Nicht viele Keyboarder können es mit der Coolness und Attitüde eines Rock-Gitarristen aufnehmen. Bei Derek Sherinian ist das anders: Er hat sich in der Live- und Studioszene in den USA einen Namen als Rock-Keyboarder gemacht. Egal ob mit Billy Idol, Alice Cooper, Kiss oder Dream Theater – Derek hat schon mit unzähligen Rockgrößen auf der Bühne gestanden. Sein gitarrenähnliches Spiel, die schreiende Orgel und unverwechselbare Synthesizer-Sounds zeichnen ihn aus.
In der Welt des Progressive Rock ist Derek Sherinian spätestens seit seiner Zeit bei Dream Theater zu einer Keyboarder-Ikone geworden. Neben zahlreichen Soloalben hat er dabei immer als Team-Player in Bands gespielt, zuletzt in der Formation Black Country Communion mit Joe Bonamassa oder etwa seiner neuen Band Sons Of Apollo, mit welcher er – zusammen mit seinem Ex-Dream Theater Kollegen Mike Portnoy – wiederholt in der Prog-Rock-Welt für Aufsehen sorgt. Eine Woche vor dem Release des Albums „Psychotic Symphony“ habe ich Derek in seinem Studio in Burbank besucht.
bonedo: Hi Derek, schön dass Du Zeit gefunden hast für unsere Gear-Chat-Rubrik. Du gehörst im Rockbereich zu den gefragtesten Studio- und Live-Keyboardern und hast mit dem Who Is Who der Rockgrößen auf der Bühne und im Studio gearbeitet. Neben der Band Planet X bist du auch erfolgreich als Solokünstler unterwegs und hast zahlreiche Soloalben unter deinem Namen veröffentlicht. Wie bist Du zur Musik gekommen und wie hat sich dein weiterer Werdegang abgezeichnet?
Derek Sherinian: Das fing schon früh an! Meine Eltern hatten ein Klavier zu Hause und darauf habe ich mit fünf Jahren angefangen zu spielen. Ich hatte einen Lehrer, der mir klassischen Klavierunterricht gab. Allerdings hatte dieser schnell gemerkt, dass ich kein klassischer Pianist werden wollte. Ich habe mir immer schon viel über das Gehör angeeignet. Zusammen mit meinem Lehrer habe ich mich dann um Gehörbildung gekümmert, was mir bis heute sehr viel gebracht hat. Ich hatte außerdem immer schon ein Faible für Rockmusik und habe als Jugendlicher in verschiedenen Bands gespielt. Mit 16 habe ich dann an einem Kurzprogramm am Berklee College Of Music in Boston teilgenommen. Kurz darauf habe ich ein volles Stipendium bekommen. Für mich war dann klar, wo es langging. Ich habe die High School ein Jahr früher abgeschlossen und bin nach Boston gezogen.
bonedo: Mit 16 Jahren schon in Berklee – Respekt! Das muss ziemlich aufregend gewesen sein. Wie hast Du dich damals gefühlt?
Derek Sherinian: Das war natürlich aufregend. Für mich war es das erste Mal, dass ich wirklich weg von zu Hause war. Aber ich hatte mich schon vollkommen auf Berklee eingestellt. Durch meinen Lehrer hatte ich außerdem eine gute musikalische Basis, denn ich hatte mich neben dem Klavierspiel auch schon viel mit Theorie beschäftigt. Es war für mich sozusagen kein „Kaltstart“ mehr. Im Übrigen habe ich in Berklee dann nur zwei Jahre lang studiert, habe danach das College verlassen und bin wieder nach Kalifornien zurückgekehrt.
bonedo: Was war dein erster großer Auftritt und wie kam er zustande?
Derek Sherinian: Mein erster großer Gig war mit Alice Cooper, das war 1989. Mein Kollege Al Pitrelli, damals mein Mitbewohner in Boston und bis heute mein bester Freund, hat mir dazu verholfen. Er wurde damals der musikalischer Leiter von Alice Coopers Band und hatte mir dazu geraten, mich bei einer Audition als Keyboarder vorzustellen. Das habe ich dann gemacht und den Gig bekommen. Das hat mir damals sämtliche Türen geöffnet und war sozusagen der Start meiner Karriere überhaupt. Das war schon ziemlich überwältigend. Aus diesem Gig resultierte dann später auch mein Gig bei Kiss und ich durfte mit Gene (Simmons) und Paul (Stanley) arbeiten. Ich habe eine Menge tolle Erinnerungen an diese Zeit.
bonedo: Wie bist Du denn damals eigentlich Keyboarder von Dream Theater geworden?
