Wer hat das Schlagzeug erfunden? Die Geschichte des Drumsets

Vielerorts wurde im Jahr 2018 der 100. Geburtstag des Schlagzeugs gefeiert. Wie kommt es dazu?  Im Internet steht dazu zu lesen, dass im Jahr 1918 das erste komplette Schlagzeug durch die Ludwig & Ludwig Drum Company auf den Markt kam und eine musikalische Revolution auslöste. 

Die Geschichte der Trommel ist auch die Geschichte des Menschen. Gerne wird sie mit Afrika in Verbindung gebracht, aber es gibt kaum eine Kultur, in der die Trommel nicht in irgendeiner Form eine Rolle spielt. Sie war Kommunikationsmittel, gab den Schritt beim Marsch vor, war Kultobjekt oder wurde in verschiedenen Therapieformen verwendet.

Wer hat das Schlagzeug erfunden? (Foto: Marcel Brell)
Wer hat das Schlagzeug erfunden? (Foto: Marcel Brell)

Von der Marschtrommel zum Orchesterinstrument

Die Kleine Trommel lässt sich auf das mittelalterliche Tambour mit seinem aus Tierdarm gefertigten Schnarrsaiten zurückführen, das meistens als Begleitung einer Flöte geschlagen wurde. In der Militärmusik, über die Schulter gehängt, folgte der Trommler den Befehlen der Kompanieführer und gab mit trockenen, rudimentären Mustern einen Marschrhythmus für die Reihen der Soldaten vor. Da die Trommel, wenn man sie sich mit einem Gurt umhängte, nach rechts kippte, entwickelte sich eine Stockhaltung der linken Hand, die man als „Traditional Grip“ bezeichnet.  Etwa zur Mitte des 19. Jahrhunderts wurde die Kleine Trommel auch zunehmend in der Orchestermusik eingesetzt. Sie bestand aus einem Metall- oder Holzzylinder, dessen Naturfelle über Seile oder Gewindestangen mittels eines Holzreifens gespannt wurden. In Deutschland wurde sie als Rührtrommel, Paradetrommel, Marschtrommel oder Schnarrtrommel (vgl. Snare Drum) bezeichnet.

Die Basstrommel gelangte über die türkische Janitscharenmusik nach Mitteleuropa, wo sie Eingang in die Militärorchester und später auch in die Symphonieorchester fand. In der Militärmusik spielte sie eine wichtige Rolle und markierte gemeinsam mit den aus Asien stammenden Becken die Grundschläge. Auch sie wurde mit Gurten vor den Bauch gespannt und von der Seite mit einem oder zwei Schlägeln bedient. Ihre Maße orientierten sich an der Größe des Trägers – er musste beim Marschieren noch drüberschauen können – sowie seiner Schulterbreite, was heute in etwa 26“ x 14“ entspricht. Sie bestand aus einem einlagigen, dampfgebogenen Holzzylinder, zu dessen Verstärkung noch dünnere Reifen aus Hartholz eingepasst waren.

Deutscher Katalog um 1925.
Deutscher Katalog um 1925.

Die Erfindung des Schlagzeugs – ein umstrittenes Thema

Für das sogenannte kombinierte Schlagzeug, bestehend aus Bassdrum, Snare, Tom Toms und Becken, wird in etlichen Publikationen New Orleans im Jahr 1918 als Wiege genannt. Dies hat hauptsächlich damit zu tun, dass die meisten Arbeiten zu diesem Thema von Amerikanern verfasst wurden, die das Ganze aus ihrer Perspektive beleuchten. Allerdings gilt als gesichert, dass zeitgleich auf mehreren Kontinenten mit Apparaten experimentiert wurde, die das gleichzeitige Spielen mehrerer Trommeln von einer Person ermöglichten, und das lange vor 1918. Das erste Patent auf ein Bassdrum-Pedal wurde z.B. bereits 1887 erteilt – 31 Jahre vor dem „ersten Schlagzeug“. Aber sogar noch davor lassen sich Vorrichtungen finden, bei denen Große Trommel und Becken gleichzeitig mit einem Pedal bedient wurden. 

