Welches Becken passt zu meiner Musik und Spielweise?

Dieser Beitrag soll eine Grundlage über die Entwicklung von Schlagzeugbecken und ihrer verschiedenen Metallverbindungen vom Altertum bis heute geben. Nach einer historischen Einführung und Vorstellung der wichtigen Hersteller beschäftigt sich der zweite Teil dann mit den klanglichen Eigenschaften von Becken sowie den verschiedenen Legierungen mit ihren Vor- und Nachteilen.

Alle Fotos: Christoph Behm
Alle Fotos: Christoph Behm
Inhalte
  1. Teil I: Wo kommen Becken eigentlich her?
  2. Die B20-Bronzelegierung diente schon in der Frühzeit als Grundlage für Becken
  3. Die Gründerzeit (1880 bis 1920)
  4. Die schrillen 1920er Jahre
  5. Die Wirtschaftswunderjahre (Die 50er Jahre)
  6. Die Beat-Ära (Die 60er und 70er Jahre)
  7. Der große Split (Die 80er Jahre)
  8. Neue Wege (Die 1990er Jahre)
  9. Neuzeit (ab 2000)
  10. Teil II: Optische und klangliche Beurteilung eines Beckens
  11. Die einzelnen Beckenlegierungen und ihr Einfluss auf den Klang und die Musikrichtung
  12. FAZIT

Teil I: Wo kommen Becken eigentlich her?

Becken sind asiatischen Ursprungs und bereits auf assyrischen Denkmälern (2. Jahrtausend v. Chr.) nachzuweisen. Sie waren auch in Form gestimmter Bronzegongs Teil der indonesischen Gamelan-Musik. Nach der griechischen Vorstellung nahmen sie den Dämonen die Kraft, daher wurden sie bei den Trauerfeiern Verstorbener geschlagen. Abendländische Miniaturen zeigen sie bis ins 15. Jh. hinein; dann scheinen sie in Vergessenheit geraten zu sein, vermutlich, weil die Kunst, sie zu hämmern, verloren ging. 200 Jahre später tauchen sie erneut in der heutigen Türkei auf und hielten während der Türkenkriege mit ihrer Janitscharenmusik Einzug in hiesige Militärmusik. Bald darauf fanden sie auch in der klassischen Musik ihren Platz.

Im Real-Lexikon der Musikinstrumente von 1913 werden Becken, als „ein Schlaginstrument aus zwei gegeneinander zu schlagenden, gleich dünn gehämmerten, etwa 40 cm weiten, übrigens in allen Größen hergestellten konvexen Bronzetellern ohne bestimmte Tonhöhe, durch deren Buckel lederne Handgriffe gezogen sind“ definiert.  „Zu besonderen Effekten lässt man die Ränder leise aneinander klirren oder man schlägt das eine Becken mit einem Paukenschlägel. Die Kunstmusik macht einen sparsamen Gebrauch von diesem Instrument; aber in den Militärorchestern und den Kapellen niederen Ranges, die freilich das eine Becken auf der Großen Trommel befestigen und damit die Wirkung vergröbern, ist es unerlässlich geworden“.

Seitdem faszinieren handgefertigte Becken Schlagzeuger und Perkussionisten in Europa und „der neuen Welt“ mit ihren komplexen Klängen, reichen Obertönen und ihrem einzigartigen Charakter. Doch was macht sie so besonders? Der Ausgangspunkt eines jeden Beckens ist seine Legierung – die Metallmischung, die ihm seine grundlegenden Klangeigenschaften verleiht.

Katalog von Wilhelm Kruse, Markneukirchen: Materialknappheit im 1. Weltkrieg.
Katalog von Wilhelm Kruse, Markneukirchen: Materialknappheit im 1. Weltkrieg.