Derek Sherinian: Das kam tatsächlich auch über Al Pitrelli, denn er kannte John Petrucci. Al hatte mich John empfohlen, weil Dream Theater gerade einen neuen Keyboarder suchten. Ich ging zu der Audition und war einer von drei Keyboardern, die dort vorspielten. Daran kannst Du sehen, wie schnell es geht und wie wichtig es ist, die richtigen Kontakte und Freundschaften im Business zu knüpfen. Die Audition war erfolgreich und so habe ich dann von 1994 bis 1999 bei Dream Theater gespielt.
bonedo: Einige deiner Solo-Alben gehören bis heute zu meinen Lieblingsplatten, darunter vor allem „Inertia“. Neben ein paar sehr interessanten Kompositionen hat diese Platte einen wahnsinnig guten Sound und auch tolle Gastmusiker. Aus meiner Sicht warst Du zusammen mit Simon Phillips, der alle Songs eingetrommelt hat, ein absolutes Dream-Team.
Derek Sherinian: Auch den Sound hat Simon Phillips gemacht [lacht]. Es gibt Menschen, die gute Ohren im technischen Sinne haben, oder eben im musikalischen Sinne. Simon hat beides – er ist ein genialer Musiker und toller Engineer. Ich bin nach dem Ausstieg aus Dream Theater zum ersten Mal als Solokünstler tätig geworden. Simon hat mir dabei geholfen und wir haben die ganze Platte zusammen produziert. Bei manchen Nummern hat er auch mitgeschrieben, z.B. bei bei der Titelnimmer „Inertia“. Er hatte ein Keyboard mit einem gitarrenähnlichen Lead-Sound und darauf hatte er die Idee für das Thema. Ich hatte zuerst nur ein paar Riffs und die Akkorde. Seine Herangehensweise hat meine Musik auf ein ganz neues Level gehoben. Und dann passierte es, dass er mir vorschlug: „Hey, wie wäre es, wenn Steve Lukather ein bisschen Gitarre spielt?“. Also hat er Steve Lukather eingeladen. Und plötzlich stand ich in diesem Raum mit diesen unfassbaren Musikern – hier Simon, da Steve. Das war eine wahnsinnig tolle Erfahrung!
bonedo: Auf welche Alben bist Du besonders stolz?
Derek Sherinian: Da gibt es eine Menge – natürlich bin ich auf die meisten meiner Alben, darunter auch die vielen Soloalben, stolz. Das letzte Album meiner Band „Black Country Communion“ („4“) finde ich zum Beispiel sehr gut. Und ganz besonders stolz bin ich auf meine neueste Band Sons Of Apollo. Unser Album „Psychotic Symphony“ ist am 20. Oktober 2017 erschienen.
bonedo: Ich habe Dich damals als Keyboarder zum ersten Mal auf dem Album „Falling Into Infinity“ (1997) mit Dream Theater wahrgenommen. Ich habe das Album damals einfach wegen des interessanten Covers gekauft, ohne zu wissen, welche Musik mich erwarten würde. Seitdem gehört es zu einer der wichtigsten Platten, die ich in meiner Jugend gehört habe und auch heute immer wieder auflege.
Derek Sherinian: Dieses Album ist glücklicherweise ein sehr bekanntes Dream Theater Album und die Fans mögen es bis heute. Es gibt einige schöne musikalische Momente und Songs, an die ich mich gerne erinnere. Da gibt es zum Beispiel das Intro des Songs „Lines In The Sand“ und die Nummer „Hell’s Kitchen“, die ich beigesteuert habe und welche für mich bis heute als Nummern herausstechen.
bonedo: Du bist in vielen Projekten Gründungsmitglied und von Anfang an auch aktiv als Songschreiber involviert. War das schon immer so?
