Workshop Technics Turntable

Ohne die Technics Turntable SL-1210 und SL-1200, auch genannt „Twelvehundreds“ oder “Zwölfzehner” mit ihrem starken Motor, präzisem Pitchfader und unverwüstlichem Design hätte es womöglich niemals Scratch-DJs gegeben und auch die Mix-DJs der Techno-und House-Szene vertrauten komplett auf die 1210er, denn der Technics Turntable galt quasi als das Rückgrat der Techno- und House-Kultur. Doch welche Mix- und Performance-Techniken sollte man als Techno- oder House Vinyl-DJ kennen und können? In diesem Workshop erfahrt ihr es. Außerdem gibt euch mein Bonedo-Kollege Dirk Duske eine praktische Anleitung, wie ihr den Tonarm des Plattenspielers richtig einstellt.

Workshop Technics Turntable SL-1210 und SL-1200 MK7

Meine 1210er

Als in den späten 80er- und frühen 90er-Jahren die Technoszene aufblühte, brachten die DJs die Musik für ihr Set auf ca. 80 Schallplatten in einem Plattenkoffer mitsamt ihrem Kopfhörer mit und in der DJ-Booth warteten zwei Technics SL-1200 Mk2 (silber) oder SL-1210 Mk2 (schwarz) und ein DJ-Mixer von Rodec, Vestax, Dynacord oder einer anderen Marke. Aber es war das Selbstverständlichste der Welt, dass die Plattenspieler Technics 1200/1210er sein mussten. Sie waren das Standardwerkzeug der Szene. Und zwar weltweit. 

Plattenhüllen schräg gesteckt waren die Playlists des Vinyl-Zeitalters - DJ Mijk van Dijk in Mexico City, 2001
Plattenhüllen schräg gesteckt waren die Playlists des Vinyl-Zeitalters (Bild: DJ Mijk van Dijk in Mexico City, 2001)

Meine beiden schwarzen Technics SL-1210 Mk2 kaufte ich im Jahr 1992 zusammen mit einem Vestax PMC-15-Mixer. Als Student hatte ich natürlich nicht die ca. DM 600,- pro Plattenspieler auf dem Konto, hatte aber gerade bei der Plattenfirma MFS in Berlin gesignt. Die Jungs gaben mir einen Vorschuss auf zu erwartende Einnahmen meiner ersten dort veröffentlichten Platten und ich konnte meine DJ-Karriere starten. 

Und so übte ich in meiner kleinen Kreuzberger Wohnung tagaus, tagein. Beatmatchen, Backspins, Doubling und Scratchen, nahm Mixtapes auf und trieb meine Nachbarn in den Wahnsinn. Die 1210er und den Mixer habe ich übrigens immer noch und sie schnurren fast wie am ersten Tag. Einfach unkaputtbare Qualität.

Aktuelles Foto von einem meiner Technics SL-1210 Mk2 von 1992, mit Slipmat ebenfalls von 1992

Wir kennen alle die Scratch- und Cut-Routines aus der Hip-Hop-Community. Aber auch Techno-DJs hatten ein paar Tricks im Ärmel…

Beatmatchen mit dem Technics Turntable

Natürlich gehörte das Justieren der Geschwindigkeit zum Beatmatchen in der Zeit vor digitalen Playern und Sync-Buttons noch zum absolut notwendigen Handwerk aller DJs. Diese Fähigkeit wurde anscheinend erst obsolet, als Computersoftware und letztlich die digitalen Mediaplayer die Vorherrschaft übernahmen und die berühmt-berüchtigten Sync-Buttons mitbrachten. Aber nach wie vor lohnt es sich, manuell beatmatchen zu können, wenn einen das Beatgrid mal im Stich lässt.

Der Pitchfader dient nicht nur zur Einstellung der Geschwindigkeit, sondern auch zum peniblen Beatmatchen in the mix
Der Pitchfader dient nicht nur zur Einstellung der Geschwindigkeit, sondern auch zum peniblen Beatmatchen in the mix

Backspins und Doubling

Weitere Fertigkeiten waren kraftvolle Backspins als dramatisches Ende eines Mixes oder das Doubling. Hierbei werden zwei identische Platten gemeinsam gemixt, aber die zweite Platte läuft einen oder mehrere Beats später. Mit schnellen Crossfade-Cuts kann DJ dann virtuos mit den beiden Platten noch mehr Energie erzeugen. Dave Clarke setzt diesen Mixing-Style sehr gerne ein.