Die B20-Bronzelegierung diente schon in der Frühzeit als Grundlage für Becken

Die seit der Frühzeit verwendete Bronze, die sogenannte Glockenbronze (B20), enthält ca. 80% Kupfer und ca. 20% Zinn. Sie ist für ihre hervorragenden Klangeigenschaften berühmt, jedoch auch vergleichsweise aufwändig und nur mit schwerem und schweißtreibendem Körpereinsatz herzustellen. Auf einer Esse (eine offene Feuerstelle mit Abzug und zusätzlicher Luftzuführung) werden die Metalle geschmolzen und zu einzelnen Fladen gegossen. Da sich die Metalle mit ansteigendem Zinngehalt immer schlechter verbinden, müssen verschiedene Erhitzungs- und Abkühlungsphasen eingehalten werden. Nur so gelingt es, unter strikter Einhaltung von genauen Zeitfenstern, die Fladen zu flachen Rohlingen zu walzen und durch Hämmern in Form zu bringen. Kleine Abweichungen in diesem Prozess können zu Rissen während der Herstellung oder beim späteren Spielen führen.

Doch selbst bei strikter Einhaltung der Prozesse unterscheidet sich jedes einzelne Becken voneinander. Genauso unterscheiden sich die Hersteller durch eigene „Rezepturen“, beispielsweise durch Beimischung kleiner Mengen anderer Metalle wie Eisen oder sogar Silber. So spricht der bis dahin einzige türkische Beckenhersteller, die Firma K.  Zildjian, von einer geheimen Formel, die seit 1623 von Generation zu Generation weitergegeben wurde. 

Eine Anordnung von Gießpfannen, so wie sie bis heute in türkischen Beckenschmieden zu finden sind.
Eine Anordnung von Gießpfannen, so wie sie bis heute in türkischen Beckenschmieden zu finden sind.

Die Gründerzeit (1880 bis 1920)

Auch in Deutschland war um die Jahrhundertwende zum 20. Jahrhundert die Technik zur Herstellung von Becken aus Glockenbronze bekannt. Ein Markenname war „Krone“, preislich lagen diese Becken auf dem Niveau chinesischer Becken, was darauf schließen lässt, dass sie nicht mit den türkischen Becken, die mehr als doppelt so teuer waren, konkurrieren konnten. Der Großteil der B20-Becken wurde jedoch aus China und der Türkei importiert, wobei sich nur bedeutende Orchester Zildjian-ecken leisten konnten. Man konzentrierte sich stattdessen auf die Herstellung von Becken auf Grundlage von industriell gefertigten Blechen, vornehmlich Messing und Neusilber. Hierbei wird die Legierung zu einem großen Barren gegossen und heiß zu einem dünnen Blech gewalzt, aus dem die sogenannten Ronden gestanzt werden. Diese runden Bleche sind in sich deutlich homogener und unterscheiden sich so gut wie gar nicht voneinander. Sie werden in kaltem Zustand zum Becken geformt. Zunächst geschah dies ebenfalls durch Hämmern.

Ein Markenname, der in mehreren Katalogen dieser Zeit auftaucht, ist „Smyrna“. Neben dem noch heute verwendeten Messing und Neusilber wurden damals Becken auch aus dem sogenannten Kompositions-Metall hergestellt. Hierbei handelte es sich um eine Legierung aus 80 – 90% Zinn, 2 – 6% Kupfer, Antimon und Wismut, die auch zur Herstellung von Besteck und Kannen verwendet wurde. 

In China gibt es Hersteller mit einer fast 2000-jährigen Tradition

In China gab es eine größere Anzahl an Beckenschmieden, die bekannteste war die Firma Gaohontai in der Provinz Wuhan, die auf eine fast 2000-jährige Geschichte zurückblickt. Die Fabrik wurde in den 1960er Jahren in Wuhan umbenannt. Der Herstellungsprozess unterscheidet sich teilweise von der türkischen Art.

In Italien hatte die Werkstatt Agati-Tronci, Hersteller von Orgelpfeifen, damit begonnen, Becken nach dem türkischen Verfahren herzustellen. Eine Besonderheit dabei war, dass dort die flüssige Legierung mit Zentrifugalkraft in eine Grundform geschleudert wurde. Ein Verfahren, das unter dem Namen „Rotocast“ (zu Deutsch Schleuderguss) bis heute Anwendung findet.

Und in Sankt Petersburg hämmerte 1906 der aus Estland stammende Musiker Toomas Paiste die ersten Becken. Er hatte in der russischen Kaisergarde gedient und ging 1901 in den Ruhestand, um ein Musikgeschäft zu eröffnen. Der Erste Weltkrieg führe zu einem Stillstand der Entwicklung, da die für die Beckenfertigung benötigten Metalle für die Rüstung gebraucht wurden.