Und es ist ja auch naheliegend, dass, wenn einer der Mitmusiker verhindert war, dessen Rolle übernommen wurde.  Zu allererst, indem man einfach mit dem Fuß an die Große Trommel kickte oder sie mit Stöcken spielte – wie beim sogenannten „Double-Drumming“, das sich um 1900 etablierte. Die Kleine Trommel montierte man auf ein Stativ, um sie im Sitzen spielen zu können. Um dabei die gewohnte Stockhaltung beizubehalten, wurde sie in gekippter Position auf das Stativ montiert, was sich hartnäckig bis in die frühen 1960er Jahre hielt. Erst als die Schlagzeuge immer größer wurden und man mit dem Traditional Grip an seine Grenzen stieß, stieg der Großteil der Schlagzeuger auf den sogenannten „Matched Grip“ um.  

1918 erschien das erste „Jazz-Er-Up“ im Ludwig-Katalog

Bekanntermaßen hemmte der 1. Weltkrieg die musikalische und technische Entwicklung in Europa, doch 1918, im letzten Kriegsjahr, erschien die Abbildung eines Schlagzeugs, bestehend aus Bass Drum, Snare, einem Woodblock, einem an der Bass Drum befestigten Becken sowie einem hängenden China-Becken, unter dem Namen „Jazz-Er-Up“ im Ludwig-Katalog. Denn während Soldaten in Europa die Kriegstrommeln rührten, hatte sich auf der anderen Seite des Teiches ein neuer Musikstil, der westliche Musik mit afrikanischen und lateinamerikanischen Rhythmen zu einem lyrisch-improvisatorischen Dialog aus Call-and-Response verschmolz, gebildet – der Jazz. Diese neue Form gab dem Schlagzeuger deutlich mehr Freiheiten als zuvor und verlangte nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten. In diesem Kontext betrachtet, kann man durchaus vom ersten Schlagzeug der Neuzeit sprechen. 

Das Hi-Hat-Pedal war der entscheidende Entwicklungsschritt

Mit den Aufgaben des Schlagzeugers wuchs auch sein Instrument. Oft übernahm der Schlagzeuger die Untermalung beim Theater oder Stummfilm mit Hörnern, Pfeifen, Peitschen und verschiedenen anderen Effekten. Dazu entwickelte sich ein halbrundes Gestell, auf dem ein Tablett montiert war, auf welchem diese Effekte lagen. Es wurde auf Rollen über die Bass Drum geschoben – ein sogenanntes „Contraption-Tray“ (Gerüst mit Tablett), was kurz „Trap-Kit“ genannt wurde. In den 1920er Jahren entwickelte sich ein weiterer wichtiger Bestandteil des heutigen Schlagzeuges. Um zwei Becken aufeinander zu schlagen, erhielten diese ein Fußpedal, den sogenannten „Low Boy“. Ab etwa der Mitte des Jahrzehnts wurde die Befestigung der Becken so weit nach oben verlegt, dass sie sowohl getreten als auch mit dem Stock gespielt werden konnte. Im Englischen als Hi-Hat bezeichnet, wurde sie in Europa nach dem bekannten Hi-Hat-Pattern im Charleston, bis in die 1960er Jahre „Charleston-Maschine“ genannt.

Die Erfindung der Hi-Hat-Maschine war ein entscheidender Entwicklungsschritt. (Foto: Christoph Behm)
Die Erfindung der Hi-Hat-Maschine war ein entscheidender Entwicklungsschritt. (Foto: Christoph Behm)

Durch die Bigband-Musik entwickelte sich das Schlagzeug erneut in eine andere Richtung. Schlagzeuger begannen, die aus China stammenden Tom Toms in ihr Set zu integrieren. Auf diesen runden, flachen Holzkesseln waren die Felle, die oft mit gemalten chinesischen Szenen und Schriftzeichen verziert waren, mit Polsternägeln befestigt. Bald danach wurden sie ersetzt durch tiefere, industriell gefertigte Versionen mit beidseitig stimmbaren Fellen.

Deutschland spielte eine wichtige Rolle im Trommelbau…

Die vermutlich älteste heute noch aktive Trommelfabrik der Welt ist die 1860 gegründete Firma Lefima. Der Name steht für Leberecht Fischer aus Markneukirchen. Das Zentrum des deutschen Musikinstrumentenbaus lag bereits seit dem 17. Jahrhunderts in der Region um die Städte Markneukirchen, Erlbach, Klingenthal im sächsischen Vogtland, mit Schönbach (heute Luby) und Graslitz (heute Kraslice) auf böhmischer Seite, der sogenannte Musikwinkel. Hier entwickelte sich bereits früh eine erstaunlich hohe Spezialisierung auf einzelne Bauteile, die der Region großen Reichtum einbrachte. Um die Wende zum 20. Jahrhundert hatten die Instrumente aus den Dörfern des Vogtländischen Musikwinkels in einigen Branchen wie dem Akkordeonbau und der Saiteninstrumentenherstellung einen Weltmarktanteil von etwa 50 Prozent.

