Ein Kult-Synthesizer von 1989 kehrt als Plugin zurück. Mit dem Waldorf Microwave feierte die einst junge Schmiede aus der Eifel damals ihren ersten großen Erfolg. Waldorf bescherte der Techno- und Danceszene damit einen hybriden Synthesizer mit digitalen Wavetable-Oszillatoren und analogem Filter. Bekannte 90s-Acts wie Snap schätzten ihn für seine fetten und drückenden Bässe. Lange, modulierte Wavetable-Fahrten hat man eher weniger ausgereizt, der Microwave punktete mit seinem kantigen Sound eher als Analog-Synth.
Auffällig war damals auch das Produktdesign, das von Axel Hartmann stammte. Mit blauem Panel und roter Nase bediente es den Zeitgeist. Leider ist die glatte ästhetische Benutzeroberfläche des Rackgeräts nicht so zuträglich für das manuelle Soundfrickeln. Aber immerhin kann man sich bei diesem Vintage-Synth mit einem Hardware-Programmer (Access, Stereoping) behelfen. Für einen gebrauchten Microwave plus Programmer muss man inzwischen weit über 1.000 Euro hinblättern. Das ist eine Ansage.
Im Sommer 2024 überrascht uns Waldorf nun mit der Plugin-Emulation Waldorf Microwave 1. Die soll die komplette DNA des Rack-Synthesizers in die DAW überführen. Kann das Plugin in Look, Feeling und Sound genauso überzeugen oder braucht man immer noch die teure Original-Hardware?
Checkliste zum Kauf von XY
- Detailgetreue Emulation des Waldorf Microwave von 1989
- Wavetable-Synthese mit zwei Oszillatoren, Wavetable-Editor
- Acht Stimmen, achtfacher Multimode
- Tiefpass-Filter (Rev A und B) mit Kalibrierung
- Preset Browser mit über sieben Sets, Import von Klangdaten des Originals
- Control des Hardware-Microwave, Skalierbares Benutzer-Interface
DETAILS & PRAXIS
Waldorf Microwave 1: Wavetable
Waldorf achtet akribisch darauf, den Rack-Synthesizer der frühen 90er möglichst detailgetreu und ohne Extras nachzubilden. Man findet den besonderen Schaltkreis „Waldorf ASIC“, die Curtis-Filterchips, die 68k-CPU-basierte Controller-Software und auch den alten DA-Wandler wieder. Die interne Klangerzeugung arbeitet wie beim ASIC mit einer sehr hohen Samplerate von 250 kHz. Rolf Wöhrmann und Team setzten hier bewusst auf Purismus, den wir sehr positiv wahrnehmen.
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Die beiden Oszillatoren nutzen gemeinsam die originalen Wavetables des Microwave, für die PPG damals zuständig war. PPG-Gründer Wolfgang Palm war übrigens sogar selbst in die Entwicklung des Microwave involviert. Insgesamt hat man Zugriff auf 32 Factory Wavetables und 24 User-Wellensätze. Die Wavetables könnt ihr auch bearbeiten. Per Wave Editor erstellt man zum Beispiel User-Waves. Und natürlich fehlt bei der Nachbildung auch der originale Noise-Generator nicht. Kurzum: Der Hersteller hat die Oszillator-Sektion des Waldorf Microwave mit allen technischen Details emuliert. Sie versprüht reichlich Nostalgie, die man bei anderen aktuellen Wavetable-VSTs nicht zu spüren bekommt.
Waldorf Microwave 1: Filter, LFOs und Hüllkurven
Ein Tiefpassfilter dient zur Klangformung. Man wählt zwischen dem Filter der Revision A und der Revision B aus dem ersten Waldorf Microwave. Klanglich unterscheiden sie sich eher subtil voneinander. Darüber hinaus könnt ihr die acht Stimmen in Filter Cutoff und Resonanz individuell justieren. Mit dieser Filter-Kalibrierung kann man durchaus analoge Instabilität modellieren.
Neben zwei LFOs mit verschiedenen Wellenformen und Humanize-Parameter bietet der Waldorf Microwave 1 auch drei Hüllkurven. Filter- und Lautstärke-Hüllkurve sind nach dem klassischen ADSR-Modell aufgebaut. Die Wave Envelope umfasst hingegen acht Phasen, die sich modulieren lassen und Loopings erlauben. Überdies könnt ihr auch zahlreiche Modulationsverbindungen arrangieren. Der Waldorf Microwave 1 reagiert sensibel auf MIDI-Controller und ermöglicht nicht zuletzt auch speicherbare User Tunings.
Waldorf Microwave 1: Multimode und Extras
Die acht Stimmen des Waldorf Microwave 1 nutzt man entweder im Single- oder im Multimode. Die Multis können jeweils bis zu acht verschiedene Single-Sounds für Layer und Splits aufnehmen. Eine Reihe an Factory Multis demonstrieren die klanglichen Möglichkeiten. Einige schöne Entwürfe sind zwar dabei, aber realistisch gesehen geht man innerhalb der DAW heute andere Wege – indem man zum Beispiel auf ein Host-Plugin wie PluginGuru Unify zurückgreift und so viel einfacher imposante Layer-Sounds mit dem Waldorf Microwave 1 erstellt.