Ein Stapel Beckenrohlinge, schon mit gepresster Glocke und gebohrtem Mittelloch.
Ein Stapel Beckenrohlinge, schon mit gepresster Glocke und gebohrtem Mittelloch.

Die schrillen 1920er Jahre

Ein bedeutender Schritt war, dass Avedis Zildjian III. die Türkei verlassen hatte, sich in Boston/USA niederließ und dort ein Süßwarenunternehmen gründete. 1927 erhielt er einen Brief von seinem Onkel Aram, in dem ihm mitgeteilt wurde, dass er Erbe der geheimen Formel zur Beckenherstellung werden sollte. Im Jahr 1928 begann Avedis III mit der Herstellung von Becken in Quincy, Massachusetts. Da es jedoch weiterhin die Fabrikation für K. Zildjian in der Türkei gab, deren Vermarktungsrechte für die USA bei der Firma Gretsch lagen, nannte er seine Firma Avedis Zildjian Co. 

Zwischenzeitlich hatte sich die Musik stark gewandelt. Waren bisher ausschließlich Orchester und Marschbecken gefragt, so hatte sich das Schlagzeug zu einem kombinierten Instrument aus verschiedenen Trommeln und Becken, das mit Stöcken gespielt wurde, gewandelt. Neue Musikstile wie Swing und Jazz wurden sehr populär. Avedis III suchte Jazz-Schlagzeuger auf, um ihre Bedürfnisse der neuen Spieltechnik zu verstehen und setzte ihren Wunsch nach dünneren Becken schnell in die Tat um. Ab dieser Zeit begann man auch, die Becken nach ihren Aufgabenbereichen zu benennen. In Deutschland „Zisch- & Gongbecken” oder später auch „Abschlag- & Begleit- oder Arbeitsbecken”, zu den englischen Synonymen „Crash- & Ride-Becken“. 

Katalogauszug von Adolf Paeshold, ca. 1910
Katalogauszug von Adolf Paeshold, ca. 1910

Um mit dem schnell wachsenden Markt Schritt zu halten, begann man damit, für preislich günstigere Becken – ähnlich Pfannen und Töpfen – die Ronden nicht mehr zu hämmern, sondern auf einer rotierenden Scheibe mit hohem Druck in Form zu drücken. Das Nazi-Regime und der zweite Weltkrieg unterbrachen diese Entwicklung, jedenfalls in Europa. Erneut war Metall kriegswichtig und die neue Musik galt sowieso als entartet. 

Die Wirtschaftswunderjahre (Die 50er Jahre)

Die Familie Paiste hatte eine bewegte, von Flucht geprägte Geschichte hinter sich. Ihr Weg führte sie über Estland nach Polen und darauf nach Schleswig-Holstein, wo sich Michail M. Paiste eine Becken-und Gong-Fabrikation aufbaute. Seine Söhne Robert und Toomas suchten jedoch, beunruhigt durch den kalten Krieg, nach einem „sicheren Land“. Nachdem ihnen aufgrund ihrer russischen Herkunft ein Visum in die USA und Kanada verwehrt blieb, ließen sie sich – mehr zufällig – in Nottwil am Sempacher See in der Schweiz nieder. Ein absoluter Glücksgriff, wie sich später herausstellen sollte, denn im etwa 80km entfernten Dornach befand sich ein Walzwerk, das die Möglichkeit hatte, B20-Bronze im Bandgussverfahren herzustellen. Hieraus entwickelte Paiste seine „Formula 602“-Serie, die sie 1957 vorstellten. Da die im Bandguss hergestellte Bronze in sich homogener war als einzeln gegossene Ronden, sind sich die einzelnen Becken deutlich ähnlicher und auch weniger erdig, was einigen Musikstilen entgegenkam.

In Italien hatten sich die Familien Marradi-Benti, Zanchi & Biasei, Rosati Leopoldo and A. & B. Fratelli Tronci zu der Unione Fabbricanti Italiani Piatti (Union Italienischer Beckenhersteller), kurz UFIP zusammengeschlossen.