Von 1893 bis 1916 gab es in Markneukirchen sogar ein eigenes US-Konsulat. Zu dieser Zeit lebten dort nicht weniger als 15 Millionäre, wobei es nicht so sehr die Musikinstrumentenbauer waren, die zu Reichtum gelangten, sondern vielmehr die Kaufleute, die sogenannten „Fortschicker“ – eine Vorform der heutigen Online-Stores. Ein weiterer wichtiger, noch heute tätiger Hersteller war die 1875 gegründete Firma Sonor aus Weißenfels an der Saale in Sachsen-Anhalt.

Legendäre Marke und ältester Hersteller: Sonor startete 1875 mit der Produktion. (Foto: Marcel Brell)(Foto: Marcel Brell)
Legendäre Marke und ältester Hersteller: Sonor startete 1875 mit der Produktion. (Foto: Marcel Brell)

… und auch die größten US-Hersteller haben deutsche Wurzeln

In den USA gründete 1883 der Deutsch-Immigrant Friedrich Gretsch in Brooklyn eine Trommelfabrik. Andere Hersteller waren die 1897 gegründete Firma Leedy, die 1909 von den aus Deutschland stammenden Brüdern Theobald und William F. Ludwig gegründete Firma Ludwig & Ludwig – nach dem frühen Tod von Theobald Ludwig durch die Spanische Grippe 1918 nur noch Ludwig – sowie die 1912 gegründete Firma Slingerland. Wie zuvor erwähnt, bestanden die Trommelkessel zunächst aus unter Dampf gebogenen Holzplanken. Ein vergleichsweise aufwändiges und fragiles Verfahren, das durch die 1918 von der Firma Gretsch entwickelten Kessel, bestehend aus dünnen Holzfurnieren, die der Maserung folgend über Kreuz zusammengeleimt wurden, vereinfacht wurde.

Das dazu verwendete Schichtholz sollte dafür biegsam und gut zu bearbeiten sein. Durch die Nähe zu Kanada, mit seinen großen Vorkommen an Ahornholz, wurde dies schnell zum Standard im amerikanischen Trommelbau. In Europa war dies in Deutschland Buche und in England Skandinavische Birke. Andere Hölzer waren afrikanisches Mahagoni oder Pappel, wobei es die Hersteller zu der Zeit nicht so genau nahmen – verarbeitet wurde, was gerade zu bekommen war. 

Bereits in den 1930er Jahren war die Herstellung von Trommeln auf einem erstaunlich hohen Niveau. Dresdner Apparatebau aus Deutschland sowie die Slingerland Radio King, Ludwig Black Beauty oder Leedy Broadway Snares aus den USA gelten heute noch als Meilensteine des Trommelbaus und finden nach wie vor Verwendung, sofern man eine dieser Raritäten ergattern kann. Mit Rogers gesellte sich ein weiterer wichtiger Hersteller dazu. Diese schnelle Entwicklung wurde durch die Weltwirtschaftskrise gegen Ende der 1930er Jahre und den 2. Weltkrieg zunächst gestoppt. 

Gussspannreifen und Jasper Shells sorgten für die Legendenbildung zu "That Great Gretsch Sound". (Foto: Marcel Brell)
Gussspannreifen und Jasper Shells sorgten für die Legendenbildung zu “That Great Gretsch Sound”. (Foto: Marcel Brell)

Mit der Erfindung des synthetischen Trommelfells begann eine neue Ära

Als wichtigste neue Erfindung nach dem Krieg ist sicherlich das Trommelfell aus Polyesterfolie zu nennen – siehe auch:

Schlagzeugfelle aus Kunststoff - Wer hat’s erfunden?  Artikelbild
Schlagzeugfelle aus Kunststoff – Wer hat’s erfunden? 

Trommelfelle, die unempfindlich gegenüber Feuchtigkeit und Temperaturunterschieden sind – was heute normal ist, war für viele Drummer, die auf Naturfellen spielten, ein lang gehegter Traum. Hier beleuchten wir die Erfindung des Trommelfells aus Kunststoff.

