ihre Songs zu schreiben. Zeit, die sie dann nicht haben, um – wie der Rest ihrer Band – zum Beispiel noch in zwei anderen Bandprojekten und einer Coverband ein wenig Geld zum leider meist kümmerlichen Einkommen aus der eigenen Musik dazuzuverdienen. Gerade Sänger/innen bieten sich oft nicht so zahlreiche attraktive Möglichkeiten dazu.
Gäbe es aber diese verträumten und nachdenklichen Idealisten nicht mehr, die sich tagelang den Kopf über die Welt zermartern und Songs darüber schreiben, hätten die unzähligen Instrumentalisten auf dieser Welt plötzlich verdammt wenig zu tun. 


Mitdenken und Anpacken


Ein gutes Team schlägt jeden Einzelkämpfer! Das bedeutet nicht unbedingt, dass jeder Instrumentalist zum Booking-Experten mutieren und eine zweiwöchige Clubtour erarbeiten muss. Aber ein paar Dinge gibt es, die man als Instrumentalist beachten kann, um es seinem Frontmann etwas leichter zu machen.
Oft sind es die unzähligen Kleinigkeiten, die einem als Hauptorganisator zum Verhängnis werden, weil man überhaupt nicht weiß, wo man anfangen soll. 
 Es macht am Ende einen sehr großen Unterschied, wenn man sich als Mitmusiker darüber im Klaren ist, dass man mit allen Dingen, die man tut oder lässt eine Mitverantwortung für den Erfolg des Projektes trägt.
Wenn man sich abends auf der Couch fragt, warum eigentlich noch keine Probe für die Studiosession in zwei Wochen angesetzt ist, könnte man sich selbst um einen Termin kümmern, anstatt zu warten, dass jemand anderes es tut.

Wenn man sich wundert, warum eigentlich so wenig Marketing für die letzte Platte betrieben wurde, Initiative ergreifen und das Gespräch dazu anstoßen, oder Unterstützung anbieten. Wenn man die Ausschreibung für ein Festival, einen Bandwettbewerb oder einen coolen neuen Club sieht, einfach fix selbst eine Bewerbungsmail abschicken, anstatt es weiterzugeben. Oder wenn eine Band einen Tourzeitraum festlegen will, der mit dem einer anderen kollidieren könnte, kann man einfach nachfragen und absichern, wann eventuelle Touren angedacht sind, um Überschneidungen zu vermeiden.

Kurz gefasst und fies gesagt: Hirn anschalten und mitdenken, und zwar nicht nur vom ersten bis zum letzten Ton des Songs. Wenn alle mit dem Kopf dabei sind, geht es logischerweise deutlich schneller voran. Abgesehen davon können für den Frontmann oder die Frontfrau schon solche kleinen Gesten einen riesigen Unterschied machen, weil sie einem zeigen, dass man nicht allein dasteht. Und das steigert natürlich auch die Motivation zum Songwriting immens.

So, jetzt mal wieder runter mit dem Zeigefinger, denn so belehrend das auch alles klingen mag: Ich erlebe beide Seiten tagtäglich und kann sie deshalb beide gut verstehen. Man kann natürlich nicht in drei Bands gleichzeitig mitspielen und dabei deren Anliegen gleichermaßen auf dem Schirm haben und permanent überall mitdenken.
Die Frage ist dann, wie effektiv es ist, in vielen solcher Projekte gleichzeitig unterwegs zu sein, und überall nur einen geringen Anteil seiner Energie zu investieren. Letztendlich muss natürlich jeder selbst darüber entscheiden, wie er seine Ressourcen aufteilt und seine Prioritäten setzt, denn jede Band ist anders und hat eine ganz eigene Gruppen- und Arbeitsdynamik.

Keep the conversation going!