Ufip Cymbals aus Italien werden im sogenannten Rotocasting Verfahren gefertigt.
Ufip Cymbals aus Italien werden im sogenannten Rotocasting Verfahren gefertigt.

Mit Roland Meinl startete 1951 ein deutscher Hersteller als Ein-Mann-Betrieb

In Deutschland gründete Roland Meinl im Jahr 1951 Meinl Cymbals als Ein-Mann-Betrieb in seinem Keller und produzierte die beiden Beckenlinien Meteor aus Messing und Roman Mark aus Neusilber. Ein weiterer Produzent war die Firma Korn und Riedel bei München, die günstige, gedrückte Becken unter den Namen Korri, Estrella, Zymbor, Tyrko, Luna, Sultan und dem schönen Namen Schu-Schu-Türk herstellte.

In der DDR wurden in der zum volkseigenen Betrieb gemachten Trowa VEB (Trommelwaren) – die ehemalige Sonor-Fabrik – Becken maschinell gedrückt. Rodjian stellte handgehämmerte Becken in Handarbeit her.

In England gab es gedrückte Becken aus Neusilber unter den Namen Zyn und Krut (rückwärts gelesen Turk).

In Graslitz – heute Kraslice – in Tschechien, dem ehemaligen Zentrum des Musikinstrumentenbaus des 19. Jahrhunderts, gab es sowohl gehämmerte als auch gedrückte Becken des heute noch aktiven Blasinstrumenten-Herstellers Amati, später unter dem Namen Magic (bis 2005).

Katalog von Schuster, ca. 1910. Man beachte die Legierungen und Herkunftsorte.
Katalog von Schuster, ca. 1910. Man beachte die Legierungen und Herkunftsorte.

Die Beat-Ära (Die 60er und 70er Jahre)

Der Auftritt der Beatles mit Ringo Starr bescherte Zildjian weltweit volle Auftragsbücher. Sie waren damit beschäftigt, Produktionsprozesse zu automatisieren, und das bei möglichst gleichbleibender Qualität. Doch schnell wurden die Gitarrenverstärker größer und die Musik lauter. So wie in der Jazz-Ära Zildjian sich den Bedürfnissen der Schlagzeuger annahm, war es nun die Firma Paiste, die am Puls der Zeit war und nach einer Lösung suchte, Becken für diese neue Musik zu entwickeln. Ziel war ein weicherer Grundsound mit hellerem Oberton und besserer Haltbarkeit. Mit der industriell hergestellten Bronze aus 92% Kupfer und 8% Zinn gelang es ihnen ab 1965, professionelle Becken mit einem Frequenzspektrum zu entwickeln, das den Becken – im Vergleich zu den B20 Cymbals – mehr Durchsetzungskraft verlieh.  Aus der „Giant Beat“-Serie entstand zu Beginn der 1970er Jahre die legendäre 2002-Serie, die Schlagzeuger wie John Bonham, Ian Paice, Nick Mason und Cozy Powell, um nur wenige zu nennen, weltberühmt machten.

Roland Meinl entwickelte derweil eine Maschine, mit der man vollautomatisch Becken nach dem Drückverfahren in Sekundenschnelle herstellen konnte. Er war ab Mitte der 1960er Jahre einer der ersten, der japanische Schlagzeuge der Firmen Star (heute Tama) und Pearl importierte. Sein Ziel war es, nach Möglichkeit jedes dieser vergleichsweise günstigen Instrumente mit einem Satz seiner Becken zu verkaufen.

Prägten den Sound von Rockmusik nachhaltig: Paiste 2002 Becken.
Prägten den Sound von Rockmusik nachhaltig: Paiste 2002 Becken.

Der große Split (Die 80er Jahre)

Der Überlieferung nach durfte das Zildjian-Geheimnis nur auf einen männlichen Nachfolger übertragen werden. Die wenigen Male, in denen dieses nicht eingehalten wurde, resultierten in erbittertem Kampf und Spaltung. Avedis III weihte jedoch seine beiden Söhne Aram und Robert in das „Zildjian Secret“ ein. Nach dem enormen Erfolg hatte Zildjian 1968 ein zweites Werk, die Azco-Fabrik, in Meductic, New Brunswick, Kanada, eröffnet. Der Hintergrund war, dass man von Kanada aus aufgrund der Zollunion deutlich günstiger in die Commonwealth-Länder verkaufen konnte. Dort wurden neben günstigen, gedrückten Becken mit dem Namen Zilco auch bestimmte Avedis Zildjian-Modelle (Canadian A´s) hergestellt. Im gleichen Jahr gelang es, die ursprüngliche Zildjian-Fabrik in Istanbul sowie alle Markenrechte zurückzuerlangen.