24.09.2024
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Das Schlagzeugfell aus Kunststoff ebnete den Weg für völlig neue Musikstile und Spielweisen. Dies führte aber auch zu neuen Zusammenstellungen der Schlagzeuge. Während schon seit den 1940er Jahren Jazz-Schlagzeuger zu kleineren Trommeln, die höher gestimmt eine melodischere Einheit bildeten, tendierten, wuchs das Schlagzeug durch die Rockmusik, sowohl bezüglich der Größe der Trommeln als auch deren Anzahl. So sah man in der Blütezeit Drumsets mit zwei Bass Drums und bis zu zehn Toms. Dabei wurden – jedenfalls zeitweise – die Trommeln ihrer stimmbaren Resonanzfelle wieder beraubt. Diese Varianten trugen den Namen „Concert Toms“.

Naturfelle, hier bei Slingerland, waren vor der Erfindung der Kunststoff-Felle Standard. (Foto: Marcel Brell)
Naturfelle, hier bei Slingerland, waren vor der Erfindung der Kunststoff-Felle Standard. (Foto: Marcel Brell)

Neben Sonor, die sich nach der Teilung Deutschlands in Bad Berleburg niedergelassen hatten, sowie Lefima, nun im Bayrischen Cham, gab es die avantgardistischen Trixon Drums aus Hamburg, Deri (später Rimmel) aus Kempten im Allgäu und Tromsa aus Königstädten, heute ein Ortsteil von Rüsselsheim in Hessen. Weitere wichtige europäische Hersteller waren Premier aus England, Asba aus Frankreich und Hollywood aus Italien. Doch waren die amerikanischen Drumsets bei uns das Höchste der Gefühle, seit dem Auftritt der Beatles in der Ed Sullivan Show 1964 allen voran Schlagzeuge des Herstellers Ludwig. Zu den bereits erwähnten Firmen gesellte sich ab 1961 Camco Drums, wobei Leedy in etwa zur gleichen Zeit vom Markt verschwand.

Die Konkurrenz aus Asien krempelte den Markt gehörig um

Doch diese Idylle wurde mit dem Ankommen der Hersteller aus Fernost getrübt. Durch günstigere Preise für Rohstoffe, billigere Löhne und rationalere Arbeitsweisen konnten sie ihre Instrumente deutlich günstiger anbieten als ihre westlichen Konkurrenten. Die Schlagzeugkessel bauten sie zunächst vornehmlich aus Lauan, einem zu den Shorea-Gewächsen zählenden Hartholz, welches im Bootsbau ab den 1930er Jahren Bekanntheit erlangte. Obwohl nicht botanisch verwandt, ist seine Dichte und Kornstruktur dem „echten“ Mahagoni sehr ähnlich. Daher wird es als „Philippinisches Mahagoni“ bezeichnet – ein Begriff, der heute gerne als abwertender Sammelbegriff für alle asiatischen Hölzer verwendet wird. Lauan ist vergleichsweise leicht und typischerweise dunkelrot oder violett-braun mit geringem natürlichem Glanz. Es ist günstig im Preis und lässt sich leicht bearbeiten, wobei die Schnittkanten durch die groben, unregelmäßig zerstreuten Poren und seine rissige Oberfläche oft kein sauberes Bild ergeben.

Sets mit preisgünstigem Luan-Holz aus Südostasien waren eine Alternative für alle Trommler, die sich die teuren Markenschlagzeuge von Sonor, Gretsch, Ludwig und Co. nicht leisten konnten. (Foto: Marcel Brell)
Sets mit preisgünstigem Luan-Holz aus Südostasien waren eine Alternative für alle Trommler, die sich die teuren Markenschlagzeuge von Sonor, Gretsch, Ludwig und Co. nicht leisten konnten.(Foto: Marcel Brell)

Während seitens der asiatischen Hersteller zunächst amerikanische und europäische Modelle kopiert wurden, begann ab spätestens Ende der 1970er Jahre eine rasante Neuentwicklung in allen Bereichen. Besonders ihr offenes Ohr für die Wünsche und Bedürfnisse von Schlagzeugern führte zu einem schnellen Wechsel an die Spitze des Weltmarktes. Begünstigt wurde dies durch den Umstand, dass viele westliche Familienunternehmen aufgaben oder ihre Betriebe an Großkonzerne verkauften und dadurch schnell von ihrer Marktposition verdrängt wurden. Dazu gehörten neben fast allen deutschen Herstellern auch Slingerland und Rogers. Stattdessen setzte Yamaha mit dem YD-9000 und Tama mit dem Superstar neue Maßstäbe im Trommelbau. Und auch die Hardware – die Achillessehne der amerikanischen Hersteller – wurde nun deutlich besser, flexibler und günstiger. 

