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Al Di Meola im Interview zu “Twentyfour”

Ende Juli feierte Meister-Gitarrist Al Di Meola seinen 70. Geburtstag. Fast zeitgleich veröffentlichte der mit einer Münchnerin verheiratete Musiker sein neues, von der Corona-Pandemie geprägtes Album „Twentyfour“ – auf dem er erneut seine virtuose Extraklasse unter Beweis stellt. Ein typisches Al-Di-Meola-Album ist das über 80 Minuten dauernde Werk indes nicht, wie er uns im Interview verriet. Weitere Themen des launigen Plausches waren seine geradezu manische Leidenschaft für das Gitarrenspiel, seine gesundheitlichen Probleme, seine Liebe zu München und sein privates Glück.

Al Di Meola Interview Twentyfour Album
Credits: Shutterstock / salajean

bonedo: Dein neues Album „Twentyfour“ ist während der Pandemie entstanden. Dabei klingt es ganz und gar nicht nach Isolation oder Frust, sondern ganz im Gegenteil: Es finden sich viele geradezu euphorische Momente auf dem Album. Wie kommt das?

Al Di Meola: Das hat einen einfachen Grund: Sobald ich mit dem Schreiben von Musik beginne, bin ich in einem anderen Gemütszustand. So war das auch bei „Twentyfour“. Das Songwriting hat mich von den damals kursierenden schlechten Nachrichten und der schlimmen Zeit weggebracht – in eine bessere, in eine heile Welt. Covid war beängstigend, aber die Musik war meine Zuflucht. Wie sich herausstellte, waren wir ja länger, als anfangs gedacht, mit Corona beschäftigt und so konnte ich – wie alle anderen Acts – für lange Zeit nicht auf Tour gehen. So eine lange Tour-Pause hatte ich jedenfalls noch nie in meinem gesamten Musikerleben. Aber ich habe das Beste daraus gemacht und ganz viel Musik geschrieben.

Die Pandemie hatte auch ihre guten Seiten …

Kann man so sagen. Jedenfalls hat diese Zwangspause dazu geführt, dass ich meine Kompositionen weiterentwickelt habe, dass meine Musik ein bisschen tiefer als sonst geht. Ich bin mir sicher, dass mein Songwriting von Corona profitiert hat.

Der Sound des Albums ist warm, er erinnert manchmal an die 70er-Jahre. War das von Anfang an so geplant?

Nein, gar nicht. Ursprünglich sollte es ohnehin eine Soloplatte werden – nur mit einer Akustik-Gitarre mit Nylonsaiten. Als Covid aufkam, hatte ich viel mehr Zeit und „Twentyfour“ wurde immer größer und größer. Einige Titel blieben aber Solo-Stücke, bei denen ich nur noch etwas Percussion ergänzte. Andere wiederum habe ich aufwändig arrangiert und auch E-Gitarre gespielt. Für drei Stücke bin ich dazu extra nach Italien geflogen, um ein Sinfonieorchester aufzunehmen.

Hast Du viele verschiedene Gitarren benutzt?

Nein, hauptsächlich die Al Di Meola-Signature-Gitarre von Felipe Conde, eine Cutaway. Sie hat einen erstaunlich klaren, warmen Klang, überhaupt nicht dröhnend. Ich habe die Gitarre mit zwei Mikrofonen aus nächster Nähe aufgenommen, außerdem habe ich einen Pickup am Steg. Als Amp habe ich einen kleinen AER-Verstärker verwendet, den habe ich auch abgenommen, er klingt unglaublich toll. Mit diesem Equipment habe ich hauptsächlich gearbeitet. Bei ein paar Tracks habe ich mal wieder meine gute, alte, schwarze 71er Les Paul benutzt, die Gitarre, mit der ich damals bei Chick Corea einstieg und die ich auf meinen ersten Alben gespielt habe. Seit 1978 habe ich sie nicht mehr benutzt. Das war schon irgendwie emotional für mich. Ansonsten habe ich die meisten Percussion-Parts gespielt, Bass und auch Keyboards.

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Welches andere Instrument – neben der Gitarre – spielst Du am liebsten?

Ganz klar: Percussion. Ich würde sagen, dass ich Percussion so gut wie Gitarre spiele, vielleicht sogar noch besser. Bei den Aufnahmen hatte ich genaue Vorstellungen, wie der Groove sein soll. Wenn ich das einem Percussionisten – auch einem Top-Player – hätte beibringen müssen, hätte das wahrscheinlich ewig gedauert. Aber das ist auch logisch, da ich meine Musik am besten kenne und so weiß, wo was gespielt werden muss.