Derek Sherinian: Das war in vielen Bands so. Bei Dream Theater bin ich zur „Awake“-Tour eingestiegen und dort habe ich natürlich erst einmal nur das Material von der letzten Platte gespielt. Nach der Welt-Tournee haben wir dann aber auch zusammen geschrieben, z.B. bei dem Album „Falling Into Infinity“. In diesem Zuge war ich dann in den kompletten Bandprozess eingebunden. Bei „Black Country Communion“ waren es hauptsächlich Glen Turner und Joe Bonamassa, die geschrieben haben, aber Jason Bonham und ich haben bei einigen Nummern Ideen und Material beigesteuert. Bei Sons Of Apollo bin ich heute der primäre Songschreiber und habe u.a. eine ziemliche lange Nummer, unseren Album-Opener, schon im Vorfeld komponiert. Das war die erste Idee dieser Band überhaupt und Mike Portnoy, dem ich den ersten Entwurf davon geschickt hatte, war sofort begeistert. Er rief mich dann an und meinte: „Der Song muss so, wie er ist, direkt auf die Platte.“
bonedo: Bei Sons Of Apollo spielen neben Mike Portnoy auch Billie Sheehan, Bumblefoot und Jeff Scott Soto mit. Wie ist diese „Supergroup“ entstanden?
Derek Sherinian: Mike Portnoy und ich kennen uns ja seit Dream Theater. Wir hatten schon länger vor, wieder zusammenzuarbeiten und haben dies auch schon in diversen Projekten gemacht. Allerdings wollte ich eine „Supergroup“ auf die Beine stellen und unsere Idee endlich in die Tat umsetzen. Unser letztes gemeinsames Dream Theater Album ist jetzt tatsächlich schon 20 Jahre her! Alle Musiker aus Sons Of Apollo kommen aber aus unserem Umfeld. Billie Sheehan hatte z.B. eine Band mit Mike Portnoy, die Winery Dogs. Und Jeff Scott Soto kannte ich auch schon. Mike Portnoy brachte Ron „Bumblefoot“ Thal ins Spiel. Ich kannte ihn noch nicht und habe ihn dann tatsächlich erst bei den Aufnahmen im Studio kennengelernt. Wir haben uns auf Anhieb gut verstanden und es war fast so, als hätte ich einen längst verlorenen Bruder wiedergefunden. Wir haben alle sofort gut funktioniert und haben in kurzer Zeit – innerhalb von 10 Tagen – ein unglaubliches Album aufgenommen, auf das wir sehr stolz sind.
bonedo: Kommen wir zu deinem Equipment. Was benutzt Du bei Sons Of Apollo?
Derek Sherinian: Im Grunde betrachte ich das Ganze wie ein Maler, der mit Primärfarben arbeitet. Da wären meine Hammond B3, das Mellotron und ein paar Synthesizer. Meine Hammond und das Mellotron sind die ständigen Begleiter – sie sind auf dem kompletten Album zu hören. Für die Heavy-Riffs benutze ich den Nord Lead 3, um damit die Gitarre zu doppeln. Daneben gibt es ein paar Parts, bei denen ich auch das Rhodes und Wurlitzer benutze sowie meinen Korg Kronos. Aus dem Kronos hole ich meinen Signature Lead Sound, der über viele Jahre hinweg zu meinem Markenzeichen geworden ist. Auch auf diesem Album taucht er immer wieder auf. Daneben benutze ich aber auch viele Vintage Synthesizer, darunter vor allem den Moog Memorymoog, den Sequential Prophet-5 und den Oberheim OB-8.
bonedo: Du spielst einen sehr verzerrten, rockigen Orgelsound. Benutzt du bestimmte Bodentreter dafür?
Derek Sherinian: Meine Orgel nehme ich meistens so auf, wie man es typischerweise kennt. Die Effekte kommen im Studio dann meistens erst nachträglich hinzu. Für den rockigen Sound, den Du ansprichst, habe ich aber eine modifizierte Orgel. Es gibt da diesen „Tower“, den ich schon bei einigen Gitarristen gesehen habe – er heißt Schaffer Replica Tower. Mittlerweile gibt es ihn auch als Bodentreter. Ich habe diesen Tower entdeckt und finde ihn großartig. Deshalb habe ich ihn in meine Orgel so einbauen lassen, dass ich die Regler auf der Oberseite der Orgel bedienen kann.
bonedo: Benutzt Du ein Leslie auf der Bühne?