Der Versuch, Mikhail und Kerope Zildjian in die USA zu bringen, schlug fehl

Ab Mitte der 1970er Jahre wurde die Zusammenarbeit mit dem türkischen Regime so schwierig, dass man beschloss, das türkische Werk zu schließen und die verbliebenen Familienmitglieder Mikhail und Kerope Zildjian nach Nordamerika zu holen. Da eine Einwanderung in die USA abgelehnt wurde, kamen sie in das kanadische Werk und begannen dort ab 1976 mit der Herstellung von handgehämmerten K Zildjian Becken. Diese „Canadian K´s“ gehören mittlerweile zu den meistgesuchten und teuersten Becken. Anfang 1977 wurde Armand Zildjian von seinem Vater zum Präsidenten der Avedis Zildjian Company ernannt. Es entbrannte ein Kampf zwischen ihm und seinem Bruder Robert über die zukünftige Ausrichtung des Unternehmens. Darauf trennte sich Robert Zildjian vom Unternehmen und begann 1981 in der kanadischen Azco-Fabrik mit der Herstellung von Sabian-Becken – benannt nach seinen drei Kindern Sally, Billy und Andy.

Erinnert ein wenig an Pizza: Blick in den Ofen eines türkischen Beckenherstellers.
Erinnert ein wenig an Pizza: Blick in den Ofen eines türkischen Beckenherstellers.

Zur gleichen Zeit begann ein ehemaliger Beckenschmied aus der Zildjian-Fabrik in Istanbul, Agop Tomurcuk, zusammen mit seinem Partner Mehmet Tamdeger unter dem Namen „Zilciler“ handgehämmerte Becken nach alter türkischer Tradition herzustellen. Die Becken unterschieden sich deutlich von den weitgehend maschinell in den USA hergestellten Becken und waren dazu auch günstiger im Preis. Kurz darauf wurde der Markenname in Istanbul geändert.

Nachdem in Deutschland die Firma Meinl 1976 ihre ersten semiprofessionellen King-Beat Becken aus B8 Bronze vorgestellt hatte, erweiterte sie das Sortiment um die Serien Laser, die komplett robotergehämmerte Profile-Serie und die für den Heavy-Drummer konzipierte Raker-Serie. 

Neue Wege (Die 1990er Jahre)

Aufgrund des steigenden Wettbewerbsdrucks in der Metallindustrie wurde die Produktionsanlage, auf der die im Bandgussverfahren hergestellte B20-Bronze gefertigt wurde, stillgelegt. Doch Robert Paiste und sein Team hatten sowieso etwas ganz anderes im Kopf und ließen die Formula 602-Serie sterben – jedenfalls vorübergehend. Er wollte eine völlig neue Bronze entwickeln, die alles bisher Dagewesene in den Schatten stellen sollte. Sie sollte die Vorzüge des Frequenzgangs professioneller B8-Serien mit der Ausgewogenheit von B20 verbinden, „best of both worlds“ quasi.

Das Resultat war die Paiste „Klangbronze“, welche aus 85% Kupfer und 15% Zinn bestand. Auch wenn sich in der Theorie bis zu 18% Zinn ohne die zweite Temperaturstufe zum Kupfer hinzufügen lässt, stand Paiste in der Praxis bald vor Problemen. Die erste Serie, die im Jahr 1989  in einem Walzwerk in Osteuropa entstand, krankte an Qualitätsproblemen, und erst als die Fertigung des Rohmaterials nach Süddeutschland verlegt wurde, konnten diese gelöst werden. Klanglich konnte diese Legierung zwar überzeugen, ein Nachteil war jedoch der gewaltige Materialverlust während der Herstellung und die daraus resultierenden hohen Kosten. Aus dem Material entstanden die Paiste-Serien Signature, Traditional und Dark Energy. Als Paiste´s Patent für die Legierungen B13 bis B18 erlosch, experimentierte Zildjian unter dem Namen Projekt 391 mit B15, verwarf es jedoch, vermutlich aufgrund der schlechten Kosten-Nutzen-Bilanz.