So beeindruckend Deine vielfältigen musikalischen Fähigkeiten sind – hat Dir nicht die Interaktion mit anderen Musikern gefehlt?

Hm, vielleicht. Aber diese Frage hat sich ja wegen Covid nicht gestellt. Aber ich weiß, was du meinst. Klar, wenn sich gute Musiker gegenseitig befruchten, kommt etwas Großartiges heraus. Das habe ich schon sehr oft erlebt, das kann magisch sein.

Auf „Twentyfour“ finden sich viele verschiedene Stilrichtungen: Fusion, Flamenco, Weltmusik, Jazz, klassische Elemente. Wenn es noch Plattenläden gäbe – in welcher Rubrik müsste ich nach dem Album suchen?

Gute Frage. Aber auch eine schwere Frage (er überlegt eine Weile). Vielleicht unter dem Label „zeitgenössische Instrumentalstücke“ oder … (er überlegt nochmals) … vielleicht wäre „Zeitgenössischer Jazz“ am treffendsten – in Ermangelung einer besseren Kategorie. Das Album nimmt in meinem Backkatalog auf jeden Fall eine Sonderrolle ein. Wie gesagt, ich konnte mich wie noch nie auf das Writing konzentrieren. Mein Leben war auf einmal nicht von Kofferpacken, zum Flughafen hetzen, Shows spielen und Interviews geben geprägt, sondern von Ruhe. Das hat das Konzentrations-Niveau deutlich angehoben. Ich habe an nichts anderes gedacht als: interessante Musik zu schreiben. Musik, die wie Wasser fließt und die mich in eine positive Stimmung versetzen kann – trotz weltweiter Corona-Krise.

Da sieht man wieder, wie mächtig Musik ist …

Für mich war sie die reinste Therapie, da ich wirklich unter den Nachrichten gelitten habe. Musik kann ein Lebensretter sein.

Credits: Shutterstock / wjarek

Du zeigst auf dem Album wieder brillante Gitarrenarbeit. Übst Du eigentlich noch? Oder spielst Du einfach nur drauflos, um Dein extrem hohes Level zu halten?

Ich übe jeden Tag. Das hat eine beruhigende Wirkung auf mich, genau wie das Songwriting. Üben und Komponieren ist meine beste Therapie. Ich kann Dir aber nicht sagen, wie viel ich am Tag mit Musik beschäftigt bin. Mal sind es mehr, mal sind es weniger viele Stunden.

Wovon hängt das ab?

Immer, wenn ich das Gefühl habe, dass Stress aufkommt oder wenn ich schlechte Nachrichten höre, verspüre ich sofort den Drang, zur Gitarre zu laufen und zu spielen. Das bringt mich sofort wieder auf ein normales, auf ein gutes Level.

Was wäre für Dich das Leben ohne Gitarrespielen?

Es wäre gar kein Leben! Ehrlich gesagt, habe ich neulich darüber nachgedacht, wie es wäre, nicht mehr spielen zu können. Ich habe Probleme mit meiner Hand und hatte richtig Angst davor, nicht mehr spielen zu können. Ich habe mich gefragt, ob ich dann sogar selbstmordgefährdet wäre. Ich weiß, das klingt jetzt dramatisch, aber Gitarre spielen, Musik machen, ist das Einzige, was ich in meinem ganzen Leben gemacht habe – und ich liebe es. Heute genauso wie zu meinen Anfangstagen. Mindestens genauso!

Falls die Gitarre ausfallen sollte, wovon wir nicht ausgehen, käme ein anderes Instrument in Frage?

Man braucht ja zu jedem Instrument seine Hände. Nein, das wäre keine Lösung … Weißt du, man nimmt im Leben alles für selbstverständlich. Die Gesundheit, die Fähigkeit, Sport oder Musik zu machen. Doch es ist keine Selbstverständlichkeit. Das ist mir klar geworden. Alles kann sich ändern, von heute auf Morgen. Ich hatte vor nicht langer Zeit eine Operation an meinen Händen, da ich ein bisschen unter Arthritis leide. Das ist lästig. Sehr, sehr lästig sogar. Und es kann beeinträchtigend sein, zumal ich für meine technische Spielweise bekannt bin. Ich brauche also gut funktionierende Hände und Finger. Zum Glück ist mit der Operation alles gut gegangen.

Hast Du Dir Deine Hände versichern lassen? Sie sind schließlich Dein Kapital …

Das bin ich schon öfters gefragt worden. Ja, richtig, sie sind mein Kapital. Ich habe sie bisher aber noch nicht versichern lassen, denke aber darüber ernsthaft nach. Vermutlich ist das aber ein ziemlich teurer Spaß.