Egal wie die Aufgaben innerhalb der Band verteilt sind und welche Struktur eure Band hat – wichtig ist, dass man bei Problemen oder schlechter Stimmung weiterhin miteinander kommuniziert. Es wird Meinungsverschiedenheiten geben, über die man lernen muss zu reden und für die man Lösungen oder Kompromisse finden muss. Dabei ist der ein oder andere Streit mit Sicherheit nicht zu vermeiden, der aber im Zweifelsfall vielleicht sogar notwendig ist und gar nicht so verheerend sein muss, wenn man danach eine Lösung für das Problem oder zumindest ein besseres Bewusstsein für die jeweils andere Position hat. Und wenn ihr in eurer Band ein bisschen zu viel streitet für euren Geschmack, dann versucht, Gesprächsregeln festzulegen oder mal eine grundsätzliche Aussprache zu realisieren. Dabei kann man versuchen, grundsätzliche Meinungsverschiedenheiten zu klären, wenn sie die Band-Dynamik dauerhaft und zu stark belasten. 

Gerade wenn man sich lange und gut kennt, verliert man manchmal die Wertschätzung für seine Mitmusiker/innen und gibt sich vielleicht etwas weniger Mühe bei der Kommunikation miteinander. Um diesem Problem beizukommen, kann es helfen, sich bewusst zu machen, dass jede Kommunikation miteinander einen Einfluss auf die allgemeine Stimmung haben kann – von Nachrichten in der gemeinsamen WhatsApp-Gruppe über den Tonfall im Proberaum oder den Unterton einer Mail bis zu der Zeit, die vergeht, bis man auf eine wichtige Mail geantwortet hat.

Klare Verhältnisse schaffen ist das A und O!

Wenn alle Mitglieder voneinander wissen, mit welchen Ambitionen, Wünschen und Vorbehalten sie in einem Bandprojekt agieren, dann entstehen viele Probleme gar nicht erst. Wenn solche Dinge von Anfang an entweder aktiv geklärt werden oder ohnehin klar sind, haben grundsätzliche Konflikte über die Organisation des Projekts schlechtere Chancen, überhaupt zu entstehen.



Wenn bisher noch keine klaren Verhältnisse geschaffen worden sind, dann ist es natürlich nie zu spät, die Konversation darüber anzustoßen. Versucht dem Rest eurer Truppe so ehrlich wie möglich klar zu machen, worum es euch bei der Zusammenarbeit geht, welche Kapazitäten ihr dafür habt und was ihr vom Rest der Band erwartet. Das gilt sowohl für demokratische Bands, als auch für Initiatoren und deren Instrumentalist/innen in Soloprojekten oder Mischformen. Seid jedoch in jedem Fall darauf vorbereitet, dass ihr auf Widerspruch oder gegensätzliche Erwartungen stoßt und dementsprechendes Verständnis und Kompromissbereitschaft mitbringen müsst, wenn euch das Projekt am Herzen liegt.

Die Kommunikation von und in Bands ist eine komplexe Angelegenheit, denn man führt fast schon eine Beziehung mit mehreren Leuten. Dementsprechend sensibel sollte man miteinander umzugehen lernen und sich immer darüber im Klaren sein, in welcher Position sich die jeweils andere Person befindet. Frontfrauen und -männer müssen ihre Bedürfnisse und Erwartungen artikulieren dürfen, denn sie sind das Herz des Projekts. Aber auch alle anderen Mitstreiter/innen in der Band sind Menschen mit Gefühlen, Bedürfnissen und Prioritäten und sollten nicht vor vollendete Tatsachen oder fertig durchdachte Pläne gestellt werden, ohne sich vorher zu ihrem Involvement zu der jeweiligen Angelegenheit äußern zu können. 



Also, kommuniziert miteinander und seid ein Team!