Derek Sherinian: Ja, das muss einfach sein. Es gibt inzwischen gute Hammond-Emulationen, aber man muss auf jeden Fall ein richtiges Leslie benutzen für einen guten Sound. Weißt Du – gutes Spielen ist ein absolutes Muss. Viele Keyboarder unterschätzen aber den Sound. Er ist mindestens genauso wichtig. Aus meiner Sicht gibt es viele Keyboarder, die ihren Sound vernachlässigen. Ich bin in dieser Hinsicht ein Perfektionist und schraube ständig daran. Im Übrigen habe ich auch mein Leslie hier im Studio leicht modifiziert. Ich benutze auch hier externe Marshall Amps. Damit die Lautsprecher den „Strom“ aushalten, habe ich sie ausgetauscht. Gerade benutze ich einen Vintage JBL LE15 Speaker sowie einen Vintage JBL 2482 Horn-Treiber. Ich musste das Leslie sozusagen etwas aufrüsten, sonst hätte ich die Lautsprecher damit „durchgeschossen“.
bonedo: Du hast eben den Nord Lead 3 erwähnt, den du für Heavy-Riffs benutzt. Wie genau sieht dein Setup hier aus?
Derek Sherinian: Der Nord Lead 3 gehört mit zu den Synths, die ich am längsten besitze. Ich habe ihn 1999 von Nord bekommen und er gehört zu meinen absoluten Lieblingsinstrumenten. Ich habe ein paar fette Synth-Sounds in meinem Nord, die ich durch diverse Effekte schicke. Da wäre an erster Stelle das Solo Dallas Stormpedal. Das ist die Pedalversion des eben erwähnten Schaffer Replica Towers. Außerdem habe ich einen Eddie Van Halen EVH 5150 Overdrive von MXR und manchmal benutze ich sogar beide Verzerrungen gleichzeitig. Daneben habe ich hier noch einen MXR EVH Flanger, ein TC Electronic Delay und ein Voodoo Lab Pedalpower für die Stromversorgung. Eine weitere Besonderheit kommt dann ganz zum Schluss: Ich schicke das Signal durch einen Custom Marshall Plexi Replica, der hier im Valley hergestellt wird.
Für dich ausgesucht
bonedo: Auch beim Rhodes benutzt Du einige interessante Effekte. Was hast Du hier am Start?
Derek Sherinian: Für das Rhodes benutze ich ein Zakk Wylde MXR Overdrive Pedal. Zakk hat es mir damals für eine Session meines Soloalbums mitgegeben und seitdem benutze ich es. Ich glaube, es ist eine ältere Version. Die Zerre kommt bei mir im Signalpfad übrigens immer zuerst. Danach setze ich gerne den Boss Chorus CE-2 ein – er gehört schon zu den legendären Effekten und ist für mich wie ein Vintage-Chorus. Anschließend folgt noch ein TC Electronic Hall Of Fame Reverb sowie ein MXR Phase 90 Re-Issue.
bonedo: Bei Dream Theater hast du mich damals wegen deines Lead-Sounds „Monster Lead“ begeistert. Heute noch ist dieser Sound dein Markenzeichen. Wie ist dieser unnachahmliche, gitarrenähnliche Sound entstanden? Gibt es diesen Sound auch heute noch auf deinem Kronos?
Derek Sherinian: Ja, den Sound gibt es auch heute noch. Ich habe ihn damals zusammen mit Jack Hotop von Korg entwickelt. Ich bin schon sehr lange Korg-Endorser und wir haben diesen Sound dann auf der Korg Trinity Workstation nach meinen Vorstellungen entwickelt und „getweakt“. Der Grundsound war auf der Trinity sogar als Patch zu finden, wir haben ihn Monster Lead genannt. Allerdings habe ich meinen persönlichen Leadsound davon abgewandelt und über die Jahre immer wieder modifiziert. Ich hätte damals nie gedacht, dass der Monster Lead so beliebt unter den Keyboardern ist. Ich habe schon einige Videos von Bands im Internet gefunden, in denen der Sound zum Einsatz kam. Es gab auch eine Zeit lang die Möglichkeit, in den Korg Triton Extreme eine M-Card (M.O.S.S.) als Sounderweiterung einzubauen. Diese Karte habe ich lange benutzt um meinem Sound eine Art weiteren „Layer“ zu geben, mit einem ziemlich krassen Filter-Sweep.
bonedo: Danke für den Gear-Talk, Derek!