Istanbul Agop entstand als ein Zweig nach der Aufteilung von Istanbul Cymbals.
Istanbul Agop entstand als ein Zweig nach der Aufteilung von Istanbul Cymbals.

Im Jahr 1996 kam Agop Tomurcuk bei einem Unfall ums Leben, daraus resultierend wurde beschlossen, dass die Firma Istanbul zwischen Agops Söhnen Arman und Sarkis und Mehmet Tamdeger, der ein separates Unternehmen gründete, aufgeteilt wird.

Meinl stellte im Jahr 1990 die in Zusammenarbeit mit Billy Cobham entstandene, Tri-Tonal-Serie vor. Sie stellt Meinls erste professionelle Serie dar, auf deren Grundlage Ende des Jahrzehnts die „One of a Kind“-Linie entstand.

Neuzeit (ab 2000)

Ab dem neuen Jahrtausend gingen praktisch alle Hersteller dazu über, sich nicht mehr auf die Serien zu konzentrieren, für die sie bekannt waren, sondern vom einfach gedrückten Messing- bis zum handgehämmerten Becken alle Nischen zu bedienen. Und auch das Angebot an Legierungen wurde erneut erweitert.  

Die Firmen Meinl und etwas später auch Paiste kamen zu dem Schluss, dass handgehämmerte B20-Becken sich nur in der Türkei produzieren lassen und gingen daher Kooperationen mit türkischen Herstellern ein, die die fertig gehämmerten Becken in die jeweilige Fabrik lieferten, wo das Endfinish stattfand. Bekannte Serien sind Meinl MB20 und Byzance sowie Paiste Twenty und Masters. In der Hoffnung, größere Mengen an B20-Becken zu verkaufen, besannen sich Paiste mit der Formula 602 Reissue Serie und Meinl mit der M-Serie dann aber doch wieder auf das Bandguss-Verfahren zurück und kooperierten hierfür mit einem süddeutschen Metallwerk. Allerdings war der Zeitpunkt ungünstig, denn aufgrund der hohen Investition in eine zweite Temperaturstufe waren die Herstellungskosten enorm hoch. Die Erfolge der beiden Serien waren eher mäßig.

Großen Anteil am Erfolg von Meinl haben die in der Türkei hergestellten Byzance Cymbals.
Großen Anteil am Erfolg von Meinl haben die in der Türkei hergestellten Byzance Cymbals.

Nach dem Split von Istanbul schossen die türkischen Beckenhersteller wie Pilze aus dem Boden. Anatolian, Bosphorus und Masterwork bildeten den Anfang. Gut 20 Jahre später sind es über 30 Firmen.

Als neue Legierungen kamen B10 (Meinl MB10) und B12 (Zildjian ZHT und S-Family sowie Meinl Soundcaster und Pure Alloy) auf den Markt. Meinl verzichtet seit 2024 so gut wie vollständig auf die B8-Bronze.

Neben sehr günstigen chinesischen Becken, die von einem belgischen Großhändler vertrieben werden, nehmen Dream Cymbals, die zwar aus China stammen, jedoch in Kanada bearbeitet werden, eine Sonderstellung ein.

Zwei preisgünstige B20-Becken von Millenium, die in China gefertigt werden.
Zwei preisgünstige B20-Becken von Millenium, die in China gefertigt werden.

Teil II: Optische und klangliche Beurteilung eines Beckens

Obwohl das Becken in die Kategorie der sog. “Einklinger” (“Idiophon”) gehört, ist es doch um ein Vielfaches komplexer und birgt faszinierende Klänge in sich, sodass man sich ein Schlagzeug ohne Becken kaum vorzustellen vermag. Schauen wir uns im Folgenden erst einmal die optischen Unterscheidungsmerkmale an.