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Profilbild von bonedo Chris

bonedo Chris sagt:

#1 - 07.04.2018 um 12:09 Uhr

0

Hallo Leon,
ein sehr interessanter Artikel. Softskills sind ohne Frage sehr wichtig und oft auch ein Grund, ob Musiker überhaupt dauerhaft zusammenarbeiten können. Zum Thema Aufgabenverteilung in einer "klassischen Band" möchte ich noch das Stichwort GbR Vertrag in den Raum werfen. Hier können alle Aufgaben der einzelnen Mitglieder detailliert festgelegt werden. Falls einzelne Mitglieder mehr leisten, kann sich das in den entsprechenden Ausschüttungen der Gewinne niederschlagen.
Zum Thema Songwriter mit engagierten Musikern: Klar hast du Recht, es gibt sehr viele, sehr gut ausgebildete Musiker in Deutschland, die sich auf der Suche nach Beschäftigung in oft prekäre Engagements bei Einzelkünstlern überreden lassen, einfach um mehr Möglichkeiten zu Spielen zu haben. Das kann man als Musiker natürlich einfach ablehnen. Hier sollte man aber sauber zu trennen lernen. Denn nicht selten engagieren sich einzelne Musiker mit ihren weiteren Skills (Studioaufnahme, Videoschnitt, etc.) in der Aufbau-Phase oftmals unentgeltlich für den Künstler. Es geht ja schließlich um die "gemeinsame Sache", so der Tenor. Steht dann allerdings der Durchbruch ins Haus, kann man oft beobachten, dass nicht selten die komplette Band vom Management ausgetauscht wird. Was für den Musiker eine undankbare Tatsache ist.
Hier wäre also der Appell: Wenn du eigene Musik machen willst, ist das super. Wenn du dir dafür prof. Musiker engagierst, sieh zu, dass du sie fair für ihren Einsatz bezahlst. Auch wenn das sicher kein leichtes Unterfangen ist.
Schöne Grüße Chris

    Profilbild von Catharina.Bonedo

    Catharina.Bonedo sagt:

    #1.1 - 10.04.2018 um 08:28 Uhr

    0

    Vielen Dank Chris für die weiterführenden Gedanken. Du hast natürlich recht. Das Thema ist komplex und beide Seiten müssen sich fair zueinander verhalten. Das Feature soll ein Anstoß zum Denken in genau diese Richtung sein. Liebe Grüße Catharina

    Antwort auf #1 von bonedo Chris

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    Profilbild von Leon Kaack

    Leon Kaack sagt:

    #1.2 - 16.04.2018 um 10:03 Uhr

    0

    Hi Chris,
    danke für deinen Kommentar!GBr ist natürlich ein gutes Stichwort, in einer perfekten Welt ist auch jede Newcomerband, sobald sie Umsätze macht eine GBr, in der Realität sieht es aber eben oft ganz anders aus.
    Wenn der Frontmann sich mit einem Management einlässt, dass solche Aktionen reisst, wie die ganze Band zu feuern, ohne das mit dem Rest der Truppe abzuklären, setzt das schon wieder eine klare Rollenverteilung voraus, die es halt aber oft nicht so richtig gibt.
    Der einfachste Weg ist natürlich, dass alle bezahlt werden, sofern das geht - was schonmal nicht unbedingt der Normalfall ist. Nur sind die Rollen eben oft nicht so klar definiert, dass man zwischen klassischem "Frontmann" aka Chef vom Dienst und "Begleitband" aka Dienstleister-Mucker trennen kann, und dann ist der Punkt der "gemeinsamen Sache" eben in jedem Kopf anders definiert. Alles ein schwieriges Thema, dem man natürlich mit Geld ganz gut aus dem Weg gehen kann. Ich persönlich bekomme nur eben oft mit, dass es anders läuft und diese Konflikte immer wieder auftauchen, obwohl es auf den ersten Blick recht leicht erscheint. Daher meine Gedanken dazu, dass es oft eben nicht nur am Frontmann, sondern auch vielleicht auch mal am Rest der Band liegt, dass ein Projekt nicht so richtig zum Abheben kommt.Lg, Chris

    Antwort auf #1 von bonedo Chris

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