Ohne die stabilen Technics Plattenspieler hätte es DJ-Musik, wie wir sie heute kennen, wahrscheinlich niemals gegeben
Ohne die stabilen Technics Plattenspieler hätte es DJ-Musik, wie wir sie heute kennen, wahrscheinlich niemals gegeben

Der Upside-Down-Trick

Claude Young aus Detroit verblüffte gern mit seinem Upside-Down-Trick. Dafür setzte er eine Garnrolle auf den Plattenteller, fixierte das Mittelloch der dadurch erhöht platzierten Schallplatte mit einem Zigarettenfilter, verringerte das Gewicht des Tonarms, drehte ihn um 180° und setzte die Nadel an der Unterseite der Platte an, um einen coolen Reverse-Effekt zu erzielen. Mit zwei identischen Platten performt, ist das eine smarte Variante des Doubling-Tricks. Für Reverb.com demonstriert Claude dies wie gewohnt gut gelaunt und technisch höchst versiert.

Video: Claude Young’s Upside Down Record Trick

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Pitch +16 am Technics Turntable

Manchmal musste es aber auch einfach nur schneller sein und Pitch-Plus-8 waren nicht genug. Als mit Happy Hardcore und Gabber die BPM-Zahlen durch die Decke gingen, gab es DJs, die die Geschwindigkeit der Player von +8 auf +16 aufbohrten, indem sie den Plattenteller abhoben und die darunter liegende Justierschraube voll nach rechts drehten. 

Marusha hat vor vielen Jahren sogar einmal in der Zeitschrift BRAVO in einer Fotostrecke gezeigt, wie man das macht, zum Entsetzen aller Tontechniker, die danach die Turntables immer wieder auf plus/minus 8 justieren mussten. 

Auch im legendären Berliner E-Werk standen zwei Technics und ein Vestax-Mixer (DJ Mijk van Dijk im E-Werk Berlin, 1994)
Auch im legendären Berliner E-Werk standen zwei Technics und ein Vestax-Mixer

Slipmats fürs Mixen und Scratchen

Ein weiteres wichtiges Thema waren Slipmats. Die Technics Turntables wurden und werden nach wie vor mit dicken Gummimattem auf dem Plattenteller ausgeliefert. Leider völlig ungeeignet für DJs. 

Stattdessen wurden Matten aus dünnem Filz benutzt, die nur lose auf dem Metallplattenteller auflagen. Die Platten konnte mit den Fingern festgehalten werden, während sich der Plattenteller dank der schlüpfrigen Slipmat unter der Platte weiterdrehte, eine absolute Notwendigkeit fürs Mixen und Scratchen. 

Zuerst waren es zumeist Slipmats mit Werbeaufdrucken der Plattenspielerfirmen, aber schon bald entdeckten Labels und Promoter die Slipmat als hervorragende Promotion-Plattform. Sicher hat jeder Vinyl-DJ mehrere Slipmat-Sätze im Plattenregal und verbindet mit einigen ebenso schöne Erinnerungen wie mit einigen Lieblingsplatten.

Stanton Slipmat, aber definitiv kein Stanton Plattenspieler: Technics waren Pflicht

Schockschutz – Absorber, Tennisbälle und Betonplatten für Technics Turntable

Als es noch keine CDJs gab, wurde natürlich auch auf der Loveparade und anderen Paraden mit Technics aufgelegt. Aber nicht nur die Wagen bzw. Floats auf der Parade rütteln und schütteln, auch andere Bühnen sind nicht erschütterungsfrei. 

Schallplatten-Nadeln springen aber bekanntlich gern schon bei der kleinsten Erschütterung und klar, the beat must go on. Also gab und gibt es diverse kreative und kommerzielle Schockschutz-Methoden. Dazu gehören sowohl Turntables im gepolsterten Flightcase also freischwingend aufgehängte Flightcases mit gleich zwei Turntables und einem Mixer darin. 

Letzteres eine monströse Konstruktion, aber sehr effektiv, auch wenn es gewöhnungsbedürftig ist, dass das ganze DJ-Pult ständig vor und zurück schwingt. Auf Raves wurden die Technics gerne auf mehreren schweren Betonplatten platziert. Halbierte Tennisbälle oder aufblasbare Absorber waren ebenfalls beliebter Schockschutz für die Turntables.