Waldorf Microwave 1: Bedienung
Den Waldorf Microwave 1 zu bedienen, macht Spaß: Das skalierbare GUI ist sehr klar strukturiert und gut lesbar. Wer die originale Hardware kennt, wird in puncto Handling positiv überrascht sein. Praktischerweise hat Waldorf das Plugin gleichzeitig auch zur Echtzeitsteuerung des Hardware-Synthesizers vorgesehen. Im Single-Mode kann man die Sounds des Waldorf Microwave 1 bearbeiten. Dafür verbindet man ihn einfach per MIDI mit dem Computer. Selbst für stolze Besitzer des 35 Jahren alten Synths ist das Plugin also rentabel.
Waldorf Microwave 1: Sound
Genau wie sein Vorbild, das er klanglich wirklich authentisch vertritt, zeigt sich der Waldorf Microwave 1 als Charaktertyp. Man liebt ihn oder man hasst ihn. Rabiate Bass- und Sequenzerklänge sowie eine generelle, brachiale Härte liefert er garantiert. Mit seinen schnellen Hüllkurven kommt er direkt zur Sache und behauptet sich selbst in dichten Arrangements. Es gibt aber auch noch eine andere Seite des Waldorf Microwave. Hier erleben wir mystischen Klangschmutz, der sich aus Wavetable und Filter speist. So entstehen charaktervolle Flächen, Glocken oder animierte Soundcollagen.
Der virtuelle Waldorf Microwave ist mit dem originalen Factory Content und sieben weiteren Soundsets bestückt. Zusätzlich können Klangdaten (MIDI oder SysEx) importiert werden. Wer das Plugin zum ersten Mal anspielt, sollte direkt Soundset 5 anwählen – hier gibt’s nämlich viele gelungene Presets. Ansonsten sind die Sounds qualitativ eher durchwachsen und nicht immer am Puls der Zeit.
Mit 17 Klangbeispielen zeigen wir euch einen Soundquerschnitt. Da wir ehrliche Demos mögen, lassen wir zusätzliche Effekte außen vor. Mit Chorus, Delay und Reverb ist der eigentliche Sound des Waldorf Microwave 1 sicherlich noch eindrucksvoller zu hören.
Waldorf Microwave 1: Wünsche für die Zukunft
Von einem aktuellen Software-Synth erwartet man eigentlich interne Effekte und einen Arpeggiator oder Step-Sequenzer. Aus konzeptionellen Gründen verzichtet Waldorf darauf. Das bringt für die Praxis keine größeren Nachteile, weil man den Sound des Waldorf Microwave 1 mit den Effekt- und MIDI-FX-Plugins seiner Wahl in der DAW flexibel bearbeiten kann.
Was wir uns aber für die groove-orientierte Produktion wünschen, ist ein Tempo-Sync für LFOs und Hüllkurven. Waldorf hat bereits durchscheinen lassen, dass dieses Feature in einem kommenden Update nachgereicht werden soll. Übrigens könnte auch der Browser umfangreicher werden, sodass man die Presets markieren und nach Soundkategorien filtern könnte. Für Layer- und Split-Kreationen wünschen wir uns eine Multi-Out-Variante des Plugins.
Wir spekulieren einmal: Ein Multimode-Filter, das die klanglichen Möglichkeiten nochmals erweitern würde, dürfte vermutlich erst mit der Emulation des Waldorf Microwave 2 kommen. Wenn es nach uns geht, darf Waldorf gern noch weitere Synth-Klassiker aus den 90er Jahren als VST herausbringen.
FAZIT
Die Jagd nach einem gebrauchten Vintage-Microwave hat ein Ende. Mit diesem tollen Plugin darf man Waldorfs Kult-Synthesizer erstmals selbst nach Herzenslust programmieren und neue eigene Soundideen entwickeln. Den Preis für diese Software-Version bezahlt man zwar gern, auch wenn er im Vergleich zu anderen Klassikeremulationen etwas hoch angesetzt ist.
Insgesamt sind wir begeistert: Sound und Bedienung stimmen, die Zeitreise in die frühen 90er Jahre gelingt und bereitet nicht nur Vintage-Fans Freude. Das klangliche Eigenleben des Waldorf Microwave findet sich im Plugin deutlich wieder. Sobald Tempo-Sync für die LFOs kommt, vergeben wir gern die volle Punktzahl. Momentan liegen wir bei sehr guten 4,5 Sternen und freuen uns auf Updates beziehungsweise kommende Software-News von Waldorf.
Features
- Detailgetreue Emulation des Waldorf Microwave von 1989
- Waldorf-ASIC-Chip, 250 kHz Abtastrate
- Acht Stimmen, achtfacher Multimode
- Zwei Wavetable-Oszillatoren, Wavetable-Editor für User Waves
- Tiefpassfilter (Rev A und B), individuell kalibrierbar
- Jeweils eine Hüllkurve für Lautstärke, Wavetable und Filter, zwei LFOs
- Große Sound Library mit Single- und Multi-Presets
- Import von MIDI- und SysEx-Daten des originalen Microwave
- Skalierbares GUI
- Systemvoraussetzungen: Ab Windows 17, Ab MacOS 10.14, Online-Aktivierung
- VST2, VST3, AU, AAX, NKS
- WEBSITE: waldorfmusic.com/de/microwave/
- PREIS: 115 Euro (Straßenpreis am 3.September 2024)
- Authentischer Microwave-Sound
- Nostalgische Charme der Oszillatoren
- Sehr gute Bedienung, solide Preset Library
- Hardware Control, Waveform Editor
- Filter-Kalibrierung, Daten-Import
- Kein Tempo-Sync