Du bist mit einer Münchnerin verheiratet und deshalb oft in Bayerns Hauptstadt. Wie gefällt es Dir da?

Es ist ein großes Dorf. Ein großes, malerisches, schönes Dorf. Sicher, es ist eine Millionenstadt, aber sie strahlt nicht unbedingt das Gefühl einer Metropole aus. München hat eine eigene Ästhetik, alle Menschen sehen auf ihre Art gut aus. Das finde ich wichtig. Ganz anders verhält es sich in New York, da sind viele Geschäfte geschlossen und zwei von drei Menschen, die dir begegnen, geht es offensichtlich nicht sehr gut.

Könntest Du Dir vorstellen, in München zu leben?

Unbedingt! Es ist ein friedlicher Ort, ich liebe den Englischen Garten, das Bier, alles. München hat mich schon als 20-Jähriger fasziniert, als ich das erste Mal hier aufgetreten bin. Ich war sofort Fan der Stadt und habe danach alle freien Tourtage, wenn möglich, da verbracht.

Deine Wurzeln liegen aber in Italien. Was ist italienisch an Dir?

Alles. Ich lebe und atme Italien. Schließlich waren meine beiden Elternteile Italiener, ich bin also mit italienischen Traditionen aufgewachsen. Ich liebe den Lifestyle, die Mode, das Essen, einfach alles. Im Sommer spiele ich jedes Jahr Konzerte auf Capri, diese Shows gehören zu meinen Lieblings-Auftritten.

Du hattest im letzten Jahr gesundheitliche Probleme, einen Herzinfarkt auf der Bühne in Bulgarien. Hat diese Erfahrung Deine Einstellung zum Leben verändert?

So etwas vergisst man nicht, es hinterlässt Spuren. Man kann sich ja nicht sicher sein, dass so etwas nicht wieder passiert, das macht einem schon Angst. Andererseits lernt man das Leben noch mehr zu schätzen. Wenn man es schafft, sich nicht zu sehr zu ängstigen und den Blick auf das zu lenken, was man hat, dann zieht man etwas Positives aus der Sache. Das genau versuche ich.

Am 22. Juli bist Du 70 Jahre alt geworden. Flößt Dir die Zahl Respekt ein?

Ehrlich gesagt, schon etwas. Man weiß, dass der Weg, der vor einem liegt, viel, viel kürzer ist als der Weg, den man schon hinter sich gebracht hat. Aber: So ist das Leben …

Andererseits siehst Du glatt 20 Jahre jünger aus. Wie machst Du das?

Nun, meine Frau ist etwa halb so alt wie ich und ich habe eine achtjährige Tochter. Das ist die größte Freude in meinem Leben. Sie inspirieren mich. Ich hatte schon andere Beziehungen, aber noch nicht so eine. Meine Frau ist voll in meine Karriere eingebunden und wir sind dazu beste Freunde, verstehen uns unglaublich gut. Sie ist ausgeglichen, das erleichtert ganz viel. Jedenfalls haben wir als Paar nicht die typischen Probleme, die ich von anderen Beziehungen her kenne – vor allem mit amerikanischen Frauen. Oder besser gesagt, mit unsicheren Frauen. Wenn du da ein falsches Wort sagst, hast du drei Tage lang Ärger. Das alles bleibt mir zum Glück erspart.

Deine Tochter Ava scheint auch eine Quelle der Inspiration für Dich zu sein. Auf dem Album gibt es das Stück „Ava’s Dance In The Moonlight“, was hat es damit auf sich?

Das war ein schöner Moment: Ich habe gerade mit der Arbeit an „Twentyfour“ begonnen und saß abends in meinem Studio, als Ava hereinkam, um mir gute Nacht zu sagen. Ihr hat die Melodie, die ich da gerade gespielt habe, offenbar so gut gefallen, dass sie zu Tanzen begann – Ballet-artig, da wir uns zu der Zeit ein paar Mal Tschaikowskis Nussknacker-Suite mit den Ballerinas angeschaut haben. Ich sah sie, wie sie eine Pirouette dreht, was mich sofort zu dieser speziellen Melodie inspirierte. Da war nichts durchdacht, nichts geplant, sondern eine spontane Reaktion. Ich dachte mir, wow, das ist richtig gut. Also habe ich den harmonischen Verlauf notiert: die vorwärts gerichtete arpeggierte Sequenz und die Melodie. Das war die Basis für den Song, den ich dann mit einem Orchester zu etwas richtig Großem gemacht habe. Ganz klar, „Ava’s Dance In The Moonlight“ ist eine meiner liebsten Kompositionen überhaupt.

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