Experimentelles

Dass das „spinning wheel“ der Technics Plattenspieler auch für Klangexperimente ohne Vinyl gut ist, zeigte auf der Superbooth 2023 Officina del Malista aus Italien.

Das Malista Turntable System ist ein Step-Sequencer auf einem rotierendem Turntable für bis zu sechs Sounds, mit völliger Freiheit im Grid.

Abspielgerät, aber anders: Officina del Malista aus Italien macht aus dem Technics einen Step-Sequencer

Tonarm am Technics Plattenspieler richtig einrichten

(von Dirk Duske)

Zunächst stellt ihr den Plattenspieler auf einer ebenen Unterlage ab. Dies könnt ihr mit einer sogenannten Libelle, einer Wasserwaage speziell für Plattenspieler, überprüfen. Sollte der Plattenspieler leicht schief stehen, gleicht die Neigung durch Aus- oder Eindrehen der Füße ein. 

Mit diesem Tool kontrolliere ich, ob der Plattenspieler ganz eben steht
Mit diesem Tool kontrolliere ich, ob der Plattenspieler ganz eben steht

Anschließend montiert den Tonabnehmer am SME-Verschluss des Tonarms. Dreht das Auflagegewicht so weit auf den Tonarm, bis dieser förmlich schwebt. Anschließend nullt ihr das Auflagegewicht, das heißt, die Null des Skalen-Kranz des Gewichts muss auf 12 Uhr stehen. 

Anschließend dreht ihr das Auflagegewicht im Uhrzeigersinn, bis ihr das vom Hersteller empfohlene Gewicht erreicht, bei vier Gramm erreicht das Gewicht allerdings wieder die Null. Leichter geht es mit einer Tonarmwaage, wo der montierte Tonabnehmer aufgelegt wird und ein Display das momentane Auflagegewicht anzeigt. 

Schneller geht das Einstellen des Auflagegewichts mit einer Tonarmwaage
Schneller geht das Einstellen des Auflagegewichts mit einer Tonarmwaage

Tonabnehmer im Concorde-Design sind hinsichtlich ihres Nadelüberhangs, des Abstands zwischen der Kante vom SME-Verschluss und der Nadelspitze mit 52 Millimeter Länge nur auf den S-förmigen Tonarm zugeschnitten. 

Wer einen „Unterdeck-Tonabnehmer“, der an eine Headshell angeschraubt wird, bevorzugt, der stellt den Nadelüberhang und den Winkel am besten mit einer Schablone ein. An den beiden eingekreisten Punkten muss die Nadel positioniert sein und die Vorderkante des Tonabnehmers in einer Linie zu dem skizzierten Raster verlaufen.

Schablone zum Einstellen des Nadelüberhangs
Eine Schablone zum Einstellen des Nadelüberhangs

Anschließend justiert das Antiskating, als Wert gilt: für DJ-Anwendungen zwischen null und die Hälfte des Auflagegewichts, beim Playback ist der Wert des Antiskatings gleich dem des Auflagegewichts. Die Höhe des Tonarms ist so einzustellen, dass der auf die Platte aufgelegte Tonarm parallel zur Platte liegt.

 Headshell-Tonabnehmer justiert
So muss der Headshell-Tonabnehmer justiert sein

Mein Resümee

Die Twelve-Hundreds waren und sind noch immer Kult. Auf zahllosen Flyern und T-Shirts wurden sie schon in den 90ern als Synonym für DJs und Techno gedruckt und auch in der Werbung sah man immer häufiger DJs, natürlich mit Technics Turntables, selbst in den 00er-Jahren, als immer mehr DJs mit Laptops und CDJs auflegten. Seit 2019 gibt es endlich wieder 1200er mit der MK-Nummer: der SL-1210 MK7 trägt das große Erbe der Zwölfzehner in die Zukunft weiter, denn nach wie vor können sich Musikliebhaber weltweit nicht der Magie der drehenden Schallplatte entziehen. Dazu gibt es nachstehend ein spezielles Feature.

Technics SL-1200 / SL-1210 versus Technics MK7 – Historie und Faktencheck

Technics – Website des Herstellers

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