Optische Unterscheidungsmerkmale von Schlagzeugbecken

Farbe: Gelblich-grünlich = Messing / Brass (z.B. Meinl HCS, Paiste PST3, Sabian SBR) 

Silbern = Nickelsilber (z.B. Paiste 402) 

Rötlich = B8 (z.B. Paiste 2002, Sabian B8, Meinl Classics)

Hell-Gold = B20 (z.B. Zildjian K-Series, Sabian HHX, Meinl Byzance, türkische Hersteller)

Oberfläche: Braun/roh/nicht oder nur teils abgedreht (z.B. Zildjian Special Dry / Istanbul Turk)

Beliebt bei vielen Spielern sind Becken mit Hochglanzfinish, hier von Zildjian zu sehen.
Beliebt bei vielen Spielern sind Becken mit Hochglanzfinish, hier von Zildjian zu sehen.

Spiegelnd: Eine solche Oberfläche ist poliert, also sind die Poren des Metalls geschlossen und es können keine weiteren Verwirbelungen entstehen. Daher ist der Klang in der Regel sehr kontrolliert. Hat nicht zuletzt auch eine optische Komponente (z.B. Zildjian A-Custom, Paiste Signature Reflector)

Gewärmt:  Rötlich-gelblich-bräunlich-grünliche Verfärbung (z.B. UFIP Tiger oder Paiste RUDE) 

Bunt: Die Becken werden lackiert, was das Schwingungsverhalten beeinträchtigt (z.B. Paiste Colorsound 900 / Visions)

Form: Je flacher das Becken, desto tiefer der Grundton. Dasselbe Becken in stärker gewölbter Form erzeugt einen höheren Pitch (Grundton).

Gedrückte und maschinell gehämmerte Messingbecken sind gut an ihrer gelblichen Farbe erkennbar.
Gedrückte und maschinell gehämmerte Messingbecken sind gut an ihrer gelblichen Farbe erkennbar.

Welchen Einfluss hat die Größe des Beckens?

Größe: Bei manchen Herstellern stimmt die “Graduierung”, d.h. der Verlauf der Kuppe und Fläche im Verhältnis zur Größe, relativ genau. Daher passen auch die Tonhöhen mehr oder weniger perfekt zueinander. Da dies jedoch eine sehr akkurate und geplante Arbeitsweise voraussetzt, ist dies nur bei wenigen Herstellern der Fall. Vergleicht man z. B. ein Paiste Signature 16″ Fast Crash mit einem 18″, ist die nahezu perfekte Abstufung sehr gut zu hören. Bei vielen anderen Herstellern kann es gut sein, dass ein 16″ Crash einen tieferen Grundton als seine größeren Brüder hat.

Gewicht/Dicke: Ein einfacher Trick zum schnellen Erkennen des Gewichts eines Beckens ist, in das Centerhole zu schauen. Wenn da gute 2mm erkennbar sind (oder sogar mehr), dann weiß man, dass es sich um ein schwereres Becken handelt. Dies, im Verhältnis zur äußeren Randdicke, ergibt dann den Materialverlauf und somit die Steifheit oder Flexibilität des Beckens, welche den Grundton beeinflusst.

Die einzelnen Beckenlegierungen und ihr Einfluss auf den Klang und die Musikrichtung

Grundsätzlich sprechen wir hier von dem Klang der Becken in einem nicht mikrofonierten und unverstärkten Szenario. Es geht um die Belange von Drummern in einem semiprofessionellen Umfeld im eigenen Proberaum oder im Live-Club und nicht um Endorser, die ihre Becken vom Hersteller bekommen und deren Sound und Lautstärke über das Mischpult geregelt werden. Es geht hierbei auch nur um die Legierung als Ausgangspunkt und nicht um spezielle Bearbeitung durch bestimmte Hersteller.

Im Allgemeinen kann man sagen: Je geringer der Zinnanteil ist, desto weicher wird die Legierung, wobei auch das Frequenzspektrum schmaler wird. Mit steigendem Zinnanteil klingt das Becken ausgewogener in seinen Frequenzen und satter in den Mitten. Eine andere Faustregel könnte auch heißen: Je höher das Zinn-Kupfer-Verhältnis, desto teurer das Becken. 

Die wohl bekanntesten Zildjian B20-Modelle kommen aus der K-Series.
Die wohl bekanntesten Zildjian B20-Modelle kommen aus der K-Series.