Hatten die Trommeln seit der Antike ein ähnliches Verhältnis zwischen Durchmesser und Tiefe, so etablierte sich ab Beginn der 1980er Jahre der Trend zu tieferen Trommeln. Für die Bass Drum durchaus sinnvoll, denn wie der „Traditional Grip“ noch lange Bestand hatte, behielt auch die Große Trommel über 100 Jahre lang die Tiefe von 14“ (der Schulterbreite des Trägers), obwohl sie längst auf dem Boden stand und jede Tiefe hätten haben dürfen. Doch gerade Toms ab 13“ x 13“ waren durch ihre Länge kaum noch spielbar und klangtechnisch zweifelhaft. Zwar brachte die größere Tiefe auch mehr Volumen, was jedoch mit größerer Trägheit und damit höherem Kraftaufwand beim Spielen zu Buche schlug. Heute hat sich das Trommelmaß wieder weitgehend auf die traditionellen Maße zurück entwickelt.

Waren bis in die 90er-Jahre Standard: hängende Toms statt Standtoms. (Foto: Christoph Behm)
Waren bis in die 90er-Jahre Standard: hängende Toms statt Standtoms. (Foto: Christoph Behm)

Doch auch beim Schlagzeug begann Marketing eine immer wichtigere Rolle zu spielen, wodurch sich eine Spirale aus immer mehr Schlagzeug für weniger Geld entwickelte. Seit man ab den 1990er Jahren begonnen hatte, Schlagzeuge maschinell zu lackieren, wurden sie immer schöner und besser ausgestattet. Um dieser Entwicklung standzuhalten, wurden die Produktionsstandorte zunächst nach Taiwan, dann nach China verlegt.

Welches ist das beste Holz?

Nachdem die Trommeln wieder kürzer und die Setups kleiner wurden, mussten neue Anreize gefunden werden, um den bereits jetzt schon gut gefüllten Markt in Bewegung zu setzen – die Holzart. Hatte man bisher kein so großes Augenmerk darauf gelegt, spielte dieser Aspekt spätestens ab Mitte der 1990er Jahre eine überragende Rolle. Der erste Hersteller, der einen reinen Ahornkessel ohne andere Füllhölzer in seiner Werbung anpries, war Rogers. Aus Versehen, wie sich später herausstellte, denn die Formel sollte eigentlich geheim bleiben. Ein wichtiger Protagonist dieser Entwicklung zum Kessel aus nur einer Holzart war die aus der Firma Camco entstandene Firma Drum Workshop – kurz DW. 

Wie wichtig dabei das Marketing ist, zeigt die heiß diskutierte Frage, ob nun Ahorn oder Birke besser für den Trommelbau geeignet ist. Da die US-Hersteller traditionell kanadischen Ahorn verwendeten, sagte man dem Holz einen warmen und vollen Ton nach. Das Yamaha YD-9000 hingegen wurde aus Birke gefertigt. Da dieses Schlagzeug von vielen Studiodrummern der Neuzeit verwendet wurde, entstand die Mär von einem besseren Attack des Birkenkessels, der im Studio von Vorteil wäre und dem Schlagzeug den Namen „Recording Custom“ einbrachte.

Buchenholz ist besonders bei deutschen Herstellern wie Sonor ein beliebtes Klangholz. (Foto: Marcel Brell)
Buchenholz ist besonders bei deutschen Herstellern wie Sonor ein beliebtes Klangholz. (Foto: Marcel Brell)

Im Gegensatz hierzu steht die Aussage des Instituts für Forstwissenschaften der Universität Freiburg, dass die physikalischen Eigenschaften von Ahorn und Birke zu ähnlich wären, als dass das menschliche Ohr sie unterscheiden könne. Zumal auch Ursprung des Holzes, Güte- und Trocknungsgrad der Furniere sowie die Verarbeitung eine herausragende Rolle spielen. Und auch wenn botanisch durchaus eine Verwandtschaft zwischen einem kanadischen und einem chinesischen Ahorn besteht, haben beider Hölzer grundverschiedene physikalische Eigenschaften. Ahorn ist in dem Fall nicht gleich Ahorn.