B20-Legierung besticht durch reichhaltige und komplexere Obertöne

B20 besteht aus 80 % Kupfer und 20 % Zinn. Die Legierung besticht durch reichhaltige, komplexe Obertöne, einen breiten dynamischen Bereich mit ausgewogenen Frequenzen, ein hervorragendes Sustain und eine starke Projektion. Als Nachteil kann man sehen, dass durch das Herstellungsverfahren große Unterschiede zwischen einzelnen Becken des gleichen Typs bestehen können. Gerade Drummer mit mehreren Sets könnte das betreffen. Durch das kompliziertere Herstellungsverfahren sind Unregelmäßigkeiten, die später zu Rissen führen können, wahrscheinlicher als bei industriell gefertigten Legierungen. Grundsätzlich kommt der reiche Sound von B20-Becken eher bei moderater Spielweise voll zur Geltung. Bei lauter Gitarrenmusik (Rock, Punk, Heavy Metal) oder auch im Bereich Big Band / Blasorchester ist es möglich, dass man mit dem Frequenzgang einer Bronze mit niedrigerem Zinnanteil besser fährt.

Eine Sonderstellung nimmt die im Bandguss hergestellte B20 ein, wie sie bei Paiste’s Formula 602-Serie zum Einsatz kommt. Vielen Drummern fehlen bei ihr die dunklen und erdigen Töne. Sie klingt eher Hi-Fi-mäßig, ist jedoch auch sehr ausgewogen, wobei sich die einzelnen Becken aufgrund des Herstellungsverfahrens deutlich weniger voneinander unterscheiden als traditionell gefertigte B20-Becken.

Die Paiste Klangbronze B15 (85% Kupfer und 15% Zinn) ist der im Bandgussverfahren hergestellten B20 ähnlich und verbindet einen ausgewogenen Klang mit Brillanz in den hohen Frequenzen. Aufgrund des komplizierten Herstellungsverfahrens sind die Becken jedoch vergleichsweise teuer.

Ein Paiste Ridebecken aus der Signature Traditionals Serie, diese wird aus B15-Bronze hergestellt.
Ein Paiste Ridebecken aus der Signature Traditionals Serie, diese wird aus B15-Bronze hergestellt.

B8-Bronze kommt sowohl für preisgünstige als auch hochwertig klingende Becken zum Einsatz

B8-Bronze (92 % Kupfer, 8 % Zinn) klingt, isoliert angeschlagen, oft blechern, da die feurige Mitte fehlt. Daher sollte man die Becken immer in Verbindung mit einer Bassdrum anspielen. Ihre Musikalität entwickeln diese Becken im Kontext mittenbetonter Musik wie Rock oder Blasorchester, wo sie eine erstaunliche Lebendigkeit mit brillantem Ride entwickeln.

B10 und B12, ähnlich der B8-Bronze mit etwas mehr Ausgewogenheit.

Neusilber (47–64 % Kupfer, 10–25 % Nickel, 15–42 % Zink) hat einen hellen Klang und war bis in die 1980er Jahre aufgrund der sehr guten Verfügbarkeit des Grundmaterials weit verbreitet. Heute wird es fast ausschließlich für die Herstellung von Gongs verwendet. 

Messing (mindestens 50 % Kupfer und bis zu etwa 40 % Zink) hält sich nach wie vor im Einsteigerbereich, obwohl seine klanglichen Fähigkeiten eher begrenzt sind. 

FAZIT

Nie gab es eine so große Vielfalt an Becken wie heute, wodurch der Schlagzeuger die Qual der Wahl hat. Anders als bei Trommeln, bei denen es auch nach dem Kauf noch eine ganze Reihe an Möglichkeiten gibt, den Klang zu verändern, bleibt das Becken wie es ist. Nur weil ein Idol irgendwelche Becken spielt, heißt das noch lange nicht, dass sie für eure Zwecke geeignet sind. Und auch ein hoher Preis kein Garant dafür, dass das Becken wirklich zu euch passt. Drum prüfet gut, bevor ihr euch bindet. 

Die Suche nach den individuell passenden Becken macht Spaß, kann aber auch zeitintensiv sein.
Die Suche nach den individuell passenden Becken macht Spaß, kann aber auch zeitintensiv sein.
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