Vorsicht vor Mogelpackungen!

Während noch bis in die 2000er Jahre Unter- und Mittelklasse-Drumsets aus preisgünstigem Pappelholz oder asiatischen Hölzern in Verbindung mit einer Außenlage eines hochwertigen Holzes für die Optik bestanden, ermöglichte die Verlagerung der Produktion nach China und der Zugang zu osteuropäischen Holzmärkten nun auch den Bau günstiger Drumsets aus 100% Birke bzw. Ahorn. Aber Vorsicht! Eine Trommel aus russischer Birke 3. Wahl klingt noch lange nicht wie ein Recording Custom und oft nicht mal besser als ein gut verarbeitetes Set aus Pappelholz. Zudem ist es für den Laien auch schwierig zu erkennen, was für ein Holz tatsächlich verwendet wird und ob womöglich ein paar Lagen minderwertiges Holz „reingemogelt“ wurden.

Der Silver Sealer von Gretsch. Innenlack wurde bei einigen Herstellern auch gern benutzt, um optisch nicht so schön anzusehende Holzlagen zu kaschieren. (Foto: Marcel Brell)
Der Silver Sealer von Gretsch. Innenlack wurde bei einigen Herstellern auch gern benutzt, um optisch nicht so schön anzusehende Holzlagen zu kaschieren. (Foto: Marcel Brell)

Custom Drums – der Trommelkessel als Gemischtwarenladen

Pearl ging mit seinem Masterworks sogar so weit, dass sich der Kunde den Kesselaufbau sowie die Holzarten selbst auswählen konnte. Doch der Erfolg blieb aus, da Kunden fürchteten, es könne ein teures Experiment werden, wenn das Resultat nicht dem entspricht, was man sich vorgestellt hat. Doch der Hersteller hatte einiges daraus gelernt. Nämlich, dass die angestrebte Klangcharakteristik zwischen einem 10“ Tom komplett unterschiedlich zu einer 22“ Bass Drum sein kann und man daher für einzelne Trommelgruppen verschiedene Holzformeln verwenden kann.

So sind bei der späteren Pearl Reference-Serie alle Toms 6-lagig, wobei lediglich das 12“ Tom aus 100% Ahorn gefertigt ist. Beim 8“ und 10“ sowie den Snares kommt Birke hinzu. Die 8-lagigen Floor Toms und Bass Drums kombinieren Ahorn mit afrikanischem Mahagoni. Für maximales Resonanzverhalten haben alle Toms bis maximal 13“ Durchmesser schmale Auflageflächen, die im 45°-Winkel gefräst sind. Ab 14“ sind die Gratungen für mehr Fellkontakt und einen volleren Sound abgerundet. Ein interessantes Konzept, dass sich jedoch kaum für den Massenmarkt umsetzen lässt.

Kombinationen aus verschiedenen Hölzern waren ein weiterer Schritt in der Kesselfertigung

Nachdem so gut wie alle Schlagzeuge über Kessel aus nur einer Holzart verfügten, entdeckten Hersteller neue Kombinationen mit Hölzern wie Bubinga oder Walnuss. Aber auch schon lange im Trommelbau verwendete Hölzer, wie etwa das ehemals unter dem spöttischen Überbegriff „Philippinisches Mahagoni“ gezählte Kapur, erlebten eine Renaissance in der oberen Preisklasse. Heute hat jeder Hersteller eine ganze Batterie an verschiedenen Konfigurationen aus allen möglichen reinen und kombinierten Hölzern mit einer Reihe an exotischen Furnieren im Angebot, wobei der typische Klang einzelner Traditionshersteller einer gewissen Uniformität weichen musste. Dabei findet man heute durch die weitgehende Automatisierung der Herstellungsprozesse kaum ein Schlagzeug, das im bevorzugten, mittleren Stimmbereich nicht gut klingen würde.

Die bessere Trommel zeichnet sich daher eher dadurch aus, dass sie auch in extremen Stimmungen eine gute Performance liefert und auch von einem beim Stimmen nicht so Geübten problemlos dorthin gebracht werden kann. Dem Kunden bleibt die Qual der Wahl und der Wille dazu, etwas ganz Bestimmtes zu hören. Zu guter Letzt spielt auch noch eine gewisse Magie eine Rolle, das ist aber eine andere Geschichte.

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